Teilhabeplan und Gesamtplan
Leistungsberechtigte sollen auch in komplexen Bedarfslagen Teilhabe- und Rehabilitationsleistungen wie aus einer Hand erhalten. Zu diesem Zweck wurden mit dem Bundesteilhabegesetz zum 1. Januar 2018 neue Vorschriften zur Koordinierung der Leistungen (§§ 14–24 SGB IX) durch die Rehabilitationsträger eingeführt. Diese beinhalten Regelungen zur trägerübergreifenden Zusammenarbeit und zur Verwendung von standardisierten Verfahren und Instrumenten bei der Bedarfsermittlung.
Nur ein Träger ist als „leistender Träger“ bei trägerübergreifenden Teilhabeleistungen zuständig, Mehrfachbegutachtungen durch verschiedene Träger sollen damit vermieden und das Verfahren für die Beteiligten insgesamt transparenter werden. Ziel des Teilhabeplans nach § 19 SGB IX ist die Schaffung einer gemeinsamen Kommunikationsgrundlage der beteiligten Reha-Träger und die Orientierung an einheitlichen Standards im Rahmen der Bedarfsermittlung.
Der Teilhabeplan ist zu erstellen, wenn mehrere Reha-Träger und/oder Leistungen mehrerer Leistungsgruppen erforderlich sind, um eine Leistung zu erbringen. Auch wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, ist ein Teilhabeplan zu erstellen, wenn Leistungsberechtigte dies wünschen. Es liegt in der Verantwortung des leistenden Reha-Trägers (nach § 14 SGB IX), die voraussichtlich erforderlichen Leistungen in Abstimmung mit den beteiligten Reha-Trägern und den Leistungsberechtigten hinsichtlich Ziel, Art und Umfang funktionsbezogen festzustellen und sie schriftlich oder elektronisch so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinandergreifen. Die Reha-Träger legen den Teilhabeplan bei der Entscheidung über den Antrag zugrunde. Der Teilhabeplan muss dazu innerhalb der maßgeblichen Frist für die Entscheidung über den Antrag erstellt werden.
Der Teilhabeplan dokumentiert:
- den Tag des Antragseingangs, das Ergebnis der Zuständigkeitsklärung und die Beteiligung weiterer Träger,
- die Feststellungen über den individuellen Rehabilitationsbedarf auf Grundlage der Bedarfsermittlung sowie
- die hierfür eingesetzten Bedarfsermittlungsinstrumente,
- die gutachterliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit zu Notwendigkeit, Art und Umfang von Leistungen unter Berücksichtigung arbeitsmarktlicher Zweckmäßigkeit (nach § 54 SGB IX) auf Anforderung eines anderen Reha-Trägers)
- die Einbeziehung von Diensten und Einrichtungen im Rahmen der Leistungserbringung,
- erreichbare und überprüfbare Teilhabeziele und deren Fortschreibung,
- die Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 8 SGB IX, insbesondere im Hinblick auf die Ausführung von Leistungen durch ein Persönliches Budget,
- die Dokumentation der einvernehmlichen, umfassenden und trägerübergreifenden Feststellung des Rehabilitationsbedarfs in den Fällen nach § 15 Abs. 3 S. 1 SGB IX,
- die Ergebnisse der Teilhabeplankonferenz nach § 20 SGB IX,
- die Erkenntnisse aus den Mitteilungen der nach § 22 SGB IX einbezogenen anderen öffentlichen Stellen (Pflegekassen, Integrationsämter, Jobcenter, Betreuungsbehörde) und
- die besonderen Belange pflegender Angehöriger bei der Erbringung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation.
Zur gemeinsamen Beratung kann eine Teilhabeplankonferenz durchgeführt werden (§ 20 SGB IX). Sie hat das Ziel die Partizipation der Leistungsberechtigten sowie die Zusammenarbeit der beteiligten Akteure zu verbessern. Auf Wunsch der Leistungsberechtigten können Bevollmächtigte, Beistände und andere Vertrauenspersonen sowie auf Wunsch oder mit Zustimmung des Leistungsberechtigten auch beteiligte Leistungserbringer teilnehmen. Die Ergebnisse der Konferenz sind im Teilhabeplan ebenfalls zu dokumentieren. Wird von dem Vorschlag der Leistungsberechtigten zur Durchführung einer Teilhabeplankonferenz abgewichen, muss die Ablehnung begründet werden.
Die Leistungsberechtigten erhalten das Recht auf Einsichtnahme in den Teilhabeplan, um mitwirken und ihre Rechte besser durchsetzen zu können. Es kann von den Leistungsberechtigten auch beantragt werden, dass ein anderer als der leistende Reha-Träger die Verfahrensleitung übernimmt.
Ist der für den Teilhabeplan verantwortliche Reha-Träger ein Träger der Sozialhilfe bzw. der Eingliederungshilfe, so gelten für ihn nach § 121 SGB IX ergänzend die Vorschriften für das Gesamtplanverfahren, seit 1. Januar 2018 geregelt in den §§ 141 ff. SGB XII bzw. ab 1. Januar 2020 in den §§ 117 ff. SGB IX. Der Gesamtplan ist auch bei Einzelleistungen der Eingliederungshilfe zu erstellen. Das Gesamtplanverfahren ist ein Gegenstand des Teilhabeplanverfahrens. Auch hierbei sind die Leistungsberechtigten in allen Verfahrensschritten zu beteiligen, auf Verlangen des Leistungsberechtigten auch eine Person ihres Vertrauens. Die Instrumente der Bedarfsermittlung sollen sich beim Gesamtplan an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) orientieren. Der Träger der Sozialhilfe bzw. der Eingliederungshilfe kann eine Gesamtplankonferenz zur Sicherstellung der Leistung durchführen. Zur Durchführung der einzelnen Leistungen stellt der Träger der Sozialhilfe einen Gesamtplan auf, der neben den Inhalten des Teilhabeplans (s.o.) folgende Inhalte enthält:
- die im Rahmen der Gesamtplanung eingesetzten Verfahren und Instrumente sowie die Maßstäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle einschließlich des Überprüfungszeitpunkts,
- die Aktivitäten der Leistungsberechtigten,
- die Feststellungen über die verfügbaren und aktivierbaren Selbsthilferessourcen des Leistungsberechtigten sowie über Art, Inhalt, Umfang und Dauer der zu erbringenden Leistungen,
- die Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 9 SGB XII im Hinblick auf eine pauschale Geldleistung und
- die Erkenntnisse aus vorliegenden sozialmedizinischen Gutachten.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) hat aufgrund der neuen Regelungen zur Teilhabeplanung und zur Bedarfsermittlung die „Gemeinsame Empfehlung Reha-Prozess“ umfassend überarbeitet und im Februar 2019 veröffentlicht.
Quellen:
Glossareintrag: Trägerübergreifende Bedarfsfeststellung
Thema: Teilhabeplanung und Bedarfsermittlung
Fachbeiträge:
- Rambausek-Haß/Beyerlein: Beitrag D28-2018, Beitrag D29-2018
- Fuchs: Beitrag A16-2018, Beitrag A17-2018
- Fuchs: Beitrag D50-2017
- Heinisch: Beitrag D13-2017
- Luik: Beitrag D21-2014
- Fuchs: Beitrag C2-2013
Sonstige:
- DVfR-Stellungnahme vom 14.08.2017: ICF-Nutzung bei der Bedarfsermittlung, Bedarfsfeststellung, Teilhabe- und Gesamtplanung im Kontext des Bundesteilhabegesetzes
- Projekt Umsetzungsbegleitung BTHG: Fragen zum Teilhabeplan und zum Gesamtplanverfahren im BTHG-Kompass
- REHADAT-Informationssystem: Lexikon zu Begriffen Teilhabeplan und Gesamtplan
- BAG WfbM: Teilhabeplanverfahren und Gesamtplan unter Fragen und Antworten zum Bundesteilhabegesetz (BTHG)
- BAR: Bundesteilhabegesetz Kompakt, Teilhabeplanung (PDF)
Stand: 12.11.2019
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