17.01.2017 E: Recht der Dienste und Einrichtungen Hoffmann: Beitrag E1-2017

Unzulässigkeit einer Beitrittserklärung als Anlage zum Heimvertrag – Verstoß gegen § 14 Abs. 1 S. 1 WBVG im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 UKlaG

Die Autorin Anna-Lena Hoffmann bespricht in dem Beitrag eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 21.05.2015. Der BGH hatte sich mit der Zulässigkeit einer Beitrittserklärung zu einem Heimvertrag zu befassen. Die streitige Beitrittserklärung sah vor, dass sich ein Dritter dazu verpflichtet für alle Verpflichtungen aus dem Heimvertrag sowie für alle weiteren Verpflichtungen des Pflegegastes gegenüber dem Träger aufzukommen.

Der klagende Verbraucherverband verlangte, dass das beklagte Pflegeheim verurteilt wird, die Überlassung der Beitrittserklärung an potentielle Pflegegäste zu unterlassen. Der BGH erklärte die Beitrittserklärung für unzulässig. Die Autorin stimmt der Entscheidung des BGH zu und betont den verbraucherschützenden Charakter des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG).

(Zitiervorschlag: Hoffmann: Unzulässigkeit einer Beitrittserklärung als Anlage zum Heimvertrag – Verstoß gegen § 14 Abs. 1 S. 1 WBVG im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 UKlaG; Beitrag E1-2017 unter www.reha-recht.de; 17.01.2017)


I. Thesen

  1. In § 14 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) sind die Voraussetz­ungen und Bedingungen der zu leistenden Sicherheiten geregelt. § 14 Abs. 1 WBVG bezweckt den Schutz der VerbraucherInnen, weshalb bei der Auslegung der Norm dieser Schutz zu berücksichtigen ist. Die Geschäftspraxis des beklagten Pflegeheimes, in der Anlage des entworfenen Heimvertrages eine Beitrittserklärung für Dritte zu überlassen, kann wegen dieses Schutzzwecks als „verlangen“ im Sinne des (i. S. d.) § 14 WBVG bewertet werden. Diese Geschäftspraxis versetzt potentielle Pflegegäste in einen Erwartungsdruck, der mit der Schutz- und Ausgleichsfunktion des § 14 WBVG nicht zu vereinbaren ist. Folglich liegt wegen der fehlenden vertraglichen Vereinbarung der Sicherung ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 S. 1 WBVG vor. Mit dieser am Verbraucherschutz orientierten Auslegung der Norm verfolgt der Bundesgerichtshof (BGH) konsequent den Schutzzweck der Norm.

  2. Die Erweiterung des Schutzes von § 14 Abs. 1 WBVG auf Dritte ist eine notwendige Schlussfolgerung aus diesem beabsichtigten Schutzzweck, da auch Dritte durch die Überlassung der Beitrittserklärung schon mit dem Vertragsentwurf in die beschriebene Drucksituation geraten können und der Wortlaut der Norm zwar das Verlangen der Sicherheiten vom Verbraucher vorsieht, aber diese gerade nicht höchstpersönlich erbracht werden müssen.

II. Der Fall

1. Der Sachverhalt

Die Beklagte, Betreiberin eines Seniorenheims, fügte ihren Wohn- und Betreuungsvertragsentwürfen mit der Bezeichnung „Heimvertrag Kurzzeit und Verhinderungspflege“ als Anlage folgende streitgegenständliche Beitrittserklärung bei:

"Der Beitretende verpflichtet sich gegenüber dem Träger, selbständig und neben dem Pflegegast für die Verpflichtungen des Pflegegastes (z. B. Zahlungen) aus dem oben genannten Vertrag sowie für alle weiteren Verpflichtungen des Pflegegastes gegenüber dem Träger aufzukommen. Der Träger kann die Erfüllung seiner Ansprüche sowohl vom Pflegegast als auch vom Beitretenden verlangen."

Der Kläger ist ein Verbraucherverband. Er vertrat die Auffassung, die streitgegenständliche Beitrittserklärung und die damit verbundene Aufforderung an VerbraucherInnen, dass diese Erklärung von einem Dritten unterzeichnet werden müsse, verstoße gegen § 14 WBVG. Er verlangte deshalb, dass die Beklagte dazu verurteilt wird, die Überlassung der Beitrittserklärung an potentielle Pflegegäste zu unterlassen. Ebenso solle es unterlassen werden, Dritte, die selbst nicht Vertragspartner werden, zur Abgabe einer solchen Erklärung zu veranlassen. Eine solche Beitrittserklärung in der Anlage zum Vertragsentwurf bringe pflegebedürftige Menschen in eine gesetzeswidrige Drucksituation.

Die Beklagte verneinte den Verstoß gegen § 14 WBVG. Zunächst bestehe eine hausinterne Weisung, dass der Abschluss des Wohn- und Betreuungsvertrages unabhängig von der Beibringung der Beitrittserklärung zustande komme. Dadurch werden VerbraucherInnen gerade nicht zur Beibringung dieser Erklärung veranlasst. Außerdem schütze § 14 WBVG nur die potentiellen Pflegegäste und nicht Dritte, die durch die Abgabe dieser Erklärung entsprechende Verpflichtungen eingehen.

2. Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken (Berufungsgericht)

Das Berufungsgericht[1] bestätigte das vorinstanzliche Unterlassungsurteil des Landgerichts (LG) Kaiserslautern[2]. Die Berufungsinstanz stützte die Unterlassung auf § 2 Abs. 1, 2 Nr. 10 (Unterlassungsklagengesetz (UKlaG), da die Übergabe der streitgegenständlichen Beitrittserklärung an potentielle Pflegegäste mit dem von § 14 WBVG intendierten Verbraucherschutz nicht zu vereinbaren sei. Das Berufungsgericht beschränkte allerdings den Unterlassungsanspruch auf VerbraucherInnen i. S. d. Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes. Das Landgericht hatte zuvor entschieden, dass auch Dritte von diesem Schutz umfasst seien.

III. Die Entscheidung des 3. Zivilsenats des BGH

1. „Verlangen“ von Sicherheiten i. S. d. § 14 Abs. 1 WBVG

Der 3. Zivilsenat des BGH wertete die Geschäftspraxis der Beklagten ebenfalls als ein „Verlangen von Sicherheiten“ i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 1 WBVG, für das es im vorliegenden Fall an der gemäß § 14 Abs. 1 WBVG erforderlichen vertraglichen Grundlage fehlte. Der Begriff „verlangen“ sei sowohl nach dem Empfängerhorizont, als auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auszulegen. Als Zweck lägen der Norm das Sicherungsbedürfnis des Unternehmers sowie der Schutz der VerbraucherInnen zugrunde. VerbraucherInnen bedürfen wegen der Komplexität des Vertragsverhältnisses, welches sich aus der doppelten Abhängigkeit gegenüber dem Unternehmer ergibt, und wegen der fehlenden Erfahrungen und Informationen eines besonderen Schutzes.[3] Diese beabsichtigte Schutz- und Ausgleichsfunktion führe folglich dazu, dass die Geschäftspraxis der Beklagten vom Begriff „verlangen“ umfasst sei. Auch wenn die Beibringung der Erklärung von der Beklagten nicht ausdrücklich verlangt werde, vermittle die Geschäftspraxis für VerbraucherInnen den Eindruck, dass dies für den Vertragsschluss erforderlich sei, und könne deshalb mit einer ausdrücklichen Aufforderung zur Beibringung der Beitrittserklärung gleichgesetzt werden. Die vorherige Übergabe von Vertragsunterlagen nebst Anlagen ohne einen entsprechenden Hinweis zur Beitrittserklärung verursache bei VerbraucherInnen bereits einen entsprechenden „Erwartungsdruck“, der sich durch einen Hinweis beim späteren Vertragsschluss nicht mehr beseitigen lasse.

2. Unwirksamkeit einer Sicherheit mangels vertraglicher Vereinbarung einer Sicherheit

Der Verstoß gegen § 14 Abs. 1 WBVG und der daran anknüpfende Unterlassungsanspruch basieren auf der fehlenden vertraglichen Vereinbarung, eine solche Sicherheit beizubringen. Eine vergleichbare Regelung ist § 551 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), darin ist die Beschränkung der Sicherheitsleistungen von MieterInnen gegenüber ihren VermieterInnen normiert. Im Vergleich zu § 551 BGB ist in § 14 WBVG die Sicherheitsleistung nicht auf drei Monatsmieten, sondern auf zwei beschränkt und – was für diesen Fall entscheidend war – eine vertragliche Sicherheitsvereinbarung ist in § 551 BGB nicht vorgesehen. Gerade aber eine vertragliche Vereinbarung darüber verlangt § 14 Abs. 1 S. 1 WBVG wiederum explizit.[4] Aus dem Verlangen trotz fehlender vertraglicher Grundlage resultiert gem. § 16 WBVG die Unwirksamkeit der Beitrittserklärung. Wegen des von § 14 WBVG bezweckten Schutzzwecks, ist die Strenge der Norm hinsichtlich der vertraglichen Sicherheitsvereinbarung auch notwendig.

Als rechtsfehlerhaft bewertete der BGH die Entscheidung des Berufungsgerichts, das Verbot, vertraglich nicht vereinbarte Sicherheiten zu verlangen, schütze allein potentielle Pflegegäste.

Der von § 14 Abs. 1WBVG verfolgte Schutzzweck umfasse auch Angehörige oder BetreuerInnen, da diese ebenfalls mit dem bereits beschriebenen „Erwartungsdruck“ konfrontiert seien; schließlich würden auch sie die an den Vertragsschluss gestellten Voraussetzungen erfüllen wollen.

3. Schuldbeitritt als wirksames Sicherungsmittel?

Ob die vorformulierte Beitrittserklärung, die einen Schuldbeitritt des Dritten zur Folge hat, als Sicherheitsleistung i. S. d. § 14 WBVG grundsätzlich zulässig ist, hat der BGH in diesem konkreten Fall nicht entschieden. Dies war in diesem Fall auch nicht erforderlich. Eher zustimmend zitiert der BGH allerdings ein Schuldbeitrittsurteil des LG Lübeck zu § 551 BGB.[5]

IV. Würdigung

Das Urteil verdient volle Zustimmung. Der 3. Zivilsenat zeigt die verbraucherschützenden Anforderungen auf, die an die Ausgestaltung der Sicherheitsleistungen gem. § 14 WBGV zu stellen sind. Durch die Neuregelung des WBVG im Jahr 2009 und die Einführung der Begrifflichkeiten des „Unternehmers“ und des „Verbrauchers“ sollte eine Anlehnung an das moderne Zivilrecht und seine verbraucherschützenden Regelungen vollzogen werden.[6] Diesen Anforderungen muss § 14 WBVG gerecht werden. Das gelingt, wenn die Verhandlungsposition der VerbraucherInnen, denen häufig die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen fehlen, durch die zugrunde gelegte Schutz- und Ausgleichsfunktion des § 14 WBVG gestärkt wird. Hierin spiegelt sich gleichfalls ein Grundgedanke des Verbraucherrechts wider: die strukturelle Ungleichheit der Vertragspartner soll durch das Verbraucherrecht den notwendigen Ausgleich erfahren.[7]Durch diesen Ausgleich können sich im Rahmen der Vertragsverhandlungen und des Vertragsabschlusses zwei gleichberechtigte Vertragspartner gegenüberstehen. Dies ist für VerbraucherInnen insbesondere wegen der Relevanz dieses Vertrages, der ihnen Hilfeleistung zusichert und Grundlage einer wichtigen Lebensentscheidung im Alter darstellt, von erheblicher Bedeutung.[8]

Durch die Auslegung des Begriffs „verlangen“ unter Beachtung der Schutz- und Ausgleichsfunktion setzt der BGH diesen intendierten Verbraucherschutz effektiv um.

Dadurch, dass der Unterlassungsanspruch auch den Schutz Dritter einschließt, können auch Fälle erfasst werden, in denen VerbraucherInnen selbst keinen Vertrag mehr schließen können, sondern Dritte rechtsgeschäftlich an ihrer Stelle handeln.[9] Gerade diese Fälle zeigen die dringende Notwendigkeit auf, den Schutzzweck von § 14 Abs. 1 WBVG nicht auf potentielle Pflegegäste zu beschränken. Dadurch wird der BGH dem Umstand gerecht, dass dem Abschluss solcher Verträge eben nicht nur längerfristige Planungen der Pflegegäste selbst vorangehen. Vielmehr müssen Angehörige oder BetreuerInnen wegen der aufgekommenen Pflegebedürftigkeit kurzfristig und unter Zeitdruck die Betreuung und Pflege organisieren und sicherstellen. Diese sind dadurch in besonderem Maße in den Vertragsschluss involviert und müssen somit auch vom Schutzzweck der Norm erfasst sein.[10]

V. Auswirkungen für die Praxis

Für die Höhe der Sicherheitsleistung gilt die gesetzliche Vorgabe aus § 14 Abs. 1 S. 2 WBVG; diese darf das Doppelte des monatlichen Entgelts nicht überschreiten, andernfalls wäre die Sicherheitsvereinbarung gem. § 16 WBVG unwirksam.[11] Falls VerbraucherInnen Leistungen nach §§ 42, 43 SGB XI beziehen, darf der Unternehmer gem. § 14 Abs. 4 WBVG keine Sicherheit verlangen, da hier davon ausgegangen werden kann, dass eine hinreichende Absicherung durch den Sozialleistungsträger besteht.[12] Wenn VerbraucherInnen Leistungen i. S. d. § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XI erhalten, darf der Unternehmer gem. § 14 Abs. 4 WBVG nur für die aus der Überlassung des Wohnraums entstehenden Pflichten Sicherheiten verlangen. Die Pflegekosten werden von den Sozialleistungsträgern getragen, demnach besteht auch hierfür eine ausreichende Absicherung.[13]

Grundsätzlich sollen die Regelungen des § 14 WBVG auch einen Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien sicherstellen und dieser umfasst auch das Sicherungsinteresse des Unternehmers. Die Fälligkeit der zu erbringenden Sicherheitsleistung regelt § 14 Abs. 3 WBVG insoweit explizit, als dass eine als Geldleistung zu erbringende Sicherheit in Teilzahlungen erfolgen kann und die erste Teilzahlung bei Vertragsschluss fällig ist. Aus dieser Regelung sowie aus § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB lässt sich ableiten, dass auch die übrigen Sicherheitsleistungen i. S. d. § 14 WBVG nicht vor Vertragsbeginn gefordert werden können.[14] Als Sicherheit für den Unternehmer dient wie bei § 551 BGB das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB. Dies verdeutlicht den Bezug des WBVG zu den Regelungen des § 551 BGB, was sich ebenfalls bei den Regelungen zu Geldleistungen und Teilzahlungen zeigt.[15] In diesem Fall hatte ein Verbraucherverband geklagt, dass die Beklagte dazu verurteilt werde, zukünftig die Überlassung dieser Beitrittserklärungen zu unterlassen. Solche Unterlassungs- oder Widerrufs­klagen, die der Durchsetzung von Verbraucherschutzvorschriften dienen, können Verbraucherschutzverbände nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) geltend machen.

Beitrag von Dipl. jur. Anna-Lena Hoffmann, Martin-Luther Universität Halle (Saale)

Fußnoten:

[1] OLG Zweibrücken, Urteil vom 23. Juli 2011 – 1 U 143/13 (zitiert nach juris).

[2] LG Kaiserslautern, Urteil vom 30. Juli 2013 – 2 O 252/12 (zitiert nach juris).

[3] Siehe BT-Drs. 16/12409, S. 10 f.

[4] Ausführlich zur vertraglichen Vereinbarung auch Rasch, WBVG Kommentar, § 14 Rn. 8, Berlin 2012; siehe auch Roßbruch, PflegeRecht 2015, S. 552 (553).

[5] Siehe Rn. 20; LG Lübeck ZMR 2010, 857; zustimmend zum Schuldbeitritt im Rahmen des § 551 auch Derleder, NZM 2006, 601 (605).

[6] BT-Drs. 16/12409, S. 10.

[7] Vgl. Tamm, in: Tamm/Tonner (Hrsg.), Verbraucherrecht, S. 20, München 2012.

[8] BT-Drs. 16/12409, S. 11.

[9] Siehe dazu auch Rasch, RdLH 2015, S. 141 (142).

[10] So bereits für § 551: BGHZ 107, 210.

[11] Siehe dazu auch Bregger, in: jurisPK-BGB, § 14 WBVG Rn. 11, 7. Aufl.

[12] Siehe dazu auch Rasch, WBVG Kommentar, § 14 Rn. 16, Berlin 2012.

[13] Schmitt/ Küfner-Schmitt, WBVG-Kommentar, § 14 Rn. 22, Köln 2012.

[14] Vgl. Bachem/ Hacke; WBVG-Kommentar, § 14 Rn. 14.

[15] Vgl. dazu BT-Drs. 16/12409, S. 29; Bachem/ Hacke; WBVG-Kommentar, § 14 Rn. 13, 22.


Stichwörter:

Gesetzesauslegung, Heimträger, Kurzzeitpflege, Verbraucherschutz, Verhinderungspflege, Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (Heimgesetz), Heimrecht


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