01.10.2021 Daten, Fakten, Statistiken

BGW-Forschungsbericht über die Auswirkungen der Coronapandemie in der Behindertenhilfe

Die Auswirkungen der Pandemie auf Werkstätten für behinderte Menschen, Inklusionsbetriebe und Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation werden aus Sicht der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen. In einem neueren Forschungsbericht dokumentiert die BGW daher die Ergebnisse einer Befragung unter Menschen mit Behinderungen sowie unterstützenden Akteurinnen und Akteuren zu ihren Erfahrungen in der Ausnahmesituation der Corona-Krise.

Die Einschränkungen in der Corona-Pandemie – von Besuchsverboten bis hin zu Auftragseinbrüchen – trafen Werkstätten, Inklusionsbetriebe und Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation mit voller Wucht und hatten damit auch erhebliche Auswirkungen auf Menschen mit Behinderungen. In der Hochzeit der Corona-Berichterstattung habe es die Behindertenhilfe aber so gut wie nie in Leitartikel oder Nachrichtensendungen geschafft, so Prof. Dr. Stephan Brandenburg, Hauptgeschäftsführer der BGW im Vorwort des Forschungsberichts „Die Coronapandemie in der Behindertenhilfe – Auswirkungen, Probleme, Lösungen“.

Das Forschungsvorhaben hatte zum Ziel, Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen und den sie unterstützenden Akteurinnen und Akteuren zu dokumentieren, relevante Probleme zu analysieren und erfolgversprechende Lösungsansätze aufzuzeigen. Zu diesem Zweck führte das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH (ISG) leitfadengestützte Einzelinterviews und Gruppendiskussionen mit Menschen aus allen Bereichen der Behindertenhilfe durch. Mit „Behindertenhilfe“ sind dabei die unterschiedlichen Strukturen und Prozesse gemeint, die dazu beitragen, dass die Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gestärkt und behinderungsbedingte Einschränkungen möglichst kompensiert werden.

Der Fokus der Studie lag für die BGW als Rehabilitationsträgerin auf den Angeboten zur Teilhabe am Arbeitsleben und den angegliederten Wohnformen. Weitere Schwerpunkte der Untersuchung waren die Digitalisierung und die Gesundheit.

Als Kernprobleme der Corona-Pandemie in der Behindertenhilfe hebt der Bericht hervor, dass die pandemiebedingten Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen zu Einschränkungen der Teilhabe in mehreren Lebensbereichen führten:

  • Beratung und Unterstützungsleistungen konnten nicht in persönlicher Form genutzt werden;
  • besondere Wohnformen wurden phasenweise isoliert und abgeschottet;
  • die Arbeit in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) wurde phasenweise vollständig heruntergefahren;
  • das Familienleben bzw. Angehörigenkontakte wurden für Bewohnerinnen und Bewohner von besonderen Wohnformen zum Teil stark eingeschränkt.

Dem Bericht zufolge hat die Coronapandemie von den Befragten ein hohes Maß an Flexibilität erfordert, um z. B. schnell auf neue Beschlüsse zu reagieren und Hygienekonzepte und Maßnahmen oft auch über das Wochenende umzusetzen. Sie habe aber auch als Chance genutzt werden können, um sich weiterzuentwickeln, alte Abläufe und Strukturen zu überprüfen und diese gegebenenfalls anzupassen.

Kritisch sehen die Befragten u. a., dass das in der Pandemie federführende Bundesministerium für Gesundheit zwar die Situation im Bereich der Pflege, aber nicht die Situation in der Behindertenhilfe im Blick gehabt habe. Die besonderen Unterstützungsbedarfe von Menschen mit Behinderungen seien nicht von Beginn an systematisch mitbedacht worden. Die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern wurde zusammenfassend als hinderlich bezeichnet, wenn klare und verständliche Maßnahmen schnell umgesetzt werden mussten.

Der 64 Seiten starke Bericht kann im Mediencenter der BGW unter folgendem Link als Papierversion bestellt werden und steht dort auch zum Download bereit: Die Coronapandemie in der Behindertenhilfe.

(Quelle: Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW))


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