03.07.2015 C: Sozialmedizin und Begutachtung Ramm: Beitrag C5-2015

Keine Anerkennung einer Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit bei einem Beamten – Anmerkung zu VG Koblenz, Urt. v. 28.11.2014, 5 K 437/14.KO

Die Autorin setzt sich in ihrem Beitrag mit dem Thema der Anerkennung einer Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit bei einem Beamten auseinander und bespricht dazu eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Koblenz von 28.11.2014. Im vorliegenden Fall wurde ein durch natürliche ultraviolette Strahlung entstandener Hautkrebs nicht als Berufskrankheit anerkannt.

Das Gericht wies darauf hin, eine Anerkennung sei nach dem Beamtenrecht, trotz wissenschaftlicher Begründung, anders als im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erst mit Aufnahme in die Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung möglich.

Die Autorin greift die beamtenrechtliche Unfallfürsorge auf und nimmt schließlich Bezug auf neue anerkannte Krankheiten in der Berufskrankheiten-Verordnung und im Besonderen die Berufskrankheit Nr. 5103 („Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“).

(Zitiervorschlag: Ramm: Keine Anerkennung einer Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit bei einem Beamten – Anmerkung zu VG Koblenz, Urt. v. 28.11.2014, 5 K 437/14.KO; Forum C, Beitrag C5-2015 unter www.reha-recht.de; 03.07.2015)


 

I.       Wesentliche Aussage der Entscheidung

Die Anerkennung eines durch natürliche ultraviolette Strahlung entstandenen Hautkrebses ist nach dem Beamtenrecht, trotz wissenschaftlicher Begründung, anders als im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erst mit Aufnahme in die Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung möglich.

II.    Der Fall

Der Kläger war bis 2012 als Beamter im vermessungstechnischen Außendienst tätig und begehrte die Anerkennung seiner Hautkrebs-Erkrankung als Berufskrankheit.

Eine Frühform des hellen Hautkrebses wurde im März 2005 beim Kläger diagnostiziert. Dies teilte er der Beklagten Ende Mai 2013 mit. Ursächlich sei hierfür, nach Auffassung des Klägers, der langjährige beruflich bedingte Kontakt mit natürlicher ultravioletter Strahlung (UV-Strahlung). Er beantragte die Anerkennung als Berufskrankheit.

Im Februar 2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit ab. Die Erkrankung des Klägers – ein durch natürliche UV-Strahlung entstandener Hautkrebs – sei nicht von der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfasst. Zudem habe der Kläger die Erkrankung nicht innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Jahren nach sicherer Diagnose gemeldet.

Der Kläger legte gegen die Ablehnung Widerspruch ein und machte eine Anerkennung seiner Erkrankung nach Nr. 2402[1] der Anlage 1 zur BKV geltend. Weiterhin legte er dar, dass er erstmals 2013 Erkenntnis darüber erlangt habe, dass es sich bei seiner Erkrankung möglicherweise um eine Berufskrankheit handele.

Der Widerspruch wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV gerade nicht natürliche UV-Strahlung umfasse und dass die Frist zur Meldung als Berufskrankheit überschritten wurde.

Am 8. Mai 2014 wurde Klage erhoben. Der Kläger verwies hierbei unter anderem auf die wissenschaftliche Begründung für die Berufskrankheit „Plattenepithelkarzinom[2] oder multiple aktinische Keratosen[3] der Haut durch natürliche UV-Strahlung“ aus 2013.

III.    Die Entscheidung

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Sowohl Bescheid als auch Widerspruchsbescheid sind laut Verwaltungsgericht (VG) Koblenz rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Erkrankung als Berufskrankheit oder auf Neubescheidung seines Antrages.

Laut § 42 Abs. 3 Satz 1 Landesbeamtenversorgungsgesetz Rheinland-Pfalz[4] (LBeamtVG) sind als Dienstunfälle auch Erkrankungen zu fassen, die in der Anlage 1 zur BKV in der jeweils gültigen Fassung benannt sind[5] und deren Gefahr der Beamte während seiner dienstlichen Verrichtung besonders ausgesetzt war.

Zum Entscheidungszeitpunkt war die Erkrankung des Klägers nicht als Berufskrankheit in der Anlage 1 zur BKV gelistet. Dass die Erkrankung des Klägers zum 1. Januar 2015 als Berufskrankheit Nr. 5103 „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“ in die Anlage 1 zur BKV neu aufgenommen wurde, ist im vorliegenden Fall für den Verfahrensverlauf nicht relevant, weil die Erkrankung bereits 2005 beim Kläger diagnostiziert wurde. Da die Krankheit bereits früher aufgetreten ist, komme eine Anerkennung bei Beamten nicht in Betracht. Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 9 Absatz [Abs.] 2 Sozialgesetzbuch [SGB] VII) können Krankheiten, die nicht in der Anlage 1 zur BKV enthalten sind „wie eine Berufskrankheit“ anerkannt werden, wenn eine entsprechende wissenschaftliche Begründung vorliegt. Im Beamtenrecht ist eine solche Regelung nicht vorgesehen – hier ist allein der Zeitpunkt für die Feststellung einer Berufskrankheit als Dienstunfall maßgeblich. Laut Gericht sei damit auch nicht der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel (Art.) 3 Abs. 3 Grundgesetz (GG) zwischen Beamten und Arbeitnehmern der freien Wirtschaft verletzt. Nach einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG[6]), ist es dem Gesetzgeber überlassen zu regeln, welche Verbesserungen des sozialversicherungsrechtlichen Unfallschutzes in das Beamtenrecht eingeführt werden.

Der Kläger könne sich aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Begründung auch nicht auf die Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV berufen. Auch die Auslegung der BKV führe zu keinem anderen Ergebnis; vielmehr weise die Schaffung einer neuen Berufskrankheit in der Anlage 1 zur BKV vielmehr darauf hin, dass Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung bisher gerade noch nicht von der Anlage 1 zur BKV erfasst wurde.

Auf eine weitere Vertiefung, ob die entsprechenden Meldefristen eingehalten wurden, komme es aufgrund obiger Ausführungen nicht mehr an. Eine Aufklärung dieses Sachverhalts müsse demzufolge nicht vorgenommen werden.

IV.    Würdigung/Kritik

Rein aus verfahrensrechtlicher Sicht ist die Entscheidung des VG Koblenz sachlich nachvollziehbar.

Das Urteil bietet dennoch im Weiteren Ansatzpunkte, um erstens, die beamtenrechtliche Unfallfürsorge aufzugreifen (1.) und zweitens insbesondere die neue Berufskrankheit Nr. 5103 näher zu beleuchten (2.).

1.      Beamtenrecht und Recht der gesetzlichen Unfallversicherung

Das Gericht führt in der Urteilsbegründung aus, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 3 GG zwischen Beamten und Arbeitnehmern nicht verletzt sei und beruft sich dabei auf einen Beschluss des BVerwG aus dem Jahr 1978. Ernst Plog und Alexander Wiedow weisen darauf hin, dass die beamtenrechtliche Unfallfürsorge grundsätzlich nicht mit der gesetzlichen Unfallversicherung verknüpft ist[7]. Demgemäß sei die Diskrepanz zwischen beamtenrechtlicher Unfallfürsorge und gesetzlicher Unfallversicherung hinnehmbar. Verschiedene Gerichtsentscheidungen bejahen zwar die Schlechterstellung von Beamten, sehen diese jedoch als gerechtfertigt an.[8] Das BVerwG sieht in einem Beschluss aus dem Jahr 2005 eine Schlechterstellung als gegeben an, ist aber wie im Urteil aus dem Jahr 1978 der Auffassung, dass es keinen Grundsatz gebe, dass Beamte dienstunfallrechtlich Arbeitnehmern gleichgestellt werden müssten und verweist auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.[9]

Festzustellen bleibt hierzu nur, dass eine Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit als Angestellter im Wirkungskreis der gesetzlichen Unfallversicherung unter Umständen möglich gewesen wäre.

2.      Die neue Berufskrankheit Nr. 5103

Seit dem 1. Januar 2015 ist die Anlage 1 zur BKV um vier neue Berufskrankheiten aufgrund wissenschaftlicher Empfehlungen des Ärztlichen Sachverständigenbeirats „Berufskrankheiten“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales erweitert worden.

Dabei handelt es sich um folgende, nun anerkannte Berufskrankheiten:

  • Larynxkarzinom[10] durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen (Berufskrankheit Nr. 1319)
  • Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel (Carpaltunnel-Syndrom) durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen (Berufskrankheit Nr. 2113)
  • Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung (Hypothenar-Hammer-Syndrom und Thenar-Hammer-Syndrom) (Berufskrankheit Nr. 2114)
  • Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung (Berufskrankheit Nr. 5103)

Die Berufskrankheit Nr. 5103 ergänzt die anerkannten Berufskrankheiten in der fünften Hauptgruppe – „Hautkrankheiten“. In der Urteilsbegründung des VG Koblenz wird darauf verwiesen, dass die Schaffung der neuen BK Nr. 5103 zeige, dass Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung bisher noch nicht von der Anlage 1 zur BKV erfasst war. Des Weiteren verweist die wissenschaftliche Begründung[11] für die Berufskrankheit darauf, dass sowohl im Recht der ehemaligen DDR als auch im Recht anderer Länder die Möglichkeit der Anerkennung von Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung bestand bzw. besteht.

In der Begründung zur dritten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung wird zur Berufskrankheit Nr. 5103 ausgeführt, dass in den ersten fünf Jahren circa 11.000 Anzeigen pro Jahr der Berufskrankheit erwartet werden und sich langfristig die Zahl der Anzeigen auf circa 2.500 jährlich stabilisieren werde. Die Begründung macht aber auch deutlich, dass die Prognose der potentiellen Fallzahlen mit Unsicherheiten behaftet ist und zur tatsächlichen Anzahl erst die nachfolgenden Jahre sichere Erkenntnisse liefern werden.

Insbesondere für die landwirtschaftliche Unfallversicherung wird die Berufskrankheit Nr. 5103 von Bedeutung sein, da die dort Versicherten insbesondere natürlicher UV-Strahlung ausgesetzt sind.           

Zu dem besonders gefährdeten Personenkreis zählen explizit Beschäftigte folgender Bereiche:

  • Land- und Forstwirtschaft,
  • Fischerei und Seefahrt,
  • Baugewerbe und Handwerk (z. B. Dachdecker, Zimmerleute, Bauarbeiter, Maurer, Stahlbauschlosser, Schweißer an Brücken)
  • Straßenarbeiter
  • Bademeister, Bergführer u. ä.

Besonders sind darüber hinaus Arbeiten im Ausland in südlichen Ländern zu berücksichtigen.

Die Begründung weist aber auch darauf hin, dass der tatsächliche Erfüllungsaufwand in der Praxis wohl geringer ausfallen wird, da die Berufskrankheit Nr. 5103 und die weiteren drei neu aufgenommenen Berufskrankheiten bereits als „Wie-Berufskrankheiten“ anerkannt sind und die gesetzlichen Unfallversicherungsträger daher bereits Verwaltungsverfahren nach § 9 Abs. 2 SGB VII über Entschädigungen durchführen – was hingegen nach dem Beamtenrecht bis zum 31. Dezember 2014 nicht möglich war.

Beitrag von Diana Ramm, M. A., Universität Kassel

Fußnoten:

[1]Erkrankungen durch ionisierende Strahlen. Ionisierende Strahlen: z. B. Röntgen- und Gammastrahlung.

[2] Bösartiger Tumor (Krebs), der von der Haut oder Schleimhaut ausgeht.

[3] Frühform von Hautkrebs; Hautveränderung, die sich zu einem Plattenepithelkarzinom entwickeln kann.

[4] Gültig seit 1. Juli 2013; vorher Beamtenversorgungsgesetz.

[5] Vgl. § 31 Abs. 3 Beamtenversorgungsgesetz: Erkrankt ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit, so gilt dies als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Die Erkrankung an einer solchen Krankheit gilt jedoch stets als Dienstunfall, wenn sie durch gesundheitsschädigende Verhältnisse verursacht worden ist, denen der Beamte am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthaltes im Ausland besonders ausgesetzt war. Die in Betracht kommenden Krankheiten bestimmt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung.

[6] BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 1978; Az. 6 B 57.77.

[7] Plog/Wiedow (2008): § 31 BBG In: Bundesbeamtengesetz. Kommentar, Luchterhand.

[8] Z. B. Bayerisches LSG, Urteil v. 20. März 2012 (AZ. L 3 U 92/11).

[9] BVerwG, Beschluss v. 27. Januar 2005 (BVerwG 2 C 7.04).

[10] Kehlkopfkrebs.

[11] Vgl. Gemeinsames Ministerialblatt 12. August 2013 Nr. 35 S. 671.


Stichwörter:

Krebserkrankung, Berufskrankheit, Anerkennung Berufskrankheit, Beamtenrecht, Unfallversicherung


Kommentare (1)

  1. Benno Schäfer
    Benno Schäfer 21.12.2017
    Gesetze werden novelliert. Im Beamtenrecht fehlt bisher eine entsprechende Übergangsregelung. Diese müßte geschaffen werden.
    Wenn heute von einer Bürgerversicherung gesprochen wird, dann muss die 2-klasssen-regelung, hier zum Nachteil der Beamten weg.

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