26.05.2020 A: Sozialrecht Schaumberg: Beitrag A11-2020

Zuständigkeitsklärung gemäß § 14 SGB IX – Bedarfsermittlung, Folgeanträge und Nichteinhaltung von Zuständigkeitsregelungen

Der Autor Torsten Schaumberg skizziert die geänderten Regelungen zur Leistungskoordination im ersten Teil des SGB IX, die durch das Bundesteilhabegesetz 2018 in Kraft getreten sind, zeigt damit einhergehende Probleme auf und schlägt Lösungen vor. Im vorliegenden Beitrag beschreibt der Autor zunächst die Fristen, die § 14 Abs. 2 SGB IX dem leistenden Rehabilitationsträger für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs vorgibt und stellt im Anschluss daran mögliche Probleme des Zuständigkeitsklärungsverfahrens dar.

(Zitiervorschlag: Schaumberg: Zuständigkeitsklärung gemäß § 14 SGB IX – Bedarfsermittlung, Folgeanträge und Nichteinhaltung von Zuständigkeitsregelungen; Beitrag A11-2020 unter www.reha-recht.de; 26.05.2020)

I. Einleitung

Im Beitrag „Zuständigkeitsklärung gemäß § 14 SGB IX – Allgemeine Vorgaben für das Verfahren“[1] wurden die allgemeinen Voraussetzungen an das Zuständigkeitsklärungsverfahren nach § 14 Abs. 1 SGB IX dargestellt. Dabei wurden der Ablauf der Prüfung der Zuständigkeit, die Antragsweiterleitung, die Möglichkeit der „Turboklärung“ sowie Fragen von Fristversäumnissen thematisiert.

Im vorliegenden Beitrag werden zunächst die Fristen, die § 14 Abs. 2 SGB IX dem leistenden Rehabilitationsträger für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs stellt, dargestellt. Im Anschluss daran werden als ausgewählte Probleme des Zuständigkeits-klärungsverfahrens der Umgang mit Folge- und Verlängerungsanträgen sowie Verstöße gegen die Regelungen des § 14 SGB IX durch die Rehabilitationsträger und mögliche Konsequenzen daraus diskutiert.

II. Die fristgerechte Feststellung des Rehabilitationsbedarfs

Ist der leistende Rehabilitationsträger ermittelt, so ist er nach § 14 Abs. 2 S. 1 und S. 4 SGB IX verpflichtet, den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 SGB IX[2] unverzüglich und umfassend festzustellen und die Leistungen zu erbringen. Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) hat diese Regelungen nahezu unverändert gelassen, so dass grundsätzlich auf die bisherige Rechtsprechung und Literatur zu § 14 Abs. 2 SGB IX a. F. zurückgegriffen werden kann.[3]

Die Leistungspflicht des leistenden Rehabilitationsträgers bestimmt sich nicht nur nach dem für ihn geltenden materiellen Leistungsgesetz, sondern nach allen im konkreten Bedarfsfall in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen.[4] Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der leistende Rehabilitationsträger einen Leistungsantrag nur dann ablehnen kann, wenn alle für den Hilfefall in Betracht kommenden Rehabilitationsvorschriften keinen Anspruch vorsehen.[5]

Im Hinblick auf das Anliegen des SGB IX, rehabilitationsbedürftigen Menschen einen schnellstmöglichen Zugang zu Rehabilitationsleistungen zu verschaffen, enthalten § 14 Abs. 2 S. 2, 3 und 4 SGB IX ein Fristenregime, dass durch § 17 Abs. 2 SGB IX ergänzt wird. Nach § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IX entscheidet der leistende Rehabilitationsträger, wenn zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfs kein Gutachten eingeholt werden muss, innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang über den Leistungsanspruch. Kann der Rehabilitationsbedarf nur anhand eines Gutachtens festgestellt werden, so ordnet § 14 Abs. 2 S. 3 SGB IX eine Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens an.

Mit der Gutachtenerstellung beschäftigt sich der durch das BTHG neu gefasste § 17 SGB IX. § 17 Abs. 1 verpflichtet den leistenden Rehabilitationsträger, unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen zu beauftragen und – soweit nicht gesetzlich die Begutachtung durch einen sozialmedizinischen Dienst vorgesehen ist[6] – vorab den Leistungsberechtigten in der Regel drei möglichst wohnortnahe Sachverständige zu benennen.

Die Benennung der drei wohnortnahen Sachverständigen steht nicht im Ermessen des Rehabilitationsträgers. Auch wenn der Rehabilitationsträger über einen eigenen (sozial-)medizinischen Dienst verfügt, entbindet ihn das nicht von dieser Pflicht.[7] Dies ergibt sich daraus, dass der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren zum SGB IX a. F. empfohlen hatte, § 14 Abs. 5 SGB IX a. F. wie folgt zu ergänzen:

„Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, beauftragt der Rehabilitationsträger unverzüglich seine für Gutachten fachlich zuständige Stelle. Steht eine solche nicht oder nicht in Wohnortnähe des Leistungsberechtigten zur Verfügung, ist eine geeignete sachverständige Person zu beauftragen. Der Rehabilitationsträger benennt dem Leistungsberechtigten in diesem Fall wenigstens drei möglichst wohnortnahe Sachverständige.“[8]

In der Stellungnahme der Bundesregierung wurde diese Empfehlung des Bundesrates abgelehnt[9] und im weiteren Gesetzgebungsverfahren durch die Regelung aus § 14 Abs. 5 S. 3 SGB IX a. F. ersetzt, wonach der Rehabilitationsträger dem Leistungsberechtigten in der Regel drei wohnortnahe Sachverständige unter Berücksichtigung bestehender sozialmedizinischer Dienste zu benennen hatte. Nach dieser Vorschrift konnten auch eigene sozialmedizinische Dienste zur Begutachtung herangezogen werden.[10] Diese Regelung wurde jedoch nicht in § 17 SGB IX überführt. Hieraus ist zu schließen, dass nach neuem Recht die Beauftragung des eigenen sozialmedizinischen Dienstes durch den Rehabilitationsträger zur Feststellung des Rehabilitationsbedarfes in anderen als den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen ausgeschlossen ist.[11]

Wurde der Sachverständige beauftragt, so hat er nach § 17 Abs. 2 S. 1 SGB IX sein Gutachten innerhalb von zwei Wochen nach Auftragserteilung vorzulegen.

Somit beläuft sich nach der gesetzlichen Konzeption die längste Frist für den leistenden Rehabilitationsträger zur Entscheidung über die Leistungsbewilligung auf maximal sieben Wochen (Drei-Wochen-Frist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX + Zwei-Wochen-Frist des Sachverständigen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB IX + Zwei-Wochen-Frist nach § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ab Vorliegen des Gutachtens).[12]

Ist der leistende Rehabilitationsträger der zweitangegangene Rehabilitationsträger, so gelten für ihn die gleichen Regeln zur unverzüglichen Bedarfsfeststellung und den Entscheidungsfristen, die nach § 14 Abs. 2 S. 4 SGB IX für den erstangegangenen Rehabilitationsträger gelten, wobei die Frist nach § 14 Abs. 2 S. 4 Hs. 2 SGB IX erst mit dem Eingang des Antrags beim zweitangegangenen Rehabilitationsträger beginnt.

III. Ausgewählte Probleme des Zuständigkeitsklärungsverfahrens

So klar das Zuständigkeitsklärungsverfahren nach § 14 SGB IX auch erscheinen mag, die Probleme liegen wie immer im Detail. So stellt sich etwa die Frage, ob das Zuständigkeitsklärungsverfahren bei jedem Antrag auf Rehabilitations- oder Teilhabeleistungen durchzuführen ist, oder ob etwa Folge- bzw. Verlängerungsanträge anders zu behandeln sind. Weiterhin wird die Frage zu beantworten sein, was geschieht, wenn zweitangegangene Rehabilitationsträger – gesetzeswidrig – den Leistungsantrag doch an einen dritten Rehabilitationsträger weiterleiten oder etwa an den erstangegangenen Rehabilitationsträger zurückgeben.

1. Folge- bzw. Verlängerungsanträge

Auslöser des Zuständigkeitsklärungsverfahrens nach § 14 SGB IX ist ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe. Ein Antrag liegt vor, wenn die Identität und das konkrete Leistungsbegehren, das auf Leistungen zur Teilhabe i. S. §§ 4, 5 SGB IX gerichtet sein muss, erkennbar sind, so dass eine Zuständigkeitsprüfung erfolgen kann.[13] Tatsächlich würde wohl auch ein Antrag, mit dem bereits bewilligte Teilhabeleistungen verlängert werden sollen (Verlängerungsantrag) oder mit dem ergänzende Teilhabeleistungen beantragt werden (Folgeantrag) diese Voraussetzungen an einen Teilhabeleistungsantrag i. S. § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX erfüllen. Würden auch derartige Anträge als Teilhabeanträge i. S. § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX gelten, so hätte dies zur Folge, dass auch bei jedem Verlängerungs- oder Folgeantrag vom erstangegangenen Rehabilitationsträger ein Zuständigkeitsklärungsverfahren durchzuführen wäre. Dies könnte wiederum dazu führen, dass für einen eigentlich einheitlich zu betrachtenden Teilhabesachverhalt unterschiedliche Rehabilitationsträger zuständig werden könnten. Ein solches Ergebnis widerspräche jedoch dem Rechtsgedanken des § 4 Abs. 2 S. 2 SGB IX und dem Grundsatz der Leistungserbringung „aus einer Hand“.[14]

Daher ist es notwendig, bei Leistungsanträgen, die auf einen Erstantrag folgen, danach zu differenzieren, ob eine ganz neue Teilhabeleistung beantragt oder im Rahmen des Erstantrags eine Modifizierung bzw. Ergänzung angestrebt wird.[15]

Beantragt der Leistungsberechtigte eine neue Teilhabeleistung, so bedeutet dies nicht zwingend, dass es sich um einen das Zuständigkeitsklärungsverfahren nach § 14 SGB IX auslösenden neuen Teilhabeleistungsantrag handeln muss. Hat nämlich der leistende Rehabilitationsträger bereits auf den Erstantrag hin dem Grunde nach Teilhabeleistungen durch bestandskräftigen Bescheid bewilligt, so ist dieser Bescheid auch für weitere Leistungsansprüche regelmäßig so auszulegen, dass der Träger für geltend gemachte weitere Ansprüche vom Vorliegen der allgemeinen Förderungsvoraussetzungen einschließlich der Behinderteneigenschaft ausgeht.[16] Der Grundsatz der Leistungskontinuität verlangt beim Folgeantrag, dass der leistende Rehabilitationsträger auch über die weiteren Bedarfe zu entscheiden hat.[17] Betraf der Erstantrag hingegen eine konkrete, abgrenzbare, nicht verlängerbare Teilhabeleistung und beantragt der Leistungsberechtigte nach der Erledigung des bewilligenden Verwaltungsaktes eine neue Teilhabeleistung, so ist das Zuständigkeitsklärungsverfahren nach § 14 SGB IX erneut durchzuführen.

Stellt der Leistungsberechtigte einen Verlängerungsantrag, so ist dieser grundsätzlich nicht als Teilhabeleistungsantrag i. S. v. § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX zu werten, da die Verlängerung einer bestimmten Maßnahme regelmäßig keinen neuen Antrag voraussetzt, sondern von Amts wegen zu bewilligen ist, wenn das Teilhabeziel noch nicht erreicht wurde.[18] Auch in diesem Fall ist von einem einheitlichen Leistungsfall auszugehen, der vom leistenden Rehabilitationsträger zu Ende zu führen ist.[19] In diesem Zusammenhang weist das OVG Nordrhein-Westfalen zutreffend darauf hin, dass dieser Grundsatz nur dann sinnvoll und folgerichtig ist, wenn der Verlängerungsantrag bei dem zunächst leistenden und damit im Außenverhältnis zum Antragsteller zuständig gewordenen Rehabilitationsträger gestellt wird, da dieser kein schützenswertes Interesse daran hat, die bei ihm begründete Zuständigkeit anlässlich eines Verlängerungsantrags im Außenverhältnis erneut zur Prüfung zu stellen. Wird allerdings der Verlängerungsantrag bei einem anderen, vormals nicht involvierten Rehabilitationsträger gestellt, so hat der Antragsteller selbst durch den Antrag bei einem anderen Rehabilitationsträger die Zuständigkeitsfrage neu aufgeworfen. In diesem Fall ist auf den Verlängerungsantrag § 14 Abs. 1 SGB IX anwendbar.[20]

§ 14 SGB IX ist zudem auch dann auf einen Folge- bzw. Verlängerungsantrag anzuwenden, wenn beim Leistungsberechtigten zwar weiterhin unveränderter Teilhabebedarf besteht, er aber seinen Aufenthaltsort so verändert hat, dass spezialgesetzlich eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit des Rehabilitationsträgers möglich erscheint.[21] In diesem Fall wäre es systemwidrig, wenn nur wegen des in der Sache gleichbleibenden Teilhabebedarfs ungeachtet der spezialgesetzlichen Zuständigkeitsregelungen im Außenverhältnis dauerhaft nur der ursprünglich formal nach § 14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger die Leistungen zu erbringen hätte.[22]

2. Nichteinhaltung der Regelungen über die Zuständigkeitsklärung nach § 14 SGB IX durch die Rehabilitationsträger

Die juristische Datenbank juris weist bei Eingabe der Suchnorm § 14 SGB IX über 900 gerichtliche Entscheidungen aus,[23] was deutlich macht, dass die theoretisch sehr klaren Regelungen des § 14 SGB IX in der Praxis auch weiter zu Auseinandersetzungen führen. Immer wieder ist etwa festzustellen, dass Teilhabeanträge noch nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX vom erstangegangenen an einen zweiten Rehabilitationsträger weitergeleitet werden, dass Teilhabeanträge ohne Einvernehmen an einen dritten Rehabilitationsträger weitergeleitet oder gar systemwidrig vom zweitangegangenen an den erstangegangenen Rehabilitationsträger zurückgegeben werden.[24] Obwohl es sich in allen diesen Fällen um rechtswidriges Verhalten der Rehabilitationsträger handelt, schweigt das Gesetz darüber, wie mit derartigen Situationen umzugehen ist. Sanktionen[25] sieht das SGB IX für diese Fälle jedenfalls nicht vor. Nur die Pflicht der Rehabilitationsträger zur statistischen Erfassung der Fälle, in denen die Fristen des § 14 SGB IX  nicht eingehalten wurden, wurde mit den Regelungen des § 41 Abs. 1 SGB IX zum Teilhabeverfahrensbericht im neu gefassten SGB IX verankert.

Der Rehabilitationsträger, an den ein Teilhabeleistungsantrag rechtswidrig weitergeleitet wurde oder der einen weitergeleiteten Teilhabeleistungsantrag zurückerhalten hat, könnte gegen diese rechtswidrige Weiterleitung bzw. Rückgabe des Teilhabeleistungsantrages protestieren und den Antrag seinerseits an den rechtswidrig handelnden Rehabilitationsträger zurückgeben. Dieses Vorgehen wäre sicher rechtlich korrekt, entspräche aber nicht dem Sinn des Zuständigkeitsklärungsverfahrens nach § 14 SGB IX, eine schnelle und dauerhafte Klärung der Zuständigkeit herbeizuführen.[26] Im Sinne des Leistungsberechtigten ist es in dieser Situation zielführend, wenn der rechtswidrig zuständig gewordene Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf ungeachtet seiner Unzuständigkeit unverzüglich feststellt, die Leistung erbringt und versucht, die Kosten hierfür mit einem Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem tatsächlich zuständigen Rehabilitationsträger geltend zu machen.[27] Sollte dem rechtswidrig zuständig gewordene Rehabilitationsträger in dieser Situation das Fachwissen zur Bescheidung des Teilhabeleistungsantrages fehlen, besteht für ihn die Möglichkeit, den tatsächlich zuständigen Rehabilitationsträger nach den §§ 3 ff. SGB X um Amtshilfe zu ersuchen. Ein die Amtshilfe ausschließender Fall des § 3 Abs. 2 Nr. 2 SGB X (Handlungen, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen) dürfte in dieser Situation nicht vorliegen.

Entscheidet sich der durch eine rechtswidrige Rückgabe des Antrages zuständig gewordene (erstangegangene) Rehabilitationsträger für eine Bescheidung dieses Antrages und hat er vorher nichts gegen die rechtswidrige Rückgabe des Antrages unternommen, so hat er nach Auffassung des LSG Sachsen durch dieses Verhalten die Möglichkeit verwirkt, sich auf die Unzuständigkeit als Rehabilitationsträger zu berufen. Dies führt, folgt man dieser Auffassung, dazu, dass er sich so behandeln lassen muss, als hätte er den Antrag nicht weitergeleitet.[28] Er würde hierdurch zum leistenden Rehabilitationsträger i. S. § 14 SGB IX mit der Konsequenz, dass diese Zuständigkeit auch bei Verlängerungs- oder Folgeanträgen bestehen bliebe.

Die Auffassung des LSG Sachsen vermag jedoch nach hier vertretener Meinung nicht zu überzeugen. Vielmehr sprechen weder Wortlaut, noch Sinn, Zweck und Systematik des § 14 SGB IX für eine Zuständigkeit außerhalb der gesetzlichen Vorschriften (contra legem).[29] Vielmehr ergibt sich aus § 14 SGB I X eine Zuständigkeit der Rehabilitationsträger, die allein auf ihr Verhalten innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX abstellt. Die „eigentliche“ Zuständigkeit ist in diesem System zweitrangig. Es widerspricht dieser vorgegebenen Systematik, wollte man – wie letztlich das LSG Sachsen – die Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers unabhängig vom Zeitablauf und der Anzahl der mit dem Teilhabeleistungsantrags zuvor befassten Leistungsträger bejahen, weil dieser die Teilhabeleistung letztlich im Interesse des Antragstellers erbracht hat.[30] Auch eine Verwirkung des Rechts des Rehabilitationsträgers, sich auf die Unzuständigkeit zu berufen, wäre hier systemwidrig.

Der Leistungsberechtigte selbst kann gegen Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den Trägern, deren Formen gegen die Regelungen des § 14 SGB IX verstoßen, am ehesten im einstweiligen Rechtsschutz vorgehen.[31] Eine Untätigkeitsklage wegen Nichtentscheidung innerhalb der Fristen des § 14 SGB IX ist hingegen im Hinblick darauf, dass sie gemäß § 88 Abs. 1 S. 1 SGG grundsätzlich erst nach sechs Monaten erhoben werden kann, wenig zielführend.

Beitrag von Prof. Dr. Torsten Schaumberg, Hochschule Nordhausen

Fußnoten

[1] Schaumberg: Zuständigkeitsklärung gemäß § 14 SGB IX – Allgemeine Vorgaben für das Verfahren; Beitrag A10-2020 unter reha-recht.de; 18.05.2020.

[2] Vgl. dazu Fuchs: Intention des Gesetzgebers zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13 SGB IX und Begriffsbestimmung – Teil I: Intention des Gesetzgebers hinter altem und neuem Recht; Beitrag A16-2018 unter www.reha-recht.de; 19.09.2018.

[3] Siehe dazu die Beiträge Bunge: § 14 SGB IX gilt auch zwischen zwei Rentenversicherungsträgern – Leistungen im Ausland müssen erstattet werden, wenn sie sachlich gleichartig sind - BSG, Urt. v. 20.04.2010, Az. B 1/3 KR 6/09 R; Beitrag A12-2011 unter www.reha-recht.de; 10.06.2011; Peters-Lange: Zum Erstattungsanspruch des drittangegangenen Rehabilitationsträgers nach Leistung als unzuständiger Träger gegen den „eigentlich“ zuständigen Träger – Anmerkung zu BSG, Urteil v. 08.03.2016 – B 1 KR 27/15 R; Beitrag D58-2016 unter www.reha-recht.de; 06.12.2016; Peters-Lange: Anspruch auf berufliche Weiterbildung – verfahrensrechtliche und materielle Wirkung von § 14 SGB IX auf die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs durch den erstangegangenen Rehabilitationsträger– Anmerkung zu LSG Berlin-Brandenburg 07.05.2012 – L 18 AL 135/12; Beitrag A9-2013 unter www.reha-recht.de; 02.08.2013; Welti: Erstangegangener Rehabilitationsträger auch zuständig für Fortsetzung des Verfahrens nach § 44 SGB X  – Kann § 14 SGB IX zum Anspruchsverlust führen?; Beitrag A6-2009 unter www.reha-recht.de, 01.04.2009. Siehe weiterhin Gagel: Rechtsfragen zu § 14 SGB IX; Beitrag C3-2003 unter www.reha-recht.de; 06.01.2003.

[4] Vgl. nur BSG, Urt. v 21. 8. 2008 – B 13 R 33/07 R, SozR 4–3250 § 14 Nr. 7; BSG, Urt. v. 25.06.2008 – B 11b AS 19/07 R; BSG, Urt. v. 20.11.2008 – B 3 KN 4/07 KR R, BSGE 102, 90 ff.; vgl. auch Jabben in Neumann/Pahlen/Winkler/Jabben, SGB IX, 13. Aufl. 2018, § 14 Rn. 9a; Knittel, SGB IX, 11. Aufl. 2017, § 14 Rn. 100.

[5] Knittel, SGB IX, 11. Aufl. 2017, § 14 Rn. 102 (m. w. N.).

[6] Etwa im Falle des § 275 SGB V.

[7] A. A. Ulrich in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 17 Rn. 26.

[8] Bundestags-Drucksache 14/5531, S. 7 f. (Nr. 15).

[9] Bundestags-Drucksache 14/5639, S. 2 (zu Nr. 15).

[10] Knittel, SGB IX, 11. Aufl. 2017, § 14 Rn. 177 f. (m. w. N.).

[11] A. A. Ulrich in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 17 Rn. 26.

[12] Ulrich in Deinert/Welti, StichwortKommentar Behindertenrecht, 2. Aufl. 2018, Stichwort Zuständigkeit Rn. 30.

[13] Jabben in Neumann/Pahlen/Winkler/Jabben, SGB IX, 13. Aufl. 2018, § 14 Rn. 7; Benedix in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Aufl. 2019, § 14 SGB IX, Rn. 7.

[14] Vgl. hierzu Bundestags-Drucksache 18/9522, S. 234 und Bundestags-Drucksache 14/5074, S. 101; vgl. auch Knittel, SGB IX, 11. Aufl. 2017, § 14 Rn. 59.

[15] Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.07.2018 – 12 ZB 18.175; Ulrich in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 14 Rn. 56.

[16] Ulrich in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 14 Rn. 60.

[17] So auch Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.07.2018 – 12 ZB 18.175.

[18] Ulrich in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 14 Rn. 58.

[19] Knittel, SGB IX, 11. Aufl. 2017, § 14 Rn. 59.

[20] OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 12.10.2018 – 12 B 1348/18.

[21] Dies dürfte im Wesentlichen in der jugend- und sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe eine Rolle spielen. Siehe dazu Jordan: Welchen Einfluss hat das Bundesteilhabegesetz auf den Zuständigkeitswechsel im Kinder- und Jugendhilferecht? Beitrag A8-2020 unter www.reha-recht.de; 17.04.2020.

[22] So überzeugend LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18.04.2018 – L 4 SO 14/16 (Das BSG erkannte in dem Fall allerdings ein „einheitliches Leistungsgeschehen“, das durch den Umzug nicht unterbrochen wurde. Somit sei der ursprünglich zuständige Rehabilitationsträger beim Folgeantrag der Klägerin nicht berechtigt gewesen, den Antrag an den nach seiner Auffassung örtlich zuständigen Träger weiterzuleiten. Das BSG verwies die Sache aufgrund mangelnder Feststellungen an das LSG zurück (S. Terminbericht des BSG Nr. 54/19 zur Sitzung vom 28.11.2019 – Az.: B 8 SO 8/18 R ).

[23] Suche durchgeführt am 06.04.2020.

[24] Vgl. hierzu Knittel, SGB IX, 11. Aufl. 2017, § 14 Rn. 97 (m. w. N.); Ulrich in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 14 Rn. 99.

[25] Außerhalb der Regelungen über die Erstattung selbstbeschaffter Leistungen nach § 18 Abs. 6 SGB IX.

[26] Knittel, SGB IX, 11. Aufl. 2017, § 14 Rn. 97.

[27] Ulrich in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 14 Rn. 99.

[28] Sächsisches LSG, Beschl. v. 13.08.2009 – L 1 KR 41/09 B ER; vgl. auch Knittel, SGB IX, 11. Aufl. 2017, § 14 Rn. 135.

[29] So auch BSG, Urt. v. 08.03.2016 – B 1 KR 27/15 R, SGb 2017, 281 ff. für den Fall der rechtswidrigen Weiterleitung an einen dritten Rehabilitationsträger.

[30] BSG, Urt. v. 8.3.2016 – B 1 KR 27/15 R –, SGb 2017, 281 ff.

[31] Vgl. hierzu Ulrich in Deinert/Welti, StichwortKommentar Behindertenrecht, 2. Auflage 2018, Stichwort Zuständigkeit Rn. 53.


Stichwörter:

Zuständigkeit, Zuständigkeit nach § 14 SGB IX, Kostenerstattungsanspruch, Kostenerstattung


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