17.12.2015 C: Sozialmedizin und Begutachtung Ramm: Beitrag C9-2015

Die Rolle von Betriebsärzten in der Rehabilitation – Teil 2 – Schwerpunkt: Die betriebsärztliche Rehabilitation

Diana Ramm thematisiert in diesem Beitrag die Rolle von Betriebsärzten in der Rehabilitation, insbesondere im Hinblick auf die betriebsärztliche Rehabilitation (B.Ä.R.). Die B.Ä.R. als Kooperationsprojekt zwischen der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und dem Verband der Deutschen Werks- und Betriebsärzte (VBBW), bietet ein Instrument zur unmittelbaren Einbeziehung von Betriebsärzten in den Rehabilitationsprozess.

Durch den konkreten Arbeitsplatzbezug könne die Prozess- und Ergebnisqualität des Rehabilitationsverfahrens zwar verbessert werden, trotzdem finde das Projekt in der Praxis nur wenig Anwendung. Während in kleineren und mittleren Unternehmen zu wenig Kontakt zu betriebsärztlichen Diensten bestehe, erscheine die B.Ä.R. in Großbetrieben mit bereits installiertem Betrieblichem Eingliederungsmanagement eher uninteressant. Die Autorin kommt zu dem Schluss, dass das Projekt trotz geringer Fallzahlen positiv zu bewerten sei, da bisher eine noch unzureichende Beteiligung von Betriebsärzten in der Reha zu verzeichnen sei. Insbesondere bedürfe es hier eines engeren Kontaktes zwischen Betriebsarzt und Unternehmen.  

Ebenfalls mit der Rolle der Betriebsärzte in der Rehabilitation beschäftigt sich der Beitrag C8-2015 von Alice Dillbahner. Der Schwerpunkt ihres Beitrags liegt auf der Rolle der Betriebsärzte beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement.

(Zitiervorschlag: Ramm: Die Rolle von Betriebsärzten in der Rehabilitation – Teil 2 – Schwerpunkt: Die betriebsärztliche Rehabilitation; Forum C, Beitrag C9-2015 unter www.reha-recht.de; 17.12.2015)


 

I. Einleitung

Der aktive Einbezug der Betriebsärzte in die Rehabilitation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern birgt noch immer viel ungenutztes Potenzial, gerade wenn es um die Inanspruchnahme von (medizinischen) Rehabilitationsleistungen geht.

Die Aufgaben des Betriebsarztes sind durch das „Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ (Arbeitssicherheitsgesetz, ASiG) geregelt. In dessen § 3 heißt es dazu unter anderem sinngemäß: Die Betriebsärzte haben die Aufgabe, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen des Gesundheitsschutzes zu unterstützen. Sie haben insbesondere den Arbeitgeber und die sonst für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung verantwortlichen Personen zu beraten, vor allem bei der Eingliederung und Wiedereingliederung Behinderter in den Arbeitsprozess. Sie haben insbesondere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu untersuchen, arbeitsmedizinisch zu beurteilen und zu beraten sowie die Untersuchungsergebnisse zu erfassen und auszuwerten.[1]

Der Begriff der Rehabilitation wird als solcher im ASiG nicht direkt benannt. Aufgaben die im Zusammenhang mit der Rehabilitation stehen, können jedoch aus § 3 ASiG abgeleitet werden.

§ 13 Abs. 2 Nr. 8 Sozialgesetzbuch (SGB) IX bestimmt, dass die Rehabilitationsträger eine Gemeinsame Empfehlung darüber vereinbaren, in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Haus- oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind.

Nach der „Gemeinsamen Empfehlung zur Erkennung und Feststellung des Teilhabebedarfs, zur Teilhabeplanung und zu Anforderungen an die Durchführung von Leistungen zur Teilhabe (Reha-Prozess) gemäß §§ 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 13 Abs. 2 Nr. 2, 3, 5, 8 und 9 SGB IX“[2] der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) vom 1. August 2014 werden Akteure der medizinisch-therapeutischen Versorgung, so auch Betriebsärzte, gezielt darin unterstützt, Menschen mit Behinderung oder drohender Behinderung über geeignete Leistungen zur Teilhabe zu beraten, in ihrer Motivation und Mitwirkung zur Inanspruchnahme und aktiven Teilnahme an diesen Leistungen zu bestärken und bei Anhaltspunkten für einen Bedarf an Leistungen zur Teilhabe bei der Antragstellung zu unterstützen oder eine Beratung zu veranlassen.[3] Im Weiteren wird in § 14 Abs. 2 der Gemeinsamen Empfehlung die Anregung von Leistungen zur Teilhabe durch die betriebliche Ebene angesprochen.

Vor diesem Hintergrund bietet die betriebsärztliche Rehabilitation (B.Ä.R) ein Instrument, mit dem Werks- und Betriebsärzte in den Rehabilitationsprozess unmittelbar einbezogen werden und eine medizinische Rehabilitationsleistung direkt über den Werks- bzw. Betriebsarzt initiiert werden kann.

II. Die betriebsärztliche Rehabilitation (B.Ä.R)

Die B.Ä.R ist ein Kooperationsprojekt der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg und des Verbandes der Deutschen Werks- und Betriebsärzte (VDBW)[4] mit wissenschaftlicher Begleitung[5]. Als Besonderheit des Projektes wird durch die Beteiligten herausgestellt, dass die Betriebsärzte den gesamten Rehabilitationsprozess und die Rückkehr in den Arbeitsprozess mit dem Ziel begleiten[6], die Prozess- und Ergebnisqualität des Reha-Verfahrens durch den konkreten Arbeitsplatzbezug zu verbessern[7].

Ziele:

  • Frühzeitiges Erkennen von Rehabilitationsbedarfen durch den Betriebsarzt
  • Einleitung der Rehabilitationsmaßnahmen durch den Betriebsarzt
  • Bessere Information für den Rehabilitationsarzt über die Arbeitsplatzbedingungen
  • Verwendung des Rehabilitationsentlassungsberichtes für die betriebliche Wiedereingliederung
  • Sicherung des Arbeitsplatzes durch verbesserte betriebsärztliche Nachbetreuung[8]

Verfahren B.Ä.R

Wird ein möglicher Rehabilitationsbedarf einer Arbeitnehmerin bzw. eines Arbeitnehmers durch den verantwortlichen Werks- bzw. Betriebsarzt festgestellt, wird die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer aufgefordert, einen Antrag auf Rehabilitation zu stellen. Der Werks- bzw. Betriebsarzt fertigt einen betriebsärztlichen Befundbericht mit Angaben zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und einer Arbeitsplatzbeschreibung an. Hierzu stehen eigene Formulare (Betriebsärztlicher Bericht zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe [Rehabilitationsantrag]) zur Verfügung.

Bei Bewilligung einer Rehabilitation kooperiert der Werks- bzw. Betriebsarzt mit den Ärzten der Rehabilitationseinrichtung für die Dauer der Rehabilitationsmaßnahme insbesondere im Hinblick auf erforderliche medizinische Maßnahmen und Anforderungen des konkreten Arbeitsplatzes. Im Rahmen der Wiedereingliederung der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers in den Arbeitsprozess kommt dem betreuenden Werks- bzw. Betriebsarzt die entscheidende Funktion im Sinne der Steuerung, Dokumentation und Nachsorge des Prozesses zu.

Das Projekt der DRV Baden-Württemberg und dem VDBW wird seit 2008 betrieben.

Durch die Verantwortlichen wird derzeit als positive Erfahrung herausgestellt: Werksärzte können gezieltere Informationen zu den Anforderungen an dem konkreten Arbeitsplatz und zu den gesundheitlichen Einschränkungen geben als die Hausärzte.

Negativ wird beschrieben, dass zu wenig Kontakt zwischen betriebsärztlichem Dienst und Unternehmen kleinerer und mittlerer Größe besteht, um Fälle in das Projekt B.Ä.R einzuschleusen. In Großbetrieben scheint das Modell dann nicht mehr wichtig zu sein, wenn ein Betriebliches Eingliederungsmanagement bereits installiert ist.

Insgesamt konnten bisher nur wenige Fälle[9] im B.Ä.R-Projekt bearbeitet werden.

Nach Auskunft ist für 2016 eine abschließende Bewertung des Projektes geplant. Aufgrund der Ergebnisse wird dann über eine weitere Fortführung bzw. Einstellung des Projekts entschieden. Eine Ausweitung des Projektes auf andere Rentenversicherungsträger oder Bundesländer ist derzeit nicht geplant.[10]

III. Fazit

Trotz bisher weniger Fallzahlen sollte das Projekt B.Ä.R grundsätzlich positiv bewertet werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach einer Studie von Seidel et al. (2002), in der Betriebsärzte in Baden-Württemberg befragt wurden, 86 % der Befragten angaben, dass sie selbst zwar Rehabilitationsverfahren anregen, aber nur selten in den fortfolgenden Prozess involviert sind.[11] Betriebsärzte sind die Schnittstelle zwischen Betrieb und Rehabilitationseinrichtung/-ärzten und können Auskunft darüber geben, wie eine Wiedereingliederung in den Betrieb gelingen kann. Es zeigt sich aber auch deutlich, dass dazu ein enger Kontakt zwischen Betriebsarzt und Unternehmen notwendig ist. Die reine Abarbeitung gesetzlich vorgeschriebener Termine ist dabei für beide Seiten nicht hilfreich.

Beitrag von Diana Ramm, M.A., Universität Kassel

Fußnoten:

[1] Ausführlicher dazu: Die Rolle von Betriebsärzten in der Rehabilitation – Teil 1, Schwerpunkt: Betriebsärzte und Betriebliches Eingliederungsmanagement, Dillbahner, Beitrag C8-2015 unter www.reha-recht.de.

[2] Abrufbar unter: http://www.bar-frankfurt.de/fileadmin/dateiliste/publikationen/gemeinsame-empfehlungen/downloads/Broschuere4G.web.pdf.

[3] § 12 Abs. 3 der Gemeinsamen Empfehlung.

[4] Der VDBW ist Beteiligter der Gemeinsamen Empfehlung.

[5] Durch das Forschungsinstitut für Rehabilitationsmedizin an der Universität Ulm und der Sozial- und Arbeitsmedizinischen Akademie Baden-Württemberg.

[6] Vgl. http://www.deutsche-rentenversicherung.de/BadenWuerttemberg/de/Navigation/2_Rente_Reha/02_Reha/01_Modellprojekte/Betriebsaerztl-Reha_node.html.

[7] Vgl. http://www.deutsche-rentenversicherung.de/BadenWuerttemberg/de/Inhalt/Allgemeines/Downloads/Reha-Projekte/Flyer-BAER.pdf?__blob=publicationFile&v=3.

[8] Vgl. Enderle: „Einbindung der Betriebsärzte in den Rehaprozess – bisherige Auswertungen der BÄR-Studie“.

[9] Nach Enderle 39 Fälle bis zur Auswertung.

[10] Auskünfte zum Projekt durch die DRV Baden-Württemberg.

[11] Seidel et al. (2002) ASU 38, 4, 2003, S. 228 ff.


Stichwörter:

Arbeits- und Gesundheitsschutz, Arbeitsmedizin, Arbeitsschutzrecht, Arbeitsunfähigkeit, Betriebsarzt, Rehabilitation, Rehabilitationsbedarf, Sozialmedizin


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