24.08.2016 Rechtsprechung

Fehlende Einladung eines schwerbehinderten Bewerbers legt Diskriminierung nahe

Wird ein schwerbehinderter Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch bei einem öffentlichen Arbeitgeber eingeladen, begründet dies die Vermutung, dass eine Diskriminierung wegen Schwerbehinderung vorliegt. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden und die beklagte Stadt zu einer Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verurteilt.

In dem verhandelten Fall hatte die Beklagte eine Stelle als "Techn. Angestellte/n für die Leitung des Sachgebiets Betriebstechnik" ausgeschrieben. Als berufliche Qualifikation wurden die Abschlüsse "Diplom-Ingenieur (FH) oder staatlich geprüfter Techniker/in oder Meister/in im Gewerk Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik oder vergleichbare Qualifikation" genannt.

Der mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehinderte Kläger bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle und fügte dem Bewerbungsschreiben einen ausführlichen Lebenslauf bei. Er ist ausgebildeter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer sowie staatlich geprüfter Umweltschutztechniker im Fachbereich "Alternative Energien".

Der beklagte Arbeitgeber lud den Bewerber nicht zum Vorstellungstermin ein und entschied sich für einen anderen Bewerber.

Der Kläger verlangte daraufhin eine Entschädigung und begründete dies mit einer Diskriminierung wegen seiner Schwerbehinderung. Die Stadt sei ihrer Verpflichtung nach § 82 SGB IX, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht nachgekommen. Bereits dieser Umstand begründe die Vermutung einer Diskriminierung wegen seiner Schwerbehinderung. Die beklagte Stadt berief sich auf § 82 Satz 3 SGB IX und entgegnete, der Kläger sei für die zu besetzende Stelle "offensichtlich fachlich ungeeignet" gewesen, weshalb eine Einladung zum Vorstellungsgespräch nicht erforderlich war.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zu einer Entschädigungszahlung. In der Berufung bestätigte das Landesarbeitsgericht das Urteil in der Sache, verringerte aber die Höhe der Entschädigungszahlung.

Die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg. Durch die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch habe die beklagte Stadt die Vermutung begründet, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung vorzeitig aus dem Auswahlverfahren ausgeschieden sei und dadurch benachteiligt wurde. Sie sei als öffentlicher Arbeitgeber auch nicht nach § 82 Satz 3 SGB IX von der Einladung zum Vorstellungsgespräch befreit gewesen. Auf der Grundlage der Angaben des Klägers in seiner Bewerbung durfte die Beklagte nach Ansicht des Gerichts nicht davon ausgehen, dass diesem die erforderliche fachliche Eignung offensichtlich fehlte (Urteil vom 11. August 2016, Az. 8 AZR 375/15).

Pressemitteilung des Bundesarbeitsberichts Nr. 42/16

(Quelle: Bundesarbeitsgericht)


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