07.06.2017 D: Konzepte und Politik Ramm: Beitrag D21-2017

Wege in die berufliche Bildung für Jugendliche mit Behinderung – Teil 2: Allgemeine Vorgaben und Vorgaben und Leistungen bei der beruflichen Bildung (schwer-)behinderter Jugendlicher

In dieser siebenteiligen Beitragsreihe beschäftigt sich die Autorin Diana Ramm mit den Rahmenbedingungen des Zugangs zu beruflicher Bildung für Jugendliche mit Behinderung. Im zweiten Teil der Reihe befasst sich Ramm mit den rechtlichen Vorgaben und Leistungen zur beruflichen Bildung behinderter und schwerbehinderter Jugendlicher.

Hier gibt es zunächst die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), wonach die Benachteiligung und Diskriminierung wegen einer Behinderung sowohl im Vorfeld als auch im Rahmen einer Beschäftigung verboten sind. Die einschlägigen Regelungen zum Arbeitsschutz betreffen vor allem den Gesundheitsschutz sowie die Gestaltung des Arbeitsplatzes. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen umfassen Leistungen für Auszubildende wie z.B. Berufsvorbereitungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, Unterstützte Beschäftigung oder auch Zuschüsse für Arbeitgeber.

Weitere Vorgaben ergeben sich aus dem Schwerbehindertenrecht (SGB IX). Darunter z.B. die Pflicht für Arbeitgeber, Menschen mit Schwerbehinderung einzustellen sowie deren besondere Rechte etwa beim Kündigungsschutz. Abschließend geht die Autorin auf Leistungen der Arbeitsförderung ein, die neben Beratung und vermittlerischer Unterstützung auch berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen oder Unterstützungsleistungen für Auszubildende und Arbeitgeber umfassen.

(Zitiervorschlag: Ramm: Wege in die berufliche Bildung für Jugendliche mit Behinderung – Teil 2: Allgemeine Vorgaben und Vorgaben und Leistungen bei der beruflichen Bildung (schwer-)behinderter Jugendlicher; Beitrag D21-2017 unter www.reha-recht.de; 07.06.2017.)


I. Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes

Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist es, Benachteiligungen aus verschiedenen Gründen, wie auch wegen einer Behinderung, zu verhindern oder zu beseitigen (§ 1 AGG). Der Diskriminierungsschutz ist hierbei nicht auf anerkannt schwerbehinderte Menschen beschränkt, sondern umfasst alle Menschen mit Einschränkungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX.[1] Beschäftigte dürfen nicht wegen einer Behinderung benachteiligt werden (§ 7 Abs. 1 AGG). Infolge von § 1 AGG und § 7 Abs. 1 AGG ergeben sich für Arbeitgeber Organisationspflichten, auch auf der Grundlage von Vorschriften in anderen Gesetzen[2]. Eine Organisationspflicht betrifft Arbeitgeber zum präventiven Schutz vor Benachteiligungen im Rahmen von Stellenausschreibungen. So darf ein Ausbildungs- und Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden (§ 11 AGG). Auch ein sich anschließendes Auswahlverfahren muss diskriminierungsfrei erfolgen. Ein Verstoß kann zu Schadensersatz verpflichten (§ 15 Abs. 1, 2 AGG).[3]

Der Arbeitgeber ist auch verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen sowie zu ihrer Vorbeugung zu treffen (§ 12 Abs. 1 AGG). Ihm obliegt im Weiteren die Pflicht, Verstöße von Beschäftigten gegen das Benachteiligungsverbot in geeigneter, erforderlicher und angemessener Art zu unterbinden (§ 12 Abs. 3 AGG).

II. Arbeitsschutz

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) dient u. a. der Umsetzung der EG-Richtlinie 89/391/EWG vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit. Maßnahmen des Arbeitsschutzes sind dabei Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit (§ 2 Abs. 1 ArbSchG). Das Gesetz zielt auf den Schutz der Beschäftigten. Dies sind im Sinne dieses Gesetzes u. a. die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten (auch behinderte Auszubildende) und die in Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigten (§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 7 ArbSchG).

Bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung sieht die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) vor, dass Arbeitsstätten so einzurichten und zu betreiben sind, dass die besonderen Belange behinderter Menschen im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigt werden, darunter ist auch die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen und anderen betrieblichen Einrichtungen gefasst (§ 3a Abs. 2 ArbStättV).

Auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gibt die Pflicht zu Schutzmaßnahmen auf. § 618 BGB regelt ausdrücklich die Pflicht zu Schutzmaßnahmen für Leben und Gesundheit. Allerdings ist § 618 BGB eine Norm des Privatrechts, die mit hoheitlichen Mitteln nicht durchgesetzt werden kann. Ihre Einhaltung muss von den einzelnen Beschäftigten im individuellen Klageweg verfolgt werden. Sie ist daher eine wichtige Bestimmung neben den öffentlich-rechtlichen Regelungen wie des ArbSchG.[4] zurück. Nach ganz herrschender Meinung wird durch die Verweisung in § 10 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG) auf das allgemeine Arbeitsrecht auch § 618 BGB erfasst. Damit ergibt sich im Ausbildungsverhältnis dasselbe Verhältnis zwischen öffentlichem Arbeitsschutzrecht (ArbSchG u. a.) und § 618 BGB: Über § 618 BGB werden zahlreiche Bestimmungen des öffentlichen Arbeitsschutzrechts in das Ausbildungsverhältnis transformiert und gelten dort ebenso.[5]

III. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

Leistungen zur beruflichen Bildung behinderter Menschen zählen zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Es sind Leistungen um die "Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern" (§ 33 Abs. 1 SGB IX; ab 01.01.2018: § 49 Abs. 1 SGB IX; vgl. auch § 112 Abs. 1 SGB III).

Für behinderte Jugendliche umfassen diese im vorliegenden Kontext die Berufsvorbereitung, einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX; ab 01.01.2018: § 49 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX; vgl. auch § 51, 115 SGB III), die individuelle betriebliche Qualifizierung im Rahmen Unterstützter Beschäftigung (§ 33 Abs. 3 Nr. 2a SGB IX und § 38a SGB IX; ab 01.01.2018: § 49 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX und § 55 SGB IX) sowie die berufliche Ausbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX; ab 01.01.2018: § 49 Abs. 3 Nr. 5 SGB IX; vgl. auch § 115 SGB III).

Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen, die auch für die gesamte Dauer der Maßnahme geleistet werden können, sind auch in § 34 SGB IX – Leistungen an Arbeitgeber (ab 01.01.2018: § 50 SGB IX) vorgesehen.

Bei der Durchführung der Maßnahmen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben werden Integrationsfachdienste, die Dienste Dritter sind (§ 109 Abs. 1 SGB IX; ab 01.01.2018: § 192 SGB IX), beteiligt. Zielgruppe sind auch „schwerbehinderte Schulabgänger, die für die Aufnahme einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf die Unterstützung eines Integrationsfachdienstes angewiesen sind“ (§ 109 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX; ab 01.01.2018: § 192 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX). Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation sind in § 35 SGB IX (ab 01.01.2018: § 51 SGB IX) benannt. Es werden Leistungen für Jugendliche zu Ausbildungszwecken insbesondere durch Berufsbildungswerke (BBW) erbracht, soweit bzw. wenn Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung des Erfolges die besondere Hilfe dieser Einrichtungen erforderlich machen (§ 35 Abs. 1 SGB IX; ab 01.01.2018: § 51 Abs. 1 SGB IX). Es soll durch die Einrichtungen darauf hingewirkt werden, dass Teile dieser Ausbildung bei Eignung des Auszubildenden in Betrieben und Dienststellen durchgeführt werden (§ 35 Abs. 2 SGB IX; ab 01.01.2018: § 51 Abs. 2 SGB IX). Integrationsämter (§ 102 SGB IX; ab 01.01.2018: § 185 SGB IX) können innerhalb ihrer Zuständigkeit für begleitende Hilfen im Arbeitsleben Zuschüsse zu Gebühren (insbesondere zu Prüfungsgebühren) bei der Berufsausbildung sowie Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener an Arbeitgeber erbringen (§ 102 Abs. 3 Nr. 2 lit. b, c SGB IX; ab 01.01.2018: § 185 Abs. 3 Nr. 2 lit. c SGB IX).

Für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind alle in § 6 Abs. 1 SGB IX genannten Rehabilitationsträger, mit Ausnahme der gesetzlichen Krankenversicherung, zuständig. Vorrangig sind die gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), die Träger der Kriegsopferversorgung und der Kriegsopferfürsorge (BVG) und die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) zuständig und sodann nachrangig die Bundesagentur für Arbeit (BA).

Eine Leistungspflicht liegt regelmäßig bspw. bei der gesetzlichen Rentenversicherung vor, wenn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 11 SGB VI). Für Leistungen zur Teilhabe sind nach § 11 Abs. 1 SGB VI die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, wenn bei Antragstellung erstens die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt ist oder zweitens die beantragende Person eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezieht. Für Jugendliche und junge Erwachsene kann die Wartezeit von 15 Jahren nach einem Schul- oder Hochschulbesuch nicht erreicht werden. Für diese ist dann im Übergang von der Bildungsphase zur Erwerbsarbeit die BA zuständiger Träger für Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben.

Im Sinne von § 19 Abs. 1 SGB III sind Menschen behindert, deren Aussichten, am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und die deshalb Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen; dabei sind lernbehinderte Menschen eingeschlossen. Der Gesetzgeber hat damit für die Arbeitsförderung eine eigene am Gesetzeszweck orientierte Konkretisierung des Behinderungsbegriffs geschaffen.[6] Zur Leistungsgewährung ist der Bedarf an Teilhabe am Arbeitsleben ausschlaggebend.[7]

IV. Vorgaben aus dem Schwerbehindertenrecht

Für eine besondere Förderung nach dem Schwerbehindertenrecht (SGB IX) muss grundsätzlich eine anerkannte Schwerbehinderung bzw. eine Gleichstellung vorliegen (§ 2 Abs. 2, 3 SGB IX). Allerdings sind schwerbehinderten Menschen gleichgestellt auch "behinderte Jugendliche und junge Erwachsene während der Zeit einer Berufsausbildung in Betrieben und Dienststellen oder einer beruflichen Orientierung, auch wenn der Grad der Behinderung weniger als 30 beträgt oder ein Grad der Behinderung nicht festgestellt ist."[8] Die Gleichstellung bezieht sich jedoch nur auf Leistungen des Integrationsamtes im Rahmen der beruflichen Orientierung und der Berufsausbildung nach § 102 Abs. 3 Nr. 2 lit. c SGB IX (ab 01.01.2018: § 185 Abs. 3 Nr. 2 lit. c SGB IX) (§ 68 Abs. 4 SGB IX; ab 01.01.2018: § 151 Abs. 4 SGB IX). Integrationsämter sind auch bei der Prüfung und zur Klärung eines Hilfebedarfs zu beteiligen (§ 11 Abs. 3 SGB IX; ab 01.01.2018: § 10 Abs. 3 SGB IX).

Im bisherigen Teil 2 und zukünftigen Teil 3 des SGB IX sind im Weiteren Pflichten der Arbeitgeber und die Rechte der schwerbehinderten Menschen enthalten.

Private und öffentliche Arbeitgeber sind verpflichtet, auf 5 % ihrer Arbeitsplätze (bei jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen) schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen (§ 71 Abs. 1 SGB IX; ab 01.01.2018: § 154 Abs. 1 SGB IX). Arbeitgeber mit Stellen zur beruflichen Bildung, insbesondere für Auszubildende, haben im Rahmen der Erfüllung der Beschäftigungspflicht einen angemessenen Anteil dieser Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen (§ 72 Abs. 2 SGB IX; ab 01.01.2018: § 155 Abs. 2 SGB IX). § 73 SGB IX (ab 01.01.2018: § 156 SGB IX) definiert den Begriff des Arbeitsplatzes. Arbeitsplätze im Sinne des Schwerbehindertenrechts sind auch Stellen, auf denen Auszubildende beschäftigt werden. Damit sind alle Vorschriften für auf Arbeitsplätzen beschäftigte schwerbehinderte Menschen auch für solche auf Ausbildungsplätzen anwendbar.[9] Jedoch zählen diese bei der Berechnung der Mindestzahl von Arbeitsplätzen und der Zahl der Arbeitsplätze, auf denen schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen sind, nicht mit (§ 74 Abs. 1 SGB IX; ab 01.01.2018: § 157 Abs. 1 SGB IX). Ein schwerbehinderter Mensch, der beruflich ausgebildet wird, wird wiederum auf zwei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet. "Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung auf drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn die Vermittlung in eine berufliche Ausbildungsstelle wegen Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt. Bei Übernahme in ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis durch den ausbildenden oder einen anderen Arbeitgeber im Anschluss an eine abgeschlossene Ausbildung wird der schwerbehinderte Mensch im ersten Jahr der Beschäftigung auf zwei Pflichtarbeitsplätze angerechnet (…)" (§ 76 Abs. 2 SGB IX; (ab 01.01.2018: § 159 Abs. 2 SGB IX). Kommt ein Arbeitgeber der Beschäftigungspflicht nicht nach, ist für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz eine Ausgleichsabgabe (§ 77 SGB IX; ab 01.01.2018: § 160 SGB IX) zu entrichten. Die Zahlung der Ausgleichsabgabe entbindet Arbeitgeber nicht von der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen (§ 77 Abs. 1 SGB IX; ab 01.01.2018: § 160 Abs. 1 SGB IX).

Öffentliche Arbeitgeber sind im Weiteren verpflichtet, zu besetzende Arbeitsplätze den Agenturen für Arbeit zu melden (§ 82 SGB IX; ab 01.01.2018: § 165 SGB IX). Neu, mit dem Bundesteilhabegesetz, wurde zu dieser Regelung eingeführt, dass die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit nun frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze melden. Schwerbehinderte Bewerber solcher Stellen werden weiterhin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen (§ 82 SGB IX; ab 01.01.2018: § 165 SGB IX). Für Arbeitgeber wird die Pflicht gegenüber schwerbehinderten Menschen zur behinderungsgerechten Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsbedingungen in § 81 Abs. 4 SGB IX (ab 01.01.2018: § 164 Abs. 4 SGB IX) konkretisiert.

Das Erfordernis der vorherigen Zustimmung zur Kündigung durch die Integrationsämter (§ 85 SGB IX; ab 01.01.2018: § 168 SGB IX) bezieht sich auch auf schwerbehinderte und gleichgestellte Auszubildende, ausgenommen davon sind jedoch Jugendliche unter dem Anwendungsbereich des § 68 Abs. 4 SGB IX (ab 01.01.2018: § 151 Abs. 4 SGB IX).[10]

Schwerbehindertenvertretungen, die die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in Betrieben und Dienststellen fördern, vertreten die Interessen schwerbehinderter Beschäftigten, beraten und helfen (§ 95 Abs. 1 SGB IX; ab 01.01.2018: § 178 Abs. 1 SGB IX). Arbeitgeber haben die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören (§ 95 Abs. 2 SGB IX; ab 01.01.2018: § 178 Abs. 2 SGB IX). Bei der Besetzung von Stellen zur beruflichen Bildung (§ 72 Abs. 2 SGB IX; ab 01.01.2018: § 155 Abs. 2 SGB IX; vgl. oben) ist mit dem zuständigen Betriebs- bzw. Personalrat und der Schwerbehindertenvertretung zu beraten. Eine ohne Anhörung ausgesprochene Kündigung ist infolge der bereits in Kraft getretenen Änderungen durch das Bundesteilhabegesetz unwirksam (§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX; ab 01.01.2018: § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).

V. Arbeitsförderung

Die Agenturen für Arbeit informieren Arbeitgeber regelmäßig über Ausbildungsentwicklungen und Ausbildungssuchende und beraten Ausbildungssuchende im Vorwege der Berufswahl und unterbreiten Vermittlungsangebote zur Ausbildungsaufnahme (§ 2 Abs. 1 SGB III).

Bei der Vermittlung von Ausbildungssuchenden stellen die Agenturen für Arbeit sicher, dass Ausbildungssuchende, deren berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird, eine verstärkte vermittlerische Unterstützung erhalten (§ 35 Abs. 1 SGB III). Im Weiteren dürfen die Agenturen für Arbeit Einschränkungen, die der Arbeitgeber für eine Vermittlung aus Gründen einer Behinderung vornimmt, nur berücksichtigen, soweit sie nach dem AGG zulässig ist (§ 36 Abs. 2 SGB III).

Das Gesetz definiert in § 14 SGB III, dass unter Auszubildenden diejenigen zu verstehen sind, die zur Berufsausbildung an einer nach dem SGB III förderungsfähigen berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme oder Einstiegsqualifizierung teilnehmen. Eine erfolgreiche berufliche Erstintegration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist Ziel der sog. Ersteingliederung in Verantwortung der BA.

Im Rahmen von Berufsorientierungsmaßnahmen werden nach § 48 Abs. 2 SGB III die besonderen Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Schwerbehinderung bei der Ausgestaltung der Maßnahmen berücksichtigt. Es sollen insbesondere Alternativen zur Tätigkeit in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) aufgezeigt werden.[11]

Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen können durch die BA gefördert werden, um erstens die Aufnahme einer Berufsausbildung vorzubereiten oder zweitens die berufliche Eingliederung zu erleichtern, wenn die Aufnahme einer Berufsausbildung wegen in der Person liegender Gründe nicht möglich ist[12] (§ 51 Abs. 1 SGB III[13]). Förderungsbedürftig sind nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 SGB III junge Menschen, bei denen die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme zur Vorbereitung auf eine Berufsausbildung oder wegen personenbedingter Gründe zur beruflichen Eingliederung erforderlich ist.

Nach § 57 Abs. 1 SGB III sind Berufsausbildungen förderungsfähig, wenn diese in einem anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich durchgeführt werden und ein vorgeschriebener Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen wurde. Die BA fördert die "Verlängerung der Ausbildung über das vorgesehene Ausbildungsende hinaus, eine Wiederholung der Ausbildung ganz oder in Teilen oder eine erneute Berufsausbildung, wenn Art oder Schwere der Behinderung es erfordern und ohne die Förderung eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben nicht erreicht werden kann" (§ 116 Abs. 4 SGB III).

Das weitere Leistungsspektrum in der Arbeitsförderung wird im Abschnitt 7 "Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben" dargestellt und umfasst darunter für Menschen mit Behinderung eine Unterstützung der betrieblichen und außerbetrieblichen Berufsausbildung (§§ 112ff SGB III). Die besonderen Leistungen sind anstelle der allgemeinen Leistungen zu erbringen, wenn Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen oder einer sonstigen, auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichteten Maßnahme unerlässlich machen.

Leistungen an Arbeitgeber umfassen u. a. gemäß § 46 Abs. 2 SGB III Zuschüsse für eine behinderungsgerechte Ausgestaltung von Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen. Des Weiteren können Arbeitgeber Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung behinderter und schwerbehinderter Menschen erhalten (§ 73 SGB III i. V. m. § 104 Abs. 1 Nr. 3 lit. e SGB IX; ab 01.01.2018: § 187 Abs. 1 Nr. 3 lit. e SGB IX).

Literatur

Castendiek, J.; Hoffmann, G.: Das Recht der behinderten Menschen, Nomos Verlagsgesellschaft: Baden-Baden, 2009, 3. Auflage.

Knittel, B.: SGB IX. Sozialgesetzbuch IX. Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Kommentar, Luchterhand Verlag: Köln, 2016, 9. Auflage.

Kruse, J.; Reinhard, H.-J.: § 19 SGB III In: Banafsche, M.; Körtek, Y.; Kruse, J.; Lüdtke, P.-B.; Reinhard, H.-J.; Ross, F.; Schaumberg, T.; Schön, M.; Winkler, J.: Sozialgesetzbuch III. Arbeitsförderung. Lehr- und Praxiskommentar, Nomos Verlagsgesellschaft: Baden-Baden, 2015, 2. Auflage.

Nebe, K.: Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) In: Kohte, W.; Faber, U.; Feldhoff, K.: Gesamtes Arbeitsschutzrecht. Handkommentar, Nomos: Baden-Baden, 2014, 1. Auflage.

Ritz, H.-G.; Dopatka, F.: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) In: Cramer, H.; Fuchs, H.; Hirsch, S.; Ritz, H.-G.: SGB IX – Kommentar zum Recht schwerbehinderter Menschen sowie AGG und BGG, Verlag Franz Vahlen: München, 2011, 6. Auflage.

Schön, M.: § 48 SGB III In: Banafsche, M.; Körtek, Y.; Kruse, J.; Lüdtke, P.-B.; Reinhard, H.-J.; Ross, F.; Schaumberg, T.; Schön, M.; Winkler, J.: Sozialgesetzbuch III. Arbeitsförderung. Lehr- und Praxiskommentar, Nomos Verlagsgesellschaft: Baden-Baden, 2015, 2. Auflage.

Staudinger v., J; Oetker, H.: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Sellier-de Gruyter: Berlin, 2016, Nachbearbeitung. Trenk-Hinterberger, P.: § 85 SGB IX In: Lachwitz, K.; Schellhorn, W.; Welti, F.: HK-SGB IX. Handkommentar zum Sozialgesetzbuch IX, Luchterhand: Köln, 2010, 3. Auflage.

Welti, F.; Ramm, D.: Rechtliche Rahmenbedingungen für die Übergänge behinderter Menschen, insbesondere zur Hochschule, In: Welti, F.; Herfert, A. (Hrsg.): Übergänge im Lebenslauf von Menschen mit Behin-derungen. Hochschulzugang und Berufszugang mit Behinderung, kassel university press, 2017.

Beitrag von Dr. Diana Ramm, Universität Kassel



Fußnoten:

[1]    Vgl. Ritz/Dopatka (2011), § 1 AGG, Rdn. 3; vgl. auch Knittel (2016), § 1 AGG, Rdn. 46.

[2]    Z. B. gem. § 241 Abs. 2 BGB, so BAG, 19.12.2013, 6 AZR 190/12 R.

[3]    Vgl. Welti/Ramm (2017), S. 30.

[4]    Nebe (2014), § 618 BGB, Rdn. 7 ff.

[5]    Dazu Staudinger/Oetker (2016), § 618 BGB, Rdn. 19, 94.

[6]    Castendiek/Hoffmann (2009); S. 196.

[7]    Vgl. Kruse/Reinhard (2015), § 19 SGB III, Rdn. 2.

[8]    Der Nachweis wird durch eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit oder durch einen Bescheid über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht.

[9]    Vgl. Knittel (2016), § 74 SGB IX, Rdn. 4.

[10] Vgl. Trenk-Hinterberger (2010), § 85 SGB IX, Rdn. 6, 7.

[11] Vgl. Schön (2015), § 48 SGB III, Rdn. 4.

[12] Zur Erlangung der Berufsreife.

[13] Auch § 68 BBiG für die Berufsausbildungsvorbereitung außerhalb des SGB III.


Stichwörter:

Berufsausbildung benachteiligter junger Menschen, Berufsbildung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), Benachteiligungsverbot, Diskriminierungsverbot, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Berufliche Teilhabe, Berufliche Rehabilitation, Arbeitsschutz, Schwerbehindertenrecht, SGB III, Beschäftigungspflicht


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