29.09.2016 D: Konzepte und Politik Schimank/Schülle: Beitrag D37-2016

Bericht über die Verbändeanhörung zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) am 19.07.2016 in Berlin

Die Autorinnen Cindy Schimank und Mirjam Schülle berichten über die Verbändeanhörung zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG), die am 19. Juli 2016 in Berlin stattfand.

Mit dem HHVG soll den veränderten Anforderungen an die Heil- und Hilfsmittelversorgung, die sich u. a. aus dem demografischen Wandel ergeben, Rechnung getragen werden. Inhaltliche Schwerpunkte der Diskussion bildeten neben den Heil- und Hilfsmitteln auch Verbandsmittel, Wundzentren i.V.m. häuslicher Krankenpflege sowie die Patientenbeteiligung. Besonders kritisch debattiert wurden die geplanten Änderungen durch Erprobung so genannter Blankoverordnungen im Bereich der Hilfsmittel sowie die geplanten Wundzentren, die eine Versorgung chronischen und schwer heilenden Wunden außerhalb der Häuslichkeit der Patientinnen und Patienten sicherstellen sollen.

(Zitiervorschlag: Schimank/Schülle: Bericht über die Verbändeanhörung zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) am 19.07.2016 in Berlin; Beitrag D37-2016 unter www.reha-recht.de; 29.09.2016)


I. Hintergrund

Am 19. Juli 2016 fand die Anhörung der Verbände zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG) des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) statt.[1] Mit dem HHVG soll den veränderten Anforderungen an die Heil- und Hilfsmittelversorgung, die sich u. a. aus dem demografischen Wandel ergeben, Rechnung getragen werden. Vorgesehen sind verschiedene Änderungen, mit denen bestehende Qualitätsdefizite ausgeglichen werden sollen.

Zum Zeitpunkt der Anhörung befand sich der Entwurf auf ministerieller Ebene. Am 20. Juli 2016 fand die Bund-Länder-Anhörung statt, laut den einführenden Worten vom zuständigen Abteilungsleiter des BMG, der die Anhörung leitete.

II. Bericht zur Verbändeanhörung

Zu den eingeladenen Verbänden zählten u. a. der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) sowie der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), der Verband der Ersatzkassen (vdek), der AOK-Bundesverband sowie der Sozialverband VdK Deutschland, der Sozialverband Deutschland (SoVD), der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen und ihren Angehörigen (BAG Selbsthilfe), die Bundesvereinigung Lebenshilfe, der Deutsche Verband für Physiotherapie (ZVK), der Bundesverband für Logopädie (dbl), die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (KdöR), der Bundesverband Medizintechnologie und die Initiative chronische Wunden. Gegliedert wurde die Anhörung in die inhaltlichen Themen des Referentenentwurfs (RefE): Heilmittel, Hilfsmittel, Verbandmittel, Wundzentren/häusliche Krankenpflege, Patientenbeteiligung, Sozialdaten.

1. Anmerkungen zu Heilmitteln

Die geplanten grundlegenden Änderungen im Bereich der Heilmittel beziehen sich auf die Flexibilisierung der Preisbildung. In den Vergütungsvereinbarungen zwischen den Krankenkassen und Verbänden der Heilmittelerbringer sollen durch Modellvorhaben sog. "Blankoverordnungen" im Heilmittelbereich erprobt werden (a), die Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität aufgehoben werden (b), und die Schiedsstellenverfahren sollen durch die Einführung zeitlicher Vorgaben verbessert werden (c).

a) Modellvorhaben zur Heilmittelversorgung (neu § 64d RefE)

Die Anhörung begann mit einer breiten Diskussion zu den Modellvorhaben zur Heilmittelversorgung, die die Erprobung der eigenverantwortlichen Entscheidungen von Leistungserbringern über Art, Dauer und Frequenz der Heilmitteltherapie zum Inhalt haben.

Der Deutsche Verband für Physiotherapie (ZVK) begrüßt grundsätzlich die Ausweitung der Modellvorhaben, machte allerdings deutlich, dass der RefE hinter dem Anspruch des ZVK zurück bleibt. Gewünscht wird ein Direktzugang der Patientinnen und Patienten zu Therapeutinnen und Therapeuten ("Direct Access").[2] Die geplanten Blankorezepte greifen nach Ansicht des Verbandes dafür nicht weit genug. In den geplanten Modellprojekten solle möglichst beides erprobt werden, die Blankorezepte und der Direktzugang. Die Indikation sollte danach von den Therapeutinnen und Therapeuten und nicht von den Ärztinnen und Ärzten gestellt werden, die Diagnosestellung bei den Ärztinnen und Ärzten zu belassen sei sachgerecht.

Der Verband der Ersatzkassen (vdek) und der GKV-Spitzenverband sprachen sich grundsätzlich für Modellprojekte aus, allerdings sei ein Modellvorhaben pro Bundesland zu viel. Zudem fehlte eine Regelung zur wissenschaftlichen Begleitforschung. Die Krankenkassen sehen keinen Bedarf den neuen § 64d SGB V-RefE einzuführen, mittels des § 63 Abs. 3b S. 2 und 3 SGB V (gefördert aus Mitteln des Innovationsfonds nach § 92a SGB V) könnten die Modellprojekte mit bestehender Gesetzeslage bereits umgesetzt werden, somit hätten die gesetzlichen Krankenkassen auch die nötige Gegenfinanzierung.[3]

Der Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten (IFK) gab zu bedenken, dass der RefE hinter den Beschlüssen der diesjährigen Gesundheitsministerkonferenz der Länder (Ende Juni) zurück bleibe.[4] Es gebe drei Gründe, weshalb der Direktzugang in den Modellvorhaben zur Hilfsmittelversorgung wichtig sei: Erstens müsse die Attraktivität der Therapieberufe gesteigert werden, dies könne u. a. mit dem Direktzugang erreicht werden, zweitens spare nur der unmittelbare Direktzugang Kosten, was aus internationalen Daten ersichtlich sei, und drittens sollten die Patientinnen und Patienten selbst über den Therapiezugang entscheiden können.

Auf die Frage des zuständigen Abteilungsleiters des BMG, ob und wie heute bereits ein Direktzugang juristisch möglich sei, antwortete der IFK, dies sei bisher über den sog. "Kleinen Heilpraktiker"[5] (§ 1 HeilprG, BVerwG Urteil vom 26.08.2009 – 3 C 19.08) möglich, der 60 Fortbildungsstunden umfasst. Sinnvoll wäre, diese 60 Stunden der Ausbildungsverordnung der Physiotherapeutinnen und -therapeuten hinzuzufügen, sodass diese nicht gezwungen sind einen "Kleinen Heilpraktiker" zusätzlich zu erlangen. Eine originäre berufsrechtliche Regelung, die den Direktzugang ermögliche, gebe es ansonsten nicht.

Der Deutsche Bundesverband der akademischen Sprachtherapeuten bestärkte, dass das Berufsrecht parallel zu überarbeiten sei, wozu die Verbände bereits eine Vielzahl von Vorschlägen und Anmerkungen gemacht hätten.

Der Verband Physikalische Therapie (VPT) ergänzte, dass es bereits Modellprojekte zum Direktzugang gebe, derzeit von der IKK begleitet.[6] Die Kassen verwiesen ebenso auf derlei Modellprojekte und rieten dazu, deren Ergebnisse abzuwarten, bevor der Direktzugang normiert werde.

Mehrheitlich begrüßt wurden die Modellvorhaben von Seiten weiterer Verbände. Claudia Tietz vom SoVD wies allerdings ergänzend darauf hin, dass zu § 64d SGB-V-RefE Teilhabe- und Versorgungsziele hinzuzufügen seien.[7] Der Deutsche Verband für Podologie (ZFD) äußerte den Wunsch, in dem Gesetz neben den anderen Therapeutinnen und Therapeuten berücksichtigt zu werden, ebenso sei die Fußpflege beim Wundmanagement aufzunehmen. Vom Bundesverband für Ergotherapeuten in Deutschland (BED) wurde zusätzlich angemerkt, dass es für die erfolgreiche Einführung der Modellvorhaben finanzieller Anreize für die Krankenkassen bedürfe. Ein schnellerer Behandlungserfolg durch die Modellvorhaben müsse sich sowohl für die Behandler als auch kassenseitig lohnen.[8] Der VPT und der Physiotherapieverband (VdB) bekräftigten, dass die Modellvorhaben ein vorstellbarer Zwischenschritt seien, der Direktzugang solle allerdings das Ziel sein.

Regina Feldmann von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) begrüßte, dass die Einheit von Diagnose und Therapie nicht angetastet worden ist. Die Blankoverordnung werde grundsätzlich unterstützt, allerdings bestünden Regelungslücken z. B. bei der wirtschaftlichen Verantwortung. Der Direktzugang sei im außereuropäischen Kontext zwar erprobt worden, allerdings in Ländern, in denen finanziell der Eigenbeitrag der Patientinnen und Patienten höher sei. Wenn die Kosten für die Patientinnen und Patienten nicht gesteigert werden sollen, dann sollte von einem Direktzugang abgesehen werden, so die KBV.

Auch der GKV-Spitzenverband äußerte Bedenken hinsichtlich möglicher steigender Kosten. Der Deutsche Verband für Logopädie bemerkte hierzu, dass die Kosten der Heilmittelerbringenden lediglich 4% der Gesamtausgaben der GKV betrügen und stellte die Frage, ob hier ernsthaft von einer Kostensteigerung ausgegangen werden könne. Betont wurde, dass Kosteneinsparungen durch Direktzugänge möglich seien, da unnötige und doppelte Wege über Hausärztinnen und -ärzte oder ein Sozialpädiatrisches Zentrum vermieden werden könnten.

b) Grundsatz der Beitragssatzstabilität teilweise aufheben (neu in § 125 Abs. 2 S. 2 SGB V, Streichung des S. 5 in § 125 Abs. 3 SGB V)

Geplant ist laut RefE, bei den Vergütungsverhandlungen zwischen den Krankenkassen und Verbänden der Heilmittelerbringer den Grundsatz der Beitragssatzstabilität aufzuheben. Tietz (SoVD) gab zu bedenken, dass durch die Abkoppelung der Heilmittelpreise von der Grundlohnsumme die GKV-Ausgaben vermutlich steigen werden und diese Erhöhungen wiederum einseitig von den Versicherten zu tragen seien. Sie appellierte an den Gesetzgeber, dass es einer Rückkehr zur paritätischen Ausgabenaufteilung bedürfe.[9]

Christian Quellmalz vom GKV-Spitzenverband lehnte die geplanten Änderungen ab. Die Herausnahme des Heilmittelbereichs aus dem Geltungsbereich des § 71 SGB V sei ein Dammbruch und stelle den Grundsatz der Beitragssatzstabilität insgesamt in Frage. Es gebe bereits andere Instrumente, wie Preisuntergrenzen. Zudem solle das Augenmerk auf die Steuerung und Preisverhandlungen gelenkt werden.[10]

c) Zeitliche Vorgaben für die Schiedsverfahren (§ 125 Abs. 2 S. 5 SGB-V-RefE)

Zu den geplanten Änderungen bei Schiedsverfahren, die Anpassung um eine dreimonatige Frist bei der Preisfindung des Vertrages und die Bestimmung einer Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde binnen eines Monats, wurde kaum Änderungsbedarf geäußert. Vom VdB wurde die Idee eingebracht, die Beteiligten zu verpflichten, eigenständig Schiedspersonen für einen angemessenen Zeitraum zu bestimmen, ein solches Vorgehen könnte zur Beschleunigung von Schiedsverfahren beitragen.

d) Sonstige Anmerkungen im Zusammenhang mit Heilmitteln

Über die dargestellten Themen hinaus wurde im Verlauf der Diskussion betont, dass Barrierefreiheit bei der Heilmittelerbringung zu gewährleisten sei. Nach den Büchern des Sozialgesetzbuches sei dies zwar bereits vorgesehen (v. a. § 17 SGB I, § 2a SGB V), eine gesetzliche Klarstellung in § 124 SGB V sei allerdings nachdrücklich zu empfehlen, so Tietz (SoVD). Denn Barrieren führen für Menschen mit Behinderungen und Mobilitätseinschränkungen auch bei Heilmitteln zu einem faktischen Ausschluss von der Regelversorgung.

Darüber hinaus führte die KBV aus, dass die Überarbeitung des Heilmittelkataloges zwingend notwendig sei, dies allerdings dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) überlassen werden sollte.[11]

2. Anmerkungen zur Hilfsmittelversorgung

Zu den geplanten Änderungen im Hilfsmittelrecht zählen die Weiterentwicklung des Präqualifizierungsverfahrens (a), die stärkere Berücksichtigung von Qualitätsaspekten bei der Ausschreibung der Hilfsmittelversorgung (b), die Stärkung von Informations- und Beratungsrechten der Versicherten sowie die Weiterentwicklung, Aktualisierung und Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses (d).

a) Weiterentwicklung des Präqualifizierungsverfahrens (§ 126 Abs. 1a SGB-V-RefE)

Die geplanten Änderungen hinsichtlich des Präqualifizierungsverfahrens (§ 126 Abs. 1a SGB V-RefE) wurden von den Verbänden unterschiedlich bewertet. Geplant ist, die Präqualifizierungsstellen nicht mehr, wie bisher, vom GKV-Spitzenverband überwachen zu lassen, sondern durch die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS). Diese soll künftig neben der Überwachung auch die Begutachtung und Bestätigung übernehmen. Der Fachverband Medizinprodukte befürchtete, dass in der vorgesehenen Änderung eine Abschaffung der Präqualifizierungsstellen liege. Dem widersprach der GKV-Spitzenverband und verwies darauf, dass es lediglich zu einer Aufgabenübertragung käme. Klarzustellen sei jedoch, wie das Rechtsverhältnis zwischen den Präqualifizierungsstellen und dem GKV-Spitzenverband ausgestaltet sein wird.[12] Zudem müsse die Gültigkeitsdauer der Zertifikate gesetzlich einheitlich geregelt werden. Der AOK-Bundesverband kritisierte die mangelnde Verbindlichkeit der Regelungen und eine fehlende Regelung für den Fall, dass Leistungserbringer Präqualifizierungs­standards nicht mehr einhielten. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) bewertete die Regelung als erhebliche Systemumstellung und stellte deren Sinnhaftigkeit grundsätzlich in Frage.[13]

b)     Stärkere Berücksichtigung von Qualitätsaspekten bei der Ausschreibung (§ 127 Abs. 1b SGB-V-RefE) und Qualitätssicherung

Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit im Rahmen von Ausschreibungen sollen künftig neben Preisen andere Kriterien, wie Qualität, die Zugänglichkeit für behinderte Menschen oder die Qualifikation und Erfahrung des Personals stärker berücksichtigt werden. Diese vorgesehene stärkere Berücksichtigung von Qualitätsaspekten bei der Ausschreibung zur Hilfsmittelversorgung ergibt sich nach Meinung des GKV-Spitzenverbandes bereits heute aus dem Vergaberecht. Auf eine ausdrückliche Regelung im SGB V könne daher verzichtet werden.[14] Die vorgeschlagene Regelung verfehle das Ziel der Qualitätsverbesserung, da sie sich nur auf Ausschreibungsverträge beschränke und damit die Gefahr bürge, dass sich potentielle Leistungserbringer verstärkt mit nicht kostendeckenden Angeboten bewerben. Dies wiederum habe in der Vergangenheit zu erheblichen Qualitätsdefiziten geführt.[15] Um diesem bereits jetzt bestehenden Problem entgegenzuwirken schlug der Sozialverband VDK vor, Angebote, die offensichtlich nicht kostendeckend sind, generell auszuschließen.

Darüber hinaus äußerten die Verbände generelle Kritik an der Qualität der Hilfsmittelversorgung, die drastisch nachgelassen habe. So forderte der GKV-Spitzenverband vermehrt Regelungen zur Qualitätssicherung gesetzlich zu verankern.[16] Der vzbv forderte, nur Produkte zuzulassen, die vorgegebene Qualitätsstandards erreichen. Bei Beschwerden über Qualität müsse schnell dafür gesorgt werden, dass Hilfsmittel aus dem Versorgungsprozess entfernt werden.

Des Weiteren kritisierten die Verbände wiederholt das Fehlen verbindlicher Regelungen. So bemängelten Vertreter von SPECTARIS, dass verbindliche Regelungen zur Qualifizierung der an der Hilfsmittelversorgung Beteiligten fehlten. Dem schloss sich der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) an.[17]

c) Stärkung der Informations- und Beratungsrechte der Versicherten (§ 127 Abs. 4a SGB-V-RefE)

Ebenfalls auf unterschiedliche Sichtweisen stieß die geplante Verpflichtung der Leistungserbringer, die Krankenkassen über die Höhe abgerechneter Mehrkosten zu informieren sowie Beratungen schriftlich zu dokumentieren. Hintergrund der geplanten Stärkung der Informations- und Beratungsrechte der Versicherten (§ 127 Abs. 4a SGB-V-RefE) sind laut BMG vermehrte Berichte darüber, dass Leistungserbringer statt des gesetzlich vorgesehenen Regelfalls Leistungen erbringen, die zu Mehrkosten führten. Die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (KdöR) bewertete Angaben über Mehrkosten, die durch Versicherte entrichtet werden, als deren private Entscheidung, weshalb eine Information zur Höhe nicht erforderlich sei. Dagegen sprach sich der vzbv dafür aus, Informationen über Aufzahlungen nicht nur den Krankenkassen zukommen zu lassen, sondern diese im Sinne der Transparenz öffentlich zugänglich zu machen. Zudem sei in den Rechnungen für Hilfsmittel auszuweisen, welcher Kostenanteil auf welche Stelle entfällt. Der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen regte die Einführung einer Wertgrenze an, d. h. die Festlegung einer Kostenuntergrenze für Hilfsmittel, bei deren Unterschreiten die Beratung und Dokumentation nicht nötig sei. Dem widersprach die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See, die eine Beratungs- und Dokumentationspflicht unabhängig vom Preis des Hilfsmittels befürwortete.

Der Referentenentwurf sieht in § 127 Abs. 5a SGB-V-RefE weiterhin vor, dass die Krankenkassen die Einhaltung der vertraglichen und gesetzlichen Pflichten der Leistungserbringer überwachen. Nach Ansicht des VdK ist die Regelung zur Rechtsaufsicht zu stärken.

d) Aktualisierung, Bereinigung und Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses (§ 139 SGB-V-RefE)

Die geplante kontinuierliche Fortschreibung, Aktualisierung und Bereinigung des Hilfsmittelverzeichnisses (§ 139 SGB-V-RefE) wurde von den Verbänden mehrheitlich begrüßt. Der vorgesehene § 139 Abs. 7a SGB-V-RefE, nach welchem das BMG durch Rechtsverordnung bestimmen kann, dass für das Verfahren zur Aufnahme von Hilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis Gebühren zu erheben sind, wurde vom Bundesverband der Hörgeräteindustrie als Marktzugangsbeschränkung bewertet. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) forderte, in § 139 Abs. 8 SGB-V-RefE klarzustellen, dass der MDS beratend mitwirken kann. Ebenso ist laut eurocom[18] und SPECTARIS[19] eine Beteiligung der Herstellerverbände erforderlich, die über ein bloßes Stellungnahmerecht hinausgeht.[20] Der vzbv sowie die Bundesvereinigung Lebenshilfe[21] forderten eine Regelung für Hilfsmittel, die von Versicherten benötigt werden aber nicht im Verzeichnis aufgenommen sind. Hierfür bräuchte es eine verbindliche Vorgehensweise. Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) betonte, dass die zu erarbeitende Verfahrensordnung zur Aufnahme von Hilfsmitteln (§ 139 Abs. 7 SGB-V-RefE) alle relevanten Punkte umfassend und eindeutig regeln müsse.[22]

e) Sonstige Anmerkungen im Zusammenhang mit  Hilfsmitteln

Zu den weiteren Themen zählte die Unabhängige Patientenberatung, die laut VdK besonders wichtig ist. Die BAG Selbsthilfe verwies zudem auf die Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung zwischen Methoden und Hilfsmitteln. Der AOK-Bundesverband sprach sich für den weiteren Ausbau der sog. papierlosen Kommunikation aus sowie für eine transparentere Gestaltung der Zuzahlungsregelungen im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung. Unterschiede in den Zuzahlungshöhen seien für Versicherte oftmals nicht nachvollziehbar. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband merkte an, dass die Grenzen des Leistungsanspruchs in § 33 Abs. 2 SGB V zu eng seien. Besonders problematisch sei die Regelung für Menschen mit sehr schweren Sehbeeinträchtigungen, die beinahe blind sind, deren Sehbeeinträchtigungen allerdings noch mit kostenintensiven Hilfsmitteln ausgeglichen werden können. Aufgrund der hohen Kosten könnten sich diese Menschen oftmals das benötigte Hilfsmittel nicht leisten, was wiederum zu negativen Folgen führe, wie erheblichen psychischen Belastungen oder Sturzgefahr. Der Bundesverband Augenoptiker stimmte dem zu.

3. Anmerkungen zu Verbandmitteln (§ 31 Abs. 1a SGB-V-RefE)

Neben Regelungen im Bereich Heil- und Hilfsmittel enthält der Referentenentwurf spezielle Regelungen zur Versorgung mit Verbandmitteln. Vorgesehen ist eine Legaldefinition des Begriffs Verbandmittel einzuführen (neu § 31 Abs. 1a SGB-V-RefE), da in der Praxis bisher teilweise Erstattungsanträge für die gleichen Produkte je nach Krankenkasse unterschiedlich entschieden wurden. Laut BMG soll die Regelung Verbandmittel so definieren, dass klassische Verbandmittel weiterhin unmittelbar zu erstatten sind. Für andere Mittel zur Wundbehandlung muss hingegen die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen werden. Der Bundesverband Medizinprodukte (BVMed) begrüßte die Regelungen insgesamt, bewertete die Legaldefinition jedoch als zu eng. In der Definition solle der Begriff "Wirkung" ersetzt werden durch "Hauptwirkung", da keines der derzeit unter die Begrifflichkeit der Verbandmittel fallenden Produkte auf die in der Definition benannten Funktionen von Bedecken, Aufsaugen oder Feuchthalten begrenzt ist. Damit würde keines der Verbandmittel die Anforderungen der vorgeschlagenen Gesetzesdefinition erfüllen.[23] Die Details der Abgrenzung seien zudem vom
G-BA zu regeln. Dem stimmte die Initiative chronische Wunden zu.

4. Anmerkungen zu den geplanten Wundzentren i. V. m. häuslicher Krankenpflege (neu § 37 Abs. 7, § 132a Abs. 1 SGB-V-RefE)

Laut dem RefE soll zukünftig die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden auch außerhalb der Häuslichkeit der Patientinnen und Patienten in spezialisierten Einrichtungen, den sog. Wundzentren erfolgen können. Begrüßt wurden die Wundzentren von der Initiative chronische Wunden. Betont wurde zudem, dass es einer ärztlich geleiteten Therapie im multiprofessionellen Team bedarf, in der Wundbehandlung gehe es um mehr als nur um häusliche Krankenpflege.

Hingegen sprach sich der GKV-Spitzenverband klar gegen den geplanten Typus der Wundzentren aus, unklar sei dessen Einbettung in die bisherigen Versorgungsstrukturen, ob es sich um stationäre oder ambulante Zentren unter ärztlicher oder pflegerischer Leitung handle. Zudem sehe der GKV-Spitzenverband die Gefahr, Wundzentren würden nur in Ballungszentren entstehen, es gebe zudem keine Richtung der Bedarfsprüfung.[24]

Daran schloss sich Feldmann (KBV) an: Die KBV wolle die Wundzentren nicht ganz verdammen, doch seien sie zunächst an Modellen zu überprüfen, die über den Innovationsfonds finanziert werden könnten.[25]

5. Anmerkungen zur finanziellen Unterstützung der Patientenbeteiligung (§ 140 f SGB-V-RefE)

Begrüßt wurde vom vzbv die Absicht, die Patientenvertretungen finanziell zu unterstützen. Allerdings sei die Höhe der Förderung zu gering angesetzt, es bedürfe Patientenvertretungen, die kontinuierlich und professionell arbeiten können. Eine unzureichende Ausstattung für kurzfristige Vertreterinnen und Vertreter sei dafür nicht hilfreich, zudem sei die Frage offen, ob diese Änderung lediglich für die Bundesebene oder auch für die der Länder gelten solle. Anders sah es die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG Selbsthilfe): Kurzfristige Selbsthilfevertreterinnen und -vertreter seien teilweise sehr sinnvoll – ergänzend zu den kontinuierlich arbeitenden Vertreterinnen und Vertretern – und für die Sicherstellung der Kompetenz zu spezifischen Sachthemen in den Unterausschüssen notwendig. Der Koordinationsaufwand für diese Patientenvertretenden sei allerdings sehr hoch, daher sollte dieser Aufwand ebenso finanzielle Berücksichtigung finden.[26]

Der Sozialverband VdK bewertet das Vorhaben als gut und gibt zu bedenken, dass die Koordinierungsausschüsse sehr bürokratisch seien, daher würde ein Pauschalaufwand für die Verbände bevorzugt. Eine Finanzierung über die Mitgliedsbeiträge sei hingegen nicht realisierbar.

Das Bundeskabinett hat am 31. August 2016 den Gesetzesentwurf zum HHVG beschlossen[27]. Dieser Regierungsentwurf[28] geht nun in die Beratungen im Bundestag über, das Gesetz soll bestenfalls in diesem Jahr beschlossen werden. Die Regelungen sollen überwiegend im März 2017 in Kraft treten.

Beitrag von Cindy Schimank, LL. M. (Sozialrecht), Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg, und Mirjam Schülle, M. Sc. (Public Health), Universität Kassel

Fußnoten:

[1] Der Referentenentwurf wurde bis zum 31.08.2016 nicht offiziell veröffentlicht, sondern ausschließlich zur Stellungnahme an die Verbände versendet. Eine Zusammenstellung der veröffentlichten Stellungnahmen sowie der Referentenentwurf sind abrufbar unter http://www.reha-recht.de/infothek/beitrag/artikel/stellungnahmen-zum-entwurf-eines-heil-und-hilfsmittelversorgungsgesetzes/. Des Weiteren sind die Stellungnahmen sowie Pressemitteilungen zum Entwurf vereinzelt den Internetauftritten der jeweiligen Verbände zu entnehmen. Vertiefende Verweise auf die Stellungnahmen der Verbände können vorliegend nur erfolgen, soweit diese auch öffentlich abrufbar sind.

[2] Neu ist in der geplanten Regelung des § 64d RefE u. a., dass sich die Modellversuche neben Physiotherapie und Ergotherapie auch auf die Leistungsbereiche Logopädie und Podologie erstrecken sollen.

[3] Stellungnahme des vdek, S. 4 f., abzurufen unter https://www.vdek.com/politik/stellungnahmen.html und des GKV-Spitzenverbandes, S. 12 f., abzurufen unter https://www.gkv-spitzenverband.de/presse/stellungnahmen/stellungnahmen.jsp.

[5] Für den Bereich Physiotherapie wird vorwiegend der Begriff „Sektoraler Heilpraktiker für Physiotherapie“ genutzt.

[6] Abzurufen auf der Website der TK Brandenburg/Berlin unter http://www.ikkbb.de/leistungen/heil-und-hilfsmittel/physiotherapie-modellprojekt.html.

[7] Stellungnahme des SoVD, S. 6, abzurufen unter http://sovd.de/2692.0.html.

[8] Stellungnahme des BED, S. 2 ff., abzurufen unter http://www.bed-ev.de/artikel/artikel.aspx?id=1574.

[9] Stellungnahme des SoVD, S. 3, a. a. O.

[10] Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes, S. 18 f., a. a. O.

[11] Stellungnahme der KBV, S. 7ff., abzurufen unter http://www.kbv.de/html/416.php.

[12] Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes, S. 3 ff. und S. 21 ff, a. a. O.

[13] Stellungnahme der ABDA unter, S. 2 ff., abzurufen unter http://www.abda.de/fileadmin/assets/Stellungnahmen/2016/ABDA-Stellungnahme_HHVG_160711.pdf.

[14] Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes, S. 27, a. a. O.

[15] Ebd.

[16] Ebd., S. 36 ff.

[17] Stellungnahme des BVMed, S. 6, abzurufen unter www.bvmed.de/bvmed-stellungnahme-referentenentwurf-hhvg.

[18] Eurocom steht für European manufactures federation for compression therapy an orthopaedic devices.

[19] SPECTARIS – Deutscher Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien.

[21] Stellungnahme der Lebenshilfe Bundesvereinigung, abzurufen unter https://www.lebenshilfe.de/de/themen-recht/artikel/StellungnahmenBVLH.php.

[22] Stellungnahme des BVMed, S. 6 ff., a. a. O.

[23] Stellungnahme des BVMed, S.16, abzurufen unter https://www.bvmed.de/download/bvmed-stellungnahme-referentenentwurf-hhvg.

[24] Stellungnahme des GKV-Spitzenverband, S. 34 ff., a. a. O.

[25] Stellungnahme der KBV, S. 6, a. a. O.

[26] Stellungnahme der BAG Selbsthilfe, S. 10 f., abzurufen unter http://www.bag-selbsthilfe.de/allgemein.html.

[27] Pressemitteilung des BMG, abzurufen unter http://www.bmg.bund.de/ministerium/meldungen/2016/hhvg-im-kabinett.html.


Stichwörter:

Heilmittel, Hilfsmittel, Heilmittelversorgung, Hilfsmittelversorgung, Hilfsmittelberatung, Hilfsmittelverzeichnis, Qualitätssicherung, Verbraucherschutz, Gesetzesentwurf, Patientenbeteiligung, Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG)


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