07.02.2018 Rechtsprechung

BVerwG zu Arbeitsassistenz bei mehrfacher Teilzeitbeschäftigung

Schwerbehinderte Menschen haben auch dann Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz, wenn sie bereits einer anderen Teilzeitbeschäftigung nachgehen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig mit Urteil vom 23. Januar 2018 (BVerwG 5 C 9.16) entschieden.

Damit machte das BVerwG deutlich, dass dem Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen bei der Gewährung von Leistungen zwar eine bedeutende Rolle zukommt, der Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz jedoch auch der Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben dient. Es sei (wie bei nichtbehinderten Menschen) grundsätzlich ihre Entscheidung, welchem Beruf sie nachgingen und ob sie ihre Arbeitskraft anteilig für mehrere Erwerbstätigkeiten einsetzten. Ebenso wenig dürfe es sich zum Nachteil schwerbehinderter Menschen auswirken, wenn sie sich entschieden, den Umfang einer ausgeübten Beschäftigung zu reduzieren oder den Arbeitsplatz bzw. Beruf zu wechseln und für die neue Tätigkeit eine Arbeitsassistenz zu beanspruchen.

Geklagt hatte ein Beamter mit einer Schwerbehinderung, der den Umfang seiner Stelle auf 50 Prozent reduziert hatte, um daneben eine von ihm gegründete Firma zu betreiben. Hierfür beantragte er die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Der Beklagte lehnte diesen Antrag ab. Die Kostenübernahme diene dem Abbau der Arbeitslosigkeit unter schwerbehinderten Menschen. Der Kläger sei indessen nicht arbeitslos, sondern durch seine Berufstätigkeit als Beamter bereits in das Arbeitsleben integriert, so die Begründung. Die nach Zurückweisung des Widerspruchs erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Schleswig (15 A 295/14 - Urteil vom 11. Juni 2015) und vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig (3 LB 17/15 - Urteil vom 18. Februar 2016) blieb erfolglos.

Das BVerwG hat das Urteil des OVG aufgehoben. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ermöglichten nicht die Entscheidung, ob, in welcher Art und in welchem Umfang der Kläger bei seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile der Unterstützung bedürfe. Nach Ansicht des BVerwG ist diese Frage zu klären, da die Notwendigkeit der Arbeitsassistenz nicht deshalb zu verneinen sei, weil der schwerbehinderte Mensch bereits einer anderen Teilzeitbeschäftigung nachgehe. Drohende oder bereits eingetretene Arbeitslosigkeit des schwerbehinderten Menschen stellten keine notwendigen Bedingungen für die begehrte Kostenübernahme dar. Deshalb sei die Sache an das OVG zurückzuverweisen.

Pressemitteilung der BVerwG: Arbeitsassistenz für eine Erwerbstätigkeit eines schwerbehinderten Menschen trotz anderweitiger Beschäftigung

(Quelle: Bundesverwaltungsgericht) 


Weitere Entscheidungen zum Rehabilitations- und Teilhaberecht finden sich auch in der Rechtsdatenbank unseres Partners REHADAT.


Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Mit * gekennzeichnete Felder müssen ausgefüllt werden.