07.08.2018 Rechtsprechung

BGH-Urteil: Sozialleistungsträger müssen umfassend über Ansprüche beraten

Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil besondere Beratungs- und Betreuungspflichten für die Sozialleistungsträger festgestellt. In der Rechtssache ging es um das frühzeitige Erkennen eines Anspruchs auf Erwerbsunfähigkeitsrente.

„Eine umfassende Beratung des Versicherten ist die Grundlage für das Funktionieren des immer komplizierter werdenden sozialen Leistungssystems“, formuliert der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in seinem Urteil vom 2. August 2018 – III ZR 466/16. In der Entscheidung hatte er sich mit den Anforderungen an die Beratungspflicht des Sozialhilfeträgers bei deutlich erkennbarem Beratungsbedarf in einer wichtigen rentenversicherungsrechtlichen Frage zu befassen.

Rentenanspruch

Der 1984 geborene Kläger hatte eine Förderschule für geistig Behinderte besucht und danach an berufsbildenden Maßnahmen in einer Werkstatt teilgenommen. Anschließend war es ihm nicht möglich, ein seinen Lebensbedarf deckendes Erwerbseinkommen zu erzielen. Daher beantragte seine Mutter als Betreuerin im Dezember 2004 beim Landratsamt laufende Leistungen der Grundsicherung nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (gültig bis zum 31. Dezember 2004) beziehungsweise nach §§ 41 ff SGB XII (gültig ab dem 1. Januar 2005). Im Jahr 2011 wurde sie von einer neuen Sachbearbeiterin des Landratsamts erstmals darüber informiert, dass ihr Sohn Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung habe.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte auf entsprechenden Antrag des Klägers eine monatliche Erwerbsunfähigkeitsrente mit Wirkung ab 1. August 2011. In dem Rentenbescheid stellte sie unter anderem fest, dass die Voraussetzungen für den Rentenbezug bereits seit dem 10. November 2004 erfüllt gewesen seien.

Klage und Prozessverlauf

Der Kläger verlangte vom Sozialamt Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen der vom 10. November 2004 bis 31. Juli 2011 gewährten Grundsicherung und der ihm in diesem Zeitraum bei rechtzeitiger Antragstellung zustehenden Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das Landgericht gab der auf Zahlung von rund 50.000 Euro nebst Zinsen gerichteten Klage statt, auf die Berufung des Beklagten wies das Oberlandesgericht die Klage ab. Der III. Zivilsenat des BGH hob nun das Urteil des Oberlandesgerichts auf und hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Nach dem BGH sei unter den gegebenen Umständen zumindest ein Hinweis vonseiten des Amts notwendig gewesen, dass auch ein Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente in Betracht gekommen wäre:

„In einer solchen Situation musste ein mit Fragen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung befasster Sachbearbeiter des Sozialamts mit Blick auf die Verzahnung und Verknüpfung der Sozialleistungssysteme in Erwägung ziehen, dass bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze ein gesetzlicher Rentenanspruch wegen Erwerbsunfähigkeit bestehen konnte. Es war deshalb ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer Beratung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger geboten.“

Details und maßgebliche Vorschriften:

Mitteilung des BGH: Urteil des III. Zivilsenats vom 2. August 2018 – III ZR 466/16 –

(Quelle: Bundesgerichtshof)


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