22.09.2015 D: Konzepte und Politik Fecher: Beitrag D34-2015

Barrierefreiheit der Rehabilitation. Statement der Deutschen Rentenversicherung Bund

Die Autorin Katharina Fecher beschreibt in dem Beitrag die Maßnahmen der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) zur Barrierefreiheit in der Rehabilitation. Sie geht dabei beispielsweise auf die Maßnahmen ein, die zur Umsetzung der Verordnungen des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) ergriffen wurden. Darüber hinaus beschreibt sie weitere Maßnahmen der DRV, wie den Aktionsplan „Vielfalt durch Reha“ zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, die Anforderungen an die Strukturqualität von Rehabilitationseinrichtungen sowie die Qualitätssicherung in den Einrichtungen.

Fecher kommt zu dem Fazit, dass zwar nicht alle Einrichtungen für jede Beeinträchtigung zugänglich seien, aber bereits große Fortschritte erzielt wurden und die Barrierefreiheit im Einzelfall meist gewährleistet werden könne.

(Zitiervorschlag: Fecher: Barrierefreiheit der Rehabilitation. Statement der Deutschen Rentenversicherung Bund; Forum D, Beitrag D34-2015 unter www.reha-recht.de; 22.09.2015)


I. Einleitung[1]

Mit der Verabschiedung des Sozialgesetzbuchs IX (SGB IX) im Jahr 2001 hat der Gesetzgeber in der Bundesrepublik Deutschland einen Paradigmenwechsel in der für Menschen mit Behinderung maßgeblichen Politik vollzogen. Mit der darauf beginnenden Umsetzung des SGB IX hat die Deutsche Rentenversicherung den Teilhabegedanken aufgegriffen und ausgestaltet.

In diesem Zuge hat sie auch die Vorgaben des 2002 in Kraft getretenen Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) hinsichtlich der Informationstechnik und der Zugänglichmachung von Dokumenten umgesetzt.

Die DRV klärt jährlich intern den Umsetzungsstand des BGG.

II. Maßnahmen der DRV zur Umsetzung des BGG

1. Maßnahmen zur Schaffung barriere­freier Informationstechnik

Zur Umsetzung der Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BITV 2.0), nach der alle öffentlich zugänglichen Internetangebote spätestens seit März 2014 barrierefrei sein müssen, hat die DRV verschiedene Maßnahmen ergriffen.

Hierzu gehören u. a. folgende Maßnahmen:

  • chatten im Internet mit barrierefreier Darstellung
  • barrierefreie Aufbereitung der PDF-Formulare auf den Internetseiten (z. B. für alle Broschüren)
  • kostenfreies Servicetelefon für Hörgeschädigte (2014 = 140 Anrufe; der hörgeschädigte Mensch ruft über seinen PC mit einer Webcam die DRV an. Es wird eine Verbindung zu einem Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher hergestellt, der die Fragen des hörgeschädigten Menschen und die Antworten der Servicemitarbeiter übersetzt.)
  • Gebärdensprachfilme für Rehabilitation und Rente werden kontinuierlich ausgeweitet
  • fristgerechtes Angebot von Teilen des Internetangebotes in leichter Sprache zur Verfügung gestellt
  • barrierefreie Aufbereitung von bundeseinheitlichen Formularen im Internet
  • Großdruckformulare
  • barrierefreier Internetauftritt der Kliniken folgt noch
  • zur Verfügungstellung von Online-Diensten (e-Postfach, Rentenauskunft)

2. Maßnahmen zur Zugänglichmachung von Dokumenten für Blinde und sehbehinderte Menschen im Verwaltungsverfahren

Auch um für Blinde und sehbehinderte Menschen Dokumente im Verwaltungsverfahren zugänglich zu machen und die dazu verpflichtende Verordnung[2] umzusetzen hat die DRV verschiedene Maßnahmen ergriffen. Hierzu gehören insbesondere die Verwendung von Brailleschrift sowie die Nutzung von Hörmedien in Form von Textdateien auf CD.

Im Jahr 2014 sind auf diese Weise 10.800 barrierefreie Produkte – insbesondere Großdruck – erstellt worden.

Bescheide, Formulare, Merkblätter und Broschüren werden barrierefrei gestaltet. Um sehbehinderten Menschen einen Dokumentenzugang in einer für sie wahrnehmbaren Form zu ermöglichen, werden diese Dokumente z. B. als Großdruck oder in Braille-Schrift auf Verlangen zugesandt. Auch eine Übersendung auf CD oder Hörmedien ist möglich. Der sehbehinderte Mensch selbst kann an seinem PC eine Sprachausgabe aktivieren.

3. Maßnahmen zur Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen im Verwaltungsverfahren

Für hörbehinderte Menschen besteht außerdem die Möglichkeit, bei persönlichen Beratungsgesprächen oder anderen persönlichen Kontakten Gebärdensprachdolmetscher auf Kosten der DRV hinzuzuziehen. Auf diese Weise sollen hörbehinderte Menschen von ihrem Recht auf barrierefreie Verständigung Gebrauch (bspw. bei A- und B-Stellen, Reha-Beratungsdiensten) machen können und die Verordnung zur Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen im Verwaltungsverfahren nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (KHV) umgesetzt werden.

III. Weitere Maßnahmen

Darüber hinaus hat die DRV weitere Maßnahmen ergriffen, um die Rehabilitation barrierefrei zu gestalten.

1. Umsetzung der UN-Behinderten­rechtskonvention (UN-BRK)

Die Deutsche Rentenversicherung hat sich nach Inkrafttreten der UN-BRK mit deren Aussagen und Auswirkungen auseinandergesetzt.

Deutliches Zeichen hierfür ist, dass die Deutsche Rentenversicherung einen eigenen Aktionsplan zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention unter dem Motto „Vielfalt durch Reha“[3] verabschiedet hat. Dieser Aktionsplan ist am 1. Januar 2014 mit einer dreijährigen Laufzeit in Kraft getreten. Zunächst hat die Deutsche Rentenversicherung als für sie maßgebliche Handlungsfelder die Bewusstseinsbildung, die Zugänglichkeit und die Teilhabeleistungen identifiziert.

Auch nach Ansicht der Rentenversicherungsträger bedingt ein gelungener Prozess, der die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland weiter hin zu einer inklusiven Gesellschaft führt, eine entsprechende Bewusstseinsbildung.

Insofern war es den Rentenversicherungsträgern ein besonderes Anliegen, als erstes Handlungsfeld die Bewusstseinsbildung aufzugreifen. Die Deutsche Rentenversicherung hat zu den jeweiligen Handlungsfeldern Maßnahmen entwickelt, die der Umsetzung des jeweiligen Ziels und der Handlungsfelder dienen. Nach dem Handlungsfeld der Bewusstseinsbildung hat das Handlungsfeld der Zugänglichkeit (Art. 9 UN-BRK) einen hohen Stellenwert. Es sind hierzu mehrere Maßnahmen geplant worden.

2. Zugang zur und Durchführung der Rehabilitation

Im Zuge der Umsetzung des DRV-Aktionsprogrammes sind die Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung an die Strukturqualität von Rehabilitations-Einrichtungen überarbeitet worden.

In diesem Zusammenhang wird auf die zweite überarbeitete und erweiterte Auflage der dazu erstellten Broschüre von Juli 2014 aufmerksam gemacht.[4] Überarbeitet wurden damit auch die Anforderungen an die Barrierearmut.

Im Rahmen der Anforderungen der DRV an die Strukturqualität von Rehabilitationseinrichtungen existieren Strukturerhebungsbögen mit Merkmalen zur Barrierearmut.

Es wird erfasst, ob es einen barrierefreien/rollstuhlgerechten Zugang in die Einrichtung gibt. Ferner, ob die Ausstattung adäquat für die Aufnahme von Rehabilitanden mit starker Gehbehinderung, Gehunfähigkeit, Querschnittslähmung, Sehbehinderung, Erblindung, starker Hörschädigung, Ertaubung oder Dialysepflicht ist. Bei einer Sehbehinderung sind z. B. Ausstattungsmerkmale wie kontrastreiche Markierungen an Treppen, Stufen, Geländern und Türen, Bodenmarkierungen, Führungsleitlinien an Treppen und Geländern, Hell-Dunkel-Kontraste (insbesondere bei Klingel- und Rufanlagen), Leuchtmittelzahlen in Fahrstühlen, Telefone mit großen Tasten und hohen Leuchtdichteunterscheidungen zu berücksichtigen.

Für eine blindengerechte Ausstattung wird vorausgesetzt, dass z. B. akustische Orientierungshilfen, wie eine akustische Stockwerkansage in Fahrstühlen, die Verwendung von Blindenschrift (Braille) und eine taktile Erkennbarkeit von Oberflächenmaterialien vorliegen.

Insofern nutzen die Rentenversicherungsträger für die medizinische Rehabilitation ein Instrument, mit dem die Einhaltung von Anforderungen an Zugänglichkeit von Einrichtungen gewährleistet, beobachtet und überprüft wird.

3. Qualitätssicherung

Im Rahmen der Qualitätssicherung werden die von den Rehabilitationseinrichtungen ausgefüllten und eingesandten Strukturerhebungsbögen von der Deutschen Rentenversicherung Bund ausgewertet und analysiert. Über diese Ergebnisse werden die Einrichtungen informiert.

Außerdem besuchen die Rentenversicherungsträger die Rehabilitationseinrichtungen und überprüfen die Einhaltung der Strukturanforderungen (Visitationen der Einrichtungen). Sollten Abweichungen festgestellt werden, werden sie angesprochen und im weiteren Zusammenwirken thematisiert.

IV. Fazit

Nicht jede Einrichtung wird jeweils für jede Beeinträchtigung zugänglich sein. Aber bei Kenntnis der vorhandenen Beeinträchtigungen werden die Rentenversicherungsträger auch in Einzelfällen dafür Sorge tragen, dass Einrichtungen zugänglich sind. In einer Vielzahl von Fällen ist dies in der Vergangenheit bereits unter Beweis gestellt worden.

Darüber hinaus bestehen zahlreiche Maßnahmen, um Barrierefreiheit in der Rehabilitation durch die DRV sicherzustellen. Durch den Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK wurde ein Rahmen geschaffen, um die Angebote stetig zu optimieren. Notwendig sind dazu jedoch auch weiterhin individuelle Lösungen im Einzelfall, bei denen es insbesondere auf die Informationen und Kenntnisse der Betroffenen ankommt.

Beitrag von Katharina Fecher, Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin

Fußnoten:

[1] Der Beitrag basiert auf einen Vortrag des Autors im Rahmen des 24. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquiums am 18. März 2015 in Augsburg.

[2] Verordnung zur Zugänglichmachung von Dokumenten für Blinde und sehbehinderte Menschen im Verwaltungsverfahren nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (VBD).

[3] Abrufbar unter www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/331920/publicationFile/63994/aktionsprogramm_behindertenrechtskonvention.pdf.

[4] Abrufbar unter www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/3_Infos_fuer_Experten/01_sozialmedizin_forschung/downloads/quali_strukturqualitaet/Broschuere_Strukturanforderungen.pdf;jsessionid=06023153E5E1E53BB82C8471CDF231EC.cae04.


Stichwörter:

Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), Rehabilitationseinrichtung, Rentenversicherungsträger, Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik (BITV 2.0)


Kommentare (3)

  1. Ralf Rossow
    Ralf Rossow 21.03.2020
    Die Barrierefreiheit in öffentlichen und öffentlich zugängigen Gebäuden und Kliniken ist seit 2009 gesetzlich verankert.
    Leider wird die Barrierefreiheit stets mit Rollstuhlfahrern assoziiert.
    Die Barrierefreiheit für z.B. großwüchsige Behinderte ist quasi nicht existent.
    Ich soll in Reha. Ich darf aufgrund meiner Erkrankung nicht tief sitzen.
    Kein Rehainstitut in Deutschland ist diesbezüglich ausgerüstet. Trotzdem wird man durch die RV und Krankenkasse genötigt solche Orte zu besuchen, selbst wenn eine Verschlimmerung der gesundheitlichen Lage offensichtlich ist.
  2. Manfred Becker
    Manfred Becker 31.10.2015
    Meines Wissens wird Menschen mit psychischer Beeinträchtigung weiterhin eine berufliche Reha in Teilzeit in der Regel verweigert - sogar im Eingangs- und Berufsbildungs-Bereich der Werkstätten. Für viele aus diesem Personenkreis wäre dies aber die einzige Möglichkeit entsprechend ihrer Belastbarkeit eine solche Reha durchzuführen.
    Manfred Becker, IFD-Fachkraft
  3. Reiner Delgado
    Reiner Delgado 17.10.2015
    Beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV, www.dbsv.org) gehen immer wieder Anfragen nach Rehamaßnahmen ein. Die Bedarfe blinder und sehbehinderter Menschen liegen dabei in folgenden Bereichen:

    - barrierefreie Gestaltung der Gebäude und Einrichtungen
    - Rücksichtnahme bei der Gestaltung der Rehaaktivitäten, z. B. bei Sportübungen
    - Hilfeleistungen bei der Orientierung im Haus und bei den Mahlzeiten
    - Finanzierung eines Unterrichts in Orientierung und Mobilität für eine möglichst eigenständige Orientierung im Gebäude
    - Finanzierung der Unterbringung einer mitgebrachten Begleitperson
    - ggf. auch Finanzierung des Honorars der Begleitperson

    Manche Rehaeinrichtungen - besonders Vertragspartner der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung geben zwar an, für blinde und sehbehinderte Menschen barrierefrei nutzbar zu sein, in der Praxis zeigt sich aber i. d. R., dass keiner der o. g. Punkte gewährleistet ist, bzw. weder Leistungserbringer noch Kostenträger bereit oder in der Lage sind, die notwendigen Maßnahmen zu gewährleisten.

    Die barrierefreie umsetzung von Rehabilitationsmaßnahmen für blinde und sehbehinderte Menschen ist also für die meisten Betroffenen heute noch nicht Realität.

    Reiner Delgado, DBSV-Sozialreferent

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