15.07.2016 D: Konzepte und Politik Schimank: Beitrag D26-2016

Assistierte Ausbildung für junge Menschen mit Behinderung – Teil 2 – Aufbau und Ausgestaltung

Cindy Schimank befasst sich in ihrem zweiteiligen Beitrag mit der Leistung „Assistierte Ausbildung“ (AsA) und gibt einen Überblick über den bisherigen Stand der Diskussion um die AsA als neue Unterstützungsmaßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben für junge Menschen mit Behinderungen.

Der zweite Teil des Beitrags widmet sich dem Aufbau und der Ausgestaltung der AsA. Hier veranschaulicht die Autorin zunächst die Gliederung der AsA in eine ausbildungsvorbereitende und ausbildungsbegleitende Phase und beschreibt die Aufgaben und das Zusammenwirken der an der AsA beteiligten Akteure. Sie ordnet die AsA als neues Unterstützungsinstrument in das Ausbildungsförderungsrecht des SGB III ein und verdeutlicht, wann die Leistung der AsA zum Tragen kommt.

Abschließend gibt die Autorin einen Ausblick unter Betrachtung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) (Stand Referentenentwurf vom 26.04.2016) und weist in diesem Zusammenhang kritisch auf Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung, wie z.B. der Kombination von AsA mit einem Budget für Arbeit (BfA), hin.

(Zitiervorschlag: Schimank: Assistierte Ausbildung für junge Menschen mit Behinderung – Teil 2 – Aufbau und Ausgestaltung; Beitrag D26-2016 unter www.reha-recht.de; 15.07.2016)


 

III. Aufbau und Ausgestaltung der Assistierten Ausbildung

1. Ausbildungsvorbereitung und Ausbildungsbegleitung

Die Assistierte Ausbildung (AsA) gliedert sich in eine fakultative ausbildungsvorbereitende und eine obligatorische ausbildungsbegleitende Phase.

Mit der ausbildungsvorbereitenden Phase wird das Ziel verfolgt, eine passende Ausbildungsstelle zu finden.[1] Sie umfasst eine Dauer von sechs Monaten, die unter bestimmten Voraussetzungen um maximal zwei Monate verlängert werden kann. In dieser Zeit werden die Auszubildenden z. B. durch Leistungen in Form von Standortbestimmung, Berufsorientierung und Ausbildungsstellenakquise unterstützt. Die Betriebe erhalten z. B. Unterstützung durch Beratungen über die AsA oder Hilfen bei der Schaffung der Ausbildungsvoraussetzungen. Die Ausbildungsvorbereitung im Rahmen der AsA darf nicht geleistet werden, wenn diese bereits im Schulrecht der Länder geregelt ist. Zudem darf sie nicht parallel zu einem vollzeitschulischen Angebot erfolgen und damit erst nach Beendigung des Schulabschlusses einsetzen.

Die ausbildungsbegleitende Phase stellt das Kernelement der AsA dar und dient der nachhaltigen Stabilisierung des Ausbildungsverhältnisses und der Sicherung des Ausbildungsabschlusses.[2] Langfristig soll eine dauerhafte Integration in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis erreicht werden.[3] Sie erfolgt während der Ausbildung sowie am Übergang Ausbildung-Beruf. Leistungen an Auszubildende sind bspw. die Begleitung im Betrieb, gemeinsame Gespräche mit Ausbildern, inhaltliche Unterstützung über die ausbildungsüblichen Inhalte hinaus sowie Hilfen bei der Stellensuche. Die Betriebe können bspw. bei der Beantragung von Fördermitteln oder bei administrativen Aufgaben unterstützt werden.

2. Zusammenwirken der beteiligten Akteure

An der Umsetzung der AsA beteiligt sind Auszubildende, Betrieb, Berufsschule, Agentur für Arbeit (BA) als Leistungsträger und die Bildungsträger. Zwischen allen Beteiligten soll eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung stattfinden. Hinweise zur genauen Gestaltung und den einzelnen Aufgabenfeldern der Akteure liefert das Konzept Assistierte Ausbildung der BA.[4]

Nach diesem obliegt der zuständigen Beratungsfachkraft der BA die Prozess- und Integrationsverantwortung. Seitens der Bildungsträger ist eine Besetzung mit Ausbildungsbegleitern, Sozialpädagogen und Lehrkräften für Förderunterricht vorgesehen, wobei die Koordinierungsverantwortung dem Ausbildungsbegleiter zukommt. Die Auswahl der Bildungsträger erfolgt durch ein wettbewerbliches Vergabeverfahren. Zwischen Bildungsträger und Betrieb wird eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Klarstellend enthält das Konzept den Hinweis, dass die Rechte und Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis unberührt bleiben,[5] es handelt sich bei der AsA um ein reguläres Ausbildungsverhältnis. Zudem ist eine aktive Unterstützung der AsA durch die Berufsschulen[6] und eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern der Teilnehmenden vorgesehen[7].

Seitens der Leistungserbringer wird die zuvor beschriebene Aufteilung der Aufgaben bei den Bildungsträgern kritisiert. Diese führe dazu, dass Hilfen nicht aus einer Hand erbracht werden.[8] Problematisch sei zudem die Anwendung des Vergabeverfahrens, da dieses zu zeitlich und konzeptionell eng begrenzten und standardisierten Maßnahmen führe.[9] Zudem wird auf die sehr eng bemessenen Vorgaben zum Personalschlüssel des BA-Konzeptes zur AsA verwiesen.[10] Nach diesen kommen auf einen Ausbildungsbegleiter 23 bis 25 Teilnehmende. Mit Blick auf die umfassenden Aufgaben der Ausbildungsbegleiter entstehen Zweifel an der Umsetzbarkeit.

3. AsA im Arbeitsförderungsrecht des SGB III

Die AsA fügt sich als neues Unterstützungsinstrument in das SGB III ein. Dabei orientiert sie sich z. T. an bereits bestehenden Hilfen, z. T. kommen neue Elemente hinzu. So basiert die ausbildungsvorbereitende Phase inhaltlich auf den berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen. Wesentlicher Unterschied ist, dass eine ausbildungsvorbereitende Phase im Rahmen der AsA nicht separat erfolgen kann, es muss sich stets eine ausbildungsbegleitende Phase anschließen. Auch Praktika sind im Rahmen der AsA nur im begrenzten Umfang vorgesehen. Soll ein junger Mensch gezielt und ausschließlich auf eine Ausbildung vorbereitet werden, sind andere Hilfen, wie berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen oder eine Einstiegsqualifizierung vorrangig.[11] Die ausbildungsbegleitende Phase hingegen orientiert sich an den ausbildungsbegleitenden Hilfen, wobei die AsA das intensivere Unterstützungsinstrument darstellt. Sie kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn die ausbildungsbegleitenden Hilfen nicht ausreichen.[12]

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens merkte die Fraktion Die Linke kritisch an, dass mit der Einführung die Undurchsichtigkeit der bereits bestehenden Maßnahmen im SGB III zusätzlich verschärft werde.[13] Dem könnte jedoch durch eine passgenaue Zuweisung seitens der BA entgegengewirkt werden.

IV. Zusammenfassung und Ausblick unter Beachtung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG)

Der vorliegende Beitrag sowie der dazugehörige Teil 1[14] haben einen Überblick über den bisherigen Stand der Diskussion zur Assistierten Ausbildung gegeben. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass bereits die erprobten Modellprojekte dafür sprechen, dass es sich bei der AsA um ein erfolgversprechendes Unterstützungsinstrument handelt. Praktisch wird es auf die Umsetzung, insbesondere auch seitens der Verwaltung ankommen. Dies betrifft insbesondere die Unterstützung junger Menschen mit Behinderung. Für diese kann die AsA ein geeignetes Instrument sein, das ggf. mit weiteren Hilfen zu kombinieren ist.[15] Denkbar wäre eine ergänzende Unterstützung durch Ausbildungszuschüsse sowie durch weiterführende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Künftig könnten Leistungsberechtigte diesbezüglich von den im BTHG vorgesehenen Klarstellungen, Konkretisierungen und teilweise vorgesehenen Erweiterungen der Koordinierungsregelungen (Teil 1, Kapitel 4 SGB IX-Regierungsentwurf (RegE))[16] profitieren. Zwar ergeben sich im Vergleich zur geltenden Rechtslage aus den §§ 14–16 SGB IX-RegE keine wesentlichen Neuerungen für die Leistungsberechtigten. Die Position behinderter junger Menschen, die Leistungen der AsA erhalten bzw. anstreben, könnte jedoch bei entsprechender Umsetzung durch die Regelungen zum Teilhabeplan (§ 19), zur Teilhabekonferenz (§ 20) und zur unabhängigen Beratung (§ 32) gestärkt werden. So wird der leistende Rehabilitationsträger weiterhin verpflichtet den Rehabilitationsbedarf schriftlich festzuhalten. Diese Dokumentationspflicht wird durch die Pflicht zur Erstellung eines Teilhabeplans konkretisiert, der vom Leistungsberechtigten eingesehen werden kann. Ergänzend ist die Möglichkeit einer Teilhabekonferenz vorgesehen, bei der auf Wunsch der Leistungsberechtigten deren Bevollmächtigte/r oder ein Beistand, z. B. eine Vertrauensperson, zu beteiligen sind. Ein Anspruch auf Durchführung der Teilhabekonferenz ist im Regierungsentwurf vom 22.06.2016 jedoch nur in Ausnahmefällen vorgesehen.

Als besonders problematisch könnte sich erweisen, dass eine Kombination mit einem Budget für Arbeit (BfA) im Regierungsentwurf nicht ausdrücklich vorgesehen ist. § 61 SGB IX-RegE regelt, dass diejenigen ein BfA erhalten können, die Ansprüche auf Leistungen nach § 58 SGB IX-RegE und damit im Arbeitsbereich einer WfbM haben. In der Begründung heißt es hierzu:

„Es profitieren auch Jugendliche mit Behinderungen, die im Rahmen ihrer beruflichen Orientierung für die Zeit nach ihrer beruflichen Bildung ein Budget für Arbeit in Aussicht nehmen. […] Ein Budget für Arbeit ist eine Alternative zum Arbeitsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen, also nachdem der Mensch mit Behinderungen eine berufliche Bildung erhalten hat. …“

Damit weicht der Entwurf z. B. von bereits erfolgreich erprobten Modellen im Rahmen der aktion5 und des Übergangs 500 plus ab, in denen ausdrücklich auch eine Förderung für Schulabgänger mit einer Empfehlung für eine WfbM vorgesehen war.[17]

Eine namentliche Nennung der Assistierten Ausbildung sieht der Regierungsentwurf zum BTHG zudem nicht vor. Die §§ 49 und 50 SGB IX-RegE entsprechen weitgehend den bisherigen §§ 33 und 34 SGB IX. Beide enthalten offene Kataloge, die die wichtigsten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben allgemein nennen. Sie sind zwingend im Zusammenhang mit dem Arbeitsförderungsrecht zu lesen. Bei einer Verstetigung der Assistierten Ausbildung wäre eine Nennung im Katalog der Leistungen an Arbeitgeber zu erwägen.

Abschließend wird darauf verwiesen, dass dargestellte Kritikpunkte AsA-erfahrener Leistungserbringer besonders zu beachten sind. Dies dürfte gerade dann hilfreich sein, wenn es um die Frage des weiteren Bestehens der AsA nach Ablauf der Befristungsregelung geht. Hier könnten schon heute aufgeworfene Kritikpunkte Ansätze zur Überarbeitung liefern.

Fußnoten:

[1] Konzept Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III, S. 21.

[2] Konzept Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III, S. 24.

[3] Konzept Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III, S. 25.

[4] Konzept Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III S. 17 ff.

[5] Konzept Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III, S. 14.

[6] Zu den genauen Aufgaben der einzelnen Akteure sowie deren Querschnittsaufgaben siehe: Konzept Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III, S. 12 ff.

[7] Konzept Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III, S. 19.

[8] Drs. 18/5111, Frage 6, S. 7; Beierling, Assistierte Ausbildung noch nicht der große Wurf, abrufbar unter: www.good-practice.de/infoangebote_beitrag6059.php.

[9] Ausschussdrucksache 18(11)298, Stellungnahme Elise Bohlen, S. 9.

[10] Konzept Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III, S. 30.

[11] Zum Ausschluss von Leistungen nach dem SGB III bei Erbringung der AsA siehe Konzept Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III, S. 32; zur Abgrenzung der verschiedenen Leistungen des Arbeitsförderungsrechts am Übergang Schule-Beruf siehe auch Drs. 18/4114, II. Besonderer Teil zu Nr. 6 Abs. 4 und 5 , S. 28 f.

[12] Konzept Assistierte Ausbildung (AsA) nach § 130 SGB III, Präambel, S. 5.

[13] Drs. 18/4114, A. Allgemeiner Teil, S. 24.

[14] Schimank: Assistierte Ausbildung für junge Menschen mit Behinderung Teil 1 – Ausgangspunkt und rechtliche Grundlagen; Beitrag D25-2016 unter www.reha-recht.de; 13.07.2016.

[15] Nebe, in: Gagel, § 130 SGB III, Rn. 19.

[16] Vgl. §§ 14–21 SGB IX-RegE und die dazugehörige Begründung unter „B. Besonderer Teil“, S. 238–247, abrufbar unter www.reha-recht.de/infothek/beitrag/artikel/bundeskabinett-beschliesst-bundesteilhabegesetz-und-nationalen-aktionsplan-20/.

[17] Generelle Kritik an der Anknüpfung eines BfA an eine Beschäftigung in einer WfbM findet sich in Nebe/Waldenburger, Budget für Arbeit, S. 176.


Stichwörter:

Assistierte Ausbildung, Inklusive Ausbildung, SGB III, UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), Nationaler Aktionsplan (NAP), Bundesagentur für Arbeit (BA), Berufliche Rehabilitation, Berufliche Teilhabe, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben


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