06.05.2021 A: Sozialrecht Dittmann: Beitrag A16-2021

Sozialintegrative Leistungen nach dem SGB II neben einem Rehabilitationsverfahren – Teil II: Das Teilhabestärkungsgesetz und Koordinierung von Jobcentern und Rehabilitationsträgern

Mit dem Teilhabestärkungsgesetz sollen einige Änderungen an der Schnittstelle des SGB II, des SGB III und des SGB IX vorgenommen werden. Unter anderem soll den Jobcentern die Möglichkeit eingeräumt werden, sozialintegrative Leistungen nach §§ 16a ff SGB II (mit Ausnahme der Leistungen nach §§ 16c und 16e SGB II) neben einem Rehabilitationsverfahren zu erbringen.

Nachdem René Dittmann im ersten Beitragsteil einen Überblick über die rechtliche Ausgangslage, die mit dem Teilhabestärkungsgesetz angestrebte Problemlösung sowie diesbezügliche Stellungnahmen gegeben hat, wird in diesem Beitragsteil über die Neuregelungen zur erforderlichen Koordinierung von Teilhabeleistungen und SGB II-Eingliederungsleistungen berichtet. Dabei steht die Einbeziehung der Jobcenter in das Teilhabeplanverfahren im Fokus. Umfangreich sind die dazu ergangenen Stellungnahmen, in denen neben Modifizierungsforderungen der Neuregelung, weiterhin bestehende Probleme hervorgehoben werden (insbesondere die Bedarfserkennung durch die Jobcenter, die Ausstattung der Jobcenter und das komplexe Zuständigkeitsgeflecht zwischen Bundesagentur für Arbeit und Jobcentern). Im abschließenden Ausblick wird vor allem eine vom Bundestag beschlossene Aufforderung an die Bundesregierung hingewiesen.

(Zitiervorschlag: Dittmann: Sozialintegrative Leistungen nach dem SGB II neben einem Rehabilitationsverfahren – Teil II: Das Teilhabestärkungsgesetz und Koordinierung von Jobcentern und Rehabilitationsträgern; Beitrag A16-2021 unter www.reha-recht.de; 06.05.2021)

I. Einleitung

Am 3. Februar 2021 verabschiedete die Bundesregierung den Entwurf des Teilhabe­stärkungsgesetzes[1] (mittlerweile als Bundestagsdrucksache verfügbar[2] und nachfolgend als TeilhabestärkungsG-E bezeichnet), das mehrere Änderungen des Rehabilitations- und Teilhaberechts für Menschen mit Behinderungen vorsieht. Dazu zählt, dass den Jobcentern die Möglichkeit eingeräumt werden soll, Leistungen nach §§ 16a ff. SGB II neben einem laufenden Rehabilitationsverfahren zu erbringen.[3] Das Nebeneinander von Eingliederungsleistungen nach dem SGB II und Teilhabeleistungen bedarf zudem einer koordinierten und abgestimmten Leistungserbringung und damit verbunden eines Austauschs von Sozialdaten.[4]

Nachdem im ersten Teil des Beitrags über die geplante Aufhebung des Verbots für sozialintegrative Leistungen nach §§ 16a ff. SGB II an erwerbsfähige SGB II-Leistungs­berechtigte mit Rehabilitationsbedarf berichtet wurde,[5] stehen nachfolgend die geplanten Neuregelungen zur Koordination von Jobcentern und Rehabilitationsträgern im Fokus. Außerdem werden die dazu eingegangenen Stellungnahmen von Rehabilitationsträgern und Sozialverbänden vorgestellt.

II. Die Neuregelungen zur Koordinierung von SGB-II Eingliederungsleistungen und Teilhabeleistungen

Durch das Teilhabestärkungsgesetz sollen zukünftig SGB II-Leistungsberechtigte neben einem Rehabilitationsverfahren auch Zugang zu den sozialintegrativen Leistungen nach §§ 16a ff. SGB II (z. B. Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung, Suchtberatung oder Leistungen des Sozialen Arbeitsmarkts) erhalten können (Leistungen nach §§ 16c und 16e SGB II ausgenommen).[6]

Durch Neuregelungen im SGB IX soll sichergestellt werden, dass die Rehabilitations­träger und die Jobcenter die Teilhabeleistungen und die Eingliederungsleistungen verbindlich koordinieren und aufeinander abstimmen.[7]

Konkret sollen im § 6 Abs. 3 SGB IX die Sätze 3 bis 7 aufgehoben und stattdessen drei neue Sätze eingefügt werden (siehe Tabelle 1).

Außerdem soll § 19 SGB IX (Teilhabeplan) in Absatz 1 um den nachfolgenden Satz ergänzt werden, der die für eine sinnvolle Nutzung der neuen Fördermöglichkeiten zwingend erforderlichen Mitwirkungsmöglichkeiten der Jobcenter im Rehabilitations­verfahren[8] zulässt:

„Soweit zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 14 Leistungen nach dem Zweiten Buch beantragt sind oder erbracht werden, beteiligt der leistende Rehabilitationsträger das zuständige Jobcenter wie in den Fällen nach Satz 1.“

Mit der Ergänzung des § 19 Abs. 1 SGB IX sind außerdem weitere Folgeänderungen in §§ 19 Abs. 2, 20 und 22 SGB IX verbunden.

Tabelle 1
§ 6 Abs. 3 SGB IX in der Fassung vom 17.07.2017 § 6 Abs. 3 SGB IX in der Fassung des TeilhabestärkungsG-E

1Die Bundesagentur für Arbeit ist auch Rehabilitationsträger für die Leistun­gen zur Teilhabe am Arbeitsleben für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Behinderungen im Sinne des Zweiten Buches, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. 2Die Zuständigkeit der Jobcenter nach § 6d des Zweiten Buches für die Leistungen zur beruf­lichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach § 16 Absatz 1 des Zweiten Buches bleibt unberührt.

3Mit Zustimmung und Beteiligung des Leistungsberechtigten kann die Bundes­agentur für Arbeit mit dem zuständigen Jobcenter eine gemein­same Beratung zur Vorbereitung des Eingliederungs­vorschlags durch­führen, wenn eine Teilhabeplan­konferenz nach § 20 nicht durch­zuführen ist. 4Die Leistungs­berechtig­ten und das Jobcenter können der Bundesagentur für Arbeit in diesen Fällen die Durchführung einer gemein­samen Beratung vorschlagen. 5§ 20 Absatz 3 und § 23 Absatz 2 gelten entsprechend. 6Die Bundes­agentur für Arbeit unterrichtet das zuständige Jobcenter und die Leistungs­berechtigten schriftlich oder elektronisch über den festgestellten Rehabilitationsbedarf und ihren Eingliederungsvorschlag. 7Das Job­center entscheidet unter Berück­sichtigung des Eingliederungs­vorschlages innerhalb von drei Wochen über die Leistungen zur beruflichen Teilhabe.

1Die Bundesagentur für Arbeit ist auch Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für erwerbsfähige Leistungsberechtigte mit Behinderungen im Sinne des Zweiten Buches, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger zuständig ist. 2Die Zuständigkeit der Jobcenter nach § 6d des Zweiten Buches für die Leistungen zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach § 16 Absatz 1 des Zweiten Buches bleibt unberührt.

3Die Bundesagentur für Arbeit stellt den Rehabilitationsbedarf fest. 4Sie beteiligt das zuständige Jobcenter nach § 19 Absatz 1 Satz 2 und berät das Jobcenter zu den von ihm zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 16 Absatz 1 Satz 3 des Zweiten Buches. 5Das Jobcenter entscheidet über diese Leistungen innerhalb der in Kapitel 4 genannten Fristen.

Die geplanten Änderungen in § 6 Abs. 3 SGB IX dienen der Verringerung der Komplexi­tät der Leistungserbringung an Menschen mit Rehabilitationsbedarf, die Leistungen nach dem SGB II beantragt haben oder beziehen.

Die BA bleibt weiterhin für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs zuständig und erstellt einen Vorschlag über die zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeits­leben (dazu unbedingt unten, Abschnitt III.1., beachten), über den das zuständige Jobcenter innerhalb der Fristen der §§ 14 ff. SGB IX zu entscheiden hat (die gemeinsame Beratung von BA und Jobcenter zur Vorbereitung des Eingliederungs­vorschlags entfällt ersatzlos). Die Entscheidung ist schließlich im Teilhabeplan zu dokumentieren.[9]

Bei der Bedarfsfeststellung beteiligt die BA das Jobcenter nach § 19 Abs. 1 S. 2 SGB IX. Dieser sieht vor, dass die Jobcenter im Teilhabeplanverfahren zu beteiligen sind, soweit zum Zeitpunkt der Beantragung von Teilhabeleistungen SGB II-Leistungen beantragt oder erbracht werden. Dies ermögliche die Abstimmung und Verzahnung von Eingliederungs- und Rehabilitationsleistungen und beseitige bestehende Unsicher­heiten, „wann und auf welcher gesetzlichen Grundlage Sozialdaten der Leistungs­berechtigten zwischen den Rehabilitationsträgern und den Jobcentern ausgetauscht werden können.“[10]

III. Stellungnahmen zu §§ 6 Abs. 3 und 19 Abs. 1 S. 2 SGB IX in der Fassung des TeilhabestärkungsG-E

Zum Regierungsentwurf des Teilhabestärkungsgesetzes sind insgesamt 48 Stellung­nahmen eingegangen[11]. Die Bewertungen der geplanten Einbeziehung der Jobcenter in das Teilhabeplanverfahren werden nachfolgend dargestellt.[12]

1. Streichung des Eingliederungsvorschlags der BA an das Jobcenter

In ihrer Stellungnahme schlägt die BA vor, im § 6 Abs. 3 SGB IX den Eingliederungs­vorschlag der BA an das Jobcenter zu streichen. Das Weiterbestehen des Eingliede­rungs­vorschlag würde in der Praxis zu Irritationen und zusätzlichen Dokumentations­pflichten (Eingliederungsvorschlag und Teilhabeplan) für die Jobcenter und Arbeits­agenturen führen.[13] Diesem Vorschlag der BA wurde bereits gefolgt (siehe Tabelle 1). Während der Referentenentwurf des Teilhabestärkungsgesetzes in § 6 Abs. 3 SGB IX noch den Eingliederungsvorschlag der BA an das Jobcenter enthielt[14], sehen der Regierungs­­entwurf und die Bundestags-Drucksache nur eine Beratung des Jobcenters durch die BA vor (§ 6 Abs. 3 S. 5 SGB IX in der Fassung des TeilhabestärkungsG-E). Die Anpassung der Gesetzesbegründung wurde allerdings, wie oben dargestellt, versäumt.

Die kommunalen Spitzenverbände[15] betonen in ihrer Stellungnahme, dass es für die Jobcenter wichtig sei, vom Rehabilitationsträger über den Stand des Rehabilitationsverfahrens informiert zu werden. Eine entsprechende Mitteilungspflicht sei notwendig.[16]

2. Nur teilweise Einbeziehung der Jobcenter in das Teilhabeplanverfahren

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund) spricht sich für eine begrenzte Einbeziehung der Jobcenter in das Teilhabeplanverfahren aus.

Zum einen sollten die Jobcenter nur dann am Teilhabeplanverfahren beteiligt werden, wenn dadurch tatsächlich positive Ergebnisse bei der beruflichen Eingliederung erwartet werden können. Dies sei bei Anträgen auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, nicht hingegen bei der ausschließlichen Beantragung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gegeben.[17]

Zum anderen sei eine Abstimmung zwischen Jobcentern und Rehabilitationsträgern nicht in jedem Fall des SGB II-Leistungsbezugs notwendig, sondern aus Sicht der Renten­versicherung nur dann, wenn Eingliederungsleistungen nach §§ 16a, 16b, 16d sowie 16f bis 16i SGB II beantragt oder erbracht werden. Nach dem jetzigen Wortlaut des § 19 Abs. 2 S. 1 SGB IX in der Fassung des TeilhabestärkungsG-E wäre eine Beteiligung der Jobcenter „auch bei allen übrigen gleichzeitigen SGB II-Leistungen, also z. B. auch bei einem (beantragten) Leistungsbezug nach § 22 SGB II (Bedarfe für Unterkunft und Heizung) notwendig.“[18] Das werde mit dem Teilhabestärkungsgesetz jedoch nicht angestrebt.[19]

§ 19 Abs. 1 S. 2 SGB IX sollte daher nach Ansicht der DRV Bund wie folgt gefasst werden:

„Soweit zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 14 auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Leistungen nach §§ 16a und 16b, 16 d sowie 16 f bis 16i des Zweiten Buches beantragt sind oder erbracht werden, beteiligt der leistende Rehabilitationsträger das zuständige Jobcenter wie in den Fällen nach Satz 1.“[20]

3. Technische Unterstützung einer koordinierten Fallarbeit

Die Bundesagentur für Arbeit empfiehlt die Regelungen des TeilhabestärkungsG-E, um eine rechtliche Grundlage zu ergänzen, die eine koordinierte Fallarbeit mit den Reha­bilitationsträgern durch technische Unterstützungen erlaubt. Es könne sich am Kern­datensystem für Jugendliche orientiert werden – einer zentralen Datenbank, auf die Träger unterschiedlicher Rechtskreise zugreifen können.[21]

4. Das ungelöste Problem der Erkennung von Rehabilitationsbedarfen in den Jobcentern

Die Einbeziehung der Jobcenter in das Teilhabeplanverfahren wird in vielen Stellung­nahmen begrüßt. Die Interne Revision „Reha (Wiedereingliederung)“ der BA[22] habe gezeigt, dass die Jobcenter bei der Betreuung von Rehabilitandinnen und Reha­bilitan­den überwiegend nicht zielführend handeln und Betroffene oft nicht die individuell erforder­lichen Hilfen erhalten würden. Die stärkere Einbeziehung der Jobcenter in das Teilhabe­planverfahren könne diese Defizite angehen.[23]

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) befürchtet jedoch, dass sich am Kern-Problem der niedrigen Rehabilitationsquoten in den Jobcentern nicht viel ändern wird.[24] Viele Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen werden von den Jobcentern gar nicht als Rehabilitationsfälle anerkannt. Dies zeige sich an der unterdurchschnittlichen Rehabilitationsquote der Jobcenter im Vergleich zu den Arbeitsagenturen. Zudem zeigen die Zahlen erhebliche Differenzen zwischen den Jobcentern als gemeinsame Einrichtungen und als kommunale Einrichtungen.[25] Eine Grund liege darin, dass die Anerkennung eines Rehabilitationsfalls die komplexe Zusammenarbeit mit den Rehabilitations­trägern auslöse und somit einen Anreiz darstelle, SGB II-Leistungs­berech­tigte mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen nur mit allgemeinen Leistungen zu fördern.[26]

5. Die (personelle) Ausstattung der Jobcenter

Die kommunalen Spitzenverbände teilen die Bedenken der Landkreise und kreisfreien Städte bezüglich der praktischen Umsetzung und des damit verbundenen Aufwands der geplanten Neuregelungen mit. Bereits heute, ohne Beteiligung der Jobcenter, gestalte sich die Durchführung des Teilhabeplanverfahrens als schwierig. Darüber hinaus ent­stehe personeller Mehraufwand, der im Verwaltungskostenbudget der Jobcenter berück­sichtigt werden müsse.[27] Der DGB sowie die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeit­geberverbände (BDA) schlagen „ein zentrales Reha-Budget für kleine Jobcenter vor, damit diese bei Bedarf Mittel für die Förderung der zum Teil längeren und kosten­intensiveren Reha-Maßnahmen zur Verfügung haben.“[28]

Der DGB verweist außerdem auf die „Rehapro“-Modellvorhaben, in deren Rahmen Ansätze erprobt werden, spezialisierte Vermittler und Vermittlerinnen für die Zielgruppe der Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in den Jobcentern einzusetzen. Zum regelhaften Einsatz solch spezialisierten Personals müssten alle Jobcenter – ähnlich, wie die Arbeitsagenturen (§ 187 Abs. 4 SGB IX) – verpflichtet werden, um Rehabilitationsfälle zu erkennen und das zur Verfügung stehende Förderspektrum voll­umfänglich einzusetzen.[29]

6. Die Probleme des gegliederten Rehabilitationssystems

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) und der Sozialverband VdK Deutschland (VdK) sehen das Grundproblem des „komplexen Zuständigkeitsgeflechts“ zwischen BA und Jobcentern durch das Teilhabestärkungsgesetz nicht gelöst.[30]

„Nicht alle Jobcenter haben Reha-Teams, sie müssen aber alle über die Reha-Maßnahme entscheiden. Damit fehlt dort der wichtige Sachverstand, um Reha-Bedarf auch bei ALG-II-Beziehern zu erkennen, deren Wechsel von der BA (ALG-I-Bezug) zum Jobcenter schon länger her ist. Auch bei der Entscheidung über die Reha-Maßnahme fehlt der Sachverstand ohne Reha-Team. Das Dilemma bleibt: Die Jobcenter sind keine Reha-Träger, müssen aber über Reha-Maßnahmen entscheiden.“[31]

Soweit im TeilhabestärkungsG-E davon gesprochen wird, dass sich das gegliederte Rehabilitationssystem bewährt habe, widerspricht der VdK, denn gerade die Träger­vielfalt sei oft ein Grund dafür, dass Versicherte keine Rehabilitationsmaßnahmen in Anspruch nehmen. „Oder aber die Arbeitsagentur unterbreitet einen sinnvollen und mit dem Rehabilitanden abgestimmten Vorschlag für eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, der dann vom Jobcenter aus finanziellen Gründen abgelehnt und nicht umgesetzt wird.“[32]

Mittel- bis langfristig müssten daher alle Rehabilitationsmaßnahmen bei einem einheit­lichem Rehabilitationsträger zusammengeführt werden.[33] Bis dahin, darin sind sich VdK und SoVD einig, sollte die BA eigenständig über die Teilhabeleistungen von SGB II-Empfängern entscheiden.[34]

IV. Ausblick

Der Bundesrat veröffentlichte am 26. März 2021 seine Stellungnahme zum Entwurf des Teilhabestärkungsgesetzes. Darin begrüßte er zwar die Aufhebung des Verbots von Leistungen nach §§ 16a ff. SGB II an SGB II-Leistungsberechtigte mit Rehabilitations­bedarf, allerdings hob er die damit deutlich ansteigenden Anforderungen an die Job­center hervor. Eine verbesserte Betreuung von Rehabilitandinnen und Rehabilitan­den im SGB II bedürfe daher neben der zusätzlichen Handlungsmöglichkeiten auch einer entsprechenden finanziellen und personellen Ausstattung der Jobcenter, um die Auf­gaben wie vorgesehen vollziehen zu können und eine weitere Überforderung der Jobcenter zu vermeiden.[35]

Die Bundesregierung entgegnete, dass eine bessere finanzielle Ausstattung der Job­center nicht notwendig sei. Bereits in den vergangenen Jahren wurden die Bundesmittel für Eingliederung und Verwaltung im SGB II deutlich erhöht. Während entsprechende Mittel 2012 in Höhe von etwa 1.920 Euro pro erwerbsfähigem Leistungsberechtigten zur Verfügung standen, waren es 2020 rund 2.606 Euro und damit etwa 36 % mehr.[36]

Der Bundestag hat mittlerweile dem TeilhabestärkungsG-E in der Fassung des Bundestags­ausschusses für Arbeit und Soziales[37] zugestimmt[38] und damit auch eine Entschließung angenommen, die Bundesregierung aufzufordern, dass sie auf die Umsetzung verschiedener Maßnahmen hinwirken und verschiedene Empfehlungen geben soll[39]. Die Forderungen an die Bundesregierung lassen sich in drei Punkten zusammenfassen:

1. Die Bundesregierung soll auf die stärkere Einbindung der Jobcenter in das Rehabilitationsverfahren, erforderlichenfalls im Rahmen einer Teilhabeplan­kon­ferenz, und einer entsprechenden Anpassung der Gemeinsamen Empfehlung Reha-Prozess[40] hinwirken. Begleitend sollen den Jobcentern Informations- und Schulungsmaterialen zur Verfügung gestellt werden, auf deren Basis die BA, noch vor Inkrafttreten des Teilhabestärkungsgesetzes am 1. Januar 2022, Informations- und Schulungsangebote für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der gemeinsamen Einrichtungen aktualisiert, entwickelt und anbietet.

2. Den gemeinsamen Einrichtungen soll empfohlen werden,
a) Konzepte zu entwickeln, die die Zusammenarbeit mit den Rehabilitations­trägern regeln,
b) Qualifikationsdefizite der Integrationsfachkräfte hinsichtlich der Reha­bilitationsbedarfserkennung zu erfassen und mit dem Ziel einer früh­zeitigen Bedarfserkennung zu beheben und
c) die Führungskräfte der gemeinsamen Einrichtungen systematisch zu schulen.

Die Bundesagentur für Arbeit soll im Rahmen ihrer Fachaufsicht (siehe § 44b Abs. 3 SGB II) den erfolgreichen Einsatz dieser Maßnahmen überprüfen.

Den obersten Landesbehörden, die für die Fachaufsicht der kommunalen Grund­sicherungsträger zuständig sind (siehe z. B. § 10 Hessisches Offensiv-Gesetz), soll empfohlen werden, dass sie die Umsetzung dieser Maßnahmen in den zugelassenen kommunalen Trägern sicherstellen.

3. Außerdem soll die Bundesregierung im Rahmen der Begleitforschung das Thema Rehabilitation im SGB II stärker in den Blick nehmen.

Die Betonung der Teilhabeplankonferenz wurde durch den Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales zudem durch eine Änderung in § 20 Abs. 1 S. 3 SGB IX ergänzt, die eine Abweichung vom Wunsch der Leistungsberechtigten nach Durchführung einer Teilhabeplankonferenz erschwert.[41]

Beitrag von René Dittmann (LL.M.), Universität Kassel

Fußnoten

[1] Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie zur landesrechtlichen Bestimmung der Träger der Sozialhilfe (Teilhabestärkungsgesetz) vom 03.02.2021, abrufbar unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Regierungsentwuerfe/reg-teilhabestaerkungsgesetz.pdf;jsessionid=0F2F3121157A86A64064530A5F36DC2C.delivery1-replication?__blob=publicationFile&v=1, zuletzt abgerufen am 13.04.2021.

[2] Bundestags-Drucksache 19/27400.

[3] Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 2.

[4] Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 4.

[5] Siehe Dittmann: Sozialintegrative Leistungen nach dem SGB II neben einem Rehabilitations­verfahren – Teil I: Das Teilhabestärkungsgesetz und die Aufhebung des Verbots von Leistungen nach §§ 16a ff. SGB II an Rehabilitandinnen und Rehabilitanden im SGB-II-Leistungsbezug, Beitrag A15-2021 unter reha-recht.de; 05.05.2021.

[6] Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 34, 51; ausführlich dazu: Beitragsteil I: Dittmann: Sozialintegrative Leistungen nach dem SGB II neben einem Rehabilitationsverfahren – Teil I, Beitrag A15-2021 unter reha-recht.de; 05.05.2021.

[7] Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 34.

[8] Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 51.

[9] Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 58.

[10] Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 58.

[11] Abrufbar unter: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/
teilhabestaerkungsgesetz.html
, zuletzt abgerufen am 13.04.2021.

[12] In diesem Beitrag werden Auszüge aus den Stellungnahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA), der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), der kommunalen Spitzenverbände, des Sozialverbands Deutschland (SoVD) sowie des Sozialverbands VdK Deutschland (VdK) vorgestellt.

[13] BA-Stellungnahme, S. 9 (abrufbar unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/
DE/Gesetze/Stellungnahmen/teilhabestaerkungsgesetz-ba.pdf
, zuletzt abgerufen am 20.04.2021).

[14] BMAS-Referentenentwurf des Teilhabestärkungsgesetzes, S. 16.

[15] Deutscher Landkreistag, Deutscher Städtetag und Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe.

[16] Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände, S. 6 (abrufbar unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Stellungnahmen/
teilhabestaerkungsgesetz-kommunale-spitzenverbaende.pdf
, zuletzt abgerufen am 14.04.2021).

[17] Stellungnahme DRV Bund, S. 4 f (abrufbar unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/
Downloads/DE/Gesetze/Stellungnahmen/teilhabestaerkungsgesetz-drv.pdf
, zuletzt abgerufen am 20.04.2021).

[18] Stellungnahme DRV Bund, S. 5.

[19] Stellungnahme DRV Bund, S. 5.

[20] Stellungnahme DRV Bund, S. 6.

[21] Zum Kerndatensystem Jugendliche der BA: https://www.wirtschaft.bremen.de/sixcms/
media.php/13/19_424_L-Vorlage%20Transparenz%20Ausbildungsmarkt_GEAMT_BV.pdf
, zuletzt abgerufen am 20.04.2021.

[22] Bundesagentur für Arbeit, Interne Revision, Reha (Wiedereingliederung), abrufbar unter: https://www.arbeitsagentur.de/datei/revisionsbericht-reha_ba041163.pdf, zuletzt abgerufen am 20.04.2021.

[23] SoVD-Stellungnahme, S. 8 f. (abrufbar unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/
DE/Gesetze/Stellungnahmen/teilhabestaerkungsgesetz-sovd.pdf
, zuletzt abgerufen am 14.04.2021)

[24] DGB-Stellungnahme, S. 1. (abrufbar unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/
DE/Gesetze/Stellungnahmen/teilhabestaerkungsgesetz-dgb.pdf
, zuletzt abgerufen am 15.04.2021).

[25] Im Jahr 2019 lag das Verhältnis von Rehabilitationsfällen zu Arbeitslosen bei den Agenturen für Arbeit bei 1 zu 28, bei den gemeinsamen Einrichtungen bei 1 zu 62 und bei den kommunalen Einrichtungen bei 1 zu 99, siehe DGB-Stellungnahme, S. 2.

[26] DGB-Stellungnahme, S. 2.

[27] Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände, S. 6. Die Bereitstellung der notwendigen finanziellen Ressourcen für die Jobcenter wird auch vom SoVD gefordert (SoVD-Stellung­nahme, S. 9).

[28] DGB-Stellungnahme, S. 3; BDA-Stellungnahme, S. 2 (abrufbar unter: https://www.bmas.de/
SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Stellungnahmen/teilhabestaerkungsgesetz-bad.pdf
, zuletzt abgerufen am 20.04.2021). Siehe dazu auch: Dittmann: Leistungen der aktiven Arbeitsförderung durch die Agenturen für Arbeit und die Jobcenter neben einem Reha­bilitationsverfahren – Teil I; Beitrag A13-2021 unter reha-recht.de; 03.05.2021, S. 6 f.

[29] DGB-Stellungnahme, S. 2 f. Diese Forderung stellen auch der BDA (BDA-Stellungnahme, S. 2), der SoVD (SoVD-stellungnahme, S. 9) und der VdK (VdK Stellungnahme, S. 13, abrufbar unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetze/Stellungnahmen/
teilhabestaerkungsgesetz-sozialverband-vdk.pdf?
, zuletzt abgerufen am 20.04.2021).

[30] VdK-Stellungnahme, S. 12, SoVD-Stellungnahme, S. 9.

[31] VdK-Stellungnahme, S. 12.

[32] VdK-Stellungnahme, S. 13.

[33] VdK-Stellungnahme, S. 13.

[34] VdK-Stellungnahme, S. 13, SoVD-Stellungnahme, S. 9.

[35] Bundesrats-Drucksache, 129/21 (Beschluss), S. 4 f.; siehe auch: Bundestags-Drucksache 19/28395, S. 5.

[36] Bundestags-Drucksache 19/28395, S. 11.

[37] Bundestags-Drucksache 19/28834.

[38] Bundestags-Plenarprotokoll 19/224, S. 28449B und 28449C.

[39] Bundestags-Drucksache 19/28834, S. 29 ff., insbesondere S. 32 f.

[40] Siehe dazu: Schian: Gemeinsame Empfehlung Reha-Prozess – ein „Patentrezept“ für die Gestaltung trägerübergreifender Zusammenarbeit in der Rehabilitation – Teil I und Teil II; Beiträge A4-2021 und A5-2021 unter reha-recht.de; 26.01.2021.

[41] Siehe dazu: Bundestags-Drucksache 19/28834, S. 56.


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