26.07.2021 Sonstige Veröffentlichungen

Erste Online-Zeitschrift für Disability Studies im deutschsprachigen Raum erschienen

Die erste Ausgabe der „Zeitschrift für Disability Studies“ (ZDS), herausgegeben von der Universität Innsbruck, ist seit dem 15. Juli 2021 online. Die ZDS soll die gesamte Bandbreite kritischer Behinderungsforschung präsentieren und orientiert sich an den Prinzipien der Disability Studies. Zu den Beiträgen der ersten Ausgabe gehört auch eine Auseinandersetzung zum Umgang mit Behinderung in der Corona-Pandemie.

Ein wesentliches Merkmal der Disability Studies ist es, dass Behinderung nicht als individuelles Merkmal, sondern als kultur- und kontextabhängiges gesellschaftliches Konstrukt verstanden wird. Die Fachbeiträge der neuen Zeitschrift aus der deutschsprachigen Disability-Studies-Community analysieren mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten, wie Behinderung aus Sicht der Autorinnen und Autoren gesellschaftlich hergestellt und wirksam wird bzw. wie diese Mechanismen durchbrochen werden können. Neben der Förderung des wissenschaftlichen Austausches innerhalb der Disability Studies will die ZDS Beiträge aus Wissenschaft, Aktivismus, Kunst und Kultur miteinander verbinden. Darüber hinaus reflektierten die Beiträge das analytische Potenzial der Disability Studies für gesellschaftliche Fragen, die über das Phänomen Behinderung hinausgehen, heißt es einleitend.

Die erste Ausgabe der Zeitschrift ist unter dem Titel „Utopien und Dystopien: Ein Disability Studies Blick nach vorn“ erschienen. „Sie sucht nach Antworten auf die Frage, wie sich das Leben behinderter Menschen angesichts gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Megatrends – von Urbanisierung über Digitalisierung bis Individualisierung – verändern wird. Welche Utopien, Anti-Utopien und Dystopien von Behinderung lassen sich jenseits von ableistischen Utopien einer ‚beeinträchtigungsfreien‘ Gesellschaft denken? Uns erschien diese Frage angesichts zunehmender globaler, sozialer, ökonomischer Ungleichheiten und politischer sowie klimatischer Krisen außerordentlich wichtig“, schreibt das Redaktionsteam in der Einleitung. Unter dem Titel „Corona-Pandemie und Behinderung – ein Überblick“ zieht Michael Zander eine Bilanz der Auswirkungen der Corona-Pandemie für Menschen mit Behinderungen. In seiner Analyse kommt er zu dem Schluss, dass behinderte Menschen besonders stark von der Pandemie betroffen, aber nur unzureichend in (politische) Entscheidungen eingebunden sind, die sie direkt betreffen. Andere Beiträge befassen sich u. a. mit der Digitalisierung, Auswirkungen von Kategorisierungen wie Geschlecht und Behinderung oder mit Fragen der Barrierefreiheit.

Blick über den Tellerrand

Die ZDS ist multidisziplinär und international ausgerichtet und erscheint zweimal pro Jahr online. Sie erhält finanzielle und infrastrukturelle Unterstützung von der Fakultät für Bildungswissenschaften der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, dem Vizerektorat für Forschung der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und der innsbruck university press (iup). Zum begleitenden Beirat gehört Theresia Degener, Professorin für Recht und Disability Studies an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe und Leiterin des Bochumer Zentrums für Disability Studies. Mitglied im Beirat ist neben anderen auch Volker Schönwiese, der bis 2013 Professor am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck war und den Lehr- und Forschungsbereich Inklusive Pädagogik und Disability Studies aufgebaut hat. Er ist Aktivist der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung seit den 1970ern.

In Deutschland sind Disability Studies eine relativ junge wissenschaftliche Disziplin, die sich bewusst zu den traditionellen Rehabilitationswissenschaften abgrenzt. Die Expertise von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit Behinderungen gilt als selbstverständlich und unverzichtbar. Ende 2008 wurde die erste Professur für „Soziologie und Politik der Rehabilitation, Disability Studies" im deutschsprachigen Raum an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln geschaffen und 2009 mit Anne Waldschmidt besetzt, die die ZDS ebenfalls als Beiratsmitglied begleitet.

Die erste ZDS steht unter dem folgenden Link kostenlos als Open Access zur Verfügung: http://zds-online.org/

(Quelle: Bochumer Zentrum für Disability Studies; Universität Innsbruck)


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