20.08.2013 B: Arbeitsrecht Rosendahl: Diskussionsbeitrag B3-2013

Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung – unmittelbar klagbarer Anspruch auch auf eine konkrete Tätigkeit möglich – Anmerkung zu LAG Frankfurt, Urteil v. 05.11.2012 – 21 Sa 593/10

(Zitiervorschlag: Rosendahl: Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung – unmittelbar klagbarer Anspruch auch auf eine konkrete Tätigkeit möglich – Anmerkung zu LAG Frankfurt, Urteil v. 05.11.2012 – 21 Sa 593/10; Forum B, Beitrag B3-2013 unter www.reha-recht.de; 20.08.2013)

Die Autorin beschäftigt sich in dem Beitrag mit dem Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung und bespricht in diesem Rahmen eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Frankfurt vom 5. November 2012.

Sie begrüßt die Entscheidung des LAG Frankfurt, welches dem Kläger einen unmittelbar einklagbaren Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz zugesprochen hatte. Der Arbeitgeber sei seiner Pflicht, den Arbeitnehmer behinderungsgerecht zu beschäftigen, trotz eines (unzureichend) durchgeführten betrieblichem Eingliederungsmanagements (BEM) nicht nachgekommen und könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Umorganisation des Arbeitsplatzes für ihn unangemessen im Sinne des § 81 Abs. 4 S. 3 SGB IX sei.

Darüber hinaus führte das Gericht aus, dass Arbeitsplätze, die dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzt werden, gegebenenfalls als alternative Beschäftigungsmöglichkeiten angesehen werden müssen, was wiederum zu einem Vorrang des beeinträchtigten Arbeitnehmers bei der Besetzung des Arbeitsplatzes führen kann.


Stichwörter:

Behinderungsgerechte Beschäftigung, Gesteigerte Teilhabepflicht, § 81 Abs. 4 SGB IX, Beschäftigungsanspruch, Angemessene Vorkehrungen, Diskriminierung, BEM, RL 2000/78/EG (Richtlinie), Richtlinien


Kommentare (2)

  1. Rassek
    Rassek 18.10.2013
    Tja, da kann ich auch ein Lied von singen.
    Mein Behindertenstatus ist seit 1995 mit GdB 50 anerkannt. Es handelt sich um chronische Erkrankung des rheumatischen Kreises. Seit dieser Zeit versuche ich immer wieder eine Arbeit zu bekommen, die nicht vollkommen abstumpft, zugleich aber meinen angeschlagenen Körper schont.
    Außer "Schrauben in Tüten packen" oder ähnliches, hat man mir nichts anzubieten. Auch nicht bei 14 000 Mitarbeitern. Schwerbehinderte scheinen nicht das Recht zu haben, auch noch Ansprüche an eine etwas qualifizierte Arbeit stellen zu dürfen.
    Trotz Abitur und handwerklicher Fachausbildung.
    Offiziell wird von der Alterspyramide gesprochen, inoffiziell bekommt man das Gefühl des "dann geh doch".
    Ich habe bestimmt nicht freiwillig auf Teilzeit umstellen müssen,- aber ohne Alternative bliebe mir nur ein Leben mit noch mehr Schmerzen und Tabletten.
    Die Schwerbehindertenplätze werden gar nicht auf Eignung geprüft.
    Hier besteht noch großer Handlungsbedarf - insbesondere auf den Anspruch eines Arbeitsplatzes, der die geistigen Fähigkeiten mit berücksichtigt.
    Man scheint derzeit der Meinung zu sein, daß man mit Druck der Personalabteilung und anderer Gremien aus einem "Blinden einen Maler" machen müsse. Wenn dieses Experiment mißlingt, liegt es dann an der fehlenden Motivation des Betreffenden, der über Personalabteilung etc. nachgeholfen wird.
    Kranheitszeiten, die hätten vermieden werden können, werden lieber in Kauf genommen, statt Sinn und Vernunft in erfolgreiche Prävention zu stecken.
    Bodybuilder bekommen Arbeiten mit 2 Kilo Teilen und nachweislich körperlich Geschädigte müssen zusehen, wie sie über die Runden kommen.
    Hier steckt System dahinter und eine Ignoranz des Wertes, den auch Schwerbehinderte haben.
    Und eine vollkommene Ignoranz der Tatsache, daß Schwerbehinderte bei richtigem, leidensgerechtem Einsatz, ebenso wertschöpfend sein könnten, wie es Nichtbehinderte sind.
    Stattdessen wird gekündigt, mit Kündigung gedroht, Menschen aus ihrem sozialen Abteilungsumfeld geholt und sie trotz bestehender Möglichkeiten im Werk umhergeschickt,-- vielleicht geben sie ja auf,- oder ein Gericht bestätigt auf Grund der ( eigentlich vermeidbaren) Fehlzeiten, daß das für den AG zuträgliche Maß überschritten sei.
    Der Nachweis, daß nicht - oder unzureichend Prävention betrieben wurde, bleibt dann dem Arbeitnehmer,
    der nichtsahnend weder Protokolle gesehen hat, noch auf die Idee gekommen ist besser nur Emails zu schreiben, oder nur unter wahrheitsliebenden Zeugen zu reden.
    Alles vermeidbare Kosten, Depressionen und Kündigungsschutzklagen.
    Wo kein Wile ist, ist aber auch kein Weg.
  2. Dietmar H.
    Dietmar H. 09.10.2013
    Sehr geehrte Damen und Herren,

    seit nun mehr mehr als 10 Jahren kämpfe ich für den Einsatz auf einem behindertengerechten Arbeitsplatz. Ich habe eine Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten (seit 10/2003), und 40 GdB erhalten.

    Mein Arbeitgeber bei dem ich seit 1984 arbeite, einer der größeren deutschen AG mit um die 100 000 Beschäftigten alleine in Deutschland, blockiert trotz BEM, - ich würde treffender sagen mit Hilfe des BEM - , sämtliche Lösungen. Um es vorsichtig auszudrücken habe ich den Status eines "unliebsamen Mitarbeiters". Während ich vorher eine qualifizierte Stelle mit Facharbeitertätigkeit hatte, wurde ich nun nur noch für Hilfstätigkeiten mit immer mehr körperlichen Einsatz herangezogen. Trotz 4 Bandscheibenvorfälle und durch den Gesundheitsschutz festgestellte Einschränkungen, musste ich Arbeiten mit Hohen Kraftaufwand (nicht heben, sondern ziehen/bzw. anschieben) ausführen. Eigene Messungen mit einer Kofferwaage, Zugkräfte waagerecht gemessen, überschritten den Messbereich der Kofferwaage von 30 kg. Der einzige Schluss der für mich hieraus bleibt, ich sollte selbst zur Aufgabe des Arbeitsplatzes veranlasst werden. So wird man wirklich krank.

    Selbst mit Hilfe des Integrationsfachdienstes im Auftrag des Integrationsamtes war gegen das betriebliche Netzwerk (Personalwesen, Vorgesetzte, betrieblicher Gesundheitsschutz, BR und Schwerbehinderten-Vertrauensmann) nichts auszurichten. Die vom Integrationsamt zugesagten Mittel für Hilfsmittel zur Umgestaltung des Arbeitsplatzes wurden erst viel später beantragt und kurz vor der Umgestaltung des Arbeitsplatzes wurde ich dann von diesem Arbeitsplatz entfernt / versetzt.

    So forderte ich konkret eine qualifizierte Tätigkeit als Facharbeiter, um die schwere unqualifizierte Tätigkeiten, die nicht meinen Einschränkungen entsprach zu beenden. Ohne Erfolg. Auch der von mir angestrebte Kompromiss, den ausübenden Arbeitsplatz mit Hilfsmittel umzugestalten wurde (siehe vorheriger Abschnitt) nicht entsprochen. Stattdessen wurde ich immer auf veraltete Produktionsarbeitsplätze eingesetzt, obwohl ein Großteil der Produktion modernisiert wurde und auf den Stand neuster Ergonomischer Erkenntnisse (Arbeitshöhe, Hilfsmittel u.v.m.) aufgebaut wurde. Hier wurden konkret nicht schwer behinderte Kollegen, aber auch viele Leiharbeitskräfte eingesetzt. Nur für mich war nichts passendes vorhanden.

    Tatsachen werden immer wieder im Sinne des "Betrieblichen Netzwerkes" verfälscht. Für den neuen Arbeitsplatz stellte der Schwerbehindertenvertrauensmann zwar den Bedarf von Hilfsmitteln fest, unterstellte mir allerdings gegenüber dem Integrationsamt, ihm gegenüber diese abgelehnt zu haben. Außer dieser Aussage gibt es keinen Vermerk hierüber. Selbst bei einer späteren Arbeitsplatzbegehung wurde kein Bedarf festgestellt, sondern mit der Aussage eines "Kollegen" der dort gar nicht arbeitete abgetan. Entsprechend wird von öffentlichen Stellen, inklusive der Arbeitsgerichte und Gutachter, immer der Ansicht dieses Netzwerkes entsprochen und Gegendarstellungen trotz Zeugenbenennung erst gar nicht
    geprüft. Zur Zukunftsprognose begutachtet, stellte der letzte Gutachter (2011) für das Integrationsamt fest: "Aus orthopädisch-unfallchirogischer Sicht ist in Zukunft nur mit überdurchschnittlich häufigen krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen, als die Befunde am Haltungs- und Bewegungsapparat hierfür eine Alibifunktion darstellen." Der 4. Bandscheibenvorfall eine Alibifunktion? Meine Darstellung des Arbeitsplatzes wurde nicht gewürdigt, im Gegenteil mir wurde ohne weitere Überprüfung unterstellt zu lügen. Der Schluß, dass es am Arbeitsplatz liegen könnte wurde erst gar nicht in Betracht gezogen, wäre hier aber eine weitere logische Möglichkeit.

    So habe ich mittlerweile meine 2. Personenbedingte Kündigung (beide Krankheitsbedingt) erhalten.

    Die erste Kündigung wurde 2004 ausgesprochen. Erstmals stellte das Verwaltungsgericht Kassel (2007) und der HessVGH (2008) Ungereimtheiten und Unwahrheiten bei dem Vortrag des Arbeitgebers fest. Hieraus folgte die Aufhebung der Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt, da nach Ansicht dieser beiden Gerichte, das Integrationsamt dieses hätte prüfen müssen um eine Ermessensentscheidung überhaupt treffen zu können. Nachdem das Verwaltungsgericht die Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt aufgehoben hatte, arbeitsrechtlich ging der Prozess zuvor verloren, musste das LAG sein eigenes Urteil wieder aufheben und so wurde ich ab 2009, nach 5 Jahren, 4 Jahren davon "HartzIV", weiter beschäftigt. Die Klage zum Lohn für diese Zeit, und somit auch für die Rentenbeiträge, läuft noch vor dem BAG.

    Die 2. Kündigung wurde dann 2012 ausgesprochen. Am 29.10.2013 findet am LAG Frankfurt die nächst Verhandlung statt. In dieser Verhandlung soll die Kündigungsschutzklage zusammen mit einer von mir zusätzlich eingereichten Klage auf Schadensersatz, Schmerzensgeld u.w. (Mobbing geht ja nicht) zusammen verhandelt werden. Erstinstanzlich wurden beide Klagen abgewiesen. Auch jetzt zeigt die Gegenseite nur ein Interesse an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

    Der Volkswirtschaftliche Schaden ist immens. Zu nennen wären hier die öffentlichen Kassen für Arbeitslosengeld und Leistungen nach SGB II, die Krankenkasse (Krankengeld und Krankenhausaufenthalte) als auch für die Rentenkasse (mittlerweile 4 Reha-Maßnahmen - 2001/3 Wochen, 2002/10 Wo., 2004/5 Wo., 2010/4 Wo.), aber auch mein Arbeitgeber mit Lohnfortzahlung und Prozesskosten, ganz abgesehen von dem Aufwand für BEM und andere interne Besprechungen und (Pseudo-)Maßnahmen.

    Der private finanzielle Schaden ist kaum noch zu beziffern bzw. nicht mehr zu überschauen. Es fehlen Beiträge zur Rentenversicherung als auch zur betrieblichen Altersversorgung. Meine private Altersversorgung musste mit Verlusten aufgelöst werden um Leistungen nach SGB II zu erhalten. Hinzu kommt neben der Scheidung auch die Entwicklung (inklusive der Ausbildung) meiner Kinder. Mein gesundheitlicher Zustand, sowohl orthopädisch als auch psychisch, hat sich in der Zeit erheblich verschlechtert. Vorher hatte ich keine Behinderung und bin über 20 und 30 GdB nun bei 40 GdB (Stand 03/2011). GdB heißt schließlich dauerhafte Funktionseinbuße.

    Ich bin gespannt, welche Auswirkung das Urteil in dem es hier geht, auf meine Verhandlung haben wird. Es wird Zeit das sich etwas tut. Ich bin nicht behindert, sondern werde behindert und krank gemacht!

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