04.03.2021 D: Konzepte und Politik Schmidt: Beitrag D8-2021

Mit dem Budget für Arbeit zum inklusiven Arbeitsmarkt? – Teil V: Budget für Arbeit und Anspruch auf technische Arbeitshilfen am Arbeitsplatz

Die Autorin setzt sich in dem fünfteiligen Beitrag zunächst kritisch mit dem Budget für Arbeit (BfA) auseinander und untersucht im Anschluss das Verhältnis des BfA zu anderen Teilhabeleistungen. Das im Jahr 2018 in Kraft getretene BfA (§ 61 SGB IX) richtet sich an Menschen mit Behinderungen und setzt sich aus einem Lohnkostenzuschuss sowie einer Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz zusammen. Der Gesetzgeber verband mit der Verabschiedung des BfA die Erwartung einer Steigerung der Zahl der Übergänge aus der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Hierzu bedarf es nach der Auffassung der Autorin jedoch einer Nachjustierung durch den Gesetzgeber und einer regelmäßigen Kombination des BfA mit weiteren Teilhabeleistungen.

(Zitiervorschlag: Schmidt: Mit dem Budget für Arbeit zum inklusiven Arbeitsmarkt? – Teil V: Budget für Arbeit und Anspruch auf technische Arbeitshilfen am Arbeitsplatz; Beitrag D8-2021 unter www.reha-recht.de; 04.03.2021)

I. Einleitung

In einer Vielzahl an Fällen wird sich bei einem Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt das Problem stellen, dass der Arbeitsplatz nicht behinderungsgerecht ausgestaltet ist. Eine Umgestaltung hin zum behinderungsgerechten Arbeitsplatz ist dann zwingend vorzunehmen, dies kann jedoch mit hohen Kosten verbunden sein. Fraglich ist, inwiefern die Kosten der Umgestaltung von einem Rehabilitationsträger zu tragen sind.

Bezüglich der Umgestaltung eines Arbeitsplatzes ist zunächst zwischen technischen Arbeitshilfen am Arbeitsplatz und Hilfsmitteln zu unterscheiden. Technische Arbeitshilfen sind Vorrichtungen und Geräte, die durch eine behinderungsgerechte Ausgestaltung des Arbeitsplatzes mit Behinderungen einhergehende Nachteile ausgleichen.[1] Sie ermöglichen erst eine Arbeitstätigkeit oder erleichtern die Arbeitsausführung.[2] Beispiele für technische Arbeitshilfen sind individuell angepasste Bürostühle,[3] Hebebühnen und behinderungsgerechte PC-Ausstattungen, wie eine Braille-Tastatur für Menschen mit einer Sehbehinderung.[4] Im Gegensatz dazu stehen Hilfsmittel, welche es ermöglichen, dass eine ganz bestimmte Arbeitstätigkeit ausgeübt werden kann, beispielsweise eine Lagertätigkeit mit Hilfe eines Mehrkanalhörgeräts mit Störschallunterdrückung für Menschen mit einer Hörbehinderung.[5]

II. Anspruchsgrundlage - § 48 Abs. 8 S. 1 Nr. 5 SGB IX

Nach § 49 Abs. 8 S. 1 Nr. 5 SGB IX hat der zuständige Rehabilitationsträger die Kosten der technischen Arbeitshilfen, die wegen Art und Schwere der Behinderung zur Berufsausübung erforderlich sind, zu übernehmen. Mitumfasst ist sowohl die Einweisung in die technische Arbeitshilfe als auch die Reparatur und Ersatzbeschaffung.[6]

Abzugrenzen ist zwischen der Leistung technischer Arbeitshilfen unmittelbar an den Menschen mit Behinderungen (§ 49 Abs. 8 S. 1 Nr. 5 SGB IX) und der Leistung an den Arbeitgeber (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX).[7] Grundsätzlich ist die Leistung an den Arbeitgeber nachrangig.[8] Jedoch kann sich aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten etwas anderes ergeben,[9] beispielsweise weil mehrere Menschen mit Behinderungen im Betrieb des Arbeitgebers auf die technische Arbeitshilfe angewiesen sind.[10] Die technische Arbeitshilfe geht dann in das Eigentum des Arbeitgebers über.[11]

Die Leistungen nach den §§ 49 Abs. 8 S. 1 Nr. 5, 50 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX müssen von den Leistungen nach dem Schwerbehindertenrecht im dritten Teil des SGB IX zusätzlich abgegrenzt werden. Hiernach besteht zum einen nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 SGB IX gegen den Arbeitgeber im Sinne des § 154 Abs. 1 SGB IX ein Anspruch auf die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen. Besteht ein Anspruch auch gegen einen Rehabilitationsträger, tritt der Anspruch gegen den Arbeitgeber jedoch zurück.[12] Lediglich im Rahmen der Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit ist gemäß § 46 Abs. 2 SGB III die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 SGB IX gegenüber einer Leistung an den Arbeitgeber durch die Bundesagentur für Arbeit vorrangig. Zum anderen hat das Integrationsamt als begleitende Hilfe im Arbeitsleben gemäß § 185 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 3 Nr. 1 a), Nr. 2 a) SGB IX sowohl an den schwerbehinderten Menschen als auch an den Arbeitgeber Leistungen für technische Arbeitshilfen zu erbringen. Grundsätzlich bleiben die Leistungen nach §§ 49 f. SGB IX und die Leistungen des Arbeitgebers von den Leistungen des Integrationsamts unberührt (§ 184 Abs. 2 SGB IX). Die Leistungen des Integrationsamts können jedoch nach § 185 Abs. 3 SGB IX die Leistungen der Rehabilitationsträger ergänzen. Somit verbleibt für die Zuständigkeit des Integrationsamtes nur ein enger Bereich,[13] beispielsweise wenn die Leistung über den Zweck der Rehabilitationsleistung nach § 49 Abs. 1 SGB IX, auf die Erwerbsfähigkeit einzuwirken, hinausgeht.[14]

III. Zuständigkeit

Hinsichtlich der Zuständigkeit der Träger der Rentenversicherung für technische Arbeitshilfen gemäß § 16 SGB VI i. V. m. § 49 Abs. 8 S. 1 Nr. 5 SGB IX ergeben sich keine Abweichungen zu der im vorherigen Beitragsteil dargestellten Zuständigkeit für Fahrtkosten, sodass die Träger der Rentenversicherung im Besonderen für ältere Budgetnehmer zuständig sind.

Sind die Träger der Rentenversicherung nicht zuständig, kommt wiederum eine Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit nach §§ 112, 117 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III i. V. m. § 49 Abs. 8 S. 1 Nr. 5 SGB IX in Betracht. Hiernach sind besondere Leistungen zu erbringen, wenn die allgemeinen Leistungen nicht die zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Leistungen abdecken.[15] Dabei verweist § 117 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III insbesondere auf die sonstigen Hilfen im Sinne des § 49 Abs. 3, 8 SGB IX,[16] somit auch auf die technischen Arbeitshilfen. Die Aufzählung der besonderen Leistungen in § 118 S. 1 SGB III ist also, entgegen dem Wortlaut, keine abschließende Aufzählung.[17] Auch bei besonderen Leistungen muss die Leistung wegen der Art und Schwere der Behinderung, zur Einwirkung auf die Erwerbsfähigkeit und zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben, erforderlich sein (§§ 112 Abs. 1, 117 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Beispielsweise kann aufgrund einer körperlichen Behinderung in Form einer Krümmung der Wirbelsäule, eines Beckenschiefstands und eines Zustands nach traumatischer Lendenwirbelsäulen-Fraktur ein individuell ergonomisch angepasster Bürostuhl erforderlich sein, um prophylaktisch einem Fortschreiten der körperlichen Behinderung und einem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entgegenzuwirken.[18]

Die Träger der Eingliederungshilfe sind nach § 111 Abs. 2 SGB IX im Rahmen der Leistung eines Budgets für Arbeit (BfA) auch für die Leistung von Hilfsmitteln und Gegenständen zuständig. Der Begriff des Gegenstandes ist gesetzlich nicht definiert,[19] schließt dem Wortlaut nach aber technische Arbeitshilfen nicht aus. Somit kommt für technische Arbeitshilfen auch eine nachrangige Zuständigkeit der Träger der Eingliederungshilfe in Betracht. Gemäß § 111 Abs. 2 SGB IX muss der Gegenstand wegen der Behinderungen zur Aufnahme oder Fortsetzung der Beschäftigung erforderlich sein.

V. Fazit

Der Inanspruchnahme eines BfA sollte nicht im Wege stehen, dass der in Rede stehende Arbeitsplatz mangels technischer Arbeitshilfen nicht behinderungsgerecht ausgestaltet ist. Aus dem Gesetz ergibt sich ausreichend Spielraum zur Gewährung der erforderlichen technischen Arbeitsmittel. Im Einzelnen sollte beobachtet werden, inwiefern sich die Rehabilitationsträger bei der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) neben dem BfA zurückhaltend zeigen. Ist zu verzeichnen, dass Verweigerungen weiterer LTA der Inanspruchnahme des BfA im Wege stehen, sollten weitere LTA, wie beispielsweise technische Arbeitshilfen und Fahrtkosten, in das BfA aufgenommen werden.

Beitrag von Antonia Schmidt, M. mel., Rechtsreferendarin am OLG Dresden

Fußnoten

[1] LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. März 2016, 6 R 504/14, juris, Rn. 28.

[2] Busch in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol (Hrsg.), SGB IX, 4. Aufl., Kommentierung zu § 49 SGB IX, Rn. 73.

[3] LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28. April 2016, 8 SO 24/14, juris, Rn. 57.

[4] Faber/Rabe-Rosendahl in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol (Hrsg.), SGB IX, 4. Aufl., Kommentierung zu § 164 SGB IX, Rn. 52.

[5] Busch in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol (Hrsg.), SGB IX, 4. Aufl., Kommentierung zu § 49 SGB IX, Rn. 72 f.

[6] Luik in: Kreitner/Luthe (Hrsg.), juris PraxisKommentar SGB IX, 3. Aufl., Kommentierung zu § 49 SGB IX, Rn. 263.

[7] Bei einer Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit ist eine Leistung des Arbeitgebers nach dem dritten Teil des SGB IX vorrangig (§ 113 Abs. 1 Nr. 1, 115 Nr. 1, 46 Abs. 2 SGB IX).

[8] Busch in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol (Hrsg.), SGB IX, 4. Aufl., Kommentierung zu § 50 SGB IX, Rn. 38.

[9] Busch in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol (Hrsg.), SGB IX, 4. Aufl., Kommentierung zu § 50 SGB IX, Rn. 38.

[10] Herbst in: Schubert (Hrsg.), juris PraxisKommentar SGB III, 2. Aufl., Kommentierung zu § 46 SGB III Rn. 95.

[11] Wendt in: Großmann/Schimanski, Gemeinschaftskommentar zum SGB IX, 96. EL, Kommentierung zu § 50 SGB IX, Rn. 57.

[12] BSG, Urteil vom 22. September 1981, 1 RA 11/80, SozR 2200 § 1237a Nr. 18, Rn. 27.

[13] Simon in: Kreitner/Luthe (Hrsg.), juris PraxisKommentar SGB IX, 3. Aufl., Kommentierung zu § 185 SGB IX, Rn. 39.

[14] Simon in: Kreitner/Luthe (Hrsg.), juris PraxisKommentar SGB IX, 3. Aufl., Kommentierung zu § 185 SGB IX, Rn. 39; Dau/Beyer in: Dau/Düwell/Joussen (Hrsg.), Lehr- und Praxiskommentar Sozialgesetzbuch IX, 5. Auflage, Kommentierung zu § 185 SGB IX, Rn. 25.

[15] Zum Nachrang der besonderen Leistungen siehe auch § 113 Abs. 2 SGB III.

[16] BSG, Urteil vom 04. Juni 2013, B 11 AL 8/12 R, SozR 4-3250 § 33 Nr. 6, Rn. 19.

[17] BSG, Urteil vom 04. Juni 2013, B 11 AL 8/12 R, SozR 4-3250 § 33 Nr. 6, Rn. 19.

[18] Vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28. April 2016, 8 SO 24/14, juris, Rn. 57.

[19] Luthe in: Kreitner/Luthe (Hrsg.), juris PraxisKommentar SGB IX, 3. Aufl., Kommentierung zu § 112 SGB IX, Rn. 81.


Stichwörter:

Budget für Arbeit, Alternativen zur WfbM, behinderungsgerechte Ausstattung, Behinderungsgerechter Arbeitsplatz, Erwerbsminderung, Eingliederungshilfe, Zuständigkeit, Hilfsmittelversorgung, Leistungen an Arbeitgeber


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