05.08.2022 A: Sozialrecht Lorenz: Beitrag A7-2022

Anspruch auf Haushaltshilfe – Trägerschaft und Beschaffungsweg als (rechtliche) Fallstricke – Anmerkung zu LSG Hessen, Urteil vom 22. Juni 2021 – L 2 R 360/18

Luisa Lorenz stellt in diesem Beitrag eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts (Urteil vom 22.06.2021, L 2 R 360/18) vor und bespricht sie. Streitgegenstand der Entscheidung war die Erstattung von Kosten für eine Haushaltshilfe während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Nach einer Darstellung der gesetzlichen Grundlagen, aus denen sich ein sozialrechtlicher Anspruch auf Haushaltshilfe ergeben kann, und der Auseinandersetzung mit der Begrifflichkeit und den Aufgaben einer Haushaltshilfe widmet sich Lorenz verschiedenen Tatsachen- und Rechtsfragen, die im vorliegenden Fall von Bedeutung waren. Fraglich war u. a., ob der in Vollzeit tätige Rehabilitand und Antragstelle überhaupt einen eigenen Haushalt gem. § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IX geführt hat (der Rentenversicherungsträger ging aufgrund der Teilzeitbeschäftigung der Ehefrau nicht davon aus), ob die schwangere Ehefrau den Haushalt weiterführen konnte (§ 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IX) und ob ein Anspruch des Rehabilitanden auf Kostenerstattung an einer mutmaßlich voreiligen Selbstbeschaffung der Haushaltshilfe scheitert. Außerdem geht Lorenz auf die Dauer und den Ausschluss eines Anspruchs auf eine Haushaltshilfe ein.

(Zitiervorschlag: Lorenz: Anspruch auf Haushaltshilfe – Trägerschaft und Beschaffungsweg als (rechtliche) Fallstricke – Anmerkung zu LSG Hessen, Urteil vom 22. Juni 2021 – L 2 R 360/18; Beitrag A7-2022 unter www.reha-recht.de; 05.08.2022)

I. Thesen der Autorin

Die Haushaltshilfe als ergänzende Leistung ist eine akzessorische Nebenleistung zu einer bewilligten und tatsächlich durchgeführten Hauptleistung.

Soweit § 74 Abs. 1 S. 1 SGB IX einschlägig ist, begründet dieser nur Ansprüche für den Empfänger der Hauptleistung. Eine Anspruchsberechtigung Dritter besteht nicht, wenngleich die ergänzenden Leistungen – namentlich die Haushaltshilfe – außer dem (Haupt-)Leistungsempfänger faktisch weiteren Personen zugutekommen.

Jedenfalls dann, wenn eine Haushaltshilfe beantragt und die bewilligte Hauptleistung zum zunächst festgelegten Zeitpunkt sinnvoll ist, ist deren Beginn nicht schon deshalb zu vertagen, weil vom Rehabilitationsträger noch nicht entschieden ist. Beschafft sich der Leistungsempfänger – ohne die Entscheidung abzuwarten – die Haushaltshilfe selbst, ist von der Unaufschiebbarkeit dieser Leistung auszugehen mit der Folge, dass sein fehlendes Abwarten einem Kostenerstattungsanspruch zumindest nicht entgegensteht.

Die Beantwortung der praktisch relevanten Frage, ob eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe zu einem angemessenen – d. h. erstattungsfähigen – Stundensatz beauftragt wurde, erfordert eine Differenzierung zwischen privaten und professionellen Ersatzkräften.

II. Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Haushaltshilfe soll nicht den Ausfall einer im Haushalt des Leistungsempfängers lebenden Person zur Weiterführung des Haushalts kompensieren, sondern die Übernahme dessen bisheriger Haushaltstätigkeit sicherstellen.

Haushaltshilfe wird nur insoweit gewährt, als Tätigkeiten im Haushalt, die bislang durch den Leistungsempfänger erledigt wurden, wegen dessen Abwesenheit entfallen und von keinem anderen Haushaltsangehörigen zumutbarerweise übernommen werden können.

Die Annahme einer eigenen Haushaltsführung des Leistungsempfängers verlangt kein quantitatives Überwiegen seiner bisherigen Tätigkeit. Entscheidend ist, dass die Funktionsfähigkeit der konkreten Haushaltsorganisation durch dessen Ausfall gefährdet ist.

III. Der Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine Haushaltshilfe während einer fünfwöchigen stationären medizinischen Rehabilitation des Klägers (15.05.2017–04.07. 2017). Diese wurde dem späteren Rehabilitanden, einem in Vollzeit (davon drei Tage im Home-Office) beschäftigten 41-jährigen Vater zweier Kinder (im maßgeblichen Zeitraum acht und vier Jahre alt) mit Bescheid vom 25. April 2017 vom beklagten Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) bewilligt. Wegen der bevorstehenden Geburt seines dritten Kindes bat der Versicherte am 5. Mai 2017 um einen früheren Beginn der Leistung als den ihm am 4. Mai 2017 mittgeteilten 6. Juni 2017; am 10. Mai 2017 erhielt er die Zusage für den Beginn fünf Tage später (15.05.2017). Sein Antrag auf eine Haushaltshilfe vom 12. Mai 2017 für die Zeit der Rehabilitation wegen der Schwangerschaft seiner Ehefrau wurde dagegen abschlägig beschieden (15.06.2017): Wegen deren Teilzeitbeschäftigung sei anzunehmen, dass bisher bei dieser die Hauptlast der Kinderbetreuung und Haushaltsführung gelegen habe. Sollte die Ehefrau nun derart gesundheitlich eingeschränkt sein, dass sie den Haushalt nicht mehr erledigen könne, wäre ggf. eine Haushaltshilfe in Trägerschaft der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) der Ehefrau zu prüfen. Die Rehabilitation sei – entgegen dem Vorbringen des Klägers, der insoweit geltend macht, dass Haushaltstätigkeiten wie Einkaufen, Kochen und Putzen im Regelfall von ihm erledigt würden – folglich nicht der (kausale) Grund für die Notwendigkeit der Haushaltshilfe. Außerdem habe der Versicherte den gesetzlich vorgegebenen Beschaffungsweg nicht eingehalten, indem er – ohne der GRV zuvor die Möglichkeit zu geben, über den Antrag zu entscheiden – einen Rahmen-Dienst-Vertrag über hauswirtschaftliche Dienstleistungen abschloss.

Tatsächlich hat sich der Versicherte bereits am 12. Mai 2017 durch Abschluss eines entsprechenden Vertrags mit einem Care- und (Teilhabe-)Assistenzleistungen erbringenden Unternehmen vertraglich verpflichtet. Die professionelle Haushaltshilfe erfolgte im o. g. Zeitraum an drei bzw. vier Tagen wöchentlich für jeweils drei Stunden.

Nachdem (auch) sein Widerspruch erfolglos blieb, erhob der Versicherte am 31. August 2017 Klage vor dem SG Darmstadt. Mit Urteil vom 13. August 2018 hat dieses[1] die Klage abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung bestehe nicht, denn dieser hätte vor Beauftragung der Haushaltshilfe die Entscheidung der GRV abwarten müssen. Die Ablehnung sei – entgegen § 18 Abs. 6 S. 1 SGB IX – somit nicht ursächlich für den entstanden Kostennachteil; ein Notfall habe nicht vorgelegen, das Abwarten sei dem Versicherten zumutbar gewesen. Ungeachtet dessen habe der Kläger schon keinen Anspruch auf die Haushaltshilfe. Zwar sei für das Gericht nachvollziehbar, dass eine Haushalthilfe in dessen Lebenssituation eine Erleichterung des Alltags mit sich gebracht habe. Dies reiche für die Bewilligung einer Haushaltshilfe durch einen Reha-Träger nicht aus. § 54 SGB IX a. F. (nun § 74 SGB IX) als maßgebliche Norm setze vielmehr voraus, dass die Ehefrau – hier schwangerschaftsbedingt – den Haushalt nicht habe weiterführen können, was vorliegend nicht nachgewiesen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 16. Oktober 2021 Berufung beim LSG Hessen eingelegt.

IV. Die Entscheidung

Entgegen der Vorinstanz hat das LSG Hessen einen Anspruch des Klägers sowohl auf Haushaltshilfe (gestützt auf § 54 Abs. 1 S. 1 SGB IX a. F.) als auch auf Erstattung der angefallenen Kosten i. H. v. 2.058,00 Euro (folgend aus § 54 Abs. 1 S. 2 SGB IX a. F. i. V. m. § 38 Abs. 4 SGB V bzw. aus § 15 Abs. 1 SGB IX a. F., jetzt § 18 Abs. 6 SGB IX) bejaht.

Dem Kläger sei wegen der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation – in Abwesenheit – und damit unter Wahrung des Kausalitätserfordernisses die Weiterführung des Haushalts nicht möglich gewesen (vgl. § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IX). Zweifel die eigene Haushaltsführung des Klägers betreffend teilt das Gericht nicht. Erforderlich sei nicht, dass der Versicherte den Haushalt bislang ausschließlich geführt hat. Vielmehr reiche es aus, wenn mehrere Haushaltsangehörige die Haushaltsführung unter sich (auf)geteilt und der Leistungsempfänger hierbei in nennenswertem Umfang (nicht notwendig quantitativ / zeitlich überwiegend) mitgewirkt habe.[2] Dies wäre anzunehmen, wenn durch seinen Ausfall die Funktionsfähigkeit der konkreten Haushaltsorganisation – ohne fremde Kompensation – wesentlich in Frage gestellt werde[3]. Vorausgesetzt der Versicherte hat die fraglichen Aufgaben zuvor tatsächlich übernommen, sei irrelevant, wann (i. S. v. Tageszeit / Wochentag) dies erfolgt sei. Der Klarstellung wegen betont das Gericht, dass es im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf (Kostenerstattung für eine) Haushaltshilfe, die primär Haushaltsaufgaben erledige, – anders als die Beklagte meint – (hier) folglich nicht auf die Frage der Kinderbetreuung während der Abwesenheit des Klägers ankomme.

Auch habe keine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt weiterführen können (vgl. § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IX): Die Kinder waren zu jung, die Ehefrau hochschwanger. Denn Weiterführung bedeute nicht nur eine notdürftige Überbrückung der Abwesenheit des Leistungsempfängers, sondern die ordnungsgemäße Übernahme aller wesentlichen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten.[4] Und selbst wenn dies einem Haushaltsangehörigen faktisch möglich sei, so müsse sich der Versicherte hierauf nur verweisen lassen, wenn dem betreffenden Dritten diese Tätigkeit – nach einer Gesamtbetrachtung und -beurteilung aller Fallumstände[5] – auch zumutbar ist. Dass der Haushalt ggf. durch außerhalb des Haushalts lebende Verwandte, Freunde oder Bekannte weitergeführt werden könnte, sei hingegen rechtlich irrelevant.

Ausdrücklich wies das Gericht darauf hin, dass ebenso irrelevant sei, ob die Ehefrau des Klägers in besonderer Weise (Risikoschwangerschaft, erlebte Fehlgeburten) schwere Arbeiten vermeiden musste. Maßgeblich sei allein, dass Haushaltstätigkeiten häufig über eine leichte Arbeitsschwere hinausgingen und die Ehefrau diese deshalb weder verrichten durfte noch konnte. Der Ansicht der Beklagten, wonach dies lediglich einen eigenen Anspruch der Ehefrau gegen ihre GKV begründen könne, erteilte das LSG Hessen eine klare Absage. Es gehe nicht um die Kompensation eines Ausfalls der Ehefrau bei der Erledigung von Haushaltstätigkeiten, sondern um die Übernahme der Haushaltstätigkeiten, die der Rehabilitand vor seiner Rehabilitation verrichtet hat und wegen dieser nicht mehr verrichten konnte.

Schließlich lebten im Haushalt auch zwei Kinder, die zum Beginn der Haushaltshilfe noch nicht 12 Jahre alt waren (vgl. § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB IX).

§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB IX a. F. definiert den Begriff der Haushaltshilfe ebenso wenig wie § 74 SGB IX. § 70 Abs. 2 SGB XII (als sozialhilferechtlicher Parallelvorschrift) sei aber zu entnehmen, dass diese „die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen sowie die sonstige zur Weiterführung des Haushalts erforderliche Tätigkeit“ umfasse. Dazu gehörten u. a. Einkaufen, Kochen und Putzen – und damit all jene der hauswirtschaftlichen Versorgung dienende Aufgaben, die vom Kläger vor dessen Abwesenheit zweifelfrei erbracht und im Mai / Juni von der beauftragten Haushaltshilfe übernommen wurden.

Die Dauer des Anspruchs auf Haushaltshilfe richte sich nach der Dauer der zugrundeliegenden Hauptleistung. Die Modalitäten der Leistungsgewährung regelt § 74 Abs. 1 S. 2 SGB IX i. V. m. § 38 Abs. 4 SGB V. Danach handelt es sich grundsätzlich um einen Sachleistungsanspruch, der jedoch – unter den Voraussetzungen von § 38 Abs. 4 SGB V – auf Kostenerstattung gerichtet sein kann, vor allem wenn der Reha-Träger keine Haushaltshilfe stellen kann. Insoweit stellt das Gericht (schlicht) fest, dass hier nur ein Kostenerstattungsanspruch für die selbstbeschaffte Leistung in Betracht komme, weil die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag hin keine Haushaltshilfe gestellt hat. Dies entspreche aber ohnehin der Verwaltungspraxis der GRV.[6]

Darüber hinaus bestehe ein Erstattungsanspruch auch nach § 15 Abs. 1 SGB IX a. F. (nun § 18 Abs. 6 SGB IX), der u. a. für die Fälle, dass der Reha-Träger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (m. a. W.: Unvermögen des Reha-Trägers zur rechtzeitigen Leistung) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, eine Kostenerstattungspflicht vorsieht. Nach Auffassung des LSG Hessen hat die GRV vorliegend eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist eine Leistung selbst beschafft, wenn im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer bezogen auf die Leistung ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft zustande gekommen ist, wodurch sich ersterer einer endgültigen rechtlichen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt hat.[7] Dies sei hier der Fall.

Weiterhin müsste der die Haftung des Trägers begründende Umstand (s. o.) mit dem (Kosten-)Nachteil des Leistungsberechtigten kausal zusammenhängen.[8] Ob Unaufschiebbarkeit vorliegt, sei nach dem medizinisch und rehabilitationswissenschaftlich zu beurteilenden objektiven Bedarf zu bestimmen. Dem Betroffenen dürfe es weder möglich noch zumutbar sein, vor der Beschaffung die Entscheidung des Trägers abzuwarten.[9] Aus dem Sinn und Zweck der Rehabilitationsvorschriften folge, dass eine Verzögerung dann unzumutbar sein kann, wenn dadurch die Zwecke der medizinischen, beruflichen oder sozialen Rehabilitation (§ 4 Abs. 1 SGB IX) erschwert oder gar vereitelt werden. Da der Kläger alternativ allenfalls den Beginn der Maßnahme hätte verschieben können, war die Leistung unaufschiebbar in diesem Sinne. Es sei gerade sinnvoll gewesen, die Rehabilitation vor der Geburt des dritten Kindes durchzuführen; speziell auch deshalb, weil diese u. a. der psychischen Gesundheit des Klägers gedient habe.

Der Erstattungsanspruch nach § 15 SGB IX a. F. (§ 18 Abs. 6 SGB IX), der nicht weiter gehe als der Sachleistungs- bzw. der Kostenerstattungsanspruch, umfasse alle Kosten, die dem Leistungsberechtigten durch die selbstbeschaffte Ersatzkraft entstehen, soweit sie angemessen sind, wovon bei den üblichen bzw. tariflichen Entgelten für Haushaltshilfen im regionalen Bereich im Regelfall auszugehen sei.[10] Zur Bestimmung des täglichen Höchstbetrags für nachgewiesene Aufwendungen müsse mit Blick auf § 18 Abs. 1 SGB IV weiter zwischen privaten und professionellen Ersatzkräften differenziert werden.[11] Zweifel an der Angemessenheit der hier abgerechneten Kosten hat das Gericht keine: Ein Stundensatz i. H. v. 25,21 Euro netto sei nicht unangemessen, werde – wie vorliegend geschehen – eine professionelle Haushaltshilfe beschäftigt.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

V. Würdigung und Einordnung

Die Entscheidung ist in zweifacher Hinsicht von besonderem Interesse. Verglichen mit dem SG Darmstadt vertritt das LSG Hessen als Berufungsinstanz insgesamt eine weniger restriktive Rechtsaufassung.

1. Die Haushaltshilfe im Sozialrecht

Überzeugend nimmt das Gericht – gestützt auf § 54 SGB IX a. F. als unmittelbarer Vorgängervorschrift des geltenden § 74 SGB IX[12] (s. auch § 64 Abs. 1 Nr. 6 SGB IX) – zunächst einen eigenen Anspruch des Klägers auf Haushaltshilfe (als eine unterhaltssichernde und ergänzende Leistung[13]) für die Zeit seiner stationären medizinischen Rehabilitation an. Anders als der Träger der GRV verweist das Gericht den Kläger nicht auf einen möglichen eigenen krankenversicherungsrechtlichen Anspruch seiner (hoch)schwangeren, haushaltsangehörigen Frau auf Haushaltshilfe.

Das Beispiel zeigt, dass im jeweiligen Einzelfall nicht allein eine Abgrenzung mehrerer in Frage kommender Rehabilitationsträger (Stichwort: gegliedertes Sozialleistungssystem) für die Gewährung von Haushaltshilfe erforderlich sein kann. Vielmehr können wegen der Partizipation weiterer potenziell Leistungsberechtigter insoweit zugleich weitere gesetzliche Grundlagen, aus denen sich ebenfalls ein Anspruch auf Haushaltshilfe ergeben kann, zu erwägen sein.

So erhält namentlich eine Versicherte nach § 24h SGB V i. V. m. § 38 Abs. 4 SGB V Haushaltshilfe, soweit ihr wegen Schwangerschaft oder Entbindung die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist und eine andere im Haushalt lebende Person diesen nicht weiterführen kann (S. 1).

Haushaltshilfe kann außerdem eine Leistung der GKV (z. B. wegen Krankenhausbehandlung oder wegen schwerer Krankheit, § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, § 38 Abs. 1 S. 1, 3 SGB V, s. ferner § 132 SGB V), der Sozialen Pflegeversicherung (nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XI haben Pflegebedürftige der Pflegegrade zwei bis fünf bei häuslicher Pflege u. a. einen Anspruch auf Hilfen bei der Haushaltsführung[14]) und subsidiär auch der Sozialhilfe (§ 70 SGB XII) sein. Bei Tätigkeiten der Haushaltsführung können Leistungsberechtigte zudem durch eine persönliche Assistenz als Leistung der Sozialen Teilhabe unterstützt werden (§ 78 Abs. 1 S. 1 SGB IX).

Entsprechend kommt es bei der rechtlichen Lösung einer solchen Gemengelage maßgeblich auf den richtigen „Blickwinkel“ an: Die Gewährung einer Haushaltshilfe soll im vorliegenden Fall nicht den Ausfall der im Haushalt des Klägers lebenden Frau bei der Weiterführung des Haushalts kompensieren, sondern die Übernahme seiner bisherigen Haushaltstätigkeit sicherstellen. Dass es sich – wie hier – um Ehegatten (im Rechtssinne) handelt, ist dabei nicht denknotwendig. Die Norm stellt ausdrücklich auf einen „Haushalt“ ab, ohne eine verwandtschaftliche Beziehung vorauszusetzen.

Mit Einführung des § 54 SGB IX a. F. wurde die Erbringung der Haushaltshilfe als ergänzende Leistung im Sinne von § 5 Nr. 3 SGB IX für alle zuständigen Reha-Träger (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB IX) vereinheitlicht.[15] Weil die Haushaltshilfe – wie das LSG Hessen zu Recht hervorhebt – stets die ausfallende Haushalts(mit)verantwortung Versicherter kompensieren soll,[16] kann die zu den (einander im Wesentlichen angeglichenen) Parallelvorschriften für die anderen Zweige der Sozialversicherung ergangene Judikatur (freilich unter Berücksichtigung von Bereichsspezifika) auch zur Auslegung des § 74 SGB IX herangezogen bzw. fruchtbar gemacht werden. Im Recht der Krankenversicherung (d. h. zu § 38 SGB V) z. B. hat das BSG entschieden, dass Haushaltshilfe auch beansprucht werden kann, wenn der / die den Haushalt bisher führende Versicherte aus medizinischen Gründen als Begleitperson bei der stationären Behandlung eines Dritten in ein Krankenhaus mitaufgenommen wird. [17]

Sind die Voraussetzungen des hier relevanten § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 SGB IX in der Person des Leistungsempfängers / der Leistungsempfängerin kumulativ erfüllt, hat (nur, aber immerhin) diese(r) einen Rechtsanspruch (die Haushaltshilfe ist keine Ermessensleistung).[18] Dasselbe gilt – das sei der Vollständigkeit halber erwähnt – für die Übernahme von Kosten für die Mitnahme oder anderweitige Unterbringung des Kindes (Abs. 2) sowie die Übernahme von Kinderbetreuungskosten (Abs. 3 S. 1).

2. Begrifflichkeit und Aufgaben einer Haushaltshilfe

In Ermangelung einer Definition der Begrifflichkeit „Haushaltshilfe“ bzw. konkretisierenden Ausführungen zu Art und Umfang in § 74 SGB IX bemüht das Gericht insoweit die sozialhilferechtliche Parallelvorschrift des § 70 Abs. 2 SGB XII. Nach dieser umfassen die Leistungen zur Weiterführung des Haushalts „die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen sowie die sonstige zur Weiterführung des Haushalts erforderliche Tätigkeit“. Das LSG Hessen zählt hierzu u. a. Tätigkeiten wie Einkaufen, Kochen und Putzen, mithin die hauswirtschaftliche Versorgung. Nach dem Wortlaut der Norm erfasst ist überdies ausdrücklich die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen, die in der Praxis – wie vorliegend verdeutlicht – v. a. in Form der Beaufsichtigung, Betreuung und Verpflegung von Kindern oder alten / pflegebedürftigen Personen von Bedeutung sein wird.[19] Diese Annahme stützt – speziell im Anwendungsbereich von § 74 SGB IX – auch § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB IX, der (kumulativ zu den Voraussetzungen der Nr. 1 und Nr. 2, dazu sogleich) verlangt, dass im Haushalt des Rehabilitanden oder der Rehabilitandin ein Kind unter zwölf Jahren oder ein Kind mit Behinderung, das auf Hilfe angewiesen ist, lebt.[20] Dass die Kinderbetreuung (im Kontext von § 74 SGB IX) als von der Haushaltshilfe umfasst anzusehen ist, bestätigt schließlich auch der Blick in § 74 Abs. 3 S. 2 SGB IX: Danach können Kinderbetreuungskosten ausdrücklich nicht neben einer Haushaltshilfe gewährt werden.

Hier hat die Haushaltshilfe primär Haushaltsaufgaben erledigt, wohingegen die Kinder während der Abwesenheit des Klägers – weiter – von der Ehefrau betreut wurden. Insoweit stellt das Gericht klar, dass es in solchen Konstellationen gerade nicht darauf ankomme, ob die im Haushalt des Rehabilitanden lebenden Kinder während dessen Rehabilitation durch die haushaltsangehörige Person weiter betreut wurden (bzw. werden konnten). Art und Umfang der Aufgaben der Haushaltshilfe sind somit stets einzelfallspezifisch zu bestimmen.

3. Unmöglichkeit der Haushaltsweiterführung durch den Leistungsempfänger wegen einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben

Dass Leistungsempfängern die Weiterführung des Haushalts infolge (längerfristiger) Ortsabwesenheit unmöglich wird, ist zwar (wohl) der Regel-, nicht aber der einzig denkbare Fall. Ob daher auch bei ambulanten Reha-Leistungen ein Anspruch auf Haushaltshilfe besteht, bemisst sich – wie aufgezeigt – nach einer Gesamtbetrachtung und -be-urteilung aller Fallumstände. Hier vom Gericht nicht ausdrücklich geprüft, gleichwohl ebenfalls gefordert, wird ein konkreter Bedarf nach der Weiterführung des Haushalts im bisherigen Umfang.[21] In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es sich (ohne dass dies expliziert normiert ist) um den eigenen (selbst geführten) Haushalt des / der Versicherten, verstanden als Ort der privaten Wirtschafts- und Lebensführung unter Befriedigung der Grundbedürfnisse, dessen Begründung eine gewisse Beständigkeit und Dauer verlangt[22], handeln muss.

Die Teilung der Haushaltstätigkeit ist – wie vom LSG Hessen bestätigt – insoweit unschädlich. Dies stärkt v. a. die Rechtsposition aller Leistungsempfängerinnen und -emp­fänger (und faktisch zugleich deren Haushaltsangehörigen), die vor dem Antritt der Hauptleistung ganz oder halbtags berufstätig waren. Speziell für getrenntlebende Eltern mit jeweils eigenem Haushalt gilt jedoch, dass u. a. dann kein Anspruch auf Haushaltshilfe besteht, wenn die gemeinsamen Kinder im Haushalt des anderen Elternteils leben oder in einem Haushalt Dritter aufgenommen und dort versorgt werden.[23]

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Anspruch ausgeschlossen, soweit der Haushalt zuvor durch Dritte, etwa durch andere Haushaltsangehörige oder Angestellte geführt wurde, mithin die Haushaltsführung schon vorher dauerhaft anders organisiert war und sich daran durch den Antritt der Hauptleistung nichts änderte.[24] Dies ist angesichts des Charakters der Haushaltshilfe als zweckgerichteter Leistung, die Versicherte in einer spezifischen Bedarfssituation entlasten soll[25], konsequent. War hingegen der / die Versicherte ursprünglich im Haushalt tätig, so kann es wertungsmäßig keinen Unterschied machen, ob sich der Bedarf erst mit Beginn der Hauptleistung ergeben hat oder ob er sich – so in einem vom BSG zu § 38 SGB V entschiedenen Fall – bei einer allmählich fortschreitenden Krankheit schon einige Zeit vorher eingestellt hat, ohne dass für die Haushaltsführung bereits eine endgültige Lösung gefunden worden war.[26]

Die objektive Beweislast für seine vorherige eigene Haushaltsführung trägt in der Praxis wohl letztlich regelmäßig der / die Versicherte. Denn wenn sich nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde oder des Gerichts entscheidungserhebliche Tatsachen nicht mehr von Amts wegen (zur vollen richterlichen Überzeugung) feststellen lassen (vgl. § 20 SGB X; § 103, § 128 Abs. 1 SGG[27]), obliegt die objektive Beweis- bzw. Feststellungslast der Antragstellerin / dem Antragssteller bzw. – im gerichtlichen Verfahren – der Klägerin / dem Kläger, die / der aus der Norm für sich günstige Rechtsfolgen herleiten möchte, wobei sich der fehlende Nachweis zu ihren / seinen Ungunsten auswirkt.[28] Getrennt von der Frage der Erweislichkeit der vorherigen Haushaltsführung zu betrachten ist die sich hieran anschließende Beweiswürdigung der insoweit von Amts wegen ermittelten bzw. von der bzw. dem Versicherten beigebrachten entscheidungserheblichen Tatsachen, die in letzter Konsequenz allein dem Gericht obliegt.

Dass die (der Beweiswürdigung vorgelagerte) verfahrensrechtliche Frage der Beweislastverteilung in hohem Maße praxisrelevant ist bzw. es in streitigen Fällen oftmals darauf ankommen wird, ob die /der Leistungsberechtigte den ihr / ihm – nach Ausschöpfung aller amtlichen Ermittlungsmöglichkeiten – obliegenden Beweis zur vollen richterlichen Überzeugung zu führen vermag, zeigt der vorliegende Fall nahezu beispielhaft. Einerseits nahmen der Träger der GRV und das SG Darmstadt übereinstimmend an, dass „nicht primär die Abwesenheit des Klägers Ursache für den Antrag auf Haushaltshilfe war“, was u. a. „dadurch verdeutlicht [werde], dass die Haushaltshilfe für 4 - 5 Tage pro Woche beantragt bzw. vereinbart wurde, während der Kläger […] an lediglich 3 Tagen pro Woche zuhause arbeiten konnte“[29]. Vielmehr habe die Hauptlast der Kinderbetreuung und Haushaltsführung aufgrund deren Teilzeitbeschäftigung bisher bei der Ehefrau des Klägers gelegen.[30] Andererseits hat das LSG Hessen unter Berücksichtigung der konkreten familiären Umstände (insbesondere der körperlichen und psychischen Verfassung der Ehefrau) keine Zweifel daran, dass der Kläger die fraglichen Aufgaben bislang tatsächlich im vorgetragenen Umfang übernommen hat. Der Argumentation der Vorinstanz tritt das Gericht dabei insoweit entgegen, als es seiner Ansicht nach gerade irrelevant sei, ob der Kläger seine Aufgaben überwiegend abends, am Wochenende oder auch an seinen Heimarbeitstagen über den Tag verteilt wahrgenommen habe.

4. Weiterführung des Haushalts durch eine andere im Haushalt lebende Person

Auch für den Umstand, dass die andere im Haushalt lebende Person diesen nicht weiterführen kann (§ 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IX), ist aus den zuvor genannten Erwägungen im Regelfall letztlich wohl die / der Versicherte beweispflichtig: Die Leistungspflicht des für die Haushaltshilfe zuständigen Trägers ist gegenüber der Haushaltsführung durch einen anderen Hausgenossen – und damit gegenüber dessen vorrangiger sozialer Verpflichtung aus dem Zusammenleben[31] – subsidiär.[32] Vor allem dann, wenn eine andere erwachsene Person im Haushalt lebt, wird der Nachweis, dass diese den Haushalt nicht zumutbar (nach „Feierabend“) übernehmen kann, regelmäßig schwer zu führen sein. In Ansehung des Umstands, dass mit der Haushaltshilfe im Allgemeinen und § 74 SGB IX im Speziellen sichergestellt werden soll, dass Leistungsberechtigte nicht aus Gründen der Rücksicht auf ihre familiäre oder soziale Situation auf eine notwendige Leistung (zur Teilhabe) verzichten[33], was namentlich bei alleinerziehenden Müttern und Vätern zu befürchten steht, kann der für die Haushaltshilfe zuständige Träger von anderen hierzu grundsätzlich in der Lage seienden Haushaltsangehörigen die Weiterführung jedoch nur eingeschränkt erwarten bzw. diesen Umstand der / dem Versicherten nur begrenzt entgegen halten. So ist es der anderen im Haushalt lebenden Person im Regelfall namentlich nicht zumutbar, ihre Berufstätigkeit bzw. ihre Berufs- oder Schulausbildung aus Gründen der Weiterführung des Haushalts einzuschränken, zu unterbrechen bzw. sich zu diesem Zweck beurlauben zu lassen, so dass hierauf – vergleichbar dem Vorliegen gesundheitlicher Gründe – eine Ablehnung der Leistungsgewährung jedenfalls nicht (allein) abstellen darf. [34] Diese Einschätzung liegt auf gleicher Linie mit der Rechtsprechung des BSG zu § 38 SGB V (bzw. § 185b RVO), das insoweit deutlich macht, dass nur eine solch weite Auslegung Wertungswidersprüche im Gesamtzusammenhang vermeide.[35]

Hier waren sowohl die GRV als auch die Vorinstanz der Ansicht, dass die Ehefrau den Haushalt hätte weiterführen können, so dass die beantragte Haushaltshilfe letztlich nur der Erleichterung im Alltag gedient hätte (wofür die Reha-Träger allerdings nicht zuständig seien). Die Unfähigkeit zur Weiterführung des Haushalts würde insbesondere nicht durch die vorgelegten Atteste nachgewiesen; vielmehr könne die Ehefrau neben der Kinderbetreuung körperlich leichte Arbeiten im Haushalt verrichten.[36] Hingegen kommt das LSG Hessen zu dem Ergebnis, dass die anstehenden – körperlich mittelschweren und schweren – Haushaltstätigkeiten, die die Ehefrau aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht verrichten durfte, nicht unerledigt bleiben dürften. Insofern betont es, dass es gerade nicht darauf ankomme, ob – wie hier – die (schwangere) haushaltsangehörige Person in besonderer Weise schwere Arbeiten vermeiden müsse, sondern allein maßgeblich wäre, dass Haushaltstätigkeiten häufig über eine leichte Arbeitsschwelle hinausgingen und die haushaltsangehörige Person diese deshalb nicht übernehmen durfte und konnte. Diese Diskrepanz der gerichtlichen Einschätzung verdeutlicht, dass es i. R. v. § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IX – obschon dies in der gerichtlichen Prüfung nicht in dieser Deutlichkeit zum Ausdruck kommt – maßgeblich darauf ankommt, welche konkreten Haushaltstätigkeiten im zu betrachtenden Zeitraum – gerichtsfest – anfallen und von welchem Umfang bzw. welcher Belastung diese – gerichtsfest – sind.

5. Anspruchsdauer und Ausschluss

Während das LSG Hessen im vorliegenden Fall (uneingeschränkt) annimmt, dass sich die Dauer des Anspruchs auf Haushaltshilfe nach der Dauer der zugrundeliegenden Hauptleistung richtet, sieht das BSG jedenfalls die Gewährung von Haushaltshilfe in Form der Erstattung von Verdienstausfall für eine im Haushalt der / des Versicherten lebende Person, die ihre Berufstätigkeit zwecks Weiterführung des Haushalts tatsächlich unterbricht, auf längstens zwei aufeinanderfolgende Kalendermonate begrenzt an.[37] Bei längerem Ausfall der / des Versicherten gilt es insofern das Folgende zu bedenken: Nach dem BSG kann der prinzipielle Widerspruch zwischen einem tatsächlichen Einsatz im Haushalt und der Berufung auf dessen rechtliche Unzumutbarkeit auf längere Dauer nicht ignoriert werden.[38] Eine Tätigkeit im Haushalt sei daher umso weniger als unzumutbar anzusehen, je länger die / der Betroffene sie tatsächlich ausübt. Erzwingt die etwa durch eine länger dauernde Krankheit geprägte neue familiäre Situation eine dauernde Neuverteilung der Aufgaben im Haushalt, müsse der Anspruch auf Haushaltshilfe – wie auch sonst – an die Verhältnisse anknüpfen, wie sie sich tatsächlich entwickeln. Es könne nicht seine Funktion sein, über den Ersatz für den Verdienstausfall des Hauptverdieners ein Einkommen ohne Erwerbstätigkeit zu garantieren. Angesichts der Tatsache, dass zumindest stationäre medizinisch-rehabilitative Hauptleistungen i. d. R. einen Zeitraum von drei bis fünf Wochen nicht überschreiten (vgl. § 40 Abs. 3 S. 13 SGB V, § 15 Abs. 3 S. 1 SGB VI), wird diese Judikatur für die gemäß § 74 Abs. 1 SGB IX insoweit akzessorisch gewährte Haushaltshilfe jedoch allenfalls von untergeordneter praktischer Bedeutung sein.

Hinzuweisen ist ferner auf den Ausschlussgrund des § 38 Abs. 4 S. 2 SGB V, den § 74 Abs. 1 S. 2 SGB IX für entsprechend anwendbar erklärt. Danach werden für Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grad (dies betrifft u. a. (Groß-)Eltern [des Ehegatten], Kinder, Schwiegereltern), führen diese den Haushalt weiter, keine Kosten erstattet; nur die erforderlichen und angemessenen Fahrkosten bzw. der Verdienstausfall können erstattet werden.[39] Das BSG wendet die Norm für geschiedene Ehegatten analog an.[40]

6. Der „Beschaffungsweg“ einer Haushaltshilfe

Die zweite entscheidende Frage für das LSG Hessen war, ob ein Anspruch des Rehabilitanden auf Kostenerstattung nicht an dessen mutmaßlich zu „voreiliger“ Selbstbeschaffung der Haushaltshilfe scheitert – m. a. W., ob es sich um eine unaufschiebbare Leistung i. S. v. § 18 Abs. 6 SGB IX handelte mit der Folge, dass ein Kostenerstattungsanspruch des Leistungsberechtigten gegenüber dem Reha-Träger begründet wird. Insoweit ist zu erwähnen, dass die Kostenerstattung für Haushaltshilfen nicht nur ein gesetzlich zulässiger (vgl. § 74 Abs. 1 S. 2 SGB IX i. V. m. § 38 Abs. 4 S. 1 SGB V), sondern der in der Verwaltungspraxis der GRV[41] (sowie anderer Reha-Träger[42]) übliche Beschaffungsweg ist.

Indem das Gericht insoweit hervorhebt, dass es nicht angezeigt sei, den Beginn einer notwendigen und erforderliche Hauptleistung nur deshalb zu verschieben, weil die Entscheidung des zuständigen Trägers über die Bewilligung einer akzessorischen Nebenleistung noch nicht vorliegt, betont es abermals die Bedeutsamkeit ergänzender Leistungen. Zugleich löst es das potenziell immanente Spannungsverhältnis von Kausalitätserfordernis und realer Unaufschiebbarkeit zu Gunsten der / des Versicherten auf und bleibt damit letztlich seiner Linie treu (GRV und Vorinstanz hatten demgegenüber den Beschaffungsweg übereinstimmend als nicht gewahrt beurteilt). Dies überzeugt, denn jedenfalls in Fällen, die ihren (zeitlichen) Umständen nach der vorliegend entschiedenen Situation vergleichbar sind, entspricht eine solche Auslegung dem vorstehend erläuterten, vom Gesetzgeber bestimmten Sinn und Zweck der ergänzenden Leistung der Haushaltshilfe. Anderenfalls droht das nachvollziehbare Bedürfnis im Regelfall rechtlich unkundiger Versicherter, die Weiterführung ihres Haushalts nach Bewilligung der Hauptleistung und formalen Antragsstellung auf Gewährung von Haushaltshilfe möglichst zeitnah sichergestellt zu wissen – und zwar ohne zugleich befürchten zu müssen, aufgrund von verfahrensrechtlichen Unsicherheiten auf den (mitunter hohen) Kosten einer selbstbeschafften Haushaltshilfe „sitzen zu bleiben“ – nicht angemessen berücksichtigt zu werden. Und dadurch wiederum würde (erneut) das eigentliche Ziel der Haushaltshilfe – die Leistungsempfängerin / den Leistungsempfänger nicht von der Inanspruchnahme der Hauptleistung abzuhalten – konterkariert. Dies „verwirklicht“ zugleich den Rechtsgedanken von § 14 SGB IX, wonach Leistungsberechtigte durch das gegliederte Sozialleistungssystem, das zu Unklarheiten und zu Streitigkeiten unter Trägern über die Zuständigkeit für (Reha-)Maßnahmen führen kann (s. o.), keine Nachteile erfahren sollen.[43]

VI. Gesamtfazit

Trotz ihrer beachtlichen Bedeutung für die Praxis, speziell für den Kreis Versicherter in vergleichbaren Lebens- respektive Leistungssituationen, hat die Entscheidung des LSG Hessen bisher kaum Aufmerksamkeit in der juristischen Literatur erfahren. Inzwischen ist das Urteil rechtskräftig. Das BSG wird folglich – zumindest in dieser konkreten Streitsache – nicht Stellung nehmen. Es verbleibt damit bei den konträren Rechtsauffassungen des SG Darmstadt und des LSG Hessen und den damit in engem Zusammenhang stehenden Fragen der Erweislichkeit der bisherigen Haushaltsführung der / des Versicherten einerseits und der (Un-)Möglichkeit zur Weiterführung der (welcher?) Haushaltstätigkeiten durch eine haushaltsangehörige Person andererseits. Da dies gleichermaßen für den Anspruch auf Haushaltshilfe aus § 74 SGB IX als auch einen damit zusammenhängenden möglichen Erstattungsanspruch in Fällen der Selbstbeschaffung mutmaßlich unaufschiebbarer Leistungen gilt – mithin beide streitbehafteten Aspekte betrifft –, wäre es aus Gründen der Rechtssicherheit wünschenswert, würden diese gezielt (verstärkt) in den rechtlichen Diskurs gerückt. Dies gilt umso mehr, berücksichtigt man, dass § 74 (Abs. 1) SGB IX seinem Anwendungsbereich nach nicht auf Empfänger einer Leistung der medizinischen Rehabilitation beschränkt ist. Es ist anzunehmen, dass in hohem Maße praktisch relevante Sachverhalte wie der hier streitgegenständliche keine Einzelfälle darstellen.

Beitrag von Dipl. iur. Luisa Lorenz, Universität Kassel

Fußnoten

[1] SG Darmstadt, Urteil vom 14.08.2018 – S 6 R 445/17.

[2] Vgl. nur BSGE 51, 78; Nolte, in: KassKomm SozialVersR, 117. EL 2021, § 38 SGB V Rn. 10.

[3] Schütze, in: Hauck/Noftz, § 53 SGB IX Rn. 7.

[4] Nolte, in: KassKomm SozialVersR, 117. EL 2021, § 38 SGB V Rn. 19.

[5]    Auf ihre (Un-)Vereinbarkeit hin zu prüfen und in ihrer rechtlichen Bedeutung gegeneinander abzuwägen sind die Verpflichtungen im Haushalt und die sonstigen Aktivitäten aller für die Haushaltsführung infrage kommender Hausgenossen. Relevant sind u. a. berufliche Verpflichtungen, die Herkunft des Einkommens und der Verwandtschaftsgrad. Dazu BSGE 87, 149.

[6] Gemeinsames Rundschreiben der Rentenversicherungsträger zur Haushaltshilfe, Stand: 01.01.2018, S. 13: „Haushaltshilfe ist eine Sachleistung. Der zuständige Rentenversicherungsträger ist daher grundsätzlich verpflichtet, eine Ersatzkraft zu stellen. Da den Rentenversicherungsträgern eigene Kräfte nicht zur Verfügung stehen, ist die Haushaltshilfe stets in Form einer Kostenerstattung für eine vom Leistungsempfänger selbstbeschaffte Ersatzkraft zu erbringen.“

[7] BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R.

[8] S. nur BSG, Beschluss vom 15.04.1997 – 1 BK 31/96.

[9] Dazu auch BSG, Urteil vom 25.09.2000 – B 1 KR 5/99 R.

[10] Prehn, in: NK-GesundhR, 2. Aufl. 2018, § 38 SGB V Rn. 30.

[11] S. insoweit die detaillierten Ausführungen in Rn. 38 (juris) des hier besprochenen Urteils.

[12] Geändert mit Wirkung zum 01.01.2018 durch Art. 1 BTHG vom 23.12.2016, BGBl. I 3234.

[13] Bieritz-Harder, in: Deinert/Welti/Luik/Brockmann, StichwortKommentar Behindertenrecht, 3. Aufl. 2022, Haushaltshilfe Rn. 1.

[14] Dazu Bundestags-Drucksache 18/5926, 121; Giesbert, in: BeckOK SozR, 64. Ed., Stand: 01.03.2022, § 36 SGB XI Rn. 27.

[15] Jabben, in: BeckOK SozR, 64. Ed., Stand: 01.09.2020, Vorb. § 74 SGB IX.

[16] Ebenso Rixen, in: Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 38 Rn. 1.

[17] BSGE 77, 102.

[18] Jabben, in: BeckOK SozR, 64. Ed., Stand: 01.09.2020, Vorb. § 74 SGB IX.

[19] Kaiser, in: BeckOK SozR, 64. Ed., Stand: 01.03.2023, § 70 SGB XII Rn. 8.

[20] Bei der in § 74 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB IX statuierten Altersbegrenzung ist auf den Zeitpunkt des Beginns der Hauptleistung abzustellen; dass das Kind während der Leistung das zwölfte Lebensjahr vollendet, ist daher unschädlich. Für den Begriff der Behinderung ist § 2 Abs. 1 SGB IX maßgeblich. Das Kind muss objektive Hilfe bei der Lebensführung benötigen, nicht aber pflegebedürftig sein.

[21] Jabben, in: BeckOK SozR, 64. Ed., Stand: 01.09.2020, § 74 SGB IX Rn. 11.

[22] BSGE 43, 236.

[23] Jabben, in: BeckOK SozR, 64. Ed., Stand: 01.09.2020, § 74 SGB IX Rn. 8 m.w.N.; BSG, Urteil vom 22.06.1979 – 3 RK 39/78; BSGE 43, 170.

[24] So BSG, Urteil vom 07.11.2000 – B 1 KR 15/99 R, juris Rn. 13.

[25] BSG, Urteil vom 07.11.2000 – B 1 KR 15/99 R, juris Rn. 13.

[26] BSG, Urteil vom 07.11.2000 – B 1 KR 15/99 R, juris Rn. 13.

[27] Im Grundsatz gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, vgl. nur Siefert, in: Schütze, SGB X, § 20 Rn. 34.

[28] Vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2011 – L 11 KR 1694/10, juris Rn. 25 m. w. N.

[29] SG Darmstadt, Urteil vom 14.08.2018 – S 6 R 445/17, juris Rn. 27.

[30] SG Darmstadt, Urteil vom 14.08.2018 – S 6 R 445/17, juris Rn. 8.

[31] Jabben, in: BeckOK SozR, 64. Ed., Stand: 01.09.2020, § 74 SGB IX Rn. 7.

[32] BSG, Urteil vom 07.11.2000 – B 1 KR 15/99 R, juris Rn. 14.

[33] Bereits bei der Verabschiedung von § 185b RVO wurde als wesentlicher (nicht abschließender) Nutzen hervorgehoben, dass Versicherte und ihre Ehegatten durch die Sorge um die Weiterführung des Haushalts nicht gehindert seien, Kur- oder Krankenhausbehandlungen anzutreten, BSG, Urteil vom 07.11.2000 – B 1 KR 15/99 R, juris Rn. 13 mit Verweis auf BSGE 43, 236; Abgeordnete Schlei am 5.10.1973, BT Stenographische Berichte 7/3169; im entsprechenden Sinne auch BSGE 77, 102, 105.

[34] Dazu grundlegend BSGE 43, 170.

[35] BSG, Urteil vom 07.11.2000 – B 1 KR 15/99 R, juris Rn. 13.

[36] SG Darmstadt, Urteil vom 14.08.2018 – S 6 R 445/17, juris Rn. 26.

[37] Vgl. BSGE 87, 149.

[38] BSG, Urteil vom 07.11.2000 – B 1 KR 15/99 R, juris Rn. 22.

[39] Kann die Haushaltshilfe nicht als Regelleistung erbracht werden, ist deren Gewährung vor dem Hintergrund einer freiwilligen Mehrleistung zu erwägen (vgl. § 11 Abs. 6 SGB V).

[40] BSG, Urteil vom 16.11.1999 – B 1 KR 16/98 R.

[41] Vgl. Gemeinsames Rundschreiben der Rentenversicherungsträger zur Haushaltshilfe, Stand: 01.01.2018, S. 13 in Fn. 7.

[42] Vgl. Asmalsky, in: Dau/Düwell/Joussen/Luik, SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, § 74 SGB IX, Rn. 10; Bieritz-Harder, in: Deinert/Welti/Luik/Brockmann, StichwortKommentar Behindertenrecht, 3. Auflage 2022, Haushaltshilfe, Rn. 3.

[43] Benedix, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum SozR, 7. Aufl. 2021, § 14 SGB IX Rn. 1.


Stichwörter:

Haushaltshilfe, Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation, Medizinische Rehabilitation, Kostenerstattung, Zuständigkeit


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