21.10.2019 A: Sozialrecht Sellnick: Beitrag A22-2019

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger bei Langzeitarbeitslosigkeit – Anmerkung zu BSG, Urteil vom 12. März 2019 – B 13 R 27/17 R

Dr. Hans-Joachim Sellnick, Richter am Sozialgericht Nordhausen, bespricht ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. März 2019, in dem es um die Frage ging, ob eine bereits zehn Jahren zurückliegende (Berufs-)Tätigkeit für die Beurteilung einer erheblich gefährdeten oder geminderten Erwerbsfähigkeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI herangezogen werden könne und in der Folge ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gegenüber der Gesetzlichen Rentenversicherung bestehe. Nach einer Darstellung der Entscheidung, stellt Sellnick sich daraus ergebende Folgefragen für Menschen, die bereits seit längerer Zeit arbeitslos sind und gesundheitliche Beeinträchtigungen aufweisen. Insbesondere stellt er dar, zu welchen Problemen es im Zusammenhang mit der Förderleistung nach § 16i SGB II kommen kann, die Zuschüsse zum Arbeitsentgelt von Menschen vorsieht, die in den letzten sieben Jahren mindestens sechs Jahre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhalten haben. Diesbezüglich seien eine Klarstellung durch den Gesetzgeber oder eine fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit angezeigt.

(Zitiervorschlag: Sellnick: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger bei Langzeitarbeitslosigkeit – Anmerkung zu BSG, Urteil vom 12. März 2019 – B 13 R 27/17 R; Beitrag A22-2019 unter www.reha-recht.de; 21.10.2019)

I. Überblick

Das BSG hatte sich in seiner Entscheidung vom 12.03.2019[1] damit zu befassen, unter welchen Voraussetzungen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 10 SGB VI von einem Träger der Deutschen Rentenversicherung (DRV) als Rehabilitationsträger zu gewähren sind. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist, außerdem müssen Teilhabeleistungen nach Maßgabe der Nr. 2 erfolgversprechend sein. Entscheidend ist die Erwerbsfähigkeit des Versicherten in Bezug auf die bisher ausgeübte(n) Tätigkeit(en).[2] Umstritten in der Rechtsprechung war bisher, ob der zuletzt nicht nur befristet oder geringfügig ausgeübte Beruf bzw. die versicherungspflichtige Tätigkeit auch dann als Bezugsberuf zugrunde zu legen ist, wenn dessen Ausübung länger, insbesondere länger als 10 Jahre, zurückliegt. Dies hat das BSG im konkreten Fall bejaht. Abgrenzungsprobleme bei der Bestimmung der Zuständigkeit der verschiedenen Rehabilitationsträger stellen sich aber weiterhin (z. B. bei der Erwerbsfähigkeit gefährdenden psychischen Erkrankungen aufgrund von Langzeitarbeitslosigkeit). Sie werden durch die Einführung neuer Förderinstrumente nach dem Teilhabechancengesetz und hier insbesondere nach § 16i SGB II noch virulenter, denn eine mögliche Zuständigkeit der RV könnte sich auch als Förderhindernis erweisen.

II. Die Entscheidung

Die 1961 geborene Klägerin hatte eine (Zweit-) Ausbildung zur Physiotherapeutin 1991 erfolgreich absolviert und übte diesen Beruf mit kurzen Unterbrechungen bis Mai 2003 aus. Danach hatte die Klägerin ihre Kinder betreut, war arbeitslos bzw. arbeitsunfähig und zeitweilig als Kellnerin geringfügig nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Unter Hinweis auf Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet (insbesondere Arthrosen der Hände und der Knie) beantragte sie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Bundesagentur für Arbeit, die den Antrag an einen Träger der DRV weiterleitete.[3] Dieser lehnte die beantragten Leistungen ab, weil die Klägerin Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit ausüben könne. Ihr Berufsleben sei in den letzten 10 Jahren von keiner bestimmten Tätigkeit geprägt gewesen. Bezugsberuf sei daher der allgemeine Arbeitsmarkt. Dem folgten weder die Instanzgerichte[4] noch das BSG. Nach Auffassung des BSG bieten weder der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI noch die Regelungsgeschichte der rehabilitationsrechtlichen Vorschriften, die das BSG in der referierten Entscheidung ausführlich darlegt, Anhaltspunkte für eine Einschränkung des in § 9 SGB VI formulierten Teilhabeanspruchs wegen Zeitablaufs. Allerdings müsse die Erwerbsfähigkeit des Versicherten auch „wegen“ ihrer Krankheiten bzw. Behinderungen gefährdet oder gemindert sein. Bei einem längeren Zeitablauf könne dies auch Folge des Verlustes verwertbarer Fähigkeiten im „bisherigen Beruf“ sein, z. B. durch arbeitsmarktbedingte Berufs- bzw. Tätigkeitsentfremdung (z. B. grundlegenden Wandel der fachlichen Anforderungen) oder durch den Verlust der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten durch langfristige Nichtausübung. Bei der Argumentation greift das BSG auf die Lehre von der wesentlich mitwirkenden Bedingung zurück, die ursprünglich aus dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung stammt.[5] Im konkreten Fall konstatiert das BSG unter Verweis auf die Feststellungen des LSG allerdings nur, dass eine arbeitsmarktbedingte oder individuelle Berufs- bzw. Tätigkeitsentfremdung nicht vorlägen.

III. Bewertung/Folgefragen

Die Kausalitäten bei dem Phänomen Langzeitarbeitslosigkeit und gesundheitliche Beeinträchtigungen können keineswegs sauber getrennt werden. Bei der überwiegenden Zahl der auf Erwerbsminderung gerichteten Verfahren spielen psychische Erkrankungen eine Rolle. Sie sind mittlerweile nach den Statistiken der DRV bei Erwerbminderungsrenten der wichtigste Berentungsgrund (i. S. d. Hauptdiagnose)[6]. Die Rolle psychischer Erkrankungen ist allerdings noch größer als diese Zahlen ausweisen, wenn man im Blick behält, dass auch somatische Erkrankungen z. B. auf internistischem und orthopädischem Gebiet in der Regel mit psychischen Beeinträchtigungen, insbesondere somatoformen Schmerzstörungen und Depressionen, einhergehen. Arbeitslosigkeit ist zudem ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor für psychische Erkrankungen. Psychische Erkrankungen führen zu (weiteren) Einschränkungen, die auch zu für den bisherigen Beruf und den allgemeinen Arbeitsmarkt relevanten Fähigkeitsverlusten führen. Allerdings sind auch höheres Lebensalter und Langzeitarbeitslosigkeit Risiken, die schon für sich genommen die Chance einer Integration auf dem Arbeitsmarkt drastisch auf unter 10 % reduzieren.[7] Wo liegt im „Teufelskreis“ von Langzeitarbeitslosigkeit und psychischen Folgen die wesentliche Bedingung? Ob auch die gesundheitlichen Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit als solche einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) durch die RV begründen können, ist letztlich eine noch zu beantwortende normative Frage bei der Abgrenzung der Leistungssysteme. Es bleibt daher abzuwarten, wie DRV-Träger und Rechtsprechung die Vorgaben des BSG umsetzen.[8]

Durch die BSG-Entscheidung gewinnt auch an Bedeutung, wie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von Maßnahmen nach dem Teilhabechancengesetz, insbesondere solchen nach § 16i SGB II, abzugrenzen sind. Letztere sind an Langzeitarbeitslose gerichtet, die schon sehr lange aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Voraussetzung ist ein SGB II-Leistungsbezug von mindestens 6 Jahren innerhalb der letzten 7 Jahre. Berücksichtigt man, dass vorher häufig Zeiten von ALG I-Bezug und Krankengeld gelegen haben, würde sich die Abgrenzungsfrage bei einer strikten 10-Jahresgrenze in vielen Fällen nicht stellen.

Die Probleme sollen an einem (noch) fiktiven, aber im Hinblick auf die der Problematik zugrundeliegenden Lebenslagen typischen Fallbeispiel illustriert werden. Bei dem 1962 geborenen Versicherten aus den neuen Bundesländern handelt es sich um einen gelernten Bergarbeiter, der bis zur Schließung der Grube 1993 in diesem Beruf und später nach Arbeitslosigkeit und Qualifizierungsmaßnahmen bis 2008 als Baumaschinist tätig war, bis seine Beschäftigungsfirma insolvent wurde. Anfang 2009 erkrankte er während einer befristeten Beschäftigung als Produktionsmitarbeiter und erlitt mehrere Bandscheibenvorfälle. Nach Ausschöpfung von ALG I und Krankengeldansprüchen geriet er ab 2011 in den SGB II-Bezug. Er konnte in der strukturschwachen ländlichen Region, aus der der Versicherte aufgrund des geerbten Hauses und familiärer Bindungen nicht wegziehen wollte, nicht mehr in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden. Es folgten mehrere Arbeitsgelegenheiten (1-€-Jobs) im Bereich der Pflege öffentlicher Grünflächen. Bei der letzten Maßnahme führte dies zu gesundheitlichen Problemen und Krankschreibungen. Das Jobcenter forderte ihn daraufhin auf, einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente zu stellen, der abgelehnt wurde, weil der Versicherte noch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, z. B. eines Pförtners an der Nebenpforte,[9] mehr als sechs Stunden täglich ausüben könne. Das Klageverfahren ging durch zwei Instanzen und blieb erfolglos. Anfang 2019 erfährt er bei einem zufälligen Treffen mit einem ehemaligen Arbeitskollegen, der Vorstandsvorsitzender des Trägervereins des örtlichen Bergbaumuseums ist, dass dieser ihn auf der Basis einer Förderung nach § 16i SGB II als Museumsaufsicht und Führer von Besuchergruppen einstellen würde. Aufgrund des hohen Zuschussanteils von anfänglich 100 % der Lohnkosten auf Mindestlohnbasis in den ersten 2 Jahren sei zunächst eine Beschäftigung über 2 Jahre, zusammen mit erhofften zusätzlichen Projektmitteln aus der Tourismusförderung sogar über 5 Jahre, möglich. Man nimmt Kontakt mit dem Jobcenter auf. Dieses verweist auf die Zuständigkeit der RV. Gemäß dem Förderverbot bei Zuständigkeit eines anderen Trägers des § 22 SGB III i. V. m. § 16 Abs. 2 SGB II dürfe ihn das Jobcenter nicht fördern, denn es handele sich bei einer Förderung nach § 16i SGB II, um einen Eingliederungszuschuss und somit um eine gleichartige Leistung[10] zu den Eingliederungszuschüssen bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Nach der besprochenen BSG-Entscheidung sei klar, dass die RV zuständig sei, auch die versicherungsrechtliche Voraussetzung der Wartezeiterfüllung sei aufgrund der Tätigkeit im Bergbau und als Baumaschinist erfüllt. Der Versicherte ist empört, es könne doch nicht sein, dass Maßnahmen gemäß § 16i SGB II nur für diejenigen in Betracht kämen, die entweder völlig gesund seien und/oder noch nie gearbeitet hätten. Das Jobcenter leitet gleichwohl den Antrag, den es als Antrag auf Leistungen zur Teilhabe wertet, an den DRV-Träger weiter. Dieser lehnt den Antrag ab. Er sei nicht zuständig. Es sei zwar richtig, dass der Kläger mittlerweile als Baumaschinist nur äußerst geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe, die Einschränkungen auf orthopädischem Bereich seien aber mit einem Teil der Tätigkeiten im Berufsfeld des Baumaschinisten z. B. als LKW- oder Radladerfahrer durchaus vereinbar. Der DRV-Träger beruft sich insoweit ebenfalls auf die Entscheidung des BSG: Die langjährige Arbeitslosigkeit sei die wesentliche Ursache für die geringen Eingliederungschancen. Diese sei auch die Ursache der weiteren gutachterlich im Klageverfahren festgestellten Beeinträchtigungen auf psychischem Gebiet, der Anpassungsstörung bei Langzeitarbeitslosigkeit und der somatoformen Schmerzstörung, die sich bei einer Arbeitsaufnahme bessern würden. Im Übrigen könne man Leistungen nach § 16i SGB II gar nicht bewilligen, da es sich nicht um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, sondern um Ermessensleistungen der Arbeitsförderung handele.[11] Auch LTA nach dem SGB III i. V. m. § 16 SGB II könne man nicht als zweitangegangener Rehabilitationsträger bewilligen, denn der Antrag sei vom Jobcenter weitergeleitet worden. Dieses sei kein Rehabilitationsträger. Rehabilitationsträger für SGB II Empfänger sei die Bundesagentur für Arbeit (§ 6 Abs. 3 SGB IX), diese könne aber das Jobcenter nur fachlich beraten, aber selbst keine LTA bewilligen, dies sei dem Jobcenter vorbehalten.[12]

Die Rechtsansichten von Jobcenter und DRV-Träger sind – jede für sich – nicht schlechthin unvertretbar, führen aber unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten zu inadäquaten Ergebnissen. Letztlich würden dabei dauerhaft gesundheitlich Beeinträchtigte – also Menschen mit Behinderungen – aufgrund ihrer Behinderung gegenüber anderen Langzeitarbeitslosen durch eine solche Anwendung der Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften von attraktiven Fördermöglichkeiten ausgeschlossen und somit diskriminiert. Ein Förderverbot in der geschilderten Konstellation für Maßnahmen gemäß § 16i SGB II widerspräche auch der gesetzgeberischen Intention des Teilhabechancengesetzes: In der Gesetzesbegründung zu § 16i SGB II sind Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen explizit benannt. Zielgruppe sind ausdrücklich Arbeitslose mit multiplen Vermittlungshindernissen, wie im Beispielsfall Langzeitarbeitslosigkeit, höheres Lebensalter und gesundheitliche Beeinträchtigungen.[13] Die Sonderregelung des § 16i Abs. 3 S. 3 SGB II wendet sich gerade an Schwerbehinderte i. S. § 2 Abs. 2 und 3 SGB IX. Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber mit § 16i SGB II ein spezielles und eben kein gleichartiges Förderinstrument bezogen auf die allgemeinen LTA schaffen wollte, das gerade nicht unter das Förderverbot des § 22 SGB III fällt. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber, zumindest jedoch eine entsprechende fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit, wäre angezeigt.[14]

Beitrag von RiSG Dr. Hans-Joachim Sellnick, Nordhausen

Fußnoten

[1] BSG, Urteil vom 12. März 2019 – B 13 R 27/17 R –, SozR 4 (vorgesehen).

[2] Ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben setzt nicht voraus, dass der Versicherte in einem Ausbildungsberuf tätig war und auf eine etwaige Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kommt es grundsätzlich nicht an. Nicht maßgeblich als Bezugsberuf bzw. -tätigkeit sind nach ständiger Rechtsprechung aber Tätigkeiten, die nur verhältnismäßig kurze Zeit verrichtet oder nicht versicherungspflichtig ausgeübt worden sind (vgl. z.B. Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 10 SGB VI, Rn. 31).

[3] Angestrebt wurde von der Klägerin eine Fortbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen oder auch zur Immobilienkauffrau, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.03.2016, L 2 R 712/15 -, juris, Rn. 4.

[4] Vorgehend SG Berlin, Urt. V.31. Juli 2015, S 188 R 6774/13, und Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.03.2016, L 2 R 712/15.

[5] Für die erforderliche wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache für den Erfolg gelte: „Wesentlich“ sei nicht gleichzusetzen mit „gleichwertig“ oder „annähernd gleichwertig“. Zwar könne auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache für den Erfolg rechtlich wesentlich sein. Sei dagegen eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so sei nur diese als „wesentliche“ Ursache im Sinne des Sozialrechts zu qualifizieren. Die andere, damit nicht wesentliche Ursache könne zwar gleichwohl „Auslöser“ für den Ursachenzusammenhang sein, jedoch ohne dass ihr insoweit rechtlich entscheidende Bedeutung zukomme, BSG, a. a. O Rn 37 unter Verweis BSG Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, Rn 15 mwN).

[6] Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rentenversicherung in Zahlen 2019; S. 57; abrufbar unter: https://deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Zahlen-und-Fakten/Statistiken-und-Berichte/statistiken_und_berichte.html?https=1, zuletzt abgerufen am 21.10.2019.

[7] Beste, Trappmann, IAB Kurzbericht 21/2016, Erwerbsbedingte Abgänge aus der Grundsicherung, Der Abbau von Hemmnissen macht‘s möglich. Abrufbar unter: http://doku.iab.de/kurzber/2016/kb2116.pdf, zuletzt abgerufen am 21.10.2019.

[8] Insofern verschiebt diese Entscheidung die Abgrenzungsprobleme in vielen Fällen auf die Frage der normativen Zurechnung von bestimmten Lebensrisiken zu unterschiedlichen Versicherungssystemen. Bei der Frage nach der "Wesentlichkeit" handelt es sich um eine reine Rechtsfrage, für die maßgeblich ist, ob sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. (vgl. grundlegend BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R –, BSGE 112, 177-188, SozR 4-2700 § 8 Nr 46, Rn. 37)

[9] Vgl. hierzu Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Juli 2018 – L 8 R 883/14 –, juris. anhängig BSG, B 13 R 7/18 R

[10] Die Gleichartigkeit hat sich am Ziel der Leistung zu orientieren, so dass insofern nur solche der beruflichen Rehabilitation einschlägig sind. Diese zielen spezifisch auf die (Wieder-) Eingliederung behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt bzw. auf eine Verbesserung ihrer Eingliederungschancen (Janda in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2. Aufl. 2019, § 22 SGB III, Rn. 48). Der Nachrang der Leistungen der Arbeitsförderung kommt selbst dann zum Tragen, wenn diese umfangreicher wären als die des anderen Trägers. (a. a. O. Rn 51).

[11] In diesem Zusammenhang sei auf BSG, Urt. v. 12.11.2015, B 14 AS 34/14 R -, juris hinzuweisen, in dem der 14. Senat äußerte, dass Arbeitsgelegenheiten nach § 16 d. SGB II auch Leistungen zur Teilhabe ab Arbeitsleben sein können (Rn. 15 ff.).

[12] Ob die Verfahrensregeln der §§ 14 SGB IX für SGB II Empfänger leerlaufen, ist umstritten (vgl. Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018, § 6 SGB IX RdNr.34ff). Ich habe dies in einem Beschluss des einstweiligen Rechtsschutzes unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten verneint und das Jobcenter im Hinblick auf die Rechtsfolgen des § 14 SGB IX als Rehabilitationsträger behandelt (SG Nordhausen, Beschluss vom 03. Mai 2018 – S 19 AS 273/18 ER –, juris). Das LSG hat diesen Beschluss jedoch aufgehoben (Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 18. Januar 2019 – L 9 AS 592/18 B ER –, juris). Allerdings hat auch das BSG (Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 14/13 R –, juris) in einem Erstattungsstreit zwischen einem SGB XII-Träger und einem Jobcenter auf die Regelungen des § 14 SGB IX abgestellt.

[13] Bundestags-Drucksache 19/4725 S. 18

[14] Das Zusammentreffen von Maßnahmen gemäß § 16 i SGB II und allgemeinen LTA-Maßnahmen wäre dann ein Anwendungsfall für die seit dem 01.01.2018 geltende Teilverweisungsmöglichkeit des § 15 SGB IX. Dies würde in der Konsequenz aber eine trägerübergreifende Teilhabeplanung unter Einbeziehung des Jobcenters erfordern, die ohnehin nicht nur fakultativ angezeigt ist. Am sinnvollsten wäre daher die gesetzgeberische Konsequenz, die Jobcenter explizit in den Katalog der Rehabilitationsträger des § 6 SGB IX aufzunehmen. Dessen ungeachtet könnte man es bei der Verpflichtung, die Bundesagentur für Arbeit aufgrund ihrer Fachkompetenz im Rehabereich zu beteiligen, belassen.


Stichwörter:

Verminderte Erwerbsfähigkeit, Rentenversicherung, Arbeitslosigkeit, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben


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