17.02.2022 A: Sozialrecht Warncke: Beitrag A3-2022

Während eines Aufenthalts in einer stationären Einrichtung zur Drogenentwöhnung im Rahmen von §§ 35 f. BtMG besteht kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II – Anmerkung zum Urteil des BSG vom 5. August 2021 – B 4 AS 58/20 R

Die Autorin Dr. Meike Warncke bespricht im vorliegenden Beitrag das Urteil des Bundessozialgerichts vom 5. August 2021. Kern dieser Entscheidung war die Rechtsfrage, ob der Aufenthalt einer Person in einer der Rehabilitation dienenden Einrichtung unter Zurückstellung der Strafe gemäß §§ 35 f. Betäubungsmittelgesetz (BtMG) dem Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung gleichgestellt ist und daher die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II greift. Das Bundessozialgericht (BSG) bejahte diese Frage.

In der Würdigung der Entscheidung stellt die Autorin dar, welche Konstellationen § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II umfasst und in welchen Fällen diese Ausschlussregelung keine Anwendung findet.

(Zitiervorschlag: Warncke: Während eines Aufenthalts in einer stationären Einrichtung zur Drogenentwöhnung im Rahmen von §§ 35 f. BtMG besteht kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II – Anmerkung zum Urteil des BSG vom 5. August 2021 – B 4 AS 58/20 R; Beitrag A3-2022 unter www.reha-recht.de; 17.02.2022)

I. These

Mit der vorliegenden Entscheidung wurde grundsätzlich geklärt, welche Formen einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung unter den Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II fallen. Ob sich Personen in räumlicher Hinsicht auch in einer Einrichtung im Sinne des Sozialhilferechts aufhalten, könnte jedoch künftig weitere Abstufungsfragen aufwerfen.

II. Wesentliche Aussagen des Urteils

  1. Halten sich Personen in einer der Rehabilitation dienenden Behandlung unter Zurückstellung der Vollstreckung der Strafe nach §§ 35 f. Betäubungsmittelgesetz (BtMG) auf (hier in einer Einrichtung zur Behandlung einer Suchterkrankung), besteht kein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II gemäß der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II.
  2. Die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II dient einer Abgrenzung der für die Existenzsicherung zuständigen Systeme des SGB II und des SGB XII. Kurzfristige Systemwechsel sollen mit ihr vermieden werden.

III. Der Sachverhalt

Für die Dauer einer stationären Drogenentwöhnungstherapie begehrte der Kläger Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Er befand sich ab September 2015 zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen in einer Justizvollzugsanstalt (JVA). Während der Vollstreckung stellte der Kläger bei der Staatsanwaltschaft eine Anfrage auf Zurückstellung der Freiheitsstrafe zur Durchführung einer stationären Entwöhnungstherapie nach § 35 Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Dem Antrag wurde mit Gerichtsbeschluss stattgegeben und die Strafvollstreckung zum Zwecke der Durchführung einer Therapie gemäß § 35 BtMG zurückgestellt. Die vom Kläger nachgewiesene Zeit seiner Aufenthalte in der Therapieeinrichtung sollten auf die Strafen angerechnet werden, bis infolge der Anrechnung zwei Drittel der Strafe erledigt sind (§ 36 Abs. 1 BtMG). Am 27. September 2016 wurde der Kläger einkommens- und vermögenslos mit Ausnahme eines Überbrückungsgelds von 606,43 € in eine nach § 107 Abs. 2 SGB V anerkannte stationäre „Rehabilitationseinrichtung für von illegalen Suchtmitteln abhängige Männer ab 18 Jahren“ entlassen. An die stationäre Behandlung in der Fachklinik schloss sich unmittelbar eine stationäre Adaptionsbehandlung[1] an. Der Antrag auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation (Entwöhnungstherapie) wurde von der Deutschen Rentenversicherung an den zuständigen Sozialhilfeträger (Beigeladener) weitergeleitet.[2] Dieser bewilligte mit Bescheid vom 29. Juli 2016 für die Entwöhnungsbehandlung Leistungen der Eingliederungshilfe sowie für die persönlichen Ausgaben des Klägers einen monatlichen Barbetrag von 109,08 €.[3] In dem Bescheid wurde zudem darauf verwiesen, dass der Barbetrag nur ausgezahlt werden könne, wenn keine Leistungen nach dem SGB II geleistet werden würden.[4] Der Kläger solle sich diesbezüglich umgehend nach seiner Aufnahme in der Rehabilitationseinrichtung mit dem Jobcenter (Beklagte) in Verbindung setzen. Sollte der Anspruch auf Grundsicherungsleistungen gegen das Jobcenter wider Erwarten scheitern, sei zudem zu klären, ob der Kläger über einen Familienversicherungsanspruch gegen eine gesetzliche Krankenkasse nach § 10 SGB V verfüge. Nach Entlassung des Klägers aus der Fachklinik am 14. Februar 2017 wurde er am selben Tag in der Adaption aufgenommen. Mit Bescheid vom 16. März 2017 bewilligte der Sozialhilfeträger auch für diesen Aufenthalt bis längstens zum 8. Mai 2017 Leistungen der stationären Eingliederungshilfe. Am 9. Mai 2017 wechselte der Kläger in eine Einrichtung des betreuten Wohnens.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 sowie mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2017 wurden Antrag und Widerspruch abgelehnt, da der Kläger gemäß § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II nicht leistungsberechtigt sei. Die Klage dagegen war erfolgreich. Das zuständige Sozialgericht (SG) verurteilte die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide, dem Kläger für den vollständigen Zeitraum in der Fachklinik sowie für die Zeit in der Adaption Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hob das Urteil des SG auf und wies die Klage ab. Der Kläger sei für die genannten Zeiträume von SGB II-Leistungen ausgeschlossen, da die in einer nach §§ 35, 36 BtMG anerkannten Einrichtung durchgeführte Behandlung anstelle der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe in einer JVA nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes als Vollzug einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung zu werten sei. Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügte der Kläger eine Verletzung von § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II.

IV. Die Entscheidung

Das BSG hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen und der Entscheidung des LSG zugestimmt. Der Kläger sei für die Dauer seines Aufenthalts in der Fachklinik und in der Adaption von Leistungen der Grundsicherung gemäß § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II ausgeschlossen.

Mit Blick auf die Gesetzessystematik sei § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II gegenüber § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II die speziellere Regelung (lex specialis).[5] Liegen die Voraussetzungen von § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II vor, komme es nicht mehr darauf an, ob auch die Voraussetzungen für einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II gegeben seien und gegebenenfalls die Rückausnahme gemäß § 7 Abs. 4 S. 3 SGB II greife.[6] Der Ausschluss hänge allein davon ab, ob sich der Kläger in einer Einrichtung und im Vollzug einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung befinde. Unverzichtbare Voraussetzung für einen Leistungsausschluss sowohl nach § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II als auch nach § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II sei somit zunächst der Aufenthalt in einer „Einrichtung“. Hier sei auf den sozialhilferechtlichen Einrichtungsbegriff abzustellen.[7] Der Kläger habe sich in räumlicher Hinsicht während seiner Aufenthalte in der Fachklinik und in der Adaption in einer Einrichtung im Sinne des Sozialhilferechts befunden. Darüber hinaus seien die Aufenthalte in der Klinik und in der Adaption auch dem Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung zuzuordnen. Ausschlaggebend sei hier nicht die formale Einordnung der Einrichtung als JVA, sondern der Grund des Aufenthalts – also die Vollziehung einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung. Dies ließe sich auch der nicht abschließenden Aufzählung in der Gesetzesbegründung zur Einführung von § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II in das SGB II entnehmen.[8] Nach Ansicht des BSG können auch Aufenthalte unter § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II gefasst werden, die eine Freiheitsentziehung mit einer Behandlung und einer Resozialisierung der betreffenden Person kombinieren. Auch bei den §§ 35, 36 BtMG handele es sich um Regelungen, die eine Zurückstellung der Strafvollstreckung und eine anschließende Aussetzung zur Bewährung zur Behandlung ermöglichen. Während der Aufenthalte in der Fachklinik und in der Adaption befand sich der Kläger zudem auch weiterhin im Vollzug einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung im Sinne von § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II, denn die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 Abs. 1 BtMG setze die vorangegangene rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren voraus. Alle wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit der §§ 35, 36 BtMG seien darüber hinaus dem Gericht übertragen.[9] Ferner laufe während der Zurückstellung der Strafvollstreckung die Vollstreckung der Strafe weiter (§§ 35 f. BtMG).

Abschließend verwies das BSG darauf, dass die Zuordnung der Aufenthalte in der Fachklinik und in der Adaption zur Ausschlussregelung des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II ebenfalls mit dem Sinn und Zweck dieser Norm übereinstimmten. Die Ausschlussregelung ziele darauf ab, anhand von objektiven Kriterien die für die Existenzsicherung zuständigen Systeme des SGB II und des SGB XII voneinander abzugrenzen; kurzfristige Systemwechsel sollen mit ihr vermieden werden.[10] Die Zurückstellung von der Strafvollstreckung erfolge regelmäßig allein zum Zweck und für die Dauer einer Behandlung der Abhängigkeit. Betroffenen sei es während dieser Zeit grundsätzlich nicht möglich, dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Anders könne es sein, wenn sich Betroffene nach der Behandlung in einer Einrichtung des betreuten Wohnens befinden, weil sie sich dann nicht mehr in einer Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II aufhielten.[11]

V. Würdigung

Kern der Entscheidung des BSG war, ob es sich bei der Zurückstellung der Strafe gemäß §§ 35 f. BtMG wegen eines Aufenthalts in einer der Rehabilitation dienenden Behandlung weiterhin um einen Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung im Sinne der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II handelt. Im Ergebnis hat das BSG dies bejaht und damit das Urteil der Vorinstanz bestätigt.

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006[12] in § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II die Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung den stationären Einrichtungen gleichgestellt.[13] § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II ist gegenüber § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II die speziellere Regelung; bei beiden Ausschlusstatbeständen muss jedoch ein Aufenthalt in einer Einrichtung vorliegen.[14] An den Einrichtungsbegriff gemäß § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II sind im Wesentlichen dieselben Anforderungen zu stellen wie an den Einrichtungsbegriff nach § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II. Beide Leistungsausschlusstatbestände orientieren sich am sozialhilferechtlichen Einrichtungsbegriff des § 13 SGB XII.[15] Dieser erfordert insbesondere, dass es sich um den in einer besonderen Organisationsform zusammengefassten Bestand von personellen und sächlichen Mitteln handelt, die zu einem besonderen Zweck und unter der Verantwortung eines Trägers zusammengefasst werden, wobei eine Bindung an ein Gebäude gegeben sein muss.[16] Unstrittig war hier, dass der Kläger sich in räumlicher Hinsicht während seiner Aufenthalte in der Fachklinik und in der Adaption in einer Einrichtung im Sinne des Sozialhilferechts befunden hat, da sowohl Fachklinik als auch Adaption zu den Räumlichkeiten des Trägers (Drogenhilfe) gehören und der Kläger somit in diese eingegliedert war.[17]

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II regelt den Sonderfall, dass es sich um den Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung handelt. Hierzu gehören alle Formen einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung.[18] Nach der Gesetzesbegründung zur Einführung von § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II zählen dazu insbesondere der Vollzug von Strafhaft, die Untersuchungshaft, Maßregeln der Besserung und Sicherung, die einstweilige Unterbringung, die Absonderung nach dem Infektionsschutzgesetz, die Unterbringung psychisch Kranker und Suchtkranker nach den Unterbringungsgesetzen der Länder sowie, wenn nach § 1666 BGB das Vormundschaftsgericht die erforderlichen Maßnahmen zum Wohle des Kindes trifft.[19] Weiterhin unterfällt der Ausschlussregelung in § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe.[20] Seit dem Jahr 2016[21] greift der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II ebenfalls, wenn der Strafvollzug im offenen Vollzug erfolgt oder Freigang im Sinne der Strafvollzugsgesetze der Länder gewährt wird.[22]

Mit der vorliegenden Entscheidung hat das BSG[23] nun bestätigt, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II ebenfalls die Zeit eines Aufenthalts in einer der Rehabilitation dienenden Behandlung unter Zurückstellung der Vollstreckung der Strafe gemäß §§ 35 f. BtMG umfasst. Wesentlich ist hierbei, dass es sich bei der Überstellung in eine drogentherapeutische Einrichtung zur Behandlung der Drogensucht um keine Haftentlassung im formellen Sinne handelt, sondern um eine vorläufige Herausnahme aus dem Strafvollzug in der JVA.[24] Betroffene Personen befinden sich dementsprechend auch während dieser Zeit weiterhin in einer Einrichtung zum Vollzug einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung, sodass die zu einer der Rehabilitation dienenden Behandlung Untergebrachten vom Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen sind.

Anders verhält es sich hingegen, wenn sich Personen in einer eigenen Wohnung zum Probewohnen auf Grundlage einer Vollzugslockerung in Form einer Dauerbeurlaubung aus dem Maßregelvollzug befinden, wie das BSG[25] jüngst in einer Parallelentscheidung entschieden hat.[26] Bei einer dezentralen Unterbringung sei für die Annahme einer Einrichtung im sozialhilferechtlichen Sinne erforderlich, dass die dezentrale Unterkunft zu den Räumlichkeiten der Einrichtung gehöre und Hilfebedürftige somit in die Räumlichkeiten des Einrichtungsträgers eingegliedert seien.[27] Dies treffe nur zu, wenn die Unterkunft der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers als Teil des Einrichtungsganzen zugeordnet sei (Bindung an ein Gebäude).[28] An solch einer räumlichen Bindung fehle es beim Probewohnen in einer selbst angemieteten Wohnung, die keinem Träger zugeordnet werden könne.[29]

Darüber hinaus greift der Ausschlusstatbestand auch nicht bei der Aussetzung des Maßregelvollzugs nach § 67e StGB, bei einer Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 57 StGB sowie bei der Aufhebung einer Unterbringung.[30] Ebenfalls liegt bei einer Unterbrechung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach § 455 Abs. 4 StPO kein Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung im Sinne des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II vor.[31]

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II greift, wenn sich Betroffene in einer Einrichtung zum Vollzug einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung aufhalten. Mit der vorliegenden Entscheidung wurde klargestellt, dass damit alle Formen einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung gemeint sind, auch außerhalb einer JVA. Zudem müssen sich Betroffene in räumlicher Hinsicht in einer Einrichtung im Sinne des Sozialhilferechts befinden. Dies könnte möglicherweise künftig zu weiteren Abgrenzungsfragen führen, die es zu klären gilt.[32] Für den Aufenthalt in einer eigenen Wohnung zum Probewohnen im Rahmen einer Dauerbeurlaubung aus dem Maßregelvollzug hat das BSG dies jedenfalls verneint.[33]

Zum krankenversicherungsrechtlichen Status des Klägers werden im Urteil keine Aussagen getroffen.[34] Auch wird die Frage, ob es sich bei der Adaptionsbehandlung um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation oder um eine soziale Teilhabeleistung handelt, nicht diskutiert.[35] Diesbezüglich enthält das Urteil somit keine neuen Erkenntnisse.

Beitrag von Dr. Meike Warncke, LL.M., Pinneberg

Fußnoten

[1] Phase der medizinischen Rehabilitation abhängigkeitserkrankter Menschen, die sich unmittelbar an die Entwöhnungsbehandlung anschließt, siehe Guttempler-Sozialwerk e.V., https://www.gsw-cux.de/patienten/adaption---was-ist-das-eigentlich/adaption-was-ist-das-eigentlich.html, zuletzt abgerufen am 17.02.2022.

[2] Angabe aus LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.06.2020 – L 19 AS 1426/19, juris, Rn. 8; zum Ausschluss von Leistungen zur Teilhabe für in der Gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung siehe § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI.

[3] Der beigeladene Sozialhilfeträger ist als überörtlicher Träger für die vom Kläger beanspruchten Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII örtlich und sachlich zuständig. Der Beigeladene ist als überörtlicher Sozialhilfeträger gemäß § 97 Abs. 2 SGB XII i. V. m. § 2a des Landesauführungsgesetzes zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-SGB XII NRW) für die Leistungen der Unterbringung des Klägers in der Suchtklinik sachlich zuständig gewesen und hat die entsprechende Bewilligung und Kostenzusage abgegeben; damit ist er auch für Leistungen zuständig, die nach anderen Kapiteln des SGB XII zu erbringen sind. Die örtliche Zuständigkeit des Beigeladenen ergibt sich bei stationären Aufenthalten aus § 98 Abs. 4 SGB XII i. V. m. § 106 SGB XII. Siehe LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.06.2020 – L 19 AS 1426/19, juris, Rn. 62.

[4] Über den Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II wäre der Kläger gemäß § 5 Abs. 1 Ziff. 2a SGB V gesetzlich krankenversichert, sodass die Kosten der Entwöhnungsmaßnahme gegenüber der Krankenkasse hätten geltend gemacht werden müssen, siehe ebenfalls LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.06.2020 – L 19 AS 1426/19, juris, Rn. 30.

[5] So schon BSG, Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 81/09 R, juris, Rn. 25.

[6] Vgl. auch BSG, Urteil vom 02.12.2014 – B 14 AS 66/13 R, juris, Rn. 22.

[7] Vgl. zum Einrichtungsbegriff ausführlich BSG, Urteil vom 05.06.2014 – B 4 AS 32/13 R, juris, Rn. 23 ff.; vgl. ebenfalls BSG, Beschluss vom 28.08.2017 – B 14 AS 91/17 B, juris, Rn. 4.

[8] Siehe Bundestags-Drucksache 16/1410, S. 20.

[9] Vgl. BGH, Beschluss vom 24.08.1983 – 2 ARs 251/83, juris, Rn. 6.

[10] Siehe auch BSG, Urteil vom 12.11.2015 – B 14 AS 6/15 R, juris, Rn. 21.

[11] Vgl. hierzu BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 26/20 R.

[12] BGBl. I 2006, S. 1706.

[13] Vgl. Bundestags-Drucksache 16/1410, S. 20; siehe auch BSG, Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 81/09 R, juris, Rn. 25; BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 26/20 R, juris, Rn. 29; vgl. hierzu auch Gerenkamp, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil I: SGB II, § 7, Werkstand: 47. Lfg. Mai 2021, Rn. 50.

[14] Vgl. BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 58/20 R, juris, Rn. 25.

[15] Ebd.; siehe auch BSG vom 03.09.2020 - B 14 AS 41/19 R, juris, Rn. 15; vgl. ebenfalls BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 26/20 R, juris, Rn. 25.

[16] Vgl. Fn. 8; siehe auch BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 58/20 R, juris, Rn. 25 und BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 26/20 R, juris, Rn. 26.

[17] Siehe BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 58/20 R, juris, Rn. 24 und 26.

[18] Vgl. Mushoff, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Meßling/Udsching, § 7 SGB II, 62. Edition, Stand: 01.09.2021, Rn. 113.

[19] Bundestags-Drucksache 16/1410, S. 20.

[20] Siehe BSG, Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 81/09 R; vgl. ebenfalls hierzu BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 128/10 R.

[21] Änderung von § 7 SGB II durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.07.2016 mit Wirkung zum 01.08.2016, veröffentlicht im BGBl. I 2016, S. 1824.

[22] Vgl. BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 26/20 R, juris, Rn. 20, 30; LSG, Beschluss vom 05.09.2017 – L 7 AS 1419/17 B ER, juris, Rn. 14; siehe auch Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, § 7, 5. Auflage (Stand: 29.11.2021), Rn. 291.

[23] BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 58/20 R, juris.

[24] Fabricius, in: Körner/Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz, § 35, 9. Auflage 2019, Rn. 328.

[25] Vgl. BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 26/20 R.

[26] Siehe hierzu auch Karl, Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II auch bei Dauerbeurlaubung aus dem Maßregelvollzug?, jurisPR-SozR 12/2020 Anm. 2.

[27] BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 26/20 R, juris, Rn. 26.

[28] Ebd.; siehe hierzu auch BSG, Urteil vom 03. September 2020 – B 14 AS 41/19 R, juris, Rn. 22.

[29] BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 26/20 R, juris, Rn. 27.

[30] Vgl. Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, § 7, 5. Auflage (Stand: 29.11.2021), Rn. 291.

[31] LSG, Urteil vom 26.02.2019 – L 11 AS 474/17; siehe auch Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, § 7, 5. Auflage (Stand: 29.11.2021), Rn. 291.

[32] Vgl. hierzu auch Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, § 7, 5. Auflage (Stand: 29.11.2021), Rn. 291.3, wonach mit dem Urteil eine vertiefte Diskussion darüber eröffnet sein dürfte, ob und ggf. welche weiteren Abstufungen mit Blick auf den Leistungsausschluss zu machen sind, wenn sich Personen im gelockerten Maßregelvollzug befinden.

[33] Siehe BSG, Urteil vom 05.08.2021 – B 4 AS 26/20 R.

[34] Zum krankenversicherungsrechtlichen Status Strafgefangener siehe Warncke, Die sozialversicherungsrechtliche Stellung Strafgefangener, S. 271 ff.

[35] Vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26.06.2007 – B1 KR 36/06 R; dazu auch Goldbach, Das Recht der Berufsgruppen in der medizinischen Rehabilitation, S. 73 f.; ferner Welti, Medizinische Rehabilitation der Krankenversicherung: Unklarheit über Ziele und Mittel, in: Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht, Forum A, Leistungen zur Teilhabe und Prävention, Diskussionsbeitrag Nr. 10/2008, veröffentlicht unter https://www.reha-recht.de/fachbeitraege/beitrag/artikel/diskussionsbeitrag-10-2008-1/.


Stichwörter:

SGB II, Stationäre Einrichtung, Abhängigkeitserkrankung Sucht, Leistungsausschluss, Anspruchsausschluss, Strafvollzug


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