29.04.2016 Rechtsprechung

Bundesverfassungsgericht entscheidet zu Behindertenparkplätzen

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass bei der Nutzung eines nicht behindertengerecht gestalteten Behindertenparkplatzes auch dann ein Schadensersatzanspruch besteht, wenn gehbehinderten Nutzerinnen und Nutzern der Zustand des Parkplatzes vorher bekannt war.

Wie die Webseite rollingplanet.de meldet, war die Verfassungsbeschwerde von einer Rollstuhlfahrerin eingereicht worden, die sich 2009 auf einem ausgewiesenen Parkplatz für außergewöhnlich Gehbehinderte der Stadt Ratzeburg beim Aussteigen aus ihrem Wagen verletzte, weil ihr Rollstuhl in einer Fuge des Kopfsteinpflasters hängengeblieben war. Ihre Klage auf Schadensersatz gegen die Stadt hatte das Landgericht (LG) Lübeck zurückgewiesen. Auch die Berufung vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (OLG) hatte keinen Erfolg. Die Richter begründeten dies mit einem überwiegenden Mitverschulden gemäß § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die behinderte Frau habe die Gefährlichkeit des Untergrunds des Behindertenparkplatzes gekannt. Dabei bezog sich das OLG auf einen Zeitungsartikel, aus dem hervorging, dass die Rollstuhlfahrerin das Kopfsteinpflaster der Stadt bereits vor dem Unfall als "alles andere als rollstuhl- und rollatorentauglich" kritisierte hatte.

Gleichberechtigte Teilhabe am Alltagsleben ermöglichen

Das BVerfG entschied nun, dass die Kenntnis der Beschwerdeführerin von der Beschaffenheit des konkreten Parkplatzes unerheblich sei: Sie nutze einen Parkplatz, "der gerade für Menschen mit Behinderung vorgesehen und somit dazu bestimmt gewesen sei, in Befolgung des Förderungsauftrags des Staates die gleichberechtigte Teilhabe am Alltagsleben zu ermöglichen, und so den Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten zu kompensieren" (Beschluss vom 20.4.2016, Az. 1 BvR 2012/13).

Ob der betreffende Parkplatz der Stadt Ratzeburg tatsächlich nicht rollstuhlgerecht gestaltet gewesen war, war nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Karlsruher Richter stellten aber klar, dass eine etwaige nicht rollstuhlgerechte Ausgestaltung des Behindertenparkplatzes einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 Grundgesetz (GG) bedeute, weil die Kompensation des Nachteils in diesem Fall an der Gefährdung der Nutzerinnen und Nutzer scheitere. Es komme auf die Kenntnis vom Zustand des betreffenden Behindertenparkplatzes nicht entscheidend an, bewerteten die Richter des BVerfG und gaben den Fall an das OLG zurück.

Entscheidung im Volltext:

Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 20.4.2016, Az. 1 BvR 2012/13)

(Quelle: rollingplanet.de, Bundesverfassungsgericht)


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