19.05.2021 Verwaltung, Verbände, Organisationen

Deutsches Institut für Menschenrechte: Barrierefreiheit noch lange nicht erreicht

Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat die Bundesregierung aufgefordert, den vorliegenden Gesetzentwurf für ein Barrierefreiheitsstärkungsgesetz nachzubessern und stützt damit die bereits massive Kritik an dem geplanten Gesetzesvorhaben.

„Barrierefreiheit ist der Schlüssel zur gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben. Deshalb kritisieren wir, dass der derzeitige Gesetzentwurf Barrierefreiheit nur für bestimmte digitale Produkte und Dienstleistungen vorschreibt, sich auf Verbrauchergeschäfte beschränkt und zahlreiche Ausnahmetatbestände sowie überlange Fristen zur Umsetzung ermöglicht. Sollte das Gesetz in der jetzigen Form beschlossen werden, würde das Menschen mit Behinderungen über einen unverhältnismäßig langen Zeitraum ausschließen“, erklärt Leander Palleit, Leiter der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Instituts. Der Entwurf für ein Barrierefreiheitsstärkungsgesetz soll am 20. Mai 2021 im Bundestag verabschiedet werden, das Gesetz aber erst 2025 in Kraft treten. Für einige Fälle sei zusätzlich eine weitere Umsetzungsfrist von mehreren Jahren vorgesehen, Serviceterminals und Bankautomaten müssten nach dem Gesetzentwurf sogar erst 2040 barrierefrei sein, kritisiert das Institut.

Deutschland hat sich durch die Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zu allen öffentlichen Einrichtungen, Dienstleistungen und Produkten zu ermöglichen. Mit dem Barrierefreiheitsgesetz will die Bundesregierung die EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit („European Accessibility Act“) umsetzen. Erstmals werden private Unternehmen verpflichtet, bestimmte digitale Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anzubieten. Dazu zählen Computer, Smartphones, der Online-Handel oder digitale Angebote im Fernverkehr. „Wenn künftig der Bankautomat barrierefrei zugänglich ist, die Treppenstufen am Eingang aber den Zugang verwehren, ist Barrierefreiheit noch lange nicht erreicht“, so Leander Palleit.

Kurze Fristen erschweren Partizipation

Kritik kam auch von Behinderten- und Sozialverbänden, wie dem Sozialverband Deutschland (SoVD), dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) oder der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL), die nicht nur die Inhalte des Entwurfs, sondern auch das vereinfachte Verfahren des Gesetzgebungsprozesses beanstanden. Die kurzen Fristen blieben hinter den Beteiligungsvorgaben in § 47 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien zur Beteiligung von Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Fachkreisen und Verbänden zurück und erschwerten eine Verbändebeteiligung auf Augenhöhe, kritisiert der SoVD. Die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e. V. (DVfR) plädiert für eine Ausweitung des Gesetzes auf beruflich genutzte Produkte und Dienstleistungen sowie auf Bereiche der baulichen Barrierefreiheit. Auch der Bundesbehindertenbeauftragte Jürgen Dusel sieht erheblichen Nachbesserungsbedarf, wie er in seinem Newsletter vom Mai 2021 ausführt.

Weitere Informationen

DIMR: „Barrierefreiheit ist der Schlüssel zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“

Inklusions-Newsletter des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen vom Mai 2021

(Quelle: Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Deutsches Institut für Menschenrechte, Sozialverband Deutschland)


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