21.12.2021 E: Recht der Dienste und Einrichtungen Beyerlein: Beitrag E10-2021

Bezüge zum Gesamtplan nach § 121 SGB IX in Landesrahmenverträgen der Eingliederungshilfe – Untersuchung der vertraglichen Ausgestaltung der Steuerungsfunktion des Gesamtplans und der Konkretisierung der Verpflichtung, Leistungen unter Beachtung des Gesamtplans zu erbringen, Teil II

Der Autor Michael Beyerlein beschäftigt sich in diesem Beitrag mit der Frage, welchen Niederschlag die Verpflichtung von sozialen Dienstleistungsunternehmen der Eingliederungshilfe, Leistungen unter Beachtung des Gesamtplans nach § 121 SGB IX zu erbringen, in Landesrahmenverträgen nach § 131 SGB IX findet. Er untersucht, wie die Steuerungsfunktion des Gesamtplans vertraglich konkretisiert wurde und welche weiteren Bezüge zu dem Instrument hergestellt wurden. Dazu wurden 14 Landesrahmenverträge nach § 131 SGB IX betrachtet und typisierend ausgewertet.

Teil II analysiert Regelungen, die den Gesamtplan z. B. zur Vergütungs- und Personalkalkulation oder zur Leistungstrennung heranziehen. Der Beitrag schließt mit einem Fazit.

(Zitiervorschlag: Beyerlein: Bezüge zum Gesamtplan nach § 121 SGB IX in Landesrahmenverträgen der Eingliederungshilfe – Untersuchung der vertraglichen Ausgestaltung der Steuerungsfunktion des Gesamtplans und der Konkretisierung der Verpflichtung, Leistungen unter Beachtung des Gesamtplans zu erbringen, Teil II; Beitrag E10-2021 unter www.reha-recht.de; 21.12.2021.)

I. Einleitung

Nachdem im ersten Teil dieses Beitrags ein Überblick zu Bezügen zum Gesamtplan nach § 121 SGB IX in Landesrahmenverträgen nach § 131 SGB IX gegeben wurde und entsprechende programmatische und qualitätsbezogene Regelungen vorgestellt wurden, werden im vorliegenden zweiten Teil weitere Regelungen mit Bezug zum Gesamtplan vorgestellt. Das sind u. a. Regelungen zum Leistungsumfang, zur Kalkulation der Vergütung und des Personals und zur Trennung verschiedener Leistungsarten. Abschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst und ein Fazit gezogen.

2. Bemessung des konkreten Leistungsumfangs anhand des Gesamtplans

Eine weitere Funktion, die die Vertragsparteien in sieben Bundesländern dem Gesamtplan zuweisen, ist die Bemessung des Leistungsumfangs. Der im Gesamtplanverfahren festgestellte Bedarf muss – auch wenn er im Bedarfsermittlungsinstrument bereits detailliert z. B. in Minuten für Teilhabeleistungen dargestellt wurde – damit er gedeckt werden kann, noch durch das „Nadelöhr“ der vertraglichen Vereinbarungen. Das Vertragsrecht ermöglicht also erst die Realisierung der leistungsrechtlichen Ansprüche, die Berechtigte gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe haben.[1] Die Bedarfsdeckung ist zudem durch das vorgehaltene Leistungsangebot begrenzt.

Die untersuchten Verträge verwenden einerseits Systeme mit modularisierten Leistungen, bei denen das Leistungsgeschehen in verschiedene, unterschiedlich zusammensetzbare Komponenten aufgeteilt ist, und andererseits Gruppen vergleichbaren Bedarfs in unterschiedlichen Ausprägungen. Diese Verfahren dienen der Vergütungsfindung, sie können aber durch ihre Gestaltung auch Leistungsansprüche beschränken, indem zum Beispiel besonders hohe Bedarfe nicht von pauschalierten Systemen erfasst werden. Eine Bedarfsdeckung kann in solchen Fällen nur über interne Umschichtung, die Einbindung von Freiwilligen oder Neuverhandlungen erreicht werden.[2]

In den Verträgen zeigt sich, dass die Inhalte des Gesamtplans je nach gewählter Leistungsstruktur genutzt werden, um Leistungsberechtigte pauschalierten Bedarfskategorien zuzuweisen oder die ihnen zustehenden Leistungen in Zeiteinheiten zu bemessen. Diese Konkretisierung erfolgt je nach gewähltem Modell mehr oder weniger pauschalierend. Der LRV BB (§ 5 Abs. 3) sieht auf Grundlage des Gesamtplans eine Zuordnung zu Leistungstypen und ggf. Ziel- und Bedarfsgruppen vor, der LRV MV im Falle einer Vergütung über Fachleistungsstunden[3] eine Quantifizierung in Stunden (§ 6 Abs. 3). Ein ähnliches System wird auch in Thüringen genutzt.[4] In jedem Fall dient der Gesamtplan dazu, den Leistungsumfang, den Leistungsberechtigte tatsächlich erhalten, zu quantifizieren. Dementsprechend erfolgt in den Verträgen eine nicht unwesentliche Konkretisierung der Leistungen.[5]

III. Gesamtplan als Teil der Vergütungskalkulation

Analog zur Bemessung des Leistungsumfangs wird der Gesamtplan in einigen Vertragswerken auch zur Berechnung der Vergütung herangezogen. Bundesgesetzlich ist in § 125 Abs. 3 S. 3 SGB IX vorgeschrieben, dass Leistungspauschalen nach Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Bedarf oder Stundensätzen sowie für die gemeinsame Inanspruchnahme durch mehrere Leistungsberechtigte zu kalkulieren sind. Das führt dazu, dass in den Landesrahmenverträgen Instrumente zur Vergütungskalkulation vereinbart wurden, die, wie zuvor beschrieben, mehr oder weniger stark auf den im Gesamtplan festgestellten Bedarf der Leistungsberechtigten Bezug nehmen. Formulierungen, die direkt auf den Gesamtplan Bezug nehmen, finden sich in den Vertragswerken von Thüringen, dem Saarland und Sachsen. Der LRV TH formuliert in § 10 Abs. 1:

„Die Vergütung wird auf der Grundlage von 365 Tagen kalkuliert. Es werden monatlich gleichbleibende Durchschnittswerte für den individuellen Planungszeitraum je nach Gesamtplan gerundet auf zwei Nachkommastellen vergütet. Die monatliche Abrechnung erfolgt auf Grundlage eines monatlichen Durchschnittswertes […].“

Die LRV Sachsen und Saarland nehmen in den Regelungen zur Vergütung eher abstrakt mit ähnlichen Regelungen auf den Gesamtplan Bezug. Vgl. Punkt 3.1 LRV SN:

„Die Vergütung muss leistungsgerecht sein und es dem Leistungserbringer ermöglichen, bei wirtschaftlicher Betriebsführung die in der Leistungsvereinbarung festgelegten Leistungen unter Berücksichtigung der Vorgaben aus den Gesamt- und Teilhabeplänen der Leistungsberechtigten zu erbringen und die ihm dadurch entstehenden Aufwendungen einschließlich einer angemessenen Berücksichtigung von Risiko und Wagnis zu decken.“

IV. Gesamtplan als Instrument zur Personalkalkulation

Zwei der untersuchten Verträge stellen Bezüge zum Gesamtplan auch bei den Verfahren zur Personalkalkulation der Leistungserbringer her. So z. B. die Regelung in Punkt 2.2 Abs. 1 LRV NRW:

„Der Umfang der personellen Ausstattung von Einrichtungen und Diensten ergibt sich in den einzelnen Leistungsbereichen aus dem Besonderen Teil durch eine oder auch additiv mehrere der folgenden Varianten:

  1. Im Rahmen der Teilhabe- bzw. Gesamtplanung als Bedarf festgestellte und im Anschluss bewilligte Zeitumfänge von Leistungen,
  2. festgelegte Personalschlüssel im Verhältnis Vollzeitkraft/Anzahl der Leistungsberechtigten,
  3. kontextbezogen in den Leistungsvereinbarungen definierte und vereinbarte Personalmengen,
  4. sowie per Aufschlagskalkulation bestimmte Pauschalen für Personal (z. B. für Leitung und Verwaltung).“

Indirekte Bezüge finden sich weiterhin in Punkt 2.5 LRV SN: „Zahl, Funktion und Qualifikation der Mitarbeitenden leiten sich vom Bedarf der Leistungsberechtigten und von den vereinbarten Leistungen ab.“ und § 7 Abs. 2 LRV TH: „Die vom Leistungserbringer bereitzustellende personelle Ausstattung und die Qualifikation des Personals richten sich nach dem Hilfebedarf der Leistungsberechtigten […].“

V. Gesamtplan als Instrument zur Leistungstrennung

Eine weitere Funktion des Gesamtplans, auf die in den Vertragswerken Bezug genommen wird, ist die der Leistungstrennung.[6] Mit der Neuausrichtung der Eingliederungshilfe orientiert sich die Leistung nicht mehr an der Wohnform, sondern soll unter ganzheitlicher Perspektive am notwendigen individuellen Bedarf ausgerichtet sein. Die Leistungen zum Lebensunterhalt einschließlich Wohnen sollen entsprechend nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII bzw. nach dem SGB II erbracht werden.[7] § 121 Abs. 4 Nr. 6 SGB IX, wonach der Gesamtplan das Ergebnis über die Beratung des Anteils des Regelsatzes nach § 27a Absatz 3 SGB XII, der den Leistungsberechtigten als Barmittel verbleibt, enthält, war ursprünglich nicht im Gesetzentwurf vorgesehen und wurde durch den zuständigen Bundestagsausschuss eingefügt. Damit sollte einerseits Transparenz, andererseits ein Schutz der Leistungsberechtigten erreicht werden.[8]

Mit Bezug auf den Gesamtplan wurden in den untersuchten Verträgen Regelungen zur Trennung von Fach- und Existenzsichernden Leistungen, andererseits aber auch auf die Trennung von EGH- und Pflegeleistungen getroffen. § 12 LRV MV formuliert zum Beispiel:

„Notwendige Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 27a SGB XII (u. a. Unterkunft und Verpflegung) sind von Fachleistungen der Eingliederungshilfe, u. a. von Assistenzleistungen nach § 113 Absatz 2 Nummer 2 SGB IX, zu trennen. Fachleistungen der Eingliederungshilfe können auch befähigende bzw. ersetzende Leistungen bei Unterkunft und Verpflegung entsprechend der [sic] Feststellungen im Gesamtplan sein.“

Die im Gesamtplan vorgenommene Leistungstrennung wird so auch Teil der Leistungsvereinbarung (§ 3 Abs. 6 Nr. 8 LRV ST) oder der Vergütungsvereinbarung (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 LRV SL). Im Einzelfall kann so auch geregelt werden, ob Reinigungsleistungen der Eingliederungshilfe oder Sozialhilfe zuzuordnen sind (§ 9 Abs. 4 LRV BB). Der Ansatz, die Leistungstrennung an die Feststellungen aus dem Gesamtplan zu koppeln, ist zu begrüßen. Das in einzelnen Übergangsvereinbarungen zu beobachtende Regelungsmuster, alte Vergütungsmechanismen leicht an das neue Recht anzupassen, kann zu rechtlich problematischen Benachteiligungen der Leistungsberechtigten führen.[9]

Die Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe und Pflege ist in § 43a SGB XI geregelt. Demnach übernimmt die Pflegekasse Aufwendungen für pflegebedürftige Personen, die in einer besonderen Wohnform[10] der Eingliederungshilfe leben, bis zu einer maximalen Höhe von 266,- € im Monat. Die Regelung wird als verfassungs- und völkerrechtlich problematisch betrachtet.[11]

Eine diese Regelung konkretisierende Abgrenzung von EGH- und Pflegeleistungen nimmt der LRV SH vor. § 3 Abs. 6 LRV SH bezieht sich folgendermaßen auf den Gesamtplan:

„In der Gesamtplanung und bei der Leistungserbringung ist zu vermeiden, dass einheitliche Lebenszusammenhänge unsachgemäß getrennt behandelt und Bedarfe der oder des Leistungsberechtigten nicht gedeckt werden. Die Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe- und Pflegeversicherungsleistungen bzw. Leistungen der Hilfe zur Pflege ergibt sich aus den individuellen Zielen der oder des Leistungsberechtigten. Außerhalb von Einrichtungen und Räumlichkeiten sind Pflegeleistungen nach dem SGB XI zu erbringen, soweit ein unmittelbarer Zusammenhang mit den Teilhabezielen der Gesamtplanung nicht besteht oder Tätigkeiten durch die Beeinträchtigungen des Körpers oder des Gesundheitszustandes ausgeglichen werden sollen. Leistungen der Eingliederungshilfe sind zu erbringen, wenn sie zur Erreichung der im Gesamtplan vereinbarten Teilhabeziele und dazu pädagogische Fachkenntnisse und Qualifikationen für Anleitung und Befähigung zur eigenständigen Alltagsbewältigung und zur selbständigen Lebensführung erforderlich sind.“

VI. Gesamtplan als Konkretisierung und Begrenzung des Wunsch- und Wahlrechts

§ 8 Abs. 1 SGB IX schreibt vor, dass bei der Entscheidung über die Leistungen und bei der Ausführung der Leistungen zur Teilhabe berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen wird. Damit folgt die Regelung dem Grundsatz der individuellen Leistungskonkretisierung und soll der Tendenz von Leistungsträgern und Leistungserbringern zur Standardisierung entgegenstehen.[12] Sie wird durch § 104 SGB IX präzisiert. Die Regelungen zum Wunsch- und Wahlrecht gehen davon aus, dass die Berücksichtigung berechtigter Wünsche den Erfolg der Rehabilitationsmaßnahmen beeinflussen und die Wirksamkeit der Leistungen fördern kann.[13] Wenn es um die Konkretisierung der Leistung nicht nur durch Gesamtplan, sondern auch durch vertragliche Regelungen geht, erscheint insbesondere die Formulierung in § 8 Abs. 3 SGB IX „Leistungen, Dienste und Einrichtungen lassen den Leistungsberechtigten möglichst viel Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände und fördern ihre Selbstbestimmung“ von Bedeutung. Hier gibt der Gesamtplan, in dessen Erstellung die Leistungsberechtigten einbezogen wurden (§ 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX), wertvolle Hinweise.

In der Praxis stellen die Verträge von Bremen und Mecklenburg-Vorpommern einen Zusammenhang von Gesamtplan und Wunsch- und Wahlrecht her. In Bremen (§ 2 Abs. 2) wird der Gesamtplan als Konkretisierung des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten dargestellt:

„Ausreichend sind die Leistungen dann, wenn der eingliederungshilferechtlich anzuerkennende Bedarf der Leistungsberechtigten vollständig gedeckt werden kann und Wünsche und Ziele des Leistungsberechtigten, entsprechend den Vorgaben des Gesamtplans / Teilhabeplanverfahrens, berücksichtigt werden.“

Der LRV Mecklenburg-Vorpommern sieht in den Feststellungen aus dem Gesamtplan eher eine Begrenzung des Wunsch- und Wahlrechts (§ 3 Nr. 2 LRV MV):

„Die vom Leistungserbringer zu erbringenden Leistungen ergeben sich aus dem Umfang des Auftrages der leistungsberechtigten Person, begrenzt durch die Feststellungen nach dem Gesamtplan.“

VII. Gesamtplan als permanentes Steuerungsinstrument

Der Gesamtplan dient der Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses. Entsprechend logisch erscheint es, dass geänderte Bedarfe im Leistungsprozess erkannt werden müssen, um Ziele und Maßnahmen ggf. neu auszurichten. Die Rehabilitationsträger haben dazu in der Gemeinsamen Empfehlung Reha-Prozess[14] vereinbart, dass der für die Teilhabeplanung verantwortliche Rehabilitationsträger im Rahmen seiner gesetzlichen Pflicht (§ 19 Abs. 1-3 SGB IX) die Umsetzung der im Teilhabeplan vorgesehenen Leistungen beobachtet und darauf hinwirkt, dass sie koordiniert und verzahnt erbracht werden und auch auf veränderte Umstände hin überprüft werden.[15]

Dafür treffen die Verträge von Rheinland-Pfalz und dem Saarland Regelungen, die auf den Gesamtplan Bezug nehmen. Vgl. die Regelung im LRV RP (§ 4 Abs. 3):

„In der Leistungsvereinbarung wird geregelt, wie mit geänderten Teilhabebedarfen umgegangen werden kann und unter welchen Bedingungen eine weitere Leistungserbringung nicht mehr möglich ist. Stellt der Leistungserbringer fest, dass der Bedarf des Leistungsberechtigten mit den vereinbarten Leistungen nicht im Einklang steht, zeigt er dies dem Träger der Eingliederungshilfe an. Dieser nimmt daraufhin das Gesamtplanverfahren beziehungsweise Teilhabeplanverfahren wieder auf. Hierbei ist der Leistungserbringer mit Zustimmung des Leistungsberechtigten zu beteiligen. Das Kündigungsrecht gegenüber dem Leistungsberechtigten bleibt hiervon unberührt.“

Eine ähnliche Regelung gibt es in § 7 Abs. 5 LRV BW. Hier wird ergänzend geregelt, dass die Parteien spätestens drei Wochen nach erfolgter Mitteilung über veränderte und nicht gedeckte Bedarfe unter Beteiligung der leistungsberechtigten Person eine Einzelvereinbarung schließen, die bis zur abschließenden Klärung der künftigen Bedarfsdeckung gilt.

VIII. Gesamtplan als Indikator bei Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen

§ 128 SGB IX sieht vor, dass der Träger der Eingliederungshilfe die Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der vereinbarten Leistungen des Leistungserbringers prüfen kann, soweit tatsächliche Anhaltspunkte[16] dafür bestehen, dass ein Leistungserbringer seine vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten nicht erfüllt. Die Erfüllung individueller Teilhabeziele wird in den vorhandenen Landesrahmenverträgen mehr oder weniger stark mit der Wirtschaftlichkeit der Leistung in Zusammenhang gebracht.[17] Ein direkter, wörtlicher Bezug auf den Gesamtplan fand sich nur in einem der untersuchten Verträge. Punkt 5.1 LRV SN formuliert:

„Ziel der Prüfung ist die Klärung, ob die Leistungen nach dem vereinbarten Inhalt und Umfang sowie in der vereinbarten Qualität und Wirksamkeit und unter Berücksichtigung des Maßstabes der Wirtschaftlichkeit erbracht worden sind.

Der Träger der Eingliederungshilfe gibt dem Leistungserbringer vor Beginn der Prüfung den Anlass, den Gegenstand und den Umfang der Prüfung bekannt. Grundlage der Prüfungen sind die mit dem Leistungserbringer geschlossenen Vereinbarungen nach § 125 SGB IX und gegebenenfalls die im Gesamtplan der Leistungsberechtigten getroffenen Qualitäts- und Wirksamkeitsmaßstäbe.“

Die im Gesamtplan festgehaltenen Maßstäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle einschließlich des Überprüfungszeitpunkts werden sich in der Regel auf individuelle Teilhabeziele beziehen. Eine aggregierte Zusammenschau der Erfüllung dieser Ziele dürfte dennoch Rückschlüsse auf die Wirtschaftlichkeit, Qualität und Wirksamkeit der Einrichtung zulassen.[18] Ein derartiges Verfahren ist in NRW vereinbart. Um Aussagen zur allgemeinen Wirksamkeit von Maßnahmen treffen zu können, müssen jedoch noch Forschungsanstrengungen unternommen werden.[19]

IX. Fazit

Der vorliegende Beitrag hatte das Ziel zu untersuchen, ob und wie in Landesrahmenverträgen nach § 131 SGB IX auf den Gesamtplan nach § 121 SGB IX Bezug genommen wird. Weiterhin wurde untersucht, wie die Vertragsparteien den gesetzlichen Auftrag, Leistungen unter Beachtung des Gesamtplans zu erbringen, konkretisieren und wie die Steuerungsfunktion des Gesamtplans im Rechtsverhältnis zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer weiter ausgestaltet ist.

Dazu lässt sich festhalten, dass eine abstrakte Bezugnahme auf den Gesamtplan in mehreren der untersuchten Verträge zu finden ist. Acht Vertragswerke bezeichnen den Gesamtplan in unterschiedlichen Regelungen als eine Grundlage der individuellen Leistungen. Programmatische Aussagen, die die grundsätzliche Bedeutung des Gesamtplans für das Leistungsgeschehen unterstreichen, finden sich in fünf Verträgen in der Präambel oder den ersten Paragrafen. Daran zeigt sich, dass die grundsätzliche, steuernde Funktion des Gesamtplanverfahrens und seine Bedeutung für das personenzentrierte Leistungssystem erkannt wurde. Eine bedarfsorientierte Reform scheint von den Vertragsparteien gewollt zu sein.

Die Steuerungsfunktion, die dem Gesamtplan gesetzlich zugeschrieben wird, soll auf vertraglicher Ebene durch die Regelung in § 123 Abs. 4 SGB IX sichergestellt werden. Demnach sind Leistungserbringer im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes verpflichtet, Leistungsberechtigte aufzunehmen und Leistungen der Eingliederungshilfe unter Beachtung der Inhalte des Gesamtplanes nach § 121 zu erbringen. In sechs Verträgen fanden sich teilweise wortgleiche Übernahmen des Gesetzestextes. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzestext von den Vertragsparteien in die Vertragswerke aufgenommen wurde, um die zentrale Stellung des Gesamtplans in der reformierten Eingliederungshilfe zu unterstreichen und zu verdeutlichen, dass die Beachtung der Inhalte des Gesamtplans der Verwirklichung der Vertragsziele dient und neben der Aufnahme von Leistungsberechtigten als eine vertragliche Hauptleistungspflicht gesehen wird.

Eine Steuerung des Leistungsgeschehens erfolgt in sechs Verträgen auch, indem der Gesamtplan zur Trennung von Fach- und existenzsichernden Leistungen oder zur Abgrenzung von EGH- und Pflegeleistungen herangezogen wird. Eine weitere Möglichkeit, den Gesamtplan zur Leistungssteuerung zu nutzen ist, ihn als Zielvorgabe für Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen heranzuziehen. Das wurde in einem Vertrag so vereinbart. Verfahren und Standards für wirkungsorientierte Leistungserbringung und deren Überprüfung werden derzeit jedoch noch diskutiert. Hier wird allgemein Forschungsbedarf gesehen.

Eine für die Praxis sehr relevante Steuerungsfunktion ist die Verpflichtung der Leistungserbringer, veränderte Bedarfe mitzuteilen, um den Gesamtplan daran anpassen zu können. Das zeigt sich in mehreren Verträgen in den Qualitätsvorgaben, in drei Verträgen, aber auch in Regelungen, die eine entsprechende Verpflichtung allgemein in der Leistungsvereinbarung verorten.

Eine Konkretisierung der Vorgabe, Leistungen unter Beachtung des Gesamtplans zu erbringen, wurde vor allem in den Qualitätsvorgaben vereinbart. Hier finden sich einerseits Regelungen darüber, wie die beteiligten Akteure so zusammenarbeiten, dass das Gesamtplanverfahren wie vorgesehen abläuft. Das wird über die Vereinbarungen zur Zusammenarbeit zwischen Leistungsberechtigten, dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer erreicht. Teilweise werden explizit Informationspflichten über Besonderheiten im Leistungsverlauf vereinbart. Auch wurde im Rahmen von Qualitätsvorgaben vereinbart, dass Fristen und Verfahrensabläufe des Gesamtplanverfahrens einzuhalten sind. Andererseits finden sich eher allgemein gehaltene Qualitätsvorgaben, die betonen, dass die Leistungserbringung ziel- und bedarfsorientiert zu erfolgen hat. Noch stärker sind Bezüge zum Gesamtplan in den vereinbarten Regelungen zur Ergebnisqualität hergestellt worden. Die Erreichung der im Gesamtplan festgelegten Ziele wird in sieben Verträgen als Merkmal oder Indikator von Ergebnisqualität herangezogen.

Eine Voraussetzung dafür, dass Leistungen unter Beachtung des Gesamtplans erbracht werden können, ist, dass mit der Vergütung und Personalausstattung der Leistungserbringer der in den Gesamtplänen festgestellte Bedarf auch gedeckt werden kann. Hierzu wurden in drei Verträgen Beziehungen zwischen der Vergütungsvereinbarung und dem Gesamtplan hergestellt. Dabei wurde abstrakt geregelt, dass Vergütungen leistungsgerecht sein müssen und es Leistungserbringern bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, Aufwendungen zu finanzieren und die Leistungsvereinbarung sowie die Vorgaben aus den Gesamtplänen der Leistungsberechtigten zu erfüllen. Das wird von Regelungen konkretisiert, die einerseits durch die Definition von Gruppen vergleichbaren Bedarfs oder modularisierte Leistungssystemen eine Kalkulationsgrundlage schaffen, so aber andererseits auch den Leistungsumfang festlegen, den die Berechtigten letztendlich bekommen. Zwei der untersuchten Verträge stellen Bezüge zum Gesamtplan zudem bei den Verfahren zur Personalkalkulation der Leistungserbringer her.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Blick in die Landesrahmenverträge Eindrücke gibt, wie die an den Verträgen beteiligten Akteure das Gesamtplanverfahren sehen und welche Funktionen sie dem Gesamtplan zuschreiben. Die von Bundesregierung und Gesetzgeber gesehene zentrale Funktion des Gesamtplanverfahrens im Leistungsgeschehen kommt darin an einigen Stellen zum Ausdruck.

Literaturverzeichnis

Amann, Isabelle/Theben, Martin, Wunsch- und Wahlrecht, in: Deinert/Welti (Hrsg.), Stichwortkommentar Behindertenrecht, Arbeits- und Sozialrecht, Öffentliches Recht, Zivilrecht: alphabetische Gesamtdarstellung, 2. Auflage, StichwortKommentar, Baden-Baden, Marburg 2018 (zitiert: Amann/Theben, in: Deinert/Welti (Hrsg.)).

Beyerlein, Michael, Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den Bundesländern, Teil IV: Qualität, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der Leistungen; Beitrag A7-2020 unter www.reha-recht.de; 09.04.2020.

Beyerlein, Michael, Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den Bundesländern, Teil III: Leistungspauschalen und Gesamtplan; Beitrag A6-2020 unter www.reha-recht.de; 06.04.2020.

Beyerlein, Michael, Kurzgutachten zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den Bundesländern, Analyse von Regelungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Landesrahmenverträgen nach § 131 SGB IX im Auftrag des Landesbehindertenbeauftragten Bremen, Bremen 2021, https://www.behindertenbeauftragter.bremen.de/themen/bundesteilhabegesetz-11035, zuletzt abgerufen am 20.12.2021.

Böcker, Michael/Weber, Michael, Wie lässt sich die Wirksamkeit von Eingliederungshilfe messen?, Soziale Arbeit kontrovers, Freiburg 2021.

Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und Eingliederungshilfe (Hrsg.), Orientierungshilfe zur Durchführung von Prüfungen der Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit nach § 128 SGB IX 2021, https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/w/files/links-und-materialien/soziale-teilhabe/orientierungshilfe-pruefungen-c-128-sgb-ix-stand-januar-2021-final.pdf, zuletzt abgerufen am 20.12.2021.

Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Gemeinsame Empfehlung Reha-Prozess, Frankfurt am Main 2019, https://www.bar-frankfurt.de/fileadmin/dateiliste/_publikationen/reha_vereinbarungen/pdfs/GEReha-Prozess.BF01.pdf, zuletzt abgerufen am 20.12.2021.

Deutsche Vereinigung für Rehabilitation (Hrsg.), Stellungnahme der DVfR zur Bedeutung der Begriffe Wirkung und Wirksamkeit im Recht der Eingliederungshilfe, Heidelberg 2019, https://www.dvfr.de/fileadmin/user_upload/DVfR/Downloads/Stellungnahmen/DVfR_Stellungnahme_BTHG_Wirkung_u_Wirksamkeit_bf.pdf , zuletzt abgerufen am 20.12.2021.

Rolfs/Giesen/Kreikebohm et al., BeckOK Sozialrecht (zitiert: Bearbeiter, in Rolfs/Giesen/Kreikebohm et al.).

Rosenow, Roland, Rechtsgrundlose Zahlungen der Leistungsberechtigten in Einrichtungen der Eingliederungshilfe an die Leistungserbringer, Beitrag A28-2021 unter www.reha-recht.de; 22.09.2021.

Welti, Felix, Sonderregelung für pflegebedürftige behinderte Menschen in Behinderteneinrichtungen § 43a SGB XI verstößt gegen Grundgesetz und UN-BRK, Beitrag D36-2016 unter www.reha-recht.de; 27.09.2016.

Welti, Felix./Fuchs, Harry, Leistungserbringungsrecht der Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB IX, Die Rehabilitation 2007, S. 111–115.

Beitrag von Michael Beyerlein, LL.M., Universität Kassel

Fußnoten

[1] Banafsche, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Meßling/Udsching, § 123 SGB IX, Rn. 1.

[2] Vgl. dazu Beyerlein, Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht (reha-recht.de) 2020b.

[3] Es sind nach § 6 Abs. 2 LRV MV auch andere Vergütungsformen möglich, Assistenzleistungen, Leistung zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten und Leistungen zur Förderung der Verständigung im Sinne des § 82 Satz 2 1. Alternative SGB IX werden aber in der Regel als Fachleistungsstunden kalkuliert (§ 15 Abs. 2 LRV MV).

[4] Zur Typisierung der in den Verträgen gefundenen Modelle siehe Beyerlein 2021, Kurzgutachten zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den Bundesländern, S. 36 ff.

[5] Zur Konkretisierung von Reha-Leistungen durch Leistungserbringungsrecht siehe Welti/Fuchs, Die Rehabilitation 2007.

[6] Dazu kritisch Rosenow, Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht (reha-recht.de) 2021.

[7] Bundestags-Drucksache 18/9522, S. 4.

[8] Bundestags-Drucksache 18/10523, S. 64.

[9] Vgl. Rosenow, Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht (reha-recht.de) 2021.

[10] Das SGB XI verwendet hier den Begriff stationär, wohingegen es die Intention des BTHG war, von der Institutionszentrierung abzurücken, weswegen im SGB IX die Rede von besonderen Wohnformen ist.

[11] Vgl. dazu Welti, Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht (reha-recht.de) 2016.

[12] Amann/Theben, in: Deinert/Welti (Hrsg.), Stichwortkommentar Behindertenrecht, Rn. 1.

[13] Bundestags-Drucksache 18/9522, S. 229.

[14] An diesen Empfehlungen orientieren sich auch die Träger der Eingliederungshilfe. Vgl. § 26 Abs. 5 S. 2 SGB IX.

[15] Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation 2019, Gemeinsame Empfehlung Reha-Prozess, § 61 Abs. 2 und 3.

[16] Wobei von dieser Einschränkung landesrechtlich abgewichen werden kann.

[17] Dazu Beyerlein, Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht (reha-recht.de) 2020a, S. 4–7.

[18] Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und Eingliederungshilfe, Orientierungshilfe zur Durchführung von Prüfungen der Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit nach § 128 SGB IX, S. 7; Kritisch dazu Böcker/Weber, Wie lässt sich die Wirksamkeit von Eingliederungshilfe messen? 2021, S. 19.

[19] Dazu Deutsche Vereinigung für Rehabilitation, Stellungnahme der DVfR zur Bedeutung der Begriffe Wirkung und Wirksamkeit im Recht der Eingliederungshilfe.


Stichwörter:

Teilhabeplan, Gesamtplan, Bundesteilhabegesetz (BTHG), Landesrahmenverträge, Eingliederungshilfe, Qualität, Leistungstrennung


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