22.04.2025 A: Sozialrecht Von Drygalski: Beitrag A4-2025

Geschützte Beschäftigung in Deutschland – Die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) im Lichte von Art. 27 Abs. 1 UN-BRK

Clarissa von Drygalski befasst sich in diesem Beitrag mit den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) im Lichte des in Art. 27 UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), der das Recht auf Arbeit für Menschen mit Behinderungen konkretisiert. Dabei geht sie vor dem Hintergrund des besonderen Doppelcharakters der Beschäftigung in einer WfbM zunächst auf deren rechtliche Ausgestaltung ein. Anschließend nimmt sie die Hemmnisse bei der Förderung des Übergangs aus der WfbM in eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in den Blick und gibt einen abschließenden Ausblick.

(Zitiervorschlag: Von Drygalski: Geschützte Beschäftigung in Deutschland – Die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) im Lichte von Art. 27 Abs. 1 UN-BRK; Beitrag A4-2025 unter www.reha-recht.de; 22.04.2025)

I. Einleitung

In Deutschland arbeiten über 310.000 Werkstattbeschäftigte in mehr als 700 Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Gem. § 219 Abs. 1 S. 1 SGB IX sind WfbM Einrichtungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie bieten denjenigen Menschen mit Behinderungen Beschäftigung, die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können (§ 219 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Im Oktober 2023 veröffentlichte der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Fachausschuss) zum zweiten Mal seine Abschließenden Bemerkungen (Concluding Observations) zu Deutschland.[1] Diese machen mit Blick auf Art. 27 UN-BRK deutlich, dass weiterhin Reformbedarf an dem deutschen Werkstättensystem besteht. Kritisiert wurde, ähnlich wie in den Abschließenden Bemerkungen von 2015,[2] die hohe Beschäftigungszahl von Menschen mit Behinderungen in WfbM und ihre segregierenden Strukturen, die insbesondere durch die geringe Übergangsquote in den allgemeinen Arbeitsmarkt sichtbar werden. Der Fachausschuss betonte erneut die Wichtigkeit von Fördermaßnahmen, um die Durchlässigkeit zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu steigern. Die Abschließenden Bemerkungen von 2023 bilden eine Ergänzung zu jenen von 2015. Die damals aufgestellten und noch nicht umgesetzten Forderungen des Fachausschusses bleiben weiterhin gültig. Zusammen mit seinen Allgemeinen Bemerkungen Nr. 6 (General Comment) zu Art. 5 UN-BRK[3] und Nr. 8 zu Art. 27 UN-BRK[4] macht der Fachausschuss deutlich, dass WfbM keine Form fortschrittlicher Umsetzung des Rechts auf Arbeit von Menschen mit Behinderungen sind, sondern nur eine Brückenfunktion auf dem Weg zu einem inklusiven Arbeitsmarkt einnehmen können. Bis dahin müssen die Arbeitsbedingungen in WfbM konventionskonform ausgestaltet sein. Dazu gehört die sofortige Anwendung der Arbeitnehmerrechte sowie die Zahlung des Mindestlohns in WfbM.[5] Die Äußerungen des Fachausschusses sind zwar nicht bindend, stellen jedoch wichtige Interpretationshilfen der UN-BRK dar, die bei der Auslegung des nationalen Rechts zu beachten sind. Sie können zudem als Impulsgeber für eine Reform des Werkstättensystems dienen, welche mit der UN-BRK auch das EU-Recht und das Verfassungsrecht zu beachten hat.

Der Beitrag soll ausgewählte Probleme der rechtlichen Ausgestaltung der WfbM-Beschäftigung in Deutschland aufzeigen und mit Blick auf Art. 27 UN-BRK Veränderungspotenziale herausstellen.

II. Der besondere Doppelcharakter der WfbM-Beschäftigung

Für ein Verständnis der Schwierigkeiten, die die aktuelle Rechtslage in Bezug auf die WfbM offenbart, ist es wichtig, den Blick für den besonderen Doppelcharakter der WfbM-Beschäftigung zu schärfen. Diese wird durch verschiedene gesetzliche Aufträge flankiert, die in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Die WfbM ist zum einen eine Rehabilitationseinrichtung. Deren wesentliches Ziel ist, durch Anleitung und Begleitung die Leistungsfähigkeit sowie die Persönlichkeit der Beschäftigten weiterzuentwickeln, um so die Voraussetzungen für eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu erreichen (§ 58 Abs. 2, § 219 Abs. 1 SGB IX). Zum anderen ist die WfbM ein Wirtschaftsunternehmen, das in die Prozesse des Arbeitsmarktes eingebunden ist, Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis zahlt und in dem die Eingliederung in Arbeit selbst erfolgen kann (vgl. § 219 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 221 Abs. 2 SGB IX, § 12 Abs. 3 WVO). Die Ambivalenz zeigt sich auch an den Zugangsvoraussetzungen. Menschen mit Behinderungen haben nur dann einen Rechtsanspruch auf Beschäftigung in einer WfbM, sofern sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungbereich ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen können (§ 219 SGB IX Abs. 2).[6] Der Doppelcharakter führt dazu, dass die Arbeit in der WfbM zugleich als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 56, 58 SGB IX) wie auch als Arbeit in einem Beschäftigungsverhältnis (§§ 219 Abs. 2, 221 Abs. 1 und 3 SGB IX) einzuordnen ist.[7]

III. Das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis gem. § 221 Abs. 1 SGB IX – Status Quo und Veränderungspotenzial

Das Spannungsverhältnis der Beschäftigung in der WfbM führt nach aktueller Rechtslage zu Unsicherheiten in der rechtlichen Beurteilung des Status der Beschäftigten sowie der daraus abzuleitenden Rechtsfolgen.

Aktuell werden Werkstattbeschäftigte ohne tiefergehende Prüfung in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis beschäftigt, das mehrere strukturelle Benachteiligungen mit sich bringt. So erhielten sie 2022 beispielsweise nur ein monatliches Arbeitsentgelt von 222 Euro, was deutlich unter dem Mindestlohn liegt. Zwar sind sie in die Sozialversicherung einbezogen, jedoch von der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen und gelten pauschal als voll erwerbsgemindert.

Diese Rechtslage steht im Widerspruch zu den Anforderungen des Art. 27 UN-BRK, nach denen die weitestmögliche Gleichstellung der WfbM-Beschäftigten mit regulären Arbeitnehmern zu gewährleisten ist. Nach diesem Grundsatz ist daher in der WfbM-Beschäftigung grundsätzlich Arbeits- und Sozialversicherungsrecht anzuwenden, sofern es den rehabilitativen Teilhabezielen der Beschäftigung nicht im Wege steht. Dies umfasst die Anwendung des Mindestlohngesetzes, sowie eine Einbeziehung der Beschäftigten in alle Zweige der Sozialversicherung. Darüber hinaus fordert die UN-BRK eine kritische Auseinandersetzung mit den Begriffsbestimmungen von Erwerbsfähigkeit und Erwerbsminderung, deren abstrakte und starre Konzeption dem Ziel eines inklusiven Arbeitsmarktes entgegenwirkt.

Im Ergebnis wird deutlich, dass das bestehende System dringender Reformen bedarf, um Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben i. S. d. UN-BRK zu ermöglichen.

Ausführlich wird die Thematik in der ungekürzten Version dieses Beitrags behandelt.[8]

IV. Hemmnisse beim Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt

Seit der Fachausschuss in seinen Abschließenden Bemerkungen 2015 die Segregation in WfbM und die geringen Übergänge in den allgemeinen Arbeitsmarkt kritisiert hatte, wurden mit dem Budget für Arbeit (§ 60 SGB IX) sowie dem Budget für Ausbildung (§ 60a SGB IX) Instrumente geschaffen, die die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im allgemeinen Arbeitsmarkt fördern und Übergänge aus der WfbM erleichtern sollen. Daneben wurde als weiterer Anreiz zur Beschäftigung Schwerbehinderter die Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber erhöht, die trotz Beschäftigungspflicht keine oder zu wenige schwerbehinderten Menschen beschäftigen (§ 160 SGB IX). Die Neuerungen ergänzen die bereits bestehenden Förderinstrumente der Unterstützten Beschäftigung (§ 55 SGB IX) und der Inklusionsbetriebe (§ 215 SGB IX). Auch bieten aus der WfbM ausgelagerte Arbeitsplätze (§ 219 Abs. 1 S. 5, 6 SGB IX) Potenziale des Übergangs. Dennoch stagniert die Übergangsquote aus der WfbM bei unter 1 %, was vom Fachausschuss 2023 mit erneuter Kritik quittiert wurde.[9] Daneben prangerte der Fachausschuss bereits 2015 finanzielle Fehlanreize an, die den Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt behindern würden und forderte, bei einem Wechsel keine Minderung des sozialen Schutzstandards zuzulassen. Derartige Übergangshemmnisse bestehen, trotz Verbesserungen durch die vergangenen Reformen, weiterhin. Die Sorgen der Beschäftigten über eine finanzielle Schlechterstellung bei Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt betreffen insbesondere die rentenrechtlichen Nachteilsausgleiche, die an die Beschäftigung in der WfbM geknüpft sind. Gelingt der Übergang ohne oder mit Hilfe des Budgets für Arbeit, entfällt in der neuen Beschäftigung die Aufstockung der Rentenbeiträge (§ 162 Nr. 2 SGB VI). Bei einer Vergütung zu Mindestlohnkonditionen wird zwar ein höheres Entgelt erreicht, doch das vorherige Niveau der Beitragszahlungen unterschritten. Dies führt zu niedrigeren Rentenanwartschaften und folglich zu niedrigeren Rentenzahlungen als bei Verbleib in der WfbM. Weitere rentenrechtliche Unsicherheiten bestehen im Verhältnis der Nutzung des Budgets für Arbeit und dem Status der vollen Erwerbsminderung. Solange die Voraussetzungen der vollen Erwerbsminderung gegeben sind, bleiben Ansprüche auf Erwerbsminderungsrente bestehen bzw. läuft die 20-jährige Wartezeit für den Anspruchserwerb (§ 43 Abs. 6 SGB VI) weiter. Erfolgt jedoch im Einzelfall eine vollständige Eingliederung in den Arbeitsmarkt (vgl. § 43 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB VI) entfallen die erworbenen Ansprüche und Anwartschaften.[10] Hier zeigt sich die Problematik, die durch die starre Einteilung in erwerbsfähig und erwerbsgemindert entstehen kann[11]. Art. 27 Abs. 1 UN-BRK fordert dazu auf, diese hemmenden Faktoren zu beseitigen. Eine Möglichkeit wäre, Nachteilsausgleiche nicht länger vom Arbeitsort WfbM abhängig zu machen, sondern diese personenzentriert zu leisten. Auf diese Weise ließe sich der soziale Schutzstandard – wie vom Fachausschuss gefordert – auch bei einem Wechsel in den allgemeinen Arbeitsmarkt aufrechterhalten. Würde die Beschäftigung in der WfbM zukünftig in Arbeitsverhältnissen mit Mindestlohnanspruch erfolgen, wäre das weitere Erfordernis der rentenrechtlichen Nachteilsausgleiche umfassend zu diskutieren. Eine mögliche Abschaffung erhöhter Beitragszahlungen sollte dann jedoch behinderungsbedingte Nachteile in der Alterssicherung auf der Leistungsseite, z. B. durch eine Reform des Grundrentenzuschlags, ausgleichen.

V. Ausblick

Der Fachausschuss hat in seinen Abschließenden Bemerkungen deutlich gemacht, dass die bisherigen Reformen zur geschützten Beschäftigung in Werkstätten noch nicht ausreichen, um den Anforderungen des Rechts auf Arbeit nach Art. 27 Abs. 1 UN-BRK zu genügen. Auch die Bundesregierung hat den Handlungsbedarf erkannt und eine empirische und rechtliche Studie durchgeführt, mit der die Möglichkeiten einer Neugestaltung des Entgeltsystems und der Verbesserung der Übergänge in den allgemeinen Arbeitsmarkt untersucht worden sind.[12] Auf der Grundlage der Studienergebnisse hat die Bundesregierung im September 2023 einen strukturierten Dialogprozess mit allen relevanten Akteuren begonnen, um die Weiterentwicklung der WfbM voranzutreiben. Der Empfehlung des Fachausschusses folgend, hat sie im Frühjahr 2024 einen Aktionsplan veröffentlicht, der weitere Reformschritte benennt. So soll das Entgelt verbessert und die Durchlässigkeit von der WfbM zum allgemeinen Arbeitsmarkt erhöht werden. Dafür soll u. a. eine Ausweitung des Nachteilsausgleichs der erhöhten Rentenbeiträge auf das Budget für Arbeit und eine Ausweitung der Unterstützten Beschäftigung erfolgen. Auch wird der wichtige Aspekt der beruflichen Bildung fokussiert, der im Hinblick auf mangelnde Wahlmöglichkeiten und Zugänglichkeit vom Fachausschuss kritisiert worden war.

Trotz geeigneter Ansätze der Reform sind insgesamt keine Anstrengungen erkennbar, dem Gleichstellungauftrag des Art. 27 Abs. 1 UN-BRK grundlegend gerecht werden zu wollen. Eine konventionskonforme Ausgestaltung der WfbM-Beschäftigung fußt auf dem Grundsatz einer Beschäftigung in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis, in dessen Folge grundsätzlich alle arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Schutzbestimmungen anzuwenden sind. Es ist davon auszugehen, dass bereits nach heutiger Rechtslage ein nicht unerheblicher Teil der WfbM-Beschäftigten die Kriterien einer Arbeitnehmereigenschaft erfüllt. Um die Werkstattbeschäftigung transparent und rechtssicher auszugestalten und sie in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu überführen, wäre die regelhafte Arbeitnehmerstellung in das Gesetz aufzunehmen. Der Doppelcharakter der WfbM erfordert im gleichen Zug eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob die arbeitsrechtlichen Regelungen das besondere Schutzbedürfnis der WfbM-Beschäftigten bereits ausreichend berücksichtigen oder ob es der Verankerung spezifischer Schutzvorschriften, z. B. im Schwerbehindertenrecht, bedarf. Abweichungen vom Arbeitsverhältnis in Bezug auf Rechtsstellung und Rechtsfolgen wären aufgrund des Rehabilitationszweckes der WfbM möglich, bedürften jedoch der Rechtfertigung, die den Maßstäben verfassungs-, europa- und völkerrechtlicher Diskriminierungsverbote genügen muss.

Literatur

Von Drygalski, C. (2020): Die Werkstatt für behinderte Menschen in der zweiten Staatenprüfung Deutschlands zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Beitrag D11-2020 unter www.reha-recht.de; 13.05.2020.

Von Drygalski, C. (2025): Geschützte Beschäftigung in Deutschland – Die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) im Lichte von Art. 27 Abs. 1 UN-BRK, in: Beyerlein/Dittmann/Welti (Hrsg.), Die Umsetzung der UN-BRK in Deutschland, Österreich und der Schweiz, kassel university press 2025 (im Erscheinen).

Engels, D.; Deremetz, A.; Schütz, H.; Eibelshäuser, S.; Pracht, A.; Welti, F.; von Drygalski, C. (2023): Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren Perspektiven auf dem allg. Arbeitsmarkt (BMAS-Schriftenreihe 626, 2023), 212.

Engels, D.; Deremetz, A.; Schütz, H.; Eibelshäuser, S.; Pracht, A.; Welti, F.; von Drygalski, C. (2024): Übergänge aus der Werkstatt für Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Beitrag D4-2024 unter www.reha-recht.de; 29.02.24.

Gagel, A. (2020): Sozialgesetzbuch II, Sozialgesetzbuch III – Grundsicherung und Arbeitsförderung; Kommentar, 79. Aufl. (zit.: Bearbeiter in: Gagel).

Mattern, L.; Rambausek-Haß, T., Wansing, G. (2021): Das Budget für Arbeit: Ausgewählte Ergebnisse einer explorativen Studie zu seiner Umsetzung, Teil II: Ausgestaltung und sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen. Beitrag D10-2021 unter www.reha-recht.de; 18.03. 2021.

Schmitt, L. (2018): Das Bundesteilhabegesetz auf dem Prüfstand der UN-Behindertenrechtskonvention. In: NZS 2018, S. 247–255.

Treffurth, J., von Drygalski, C., Welti, F.: Der Mindestlohnanspruch von WfbM-Beschäftigten; Beitrag B6-2023 unter www.reha-recht.de; 12.12.2023

Weinreich, B. (2016), Das Recht auf Arbeit: Realisierung und Defizite für Personen, die als nicht erwerbsfähig gelten, in: Bieback, Karl-Jürgen/Bögemann, Christoph u. a. (Hrsg.), Der Beitrag des Sozialrechts zur Realisierung des Rechts auf Gesundheit und des Rechts auf Arbeit für behinderte Menschen, Berlin, Münster 2016, S. 145–152.

Beitrag von Clarissa von Drygalski, Universität Kassel

Fußnoten

[1] CRPD/C/DEU/CO/2-3, 8.9.2023, zu Art. 27 unter Ziff. 61, 62, 75; vgl. zur zweiten Staatenprüfung und WfbM, v. Drygalski, Beitrag D11-2020, reha-recht.de.

[2] CRPD/C/DEU/CO/1, 17.04.2015, Ziff. 49, 50.

[3] CRPD/C/GC/6, 26.04.2018.

[4] CRPD/C/GC/8, 09.09.2022.

[5] CRPD/C/GC/6, 26.04.2018, Ziff. 67 lit. a); CRPD/C/GC/8 v. 09.09.2022, Ziff. 25, 27.

[6] Kritisch dazu mit Blick auf Art. 27 UN-BRK, Schmitt, NZS 2018, S. 252, Nebe in: Gagel, § 117 SGB III, Rn. 21 a.; Weinreich, 148 f.

[7] Engels/Deremetz/Schütz/Eibelshäuser/Pracht/Welti/von Drygalski (2023), Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren Perspektiven auf dem allg. Arbeitsmarkt, 212.

[8] V. Drygalski, in: Beyerlein/Dittmann/Welti (Hrsg.), Die Umsetzung der UN-BRK in Deutschland, Österreich und der Schweiz, kassel university press 2025 (im Erscheinen). Siehe auch Treffurth/von Drygalski/Welti, Beitrag B6-2023 unter www.reha-recht.de; 12.12.2023.

[9] CRPD/C/DEU/CO/2-3, 8.9.2023, Ziff. 61, 62.

[10] Vgl. Engels/Deremetz/Schütz/Eibelshäuser/Pracht/Welti/von Drygalski, Beitrag D4-2024, reha-recht.de, 6; Mattern/Rambausek-Haß/Wansing, Beitrag D10-2021, www.reha-recht.de, 7 ff.

[11] Vgl. hierzu v. Drygalski, in: Beyerlein/Dittmann/Welti (Hrsg.), Die Umsetzung der UN-BRK in Deutschland, Österreich und der Schweiz, kassel university press 2025 (im Erscheinen), Punkt 2. b) cc).

[12] Vgl. Engels/Deremetz/Schütz/Eibelshäuser/Pracht/Welti/von Drygalski.


Stichwörter:

UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), Reformbedarf, Allgemeiner Arbeitsmarkt, Art. 27 UN-BRK, Inklusive Arbeit


Kommentare (6)

  1. Clarissa von Drygalski
    Clarissa von Drygalski 06.05.2025
    Es ist allgemein anerkannt, dass ein Werkstattbeschäftigter gem. § 221 Abs. 1 SGB IX sowohl als Arbeitnehmer, als auch im arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis beschäftigt werden kann. In der Rechtspraxis werden Werkstattbeschäftigte jedoch i.d.R. ohne weitere Prüfung als arbeitnehmerähnlich im Sinne dieser Vorschrift angesehen. Diese Praxis lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des § 221 Abs. 1 SGB IX herleiten. Zudem widerspricht sie einer konventionskonformen Auslegung des § 221 Abs. 1 SGB IX nach Art. 27 Abs. 1 UN-BRK. Das Recht auf Arbeit nach Art. 27 UN-BRK beinhaltet ein weites Verständnis von Arbeit. Ziel ist die Gleichstellung im Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen mit Menschen ohne Behinderung. Beschäftigungsbedingungen sind zudem diskriminierungsfrei auszugestalten. Daraus ergibt sich eine grundsätzliche Vermutung für ein Arbeitsverhältnis. Die aktuelle Rechtspraxis steht daher nicht im Einklang mit den Vorgaben der UN-BRK.

    Eine rechtssichere Beurteilung ist nach der aktuellen Rechtslage nur im Einzelfall möglich und hat auf der Grundlage der vom BAG aufgestellten und in § 611a BGB enthaltenen Grundsätze zu erfolgen. Für eine Arbeitnehmereigenschaft spricht, wenn jemand aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages in den Diensten eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Die Merkmale des § 611a BGB werden i.d.R. erfüllt sein. Die Feststellung der Arbeitnehmerschaft ist jedoch stets im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Eine bedeutende Rolle kommt dabei der Gewichtung der rehabilitativen Maßnahmen der Beschäftigung zu. Kommt man im Einzelfall zu dem Ergebnis, dass diese ganz maßgeblich im Vordergund stehen, liegt kein Arbeitsverhältnis vor. Allein das Vorhandensein dieser Maßnahmen führt jedoch nicht automatisch zur Ablehnung eines Arbeitsverhältnisses. Zu berücksichtigen ist zudem, dass auch bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung die Rechte der UN-BRK zu beachten sind.

    Im Ergebnis ist festzustellen, dass weder die rehabilitative Komponente der Werkstattbeschäftigung, noch das zugrundeliegende Sozialleistungsverhältnis oder eine volle Erwerbsminderung im sozialrechtlichen Sinne (§ 43 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 SGB VI) die Ablehnung eines Arbeitsverhältnisses pauschal rechtfertigen können.
  2. Wolfgang
    Wolfgang 05.05.2025
    Das mag schon sein, dass die von Dirk verlinkte Studie „Bände spricht“. Jedenfalls geht der Siebte Senat des BAG in seinem kürzlichen Berich­ti­gungs­be­schluss vom 22.04.2025 – 7 ABR 36/23 – gerade nicht (mehr) von „Wähl­bar­keit“ aus – und folglich eben nicht von „Arbeitnehmern“: Dort wurde nämlich der falsche Rechtsbegriff „Wählbarkeit“ durch „Wahlrecht“ ersetzt von drei BAG-Bundesrichtern wegen „offenbarer Unrichtigkeit“ von Amts wegen.
    www.tinyurl.com/BAG-WfbM-Berichtigung
  3. Manfred Becker
    Manfred Becker 01.05.2025
    Meines Erachtens kommt es rechtlich nicht darauf an, ob jemand mehr Leistung erbringt als "ein Mindestmaß wirtschaftlicher Leistung", damit ihm/ihr ein Recht auf Mindestlohn zusteht. Im Budget für Arbeit wird ja auch von einer vollen Erwerbsminderung ausgegangen und von einem Lohnkostenzuschuss bis zu 75 %. Durch die Förderung wird dann der Mindestlohn erreicht. Die Äußerungen des UN-Fachausschusses und der Art. 27 UN-BRK lassen sich ohne weiteres so deuten, dass praktisch jedem im Arbeitsbereich der Werkstatt einen Mindestlohn zusteht. So lese ich auch die Entgeltstudie für das BMAS.

    Warum dies nicht umgesetzt wird, kommentierte neulich noch zum Koalitionsvertrag in der Süddeutschen der ehemalige Behindertenbeauftragte Hüppe von der CDU „Die wollen Inklusion nicht. Denn Inklusion ist schlecht für das Geschäft.“ mit "die" sind die Werkstätten gemeint.

    In der Entgeltstudie wird auch eine volkswirtschaftliche Rechnung aufgestellt, wie viel es kosten würde, jedem/r im Arbeitsbereich einen Mindestlohn zu zahlen. durch Einsparungen bei diversen anderen Sozialleistungen läge der Betrag bei etwa 500 Mio. jährlich. Allerdings wurden hier nicht alle im Arbeitsbereich einbezogen. Angesichts hunderttausender betroffener Personen, der erheblichen Vereinfachung des Übergangs in eine betriebliche Beschäftigung und möglicher positiver gesundheitlicher um volkswirtschaftliche Effekte scheint mir das nicht furchtbar viel.
  4. Clarissa von Drygalski
    Clarissa von Drygalski 01.05.2025
    Die wenigen „jüngeren“ Entscheidungen der Rechtsprechung – neben der des AG Koblenz –, die zu dieser Thematik bestehen oder veröffentlich wurden, sahen die Voraussetzungen für ein Arbeitsverhältnis als nicht erfüllt an und gingen daher vom Vorliegen eines arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses aus. Als Begründungen wurden u.a. ein gemindertes Leistungsvermögen (LAG Baden-Württemberg, 26.01.2009 - 9 Sa 60/08) eine fehlende Verpflichtung zur Arbeitsleistung (LAG Berlin 12.03.1990 - 9 TaBV 1/90; ArbG Hamm, 17.08.1999 - 1 Ca 2512/98 L) und ein im Vordergrund stehender Rehabilitationszweck der Beschäftigung (LAG Schleswig-Holstein, 11.01.2016 - 1 Sa 224/15; BSG, 10.05.2007 - B 7a AL 30/06 R) angeführt.

    Die Gerichte setzten sich jedoch zu wenig mit den inhaltlichen Anforderungen des Art. 27 Abs. 1 UN-BRK auseinander und berücksichtigten nicht, dass das Diskriminierungsverbot aus Art. 27 Abs. 1 Abs. 2 lit. a) i.V.m. Art. 5 Abs. 2 UN-BRK unmittelbar anwendbar im deutschen Recht ist.
  5. Dirk
    Dirk 24.04.2025
    Wenn man davon ausgeht, dass 25% der Werkstattbeschäftigten mit einer rein psychischen Erkrankung in den Werkstätten arbeiten und man davon ausgehen kann, dass in etwa die Hälfte dieses Personenkreises durchaus ihre Situation mit Unterstützung und Förderung verbessern, ja überwinden könnten, dann ist man in konservativen Berechnungen bei mindestens 10% Werkstattbeschäftigten ("nicht unerheblicher Teil"), die definitiv Arbeitnehmereigenschaften erfüllen und auch recht gut vermittelt werden könnten.

    Die derzeitige Vermittlungsquote stagniert bei 0,3%-0,4%, was nicht einmal ein Bruchteil dieses Potentials ist - mir stellt sich also immer wieder die Frage, warum man - insbesondere politisch! - seit Jahren in dieser Frage rumeiert. Die Arbeitnehmereigenschaft (mit Schutzrechten!) und ein konsequenterweise folgender Mindestlohn wäre ein wichtiger Schritt, den die Politik leider nicht gehen möchte.

    Sobald ein Werkstattbeschäftigter den Mindestlohn/Arbeitnehmerstatus erfolgreich eingeklagen würde (da sind die Aussichten grundsätzlich sehr gut, das bezweifelt kaum jemand), dann käme Bewegung in die Sache und die Politik müsste reagieren.

    (Ich schreibe diese Zeilen nicht als Jurist, kenne aber unzählige meiner Kollegen aus den Werkstätten, bei denen ich in keiner Weise den Anflug eines Zweifels habe, dass die "vollwertige Arbeitnehmer" sind und angemessen bezahlt werden müssten)

    https://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/Forschungsberichte/fb626-entgeltsystem-wfbm.html

    ...die Studie sprach Bände.
  6. Wolfgang
    Wolfgang 22.04.2025
    Die „Unterstellung“, dass nach derzeitiger Rechtslage „ein nicht unerheblicher Teil der WfbM-Beschäftigten die Kriterien einer Arbeitnehmereigenschaft erfüllt, halte ich für gewagt. Woraus soll das denn zwingend folgen? Der gegenteiligen Einzelmeinung des ArbG Koblenz, 09.08.2002, 2 Ca 447/02, ist die ober- und höchstrichterliche Rspr. jedenfalls nicht gefolgt, soweit ersichtlich, oder?
    https://dejure.org/2002,21115

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