15.09.2021 Daten, Fakten, Statistiken

Betriebliches Eingliederungsmanagement in Deutschland zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Nur eine Minderheit der berechtigten Erwerbstätigen erhält vom Arbeitgeber ein adäquates Angebot, ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen. Zu diesem Schluss kommt eine Sekundäranalyse auf Basis der Erwerbstätigenbefragung 2018 des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).

Die Daten aus der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 basieren auf repräsentativen computergestützten telefonischen Befragungen (CATI) von 20.012 Erwerbstätigen in Deutschland. Die Befragungen erfolgten nach dem Zufallsprinzip.

Die Sekundäranalyse von Prof. Dr. Alfons Hollederer vom Fachgebiet Theorie und Empirie des Gesundheitswesens der Universität Kassel zielte darauf, die Umsetzung des gesetzlich vorgeschriebenen BEM bei mindestens sechswöchiger Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines Jahres zu analysieren und Prädiktoren (Vorhersagevariablen) zu identifizieren.

Ergebnisse:

Von den 1.367 BEM-berechtigten Erwerbstätigen haben 40 % ein BEM-Angebot vom Arbeitgeber erhalten und 27 % in Anspruch genommen. Im Öffentlichen Dienst berichtet die Hälfte der berechtigten Erwerbstätigen, ein BEM-Angebot erhalten zu haben. Bei BEM-Berechtigten im Alter unter 30 Jahren, bei Entlassungsgefahr oder bei Befristung wird außerordentlich selten BEM angeboten. BEM-berechtigten Erwerbstätigen mit amtlich anerkannten Behinderungen oder in Betrieben mit Betriebs-/Personalrat wird dagegen überproportional häufig ein BEM angeboten.

Für BEM-berechtigte Erwerbstätige von Betrieben mit mittlerer Größe gibt es im Vergleich zu Kleinbetrieben der Analyse zufolge eine fast halbierte Wahrscheinlichkeit, ein BEM-Angebot zu erhalten. Je höher der Ausbildungsabschluss der Erwerbstätigen ist, desto wahrscheinlicher scheint ein BEM-Angebot zu sein.

In Betrieben, in denen die Erwerbstätigen weniger oder nicht zufrieden mit ihrer Arbeit insgesamt sind, konstatiert Prof. Hollederer eine nahezu halbierte Chance auf ein BEM-Angebot. Die Chance für ein BEM-Angebot ist in Betrieben, die auch betriebliche Gesundheitsförderung durchführen, mehr als dreimal höher als in Betrieben ohne Gesundheitsförderung.

Die Auswertung machte außerdem Zusammenhänge zwischen einem BEM-Angebot und den unterschiedlichen Dauern der Langzeit-Arbeitsunfähigkeit sichtbar.

Der Autor schlussfolgert: „Nur eine Minderheit der BEM-berechtigten Erwerbstätigen erhält ein BEM-Angebot, das hochgradig mit der gesundheitsförderlichen Unternehmenskultur und Arbeitszufriedenheit korrespondiert.“

Zu den Studienergebnissen ist ein Artikel in englischer Sprache im Journal of Occupational Health veröffentlicht, er kann online kostenlos abgerufen werden:

Hollederer, A. (2021). Prevalence and utilization of company integration management in Germany: Results of the 2018 BiBB/BAuA survey of employed persons. J Occup Health. 2021;63:e12276. Open Access: https://doi.org/10.1002/1348-9585.12276

(Quelle: Hollederer, Journal of Occupational Health)


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