20.12.2021 E: Recht der Dienste und Einrichtungen Beyerlein: Beitrag E9-2021

Bezüge zum Gesamtplan nach § 121 SGB IX in Landesrahmenverträgen der Eingliederungshilfe – Untersuchung der vertraglichen Ausgestaltung der Steuerungsfunktion des Gesamtplans und der Konkretisierung der Verpflichtung, Leistungen unter Beachtung des Gesamtplans zu erbringen, Teil I

Der Autor Michael Beyerlein beschäftigt sich in diesem Beitrag mit der Frage, welchen Niederschlag die Verpflichtung von sozialen Dienstleistungsunternehmen der Eingliederungshilfe, Leistungen unter Beachtung des Gesamtplans nach § 121 SGB IX zu erbringen, in Landesrahmenverträgen nach § 131 SGB IX findet. Er untersucht, wie die Steuerungsfunktion des Gesamtplans vertraglich konkretisiert wurde und welche weiteren Bezüge zu dem Instrument hergestellt wurden. Dazu wurden 14 Landesrahmenverträge nach § 131 SGB IX betrachtet und typisierend ausgewertet.

Teil I des Beitrags führt in das Thema ein und analysiert Regelungen, die den Gesamtplan als Grundlage der Leistung beschreiben und Qualitätsvorgaben, die auf den Gesamtplan Bezug nehmen.

(Zitiervorschlag: Beyerlein: Bezüge zum Gesamtplan nach § 121 SGB IX in Landesrahmenverträgen der Eingliederungshilfe – Untersuchung der vertraglichen Ausgestaltung der Steuerungsfunktion des Gesamtplans und der Konkretisierung der Verpflichtung, Leistungen unter Beachtung des Gesamtplans zu erbringen, Teil I; Beitrag E9-2021 unter www.reha-recht.de; 20.12.2021.)

I. Einleitung

Ein zentrales Instrument, um Leistungen für Menschen mit Behinderungen nach dem Sozialgesetzbuch so aufeinander auszurichten, dass das gesamte Verfahren nahtlos, zügig, zielorientiert und wirtschaftlich abläuft, ist die in §§ 19 ff. SGB IX normierte Teilhabeplanung.[1] Wenn Teilhabeleistungen verschiedener Träger oder verschiedener Leistungsgruppen zusammenkommen, oder die leistungsberechtigte Person das wünscht, wird vom leistenden Reha-Träger ein Plan erstellt, der die voraussichtlich erforderlichen Leistungen hinsichtlich Ziel, Art und Umfang so zusammenstellt, dass sie nahtlos ineinandergreifen (§ 19 Abs. 1 SGB IX).

Der zusammengenommen größte Reha-Trägerbereich mit Leistungen im Umfang von rund 19 Mrd. Euro jährlich an über 940.000 Personen ist die Eingliederungshilfe.[2] Für Leistungen der Eingliederungshilfe wird das Teilhabeplanverfahren durch das Gesamtplanverfahren (§ 21 S. 1 SGB IX, §§ 117 ff. SGB IX)[3] um weitere Elemente[4] ergänzt, die der Leistungssteuerung und Wirkungskontrolle dienen.[5] Das Verfahren hat in diesem Leistungsbereich eine noch größere Bedeutung, weil der Gesamtplan der Eingliederungshilfe ausnahmslos in jedem Fall zu erstellen ist. Das Gesetz gibt vor, dass das Verfahren u. a. transparent, trägerübergreifend, interdisziplinär, konsensorientiert, lebensweltbezogen und sozialraumorientiert[6] sein soll (§ 117 Abs. 1 Nr. 3). Der Gesamtplanung wird somit erkennbar eine Schlüsselfunktion in der personenzentrierten Leistungsgewährung und -erbringung zugeschrieben. Mit der geschaffenen Regelung im zweiten Teil des SGB IX soll die Position der Leistungsberechtigten zudem sowohl gegenüber dem Leistungsträger als auch gegenüber dem Leistungserbringer gestärkt werden.[7]

Dem Gesamtplan werden im Gesetz drei zentrale Funktionen zugeschrieben: Steuerung, Wirkungskontrolle und Dokumentation des Teilhabeprozesses (§ 121 Abs. 2 S. 1 SGB IX). In diesem Beitrag soll insbesondere die Funktion der Steuerung beleuchtet werden. Indem § 123 Abs. 4 SGB IX Leistungserbringer verpflichtet, Leistungsberechtigte aufzunehmen und Leistungen der Eingliederungshilfe unter Beachtung der Inhalte des Gesamtplanes zu erbringen (§ 123 Abs. 4 SGB IX) wirkt der Gesamtplan über das Vertragsrecht steuernd sowohl in das Rechtsverhältnis zwischen Leistungsberechtigter Person und Leistungserbringer[8] als auch in das Rechtsverhältnis zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer[9] hinein. Die Pflicht zur Beachtung[10] der Inhalte des Gesamtplans ist jedoch durch den Inhalt der geschlossenen Vereinbarungen nach § 125 SGB IX begrenzt. Sie gilt also nur im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebots.

Über diese schriftlichen Vereinbarungen erfolgt die Einbeziehung von Leistungserbringern in das Leistungsgeschehen der Eingliederungshilfe. Sie regeln Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen und ihre Vergütung (§ 125 Abs. 1 SGB IX). Eine wesentliche inhaltliche Vorformung dieser Verträge findet über Landesrahmenverträge (LRV) nach § 131 SGB IX statt.

II. Zum Inhalt der Untersuchung

Aufgrund der großen Bedeutung der Landesrahmenverträge in der Praxis und ihrem hohen Einfluss auf Einzelvereinbarungen[11] wird nachfolgend untersucht, ob und wie in Landesrahmenverträgen nach § 131 SGB IX auf den Gesamtplan nach § 121 SGB IX Bezug genommen wird. Genauer betrachtet wird, wie die Vertragsparteien den gesetzlichen Auftrag, Leistungen unter Beachtung des Gesamtplans zu erbringen, vertraglich konkretisieren und wie die Steuerungsfunktion des Gesamtplans im Rechtsverhältnis zwischen Leistungsträger und Leistungserbringer weiter ausgestaltet ist.

Aufbauend auf einer Ausarbeitung des Autors für den Behindertenbeauftragten des Landes Bremen[12] wurden dafür 14 Landesrahmenverträge nach § 131 SGB IX untersucht. Es handelt sich dabei um die Verträge der Bundesländer Baden-Württemberg (LRV BW), Berlin (LRV BE), Brandenburg (LRV BB), Bremen (LRV HB), Hamburg (LRV HH), Hessen (LRV HE), Mecklenburg-Vorpommern (LRV MV), Nordrhein-Westfalen (LRV NRW), Rheinland-Pfalz (LRV RP), Saarland (LRV SL), Sachsen-Anhalt (LRV ST), Sachsen (LRV SN), Schleswig-Holstein (LRV SH) und Thüringen (LRV TH). In Bayern und Niedersachsen gibt es zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags nur Übergangsvereinbarungen.[13] Diese wurden außer Acht gelassen.

Zur Analyse der Verträge wurden die Vertragstexte mit Hilfe des Programms „MAXQDA“ nach dem Stichwort „Gesamtplan“ durchsucht. Orientiert an der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse wurden die gefundenen Textstellen einem induktiv erstellten Kategoriensystem zugewiesen. So konnten die gefundenen Regelungen mit Bezug zum Gesamtplan typisierend ausgewertet werden. Eventuell vorhandene Regelungen mit vergleichbarem Inhalt, die auf den Gesamtplan nicht hinreichend deutlich Bezug nehmen, also den Begriff „Gesamtplan“ nicht enthalten, werden so methodisch bedingt jedoch nur am Rande betrachtet. Die zentralen Erkenntnisse dieser Erhebung werden nachfolgend dargestellt. Dabei wird unter Punkt III eine Übersicht gegeben und unter Punkt IV und V werden erste programmatische und qualitätsbezogene Regelungen detaillierter vorgestellt. Weitere in den Verträgen gefundene Bezüge zum Gesamtplanverfahren werden in Teil II des Beitrags[14] beleuchtet und abschließend wird ein Fazit gezogen.

III. Der Gesamtplan in Landesrahmenverträgen nach § 131 SGB IX

Regelungen, die auf den Begriff Gesamtplan Bezug nehmen, fanden sich in den untersuchten Verträgen an über 300 Stellen. Einen thematisch geordneten Überblick gibt die folgende Abbildung. Die Höhe der Balken gibt an, in wie vielen der untersuchten Verträge entsprechende Regelungen gefunden wurden.

Abbildung:      Direkte Bezüge auf den Gesamtplan nach § 121 SGB IX in Landesrahmen-
                       verträgen nach § 131 SGB IX

Die Abbildung zeigt, dass der Gesamtplan in acht der untersuchten Verträge als Grundlage der Leistung beschrieben wird. Ähnliches wird auch in programmatischen Aussagen zu Beginn von fünf Verträgen ausgedrückt. Sieben bzw. fünf der Verträge stellen in den Regelungen zur Prozess- und Ergebnisqualität Bezüge zum Gesamtplan her. Zudem gibt es in sieben der untersuchten Verträge Regelungen, die den Gesamtplan in Bezug zum Umfang der Leistung setzen. Auch findet sich in sechs Verträgen eine teilweise wortgleiche Wiederholung von § 123 Abs. 4 S. 1 SGB IX, wonach Leistungen unter Beachtung des Gesamtplans zu erbringen sind. Ebenfalls in sechs der untersuchten Verträge wird auf den Gesamtplan als Instrument zur Trennung von Leistungen Bezug genommen. Das bezieht sich, wie es § 121 Abs. 4 Nr. 6 SGB IX[15] vermuten lässt, einerseits auf die Trennung von Fachleistungen der Eingliederungshilfe und Leistungen der Sozialhilfe, aber auch auf die Abgrenzung zu Pflegeleistungen. In drei Verträgen finden sich Regelungen, die den Gesamtplan zur Kalkulation der Vergütung des Leistungserbringers heranziehen. Ebenfalls drei Verträge regeln, dass Leistungserbringer geänderte Bedarfslagen der Leistungsberechtigten mitzuteilen haben. Darauf soll in der Folge mit einer Änderung des Gesamtplans reagiert werden, was die Funktion als permanentes Steuerungsinstrument unterstreicht. In zwei Verträgen wird der Gesamtplan als Mittel beschrieben, das Wunsch und Wahlrecht aus § 104 SGB IX zu konkretisieren, aber auch zu begrenzen. Auch werden in zwei Verträgen Bezüge zwischen Gesamtplanverfahren und der Kalkulation des Personaleinsatzes hergestellt. Ein Vertrag schließlich zieht den Gesamtplan als eine Grundlage von Prüfungen nach § 128 SGB IX heran. Die gefundenen Regelungen werden nachfolgend genauer vorgestellt.

IV. Gesamtplan als Grundlage der Leistung

Acht Vertragswerke[16] sprechen in eher grundsätzlichen Regelungen vom Gesamtplan als „Grundlage“ der Eingliederungshilfeleistung. Damit folgen die Vertragswerke der Auffassung der Bundesregierung. In der Gesetzesbegründung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) heißt es, dass die personenzentrierte Neuausrichtung der Eingliederungshilfe zwingend eine optimierte Gesamtplanung nach einheitlichen Verfahren und Kriterien erfordert. Diese wird als Grundlage einer bedarfsdeckenden Leistungserbringung gesehen.[17] Auch der Deutsche Verein greift diese Einschätzung in seiner Empfehlung zur Gesamtplanung in der Eingliederungshilfe auf.

Das Gesamtplanverfahren sei demnach die „Grundlage, um eine bedarfsgerechte und bedarfsdeckende Leistungserbringung zu erreichen und in diesem Sinne eine wesentliche Voraussetzung dafür, die Leistungen so auszugestalten, dass eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe möglich ist.“[18]

In den Vertragstexten wird teilweise auch beschrieben, wie der Gesamtplan noch durch eine Ziel- und Leistungsplanung ergänzt wird (BE, MV, ST). So zum Beispiel der LRV ST in § 2 Abs. 2:

„Der Leistungserbringer erbringt die jeweils individuell angemessenen, bedarfsgerechten Hilfen im Rahmen des in der Leistungsvereinbarung vereinbarten Leistungsangebotes. Die Grundlagen der individuellen Leistungen bilden:

a) der Gesamtplan gemäß §§ 121, 19 und 21 SGB IX und darauf aufbauend,

b) der individuelle Förderplan, der von dem Leistungserbringer in Zusammenarbeit mit der leistungsberechtigten Person und ggf. einer Person ihres Vertrauens und ihrem gesetzlichen Vertreter aufgestellt, überprüft und fortgeschrieben wird.“

Die Funktion der grundlegenden Steuerung des Teilhabeprozesses wird also auch in den Verträgen betont, indem dem Gesamtplan eine zentrale Stellung zugewiesen wird, die aber im Weiteren noch konkretisiert werden muss.

V. Programmatische Aussagen und Wiederholung gesetzlicher Vorgaben

In fünf Vertragswerken[19] taucht der Gesamtplan zudem in der Präambel oder in grundsätzlichen, eher programmatischen Regelungen auf. Betont wird dabei die grundsätzliche Bedeutung des Gesamtplanverfahrens. Beispielhaft zeigt sich das an der Formulierung in der Präambel des Landesrahmenvertrags von Mecklenburg-Vorpommern (LRV MV):

„Die individuellen Lebensentwürfe und Zielvorstellungen der Menschen mit Behinderungen sind Grundlage und Orientierung für die im Gesamtplanverfahren vereinbarten Ziele und Maßnahmen, die unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts den Ausgangspunkt der Leistungserbringung bilden.“

Weiterhin findet sich in sechs Verträgen[20] eine teilweise wortgleiche Wiedergabe der Regelung in § 123 Abs. 4 S. 1 SGB IX. Siehe z. B. die Formulierung in § 6 Abs. 2 LRV BB:

„Der Leistungserbringer ist verpflichtet, im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes Leistungen für den Personenkreis nach Absatz 1 unter Beachtung der Inhalte des Gesamtplanes zu erbringen (Aufnahmeverpflichtung gem. § 123 Abs. 4 SGB IX), wenn die in § 123 Abs. 4 Satz 1 SGB IX genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Das gilt nicht für andere Leistungsanbieter im Sinne des § 60 SGB IX.“

Grundsätzlich bedarf es einer Wiederholung des Gesetzeswortlauts in Vertragswerken nicht. Die Integration gesetzlicher Regelungen kann einerseits da Sinn machen, wo es der Verständlichkeit des Vertrages aus sich heraus dient.[21] Die Passagen könnten also die Bedeutung der Norm für die Praxis unterstreichen. Andererseits können auch die mit dem Vertragswerk verfolgten Ziele ein Grund dafür sein, den Gesetzeswortlaut zu wiederholen.[22] Diese Ziele sind im Fall der LRV ambitioniert. Sie ergeben sich maßgeblich aus der klar formulierten Erwartung des Gesetzgebers, das mit dem BTHG geschaffene neue Recht in der konkreten Rechtsanwendung stets im Lichte der UN-BRK umzusetzen.[23] Diese Vertragsziele kommen – wie am Beispiel MV verdeutlicht – in den Präambeln der Verträge zum Ausdruck, wo der Gesamtplan als Grundlage der Leistung beschrieben wird. Es kann also geschlossen werden, dass die Parteien mit der Aufnahme des Gesetzeswortlauts verdeutlichen wollten, dass die Beachtung der Inhalte des Gesamtplans der Verwirklichung der Vertragsziele dient und neben der Aufnahme von Leistungsberechtigten als eine vertragliche Hauptleistungspflicht gesehen wird.

VI. Gesamtplan als Bezugspunkt von Qualitätsvorgaben

Bezüge zum Gesamtplan finden sich in den untersuchten Verträgen auch in den Regelungen zur Qualität der Leistung. In sieben untersuchten Verträgen wird auf den Gesamtplan in Regelungen zur Ergebnisqualität, in fünf in Regelungen zur Prozessqualität Bezug genommen.[24] Die Begriffe werden nachfolgend geklärt und die Bezüge dargestellt.

1. Prozessqualität

Prozessqualität bezieht sich auf die fachliche und organisatorische Art und Weise, wie die Dienstleistung ausgestaltet wird. Sie umfasst die Bereitstellungsleistung, die zur Leistungserbringung vorgehalten wird. Das können technische Ausstattung, organisatorische Regelungen oder die Qualifikation von Mitarbeitenden sein.[25]

Die Landesrahmenverträge stellen Bezüge zum Gesamtplan z. B. in Bezug auf eine Kooperation der beteiligten Akteure her. Diese sollen aufbauend auf den Daten des Gesamtplans gemeinsam eine Ziel- und Leistungsplanung erstellen (§ 8 Abs. 3 Nr. 9 LRV BE) und dabei ggf. auch Leistungsberechtigte und Vertrauenspersonen beteiligen (Punkt 7.2.2 LRV NRW). Als Teil der Prozessqualität wird in einzelnen Verträgen auch festgehalten, dass sich die Vertragsparteien an die Fristen und Verfahrensabläufe des Gesamtplans halten (§ 12 Abs. 5 lit. e LRV TH) oder sich gegenseitig über Besonderheiten im Leistungsverlauf oder ggf. veränderte Bedarfe informieren (§ 8 Abs. 3 Nr. 11 LRV BE, § 11 Abs. 3 LRV HB) sowie Angebote verschiedener Leistungserbringer im Rahmen des Gesamtplans vernetzen (§ 11 Abs. 3 LRV HB).

Weiter stellen Regelungen zur Prozessqualität Bezüge zum Gesamtplan her, indem dort vereinbart ist, dass die Leistungen bedarfsorientiert und an den Zielen und Wünschen des Leistungsberechtigten sowie an der vorgenannten Ziel- und Leistungsplanung ausgerichtet geplant und erbracht wird.[26]

2. Ergebnisqualität

Noch stärker sind Bezüge zum Gesamtplan in den vereinbarten Regelungen zur Ergebnisqualität hergestellt worden. Ergebnisqualität wird an der Erreichung von Zielen gemessen und ist daran erkennbar, welche Effekte und Nutzen sich bei Leistungsberechtigten und anderen Interessengruppen ergeben.[27] Hier finden sich in sieben Verträgen Regelungen, die zur Beurteilung der Ergebnisqualität der Leistung u. a. die Erfüllung von Zielen aus dem Gesamtplan heranziehen.[28] Vgl. z. B. die Regelung in Punkt 7.2.3 Abs. 1 LRV NRW:

„Die Ergebnisqualität ist als Zielerreichungsgrad der gesamten Leistungserbringung zu verstehen.

Kriterien für die Ergebnisqualität können sein:

  • Fachgerechtigkeit der Leistungserbringung,
  • Erhalt und/oder Ausbau der erreichbaren Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unter Berücksichtigung der Erreichung der im Gesamtplan dokumentierten Ziele,
  • Verwirklichung einer möglichst selbstbestimmten und eigenständigen
  • Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum,
  • Zufriedenheit/Bewertung der Leistungsberechtigten.“

Da sich Ergebnisqualität an der Erfüllung konkreter Ziele bemisst, erscheint es logisch, hier unter anderem auf den Gesamtplan Bezug zu nehmen, der konkrete, individuelle Teilhabeziele enthält.

Eine vertiefte wissenschaftliche Befassung mit der Frage, wie Wirksamkeitsnachweise in der Eingliederungshilfe erbracht werden können, steht jedoch noch aus. Daran schließt sich die Frage an, welche Aspekte in Landesrahmenverträgen geregelt werden können und ob es ggf. ähnlich wie im SGB XI und SGB V gesonderter Qualitätsinstitutionen bedarf, die Qualitätsstandards erarbeiten und Wirksamkeitsuntersuchungen machen. Es ist darum zunächst eine wichtige Aufgabe der Teilhabeforschung zu ergründen, welche Strukturen und Prozesse teilhabefördernd sind.[29]

Literaturverzeichnis

Beyerlein, Michael, Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den Bundesländern, Teil IV: Qualität, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der Leistungen, Beitrag A7-2020 unter www.reha-recht.de; 09.04.2020.

Beyerlein, Michael, Kurzgutachten zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den Bundesländern, Analyse von Regelungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Landesrahmenverträgen nach § 131 SGB IX im Auftrag des Landesbehindertenbeauftragten Bremen, Bremen 2021, https://www.behindertenbeauftragter.bremen.de/themen/bundesteilhabegesetz-11035, zuletzt abgerufen am 20.12.2021.

Böcker, Michael/Weber, Michael, Wie lässt sich die Wirksamkeit von Eingliederungshilfe messen?, Soziale Arbeit kontrovers, Freiburg 2021.

Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Gemeinsame Empfehlung Reha-Prozess, Frankfurt am Main 2019, https://www.bar-frankfurt.de/fileadmin/dateiliste/_publikationen/reha_vereinbarungen/pdfs/GEReha-Prozess.BF01.pdf, zuletzt abgerufen am 20.12.2021.

Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (Hrsg.), 2. Teilhabeverfahrensbericht, Frankfurt am Main 2020, https://www.bar-frankfurt.de/fileadmin/dateiliste/THVB/2_THVB_2020.pdf, zuletzt abgerufen am 20.12.2021.

Deutsche Vereinigung für Rehabilitation (Hrsg.), Stellungnahme der DVfR zur Bedeutung der Begriffe Wirkung und Wirksamkeit im Recht der Eingliederungshilfe, Heidelberg 2019,  https://www.dvfr.de/fileadmin/user_upload/DVfR/Downloads/Stellungnahmen/DVfR_Stellungnahme_BTHG_Wirkung_u_Wirksamkeit_bf.pdf, zuletzt abgerufen am 20.12.2021.

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gesamtplanung in der Eingliederungshilfe und ihr Verhältnis zur Teilhabeplanung, Berlin 2019.

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (Hrsg.), Umsetzungsstand Bundesteilhabegesetz, Stand Juni 2021, https://umsetzungsbegleitung-bthg.de/w/files/umsetzungsstand/2021-06-28_umsetzungsstand-bthg.pdf, zuletzt abgerufen am 20.12.2021.

Fischer, Tristan/Nigbur, Mechthild/Rietz, Marcus et al., Das BTHG in den Bundesländern: Die Landesrahmenverträge nach § 131 SGB IX, NDV 2021, S. 190–196.

Fuchs, Harry, Intention des Gesetzgebers zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13 SGB IX und Begriffsbestimmung, Teil I: Intention des Gesetzgebers hinter altem und neuem Recht, Beitrag A16-2018 unter www.reha-recht.de; 19.09.2018.

Fuchs, Harry/Ritz, Hans-Günther/Rosenow, Roland, SGB IX - Kommentar zum Recht behinderter Menschen und Erläuterungen zum AGG und BGG, 7. Aufl., München 2021 (zitiert: Bearbeiter, in Fuchs/Ritz/Rosenow).

Gitschmann, Peter/Haubner, Katrin/Hoffmann, Josefine, Zur Gestaltung von Landesrahmenverträgen, Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen, Rahmen- und Zielvereinbarungen gemäß Bundesteilhabegesetz, NDV 2018, S. 367–369.

Grube, Christian, § 2 Landesrahmenverträge, in: Bernzen/Grube/Sitzler (Hrsg.), Leistungs- und Entgeltvereinbarungen in der Sozialwirtschaft, Regulierungsinstrumente in der Eingliederungshilfe und in der Kinder- und Jugendhilfe, Baden-Baden 2018 (zitiert: Grube, in: Bernzen/Grube/Sitzler (Hrsg.)).

Kuhn, Andreas, Qualitätsmanagement, in: Mulot/Schmitt (Hrsg.), Fachlexikon der Sozialen Arbeit, 8. Auflage, Baden-Baden 2017, S. 684–685 (zitiert: Kuhn, in: Mulot/Schmitt (Hrsg.)).

Kunkel, Carsten, Vertragsgestaltung, Eine methodisch-didaktische Einführung, Springer-Lehrbuch, Berlin, Heidelberg 2016.

Rolfs/Giesen/Kreikebohm et al., BeckOK Sozialrecht (zitiert: Bearbeiter, in Rolfs/Giesen/Kreikebohm et al.,).

Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., juris GmbH 2018 (zitiert: Bearbeiter, in Schlegel/Voelzke).

Beitrag von Michael Beyerlein, LL.M., Universität Kassel

Fußnoten

[1] Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation 2019, Gemeinsame Empfehlung Reha-Prozess, § 48 Abs. 1.

[2] Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, 2. Teilhabeverfahrensbericht, S. 162.

[3] Zum Verhältnis von Teilhabe- und Gesamtplan siehe https://www.reha-recht.de/glossar/glossar/beitrag/artikel/teilhabeplan-und-gesamtplan/, zuletzt abgerufen am 20.12.2021, und Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gesamtplanung in der Eingliederungshilfe und ihr Verhältnis zur Teilhabeplanung, S. 8–10.

[4] Wie Maßstäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle (§ 121 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX) oder Feststellungen über Selbsthilferessourcen (§ 121 Abs. 4 Nr. 3 SGB IX) der Leistungsberechtigten.

[5] Fuchs, Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht (reha-recht.de) 2018, S. 3.

[6] Vgl. dazu Kahl, Gundlach: Mehr sozialraumorientierte Praxis dank BTHG? Eine Analyse des gesetzlichen Rahmens und praktischer Spielräume in der Eingliederungshilfe, Beiträge D32-2021, D33-2021, D34-2021 unter www.reha-recht.de.

[7] Bundestags-Drucksache 18/9522, S. 287.

[8] Busse, in: Schlegel/Voelzke, § 123 SGB IX, Rn. 33; Rosenow, in: Fuchs/Ritz/Rosenow, § 121 SGB IX, Rn. 9; Banafsche, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Meßling/Udsching, § 123 SGB IX, Rn. 41.

[9] Der Bezug auf den Gesamtplan dient in dem Fall der Absicherung des Trägers der Eingliederungshilfe, der nach § 95 SGB IX eine personenzentrierte Leistung für die Berechtigten sicherstellen muss. Vgl. Busse, in: Schlegel/Voelzke, § 123 SGB IX, Rn. 41.

[10] Beachtung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Leistungserbringer die Inhalte des Gesamtplans zu befolgen hat. Vgl. Rosenow, in: Fuchs/Ritz/Rosenow, § 123 SGB IX, Rn. 81. mit Verweis auf §§ 113 VwGO, 131 SGG, 36a SGB I und 94 SGB X, wo Beachtung stets nicht für Kenntnisnahme, sondern Befolgung stehe.

[11] Vgl. z. B. Grube, in: Bernzen/Grube/Sitzler (Hrsg.), Leistungs- und Entgeltvereinbarungen in der Sozialwirtschaft, Rn. 1; Fischer/Nigbur/Rietz et al., NDV 2021, S. 190; Gitschmann/Haubner/Hoffmann, NDV 2018, S. 368.

[12] Beyerlein 2021, Kurzgutachten zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den Bundesländern.

[13] Zum aktuellen Stand der Landesrahmenverträge nach § 131 SGB IX siehe Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Umsetzungsstand Bundesteilhabegesetz, S. 25–31. Die hier untersuchten Verträge sind dort auch verlinkt.

[14] Beyerlein: Bezüge zum Gesamtplan nach § 121 SGB IX in Landesrahmenverträgen der Eingliederungshilfe – Untersuchung der vertraglichen Ausgestaltung der Steuerungsfunktion des Gesamtplans und der Konkretisierung der Verpflichtung, Leistungen unter Beachtung des Gesamtplans zu erbringen, Teil II; Beitrag E10-2021, in Kürze unter www.reha-recht.de.

[15] Der Gesamtplan soll demnach u. a. das Ergebnis über die Beratung des Anteils des Regelsatzes nach § 27a Absatz 3 SGB XII, der den Leistungsberechtigten als Barmittel verbleibt, enthalten.

[16] § 11 Abs. 1 LRV BE, § 5 Abs. 3 LRV BB, § 13 Abs. 2 LRV MV, Punkt 1.2 Abs. 1 LRV NRW, § 2 Abs. 2 LRV ST, Punkt 2.1 LRV SN, § 12 Abs. 1 LRV TH, ähnlich auch § 6 Abs. 2 lit. a LRV BW.

[17] Bundestags-Drucksache 18/9522, S. 267–268.

[18] Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gesamtplanung in der Eingliederungshilfe und ihr Verhältnis zur Teilhabeplanung, S. 5.

[19] Präambel LRV HH, Präambel LRV MV, § 1 LRV RP, Präambel LRV HB. Die Präambel des LRV BW spricht von personenbezogen festgestellten Bedarfslagen als Grundlage der Leistungserbringung.

[20] § 6 Abs. 6 LRV BW, §§ 6 Abs. 2 und 8 Abs. 2 LRV BB, § 7 Abs. 2 LRV MV, Punkt 5 Abs. 1 LRV NRW, § 2 Abs. 1 LRV ST, § 2 Abs. 2 LRV SH.

[21] Kunkel, Vertragsgestaltung 2016, S. 101.

[22] Ebd., S. 78.

[23] Bundestags-Drucksache 18/10528, S. 2.

[24] Zu den Qualitätsdimensionen personenbezogener sozialer Dienstleistungen siehe Kuhn, in: Mulot/Schmitt (Hrsg.), Fachlexikon der Sozialen Arbeit, S. 685; oder auch mit Bezug darauf Beyerlein, Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht (reha-recht.de) 2020, S. 4.

[25] Kuhn, in: Mulot/Schmitt (Hrsg.), Fachlexikon der Sozialen Arbeit, S. 685.

[26] Ähnliche Formulierungen in § 8 Abs. 3 Nr. 10 LRV BE, Punkt 7.2.2 Abs. 1 LRV NRW, § 10 Abs. 3 LRV ST, § 11 Abs. 3 LRV HB.

[27] Kuhn, in: Mulot/Schmitt (Hrsg.), Fachlexikon der Sozialen Arbeit, S. 685.

[28] § 10 Abs. 4 LRV BB, Punkt 7.2.3 Abs. 1 LRV NRW, § 10 Abs. 4 LRV ST, Punkt 2.7.5 LRV SN, § 37 Abs. 9 LRV BW.

[29] Vgl. dazu Deutsche Vereinigung für Rehabilitation, Stellungnahme der DVfR zur Bedeutung der Begriffe Wirkung und Wirksamkeit im Recht der Eingliederungshilfe, S. 10; So auch Böcker/Weber, Wie lässt sich die Wirksamkeit von Eingliederungshilfe messen? 2021, S. 55, die ein konkretes Forschungsdesign zur Erfassung der Wirksamkeit von Eingliederungshilfeleistungen vorschlagen.


Stichwörter:

Bundesteilhabegesetz (BTHG), Landesrahmenverträge, Gesamtplan, Eingliederungshilfe, Qualität, Teilhabeplan


Kommentare (2)

  1. Michael Beyerlein 07.02.2022
    Sehr geehrter Herr Müller-Wrasmann,

    Vielen Dank für Ihre Anmerkung und die Darstellung Ihrer Eindrücke aus der Praxis!

    Ich stimme Ihnen zu, dass eine konkrete Umsetzung der mit dem Bundesteilhabegesetz geschaffenen Regelungen vor Ort essenziell für die Teilhabe der Menschen der Behinderung und der mit dem Gesetz beabsichtigten Abkehr von der Institutionenzentrierung ist.

    Auch der aktuelle Koalitionsvertrag enthält folgende Formulierung: "Wir nehmen die Evaluation des Bundesteilhabegesetzes ernst und wollen, dass es auf allen staatlichen Ebenen und von allen Leistungserbringern konsequent und zügig umgesetzt wird. Übergangslösungen sollen beendet und bürokratische Hemmnisse abgebaut werden" (https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/gesetzesvorhaben/koalitionsvertrag-2021-1990800, S. 79). Insofern wird auch von Regierungsseite noch Bedarf nach einer konsequenten Umsetzung der gesetzlichen Regelungen gesehen und Sie sind mit Ihrer Kritik nicht alleine.

    Die konsequente Orientierung am Bedarf der Leistungsberechtigten, die in den gesetzlichen Vorgaben für das Verfahren angelegt ist, sollte in der Tat dazu führen, dass nicht das Leistungsspektrum einzelner Einrichtungen die zu erbringenden Leistungen vorgibt, sondern eine individuelle Bedarfsfeststellung auf Grundlage des Gesamtplans. Dieser soll laut Gesetz u.a. individuell, lebensweltbezogen und sozialraumorientiert sein. In der Gesetzesbegründung des BTHG heißt es klar: "Die notwendige Unterstützung des Menschen mit Behinderungen orientiert sich zukünftig nicht mehr an einer bestimmten Wohnform" (BT-Drs. 18/9522, S. 197).

    Das von Ihnen beschriebene Vorgehen, das Sie als "Fiktion von Bedarfserfüllung" beschreiben, ist dementsprechend wohl eher die Praxis, die mit dem BTHG überwunden werden sollte.

    Mit den neuen gesetzlichen Vorgaben werden über Jahre hinweg eingebübte Praktiken in Frage gestellt. Umso wichtiger ist es, dass sich die Vertragsparteien der Landesrahmenverträge dessen bewusst werden und in Landesrahmenverträgen zumindest in groben Zügen vorgeben, wie eine personenzentrierte Leistung bei den Menschen mit Behinderung ankommen soll. Eine Überlegung meiner Untersuchung war es, dass sich anhand der entsprechenden Regelungen Rückschlüsse auf die Situation vor Ort oder zumindest die Entwicklungen der nächsten Zeit ziehen lassen.

    Um die Realität abzubilden, braucht es aber in der Tat andere Formate und andere Daten. Spannende Erkenntnisse dürfte die Wirkungsprognose nach Artikel 25 Absatz 2 BTHG liefern, die derzeit von infas und ISG bearbeitet wird (https://www.gemeinsam-einfach-machen.de/GEM/DE/AS/Umsetzung_BTHG/Wirkungsprognose/Wirkungsprognose_node.html;jsessionid=886FE53837CA90095CCA42F43EBAC837.1_cid508). Hier sollen unter anderem die Regelungsbereiche Wunsch- und Wahlrecht, Gesamtplanung und Gesamtplanverfahren und Instrumente der Bedarfsermittlung untersucht werden. Ergebnisse sind nach Projektabschluss im November 2022 zu erwarten. Vielleicht ergeben sich hieraus ja noch weitere Impulse für die Praxis.
  2. Klaus Müller-Wrasmann, 30627 Hannover
    Klaus Müller-Wrasmann, 30627 Hannover 30.01.2022
    Niedersachsen ist bei der Analyse ausgenommen worden. Am 31.12.2022 endet aber die Übergangsfrist, die Neuregelungen ab 01.01.2024 sind in jüngster Vergangenheit veröffentlicht worden.
    Neben einer abstrakten Analyse ist viel wichtiger die Praxis bei den Trägern der Eingliederungshilfe oder bei uns bei den vom Land Niedersachsen beauftragten Kommunen, soweit es Menschen mit Behinderungen über 18 Jahre betrifft. Derzeit ist die Praxis so, dass die Inhalte der Landesrahmenverträge das Bedarfsfeststellungsverfahren beeinflussen und nicht umgekehrt, dass das Gesamtplanverfahren den Bedarf bestimmt. Als Selbsthilfeverein für Menschen mit Behinderungen können wir nachweisen, dass der nach SGB IX n. V. ermittelte Bedarf passend zur faktischen Versorgungssituation vor Ort nach dem Landesrahmenvertrag festgesetzt wurde. Die Ergebnisse: Es kommt in keinen der Leistungsfälle ein nach den §§ 1, 90 SGB IX auf Basis der ICF ermittelter Bedarf dabei heraus. Würde dies getan werden, dann würde eine Lücke zwischen Bedarf und nicht erfüllbaren Leistungen dabei herauskommen, weil die Landesrahmenverträge dies nicht vorsehen. Die vom Land beauftragten Stellen vermeiden diese Offenlegung der Realität wie der Teufel das Weihwasser.
    Es ist diese Fiktion von Bedarfserfüllung, die das Leistungsrecht bei Menschen mit Behinderungen begleitet. Ich kenne keine Analyse, die sich mit dieser Frage ernsthaft auseinandersetzt.
    Solche Beiträge, wie sie auch jetzt wieder veröffentlicht wurden, bringen uns keinen Schritt weiter. Es ist die Realität, die näher untersucht werden müsste. Befragungen helfen uns hierbei leider auch nicht weiter. Wer in Sonderstrukturen mehr als 5 Jahre gelebt hat und keine anderen Lebensverhältnisse kennt, wird mit seiner Situation immer zufrieden sein. Das Einsetzen des Instruments der persönlichen Zukunftsplanung, verbunden mit dem Fördern des Aufbaus von anderen Lebensverhältnissen, ausreichend finanziert, könnten hieran etwas verändern. Dies kostet aber mehr Geld, das hierfür nicht vorgesehen ist. Stattdessen sollen abstrakte Instrumente, wie z. B. die von Steuerungsfunktion, das bestehende System von Sonderstrukturen verfestigen. So etwas brauchen die Menschen von Behinderungen nicht. Es geht jetzt um die Realisierung des menschenrechtlichen Ansatzes für sie. Ihnen ist eine Welt zu öffnen, in denen sie so leben können, wie andere Menschen auch. Wenn ein nicht behinderter Mensch Lust hat, das Heimspiel von Hannover 96 zu besuchen, dann kann er dies auch tun. Der Menschen mit Behinderungen, der in Sonderstrukturen lebt, kann dies nicht. Wenn er Glück hat, dann kann er seinen Wunsch 14 Tage vor dem Heimspiel bei der Dienstplangestaltung anmelden, damit er dann eine Person gestellt bekommt, die mit ihm zum Heimspiel geht. Solche realen Verhältnisse lassen auch die neuen Landesrahmenverträge in Niedersachsen in den besonderen Wohnformen nicht zu. Weil dem so ist, wird auch keine Sachbearbeiterin oder Sachbearbeiter den Bedarf, S.M.A.R.T. orientiert, so festsetzen.
    Wir drehen uns, jedenfalls in Niedersachsen, im Kreis, wenn wir unseren Blick auf das Veröffentlichte lenken. Es sind nicht die Fiktionen, die zu betrachten sind, sondern die Realität. Wir haben zu fragen: Wann ist der Zeitpunkt erreicht, dass Menschen mit Behinderungen so leben können, wie Menschen ohne Behinderungen?

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