Stufenweise Wiedereingliederung (StW)
Sind leistungsberechtigte Beschäftigte krankheitsbedingt arbeitsunfähig, können sie mit dem Instrument der Stufenweisen Wiedereingliederung (StW) nach § 44 SGB IX schrittweise an die volle Leistungsfähigkeit in ihrer bisherigen Beschäftigung herangeführt werden.
Die Stufenweise Wiedereingliederung ist eine Leistung der medizinischen Rehabilitation. Sie gehört zur Leistungsgruppe 1, gemäß der Gliederung in § 5 SGB IX, der Leistungen zur Teilhabe an der Gesellschaft benennt. Zuständige Rehabilitationsträger für Leistungen der Gruppe 1 sind in § 6 SGB IX aufgezählt.
Voraussetzungen für eine Stufenweise Wiedereingliederung sind neben der bestehenden Arbeitsunfähigkeit ein Restleistungsvermögen und eine günstige Prognose in Bezug auf den Erfolg einer Wiedereingliederungsmaßnahme. Der Erfolg ist dabei nicht an eine vollständige Wiederherstellung der Arbeitskraft geknüpft.
Gerade in Betrieben oder Dienststellen, die ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) praktizieren, wird die Stufenweise Wiedereingliederung häufig als Mittel zur Rückkehr ausgewählt.
Durchführung
Im Rahmen der Stufenweisen Wiedereingliederung kann nicht nur, wie vielfach angenommen, die Arbeitszeit, sondern können ebenso schrittweise die Arbeitsinhalte geändert werden.
Zunächst ist ärztlich festzustellen, welche Tätigkeiten die/der Beschäftigte in welchem Umfang ausführen kann. In einem Stufenplan legen alle Beteiligten – bei optimaler Durchführung zählen hierzu die erkrankte Mitarbeiterin bzw. der erkrankte Mitarbeiter, deren/dessen Arbeitgeber, die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt, die Arbeitnehmervertretung, der Rehabilitationsträger, ggf. der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) sowie die Betriebsärztin bzw. der Betriebsrzt – gemeinsam fest, wie diese Arbeitsbelastung schrittweise gesteigert werden kann. Befürchtete Überforderungen der zurückkehrenden Beschäftigten werden vermieden, indem die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt unter Beachtung der körperlichen, geistigen und seelischen Fähigkeiten der/des Betroffenen die zu vermeidenden arbeitsbedingten Belastungen definiert. Dabei ist auf die die bisherige Tätigkeit prägenden Bedingungen abzustellen.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Während der Phase der Wiedereingliederung stehen die/der Beschäftigte und deren/dessen Arbeitgeber in einem Rechtsverhältnis mit gesonderten rechtlichen Rahmenbedingungen. Zwischen beiden ist eine Vereinbarung zu schließen. Die Rechtsnatur dieser Vereinbarung ist umstritten. Vorliegend wird vertreten, dass es sich um ein Rechtsverhältnis eigener Art handelt, wonach weder eine Beschäftigungs- noch eine Entgeltzahlungspflicht vonseiten des Arbeitgebers besteht. Zugleich ist die/der Beschäftigte nicht verpflichtet, seine bzw. ihre Arbeitsleistung zu erbringen – die Tätigkeit dient ausschließlich therapeutischen Zwecken.
Es bietet sich an, den arbeitsrechtlichen Status des/der Wiedereinzugliedernden in einer Integrations- oder Betriebsvereinbarung zu regeln. Die Nebenpflichten bleiben unverändert bestehen.
Sozialleistungsträger müssen sowohl die Beschäftigten als auch die Betriebe unterstützen.
Während der Stufenweisen Wiedereingliederung kann die/der Beschäftigte einen Anspruch auf weitere ergänzende Leistungen nach § 64 SGB IX haben. Dazu zählen u. a. Ansprüche auf
- Krankengeld (§§ 64 Abs. 1 Nr. 1, 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX i. V. m. §§ 44 ff. SGB V)
- Verletztengeld (§§ 64 Abs. 1 Nr. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX i. V. m. §§ 45 ff. SGB VII)
oder - Übergangsgeld (§§ 64 Abs. 1 Nr. 1, 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX i. V. m. §§ 20 f. SGB VI).
- Reisekosten (Fahrkosten; § 64 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 73 SGB IX)
Darüber hinaus kann ein Anspruch auf Arbeitslosengeld im Rahmen der Nahtlosigkeitsvorschrift des § 145 SGB III bestehen. Ebenso bleiben die in der Stufenweisen Wiedereingliederung Beschäftigten in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung versichert.
Arbeitgeber- und Mitwirkungspflichten
Umstritten ist, ob Arbeitgeber und arbeitsunfähige Beschäftigte dazu verpflichtet sind, an einer Stufenweisen Wiedereingliederung mitzuwirken. Im Rahmen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und unter dem Blickwinkel, dass dieser durch die Maßnahme weder finanziell noch in seiner betrieblichen Personaldisposition belastet ist, ist eine Duldungspflicht des Arbeitgebers anzunehmen. Für Beschäftigte mit einer Schwerbehinderung sei auf das besondere Recht aus § 167 SGB IX und die damit einhergehenden Pflichten des Arbeitgebers hingewiesen
Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Durchführung einer Stufenweisen Wiedereingliederung ist gesetzlich nicht verankert. Arbeitgeber sind jedoch verpflichtet Beschäftigten, die länger als 6 Wochen innerhalb von 12 Monaten arbeitsunfähig sind, ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten.
(Quellen: Winkler in: Deinert/Welti, StichwortKommentar Behindertenrecht, Stufenweise Wiedereingliederung)
Ergänzung:
Der Bezug von Arbeitslosengeld-I oder Arbeitslosengeld-II steht der Stufenweisen Wiedereingliederung nicht entgegen, sofern das frühere Beschäftigungsverhältnis noch besteht und nicht gekündigt ist.
Stand: 18.12.2020
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