27.11.2013 A: Sozialrecht Waldenburger: Diskussionsbeitrag A26-2013

Einschränkungen in der Hörmittelversorgung – Kein Anspruch gegen die Krankenversicherung bei ausschließlich beruflichen Gebrauchsvorteilen – Anmerkung zu BSG, Urteil vom 24.01.2013, Az. B 3 KR 5/12 R

(Zitiervorschlag: Waldenburger: Einschränkungen in der Hörmittelversorgung – Kein Anspruch gegen die Krankenversicherung bei ausschließlich beruflichen Gebrauchsvorteilen – Anmerkung zu BSG, Urteil vom 24.01.2013, Az. B 3 KR 5/12 R; Forum A, Beitrag A26-2013 unter www.reha-recht.de; 27.11.2013)

Im vorliegenden Beitrag befasst sich die Autorin mit den Einschränkungen in der Hörmittelversorgung und bespricht dazu eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. Januar 2013. In Frage stand die über den Festbetrag hinausgehende Kostenübernahme eines hochwertigen Hörgerätes, welches die Klägerin für die Ausübung ihres Berufes benötigte.

Das BSG befasst sich in diesem Urteil mit der Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich sowie dem daraus resultierenden Leistungsumfang.
Diese Ausführungen werden von der Autorin kritisch bewertet. So verschärfe das BSG auf diese Weise die Versorgungslücken bei behinderten Menschen, die aufgrund geringer Erwerbstätigkeit die Voraussetzungen der Rentenversicherung noch nicht erfüllen. Durch eine strikte Umsetzung des unmittelbaren Behinderungsausgleichs könnte derartigen Benachteiligungen jedoch entgegengewirkt werden.

Die Autorin begrüßt auch einzelne Punkte der Entscheidung wie etwa die Kritik des Gerichtes an der Hörgeräteversorgung der Krankenkasse sowie die Stärkung der Verfahrensrechte der Leistungsberechtigten.

 


Stichwörter:

Berufliche Gebrauchsvorteile, § 12 Abs. 2 SGB V, § 14 Abs. 1 S.1 SGB IX, Hörmittelversorgung, Behinderungsausgleich, Zuständigkeit, Medizinische Rehabilitation, Festbetrag, § 36 SGB V


Kommentare (2)

  1. Natalie Waldenburger
    Natalie Waldenburger 06.01.2014
    Sehr geehrte Frau Nethe,
    vielen Dank für Ihren Kommentar zu meiner Urteilsanmerkung. Sie geben mir damit Gelegenheit, möglicherweise entstandene Missverständnisse auszuräumen.

    Ich stimme Ihnen völlig zu, dass die Differenzierung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Behinderungsausgleich durch das von mir besprochene BSG-Urteil vom 24.01.2013 nicht aufgehoben worden ist. Mein Beitrag sollte dies auch nicht ausdrücken. Sie haben zu Recht die entscheidende Stelle in der früheren Entscheidung vom 17.12.2009 benannt (Az.: B 3 KR 20/08 R, Rz. 19), wo derselbe BSG-Senat ausdrücklich klargestellt hat, dass er die Versorgung mit Hörgeräten dem unmittelbaren Behinderungsausgleich zuordnet. Die üblichen Beschränkungen des Hilfsmittelanspruches, wie ihn die Rechtsprechung beim nur mittelbaren Behinderungsausgleich vornimmt (d.h. Begrenzung auf die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens), kommen damit nicht zum Tragen. Dieser Rechtsprechungslinie, d.h. Hörgeräteversorgung als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich, ist in jüngsten Entscheidungen von verschiedenen Landessozialgerichten aufgegriffen und bestätigt worden (vgl. nur LSG Baden-Württemberg, 20.08.2013, Az.: L 13 R 2607/10, Rn. 55, juris).
    Allerdings begrenzt dieselbe Rechtsprechung die Leistungen zur Hörgeräteversorgung sowohl wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes als auch wegen der Festbetragsregelungen dennoch. Und insoweit finden sich dann nicht selten ähnliche Kriterien, wie wir sie aus der Rechtsprechung zur Hilfsmittelversorgung bei nur mittelbarem Behinderungsausgleich kennen (vgl. dazu grundsätzlich auch LSG Baden-Württemberg, 20.08.2013, Az.: L 13 R 2607/10, Rn. 56 oder LSG Niedersachsen-Bremen, 04.11.2013, Az.: L 2 R 438/13 ER, Rz. 44, juris).

    Deshalb ist es wichtig, dass diejenigen, die ihre Leistungsansprüche gegen die GKV geltend machen (weil sie z.B. Teilhabeansprüche gegen andere Versicherungsträger nicht geltend machen können), Tatsachen darlegen und beweisen, dass sich die zusätzlichen Nutzungsvorteile des gewählten Hörgerätes nicht nur beruflich auswirken, sondern vielmehr die Auswirkungen der Hörbehinderung im gesamten Alltagsleben mindern. Dieser Bezug zum Alltagsleben muss von den Leistungsberechtigten dargestellt werden. Werden Tatsachen dazu nicht festgestellt, kann der Leistungsanspruch gegen die Gesetzliche Krankenversicherung auf das Festbetragshörgerät beschränkt sein (so im von mir besprochenen BSG-Fall). Wird allerdings dargelegt und bewiesen, dass die begehrte Hörhilfe nicht nur zum Ausgleich einer Behinderung für eine bestimmte Berufsausübung, sondern generell für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erforderlich ist (so erfolgreich gelungen im Fall des LSG Baden-Württemberg, 20.08.2013, Az.: L 13 R 2607/10, Rn. 57 ff., wo mit einem Festbetragshörgerät lediglich 80% Sprachverständnis, mit dem selbstbeschafften Hörgerät hingegen ein 95%iges Sprachverständnis erreicht werden konnte, vgl. a.a.O. Rn. 61), dann kann der Leistungsanspruch erfolgreich direkt auf der Grundlage des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V ungeachtet der Festbetragsgrenzen durchgesetzt werden.

    Die Zahl an aktuellen Entscheidungen von Landessozialgerichten, die einen Anspruch gegen die GKV auf Hörgeräteversorgung über Festbetragsmodelle hinaus zugesprochen haben, bestätigt, dass Ihr Hinweis wichtig war.

    Mit meinem Beitrag wollte ich die Kritik an den Restriktionen der Rechtsprechung im Bereich des
    mittelbaren Behinderungsausgleiches betonen. Wenn sich die Teilhabedefizite für hörbeeinträchtigte Menschen durch die Hörgeräteversorgung wegen deren Zuordnung zum unmittelbaren Behinderungsausgleich verbessern, bleiben die Versorgungslücken für diejenigen, für die nur Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich möglich sind. Um diesen zu begegnen, fordere ich in der zweiten These auch die strenge Umsetzung der Zielsetzung des
    unmittelbaren Behinderungsausgleiches für alle Beeinträchtigungsarten, ohne damit die Zuordnung der Hörgeräte zum unmittelbaren Behinderungsausgleich in Frage stellen zu wollen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Natalie Waldenburger
  2. Nethe,Sabine
    Nethe,Sabine 17.12.2013
    Sehr geehrte Frau Waldenburger,
    gerne möchte ich mit Ihnen in den Austausch über Ihren Beitrag gehen, da aus meiner Sicht ein Missverständnis hinsichtlich der Auslegung der BSG-Rechtsprechung zum Hilfsmittelrecht vorliegen könnte. Das BSG hat als Krankenversorgungsauftrag für alle Versicherten im Urteil vom 17.12.2009 Az: B 3 KR 20/08 R unter der Rdnr 19 (zitiert nach juris) festgestellt, dass die Versorgung mit Hörgeräten dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dient und daher Hören unter Störlärm von der Krankenversorgung umfasst ist (siehe BSG aaO Rdnr. 20, zitiert nach juris). Die Schlussfolgerung, dass dies nicht mehr gilt (also Hörgeräte nicht mehr dem unmittelbaren Behinderungsausgleich unterliegen) kann aus dem Urteil vom 24.01.13 nicht gezogen werden, da die Unterscheidung zwischen mittelbaren (mit der Folge von Versorgungslücken im Recht nach SGB V wegen des begrenzten krankenversicherungsrechtlichen Versorgungsauftrages)und unmittelbarem Behinderungsausgleich (mit dem Gebot des Gleichziehens mit einem Gesunden durch die Krankenversorgung) im Hilfsmittelrecht nach wie vor gilt. Im Sinne der Versorgungsansprüche der Versicherten und der eindeutigen materiell-rechtlichen Zuständigkeitsklärung sollte jede Unklarheit beseitigt werden, die auftreten kann.
    Mit freundlichen Grüßen
    Sabine Nethe

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