08.03.2021 Politik

Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Der Bundestag hat am 5. März 2021 eine umfassende Modernisierung und Neustrukturierung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts beschlossen. Ziel war eine grundlegende Reform, eine Anpassung an die Bedürfnisse der Gegenwart und eine weitere Annäherung an die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).

Vormundschaftsrecht

Beim Vormundschaftsrecht soll künftig die zu betreuende Person im Mittelpunkt stehen, so die Bundesregierung. Die Erziehungsverantwortung des Vormunds werde deutlicher, die Rechte der Pflegepersonen gestärkt und die Vergütung der Vormundschaftsvereine eingeführt. Bisher enthielt das Vormundschaftsrecht vor allem detaillierte Regelungen zur Vermögenssorge.

Betreuungsrecht

Auch das Betreuungsrecht sei grundlegend modernisiert worden – mit dem Ziel die Selbstbestimmung der betroffenen Menschen zu stärken. Zudem solle die Qualität der rechtlichen Betreuung verbessert und sichergestellt werden, so dass eine Betreuung nur dann bestellt wird, wenn dies zum Schutz des betroffenen Menschen erforderlich ist. Dabei sind die Wünsche des Betreuten der zentrale Maßstab, betont die Bundesregierung. Die Gesetzesänderungen sollen sicherstellen, dass die betroffene Person in sämtlichen Stadien des Betreuungsverfahrens besser informiert und stärker eingebunden wird.

Betreuungsvereine

Ebenfalls enthält die Reform eine Neuregelung zu Anerkennung, Aufgaben und finanzieller Ausstattung der Betreuungsvereine. Dadurch werde ihre unverzichtbare Arbeit bei der Begleitung und Unterstützung ehrenamtlicher Betreuer gestärkt und für die Zukunft eine verlässliche öffentliche Förderung durch Länder und Kommunen sichergestellt.

Ehegatten vertreten sich gegenseitig

Das neue Gesetz regelt, dass Ehegatten sich befristet auf drei Monate in Angelegenheiten der Gesundheitssorge kraft Gesetzes gegenseitig vertreten können, wenn ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder einer Krankheit vorübergehend dazu nicht in der Lage ist. Bisher war hier eine Vorsorgevollmacht notwendig.

Reaktionen auf die Gesetzesreform

Sören Pellmann von der Partei „Die Linke“ beklagt: „Wenn betreuungsvermeidende Hilfen ohne Rechtsanspruch bleiben und die Umsetzung auf der Freiwilligkeit der Länder basiert, wird seitens der Bundesregierung nur Symbolpolitik betrieben. Ebenso wenig durchdacht ist das Ehegattenvertretungsrecht. Statt selbstbestimmte Entscheidungen im Rahmen von Vorsorgevollmachten zu stärken, wird hierdurch Tür und Tor für einen möglichen Missbrauch geöffnet. Ebenso ist die ungenaue Eingrenzung des Aufgabenkreises „Vermögensvorsorge“. Hier gibt es noch deutlich Luft für mehr Selbstbestimmungsmöglichkeiten bei den Betroffenen, weswegen nicht von einer vollumfänglichen Erfüllung der UN-BRK geredet werden kann".

Eine positivere Bilanz zieht Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbands Deutschland: „Mit der Reform des Betreuungsrechts sendet die Bundesregierung ein wichtiges Signal an alle Menschen mit Behinderungen. Dieser Schritt war dringend notwendig, um die Rechte von Menschen mit Behinderungen und somit ihre Selbstbestimmung zu stärken. Nun müssen weitere Schritte folgen“.

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe engagierte sich in Stellungnahmen und einer Kampagne für eine grundlegende Reform des Vormundschafts und Betreuungsrechts. Ihre Vorsitzende Ulla Schmidt sieht nun in dem Gesetzesbeschluss einen großen Erfolg: „Insgesamt sind wichtige Fortschritte erzielt worden, auch Forderungen der Lebenshilfe haben überwiegend Berücksichtigung gefunden, in Summe mehr, als zu erwarten war.“ Besonders erfreulich sei, dass folgende Forderungen in das Gesetz aufgenommen wurden:

  • Betreute sollen künftig ihre Prozessfähigkeit behalten, bei Gerichtsverfahren werden sie persönlich beteiligt und die Schriftstücke werden ihnen zugestellt.
  • Sterilisationen gegen den natürlichen Willen von Frauen mit Behinderung werden ausgeschlossen.
  • Betreuungen, die gegen den Willen der betreuten Person eingerichtet werden, sollen spätestens nach zwei Jahren überprüft werden.
  • Die Auswirkungen des Gesetzes, insbesondere im Hinblick auf die Selbstbestimmung rechtlich betreuter Personen, sollen nach sechs Jahren evaluiert werden.
  • Niederschwellige Beschwerdestellen für Betreute sollen möglichst zeitnah zum Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2023 eingerichtet werden.

Weitere Informationen

Beschlussempfehlung und Bericht zu Entwurf Vormundschafts- und Betreuungsrecht

Informationen der Bundesregierung zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Informationen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

 

(Quellen: Bundesregierung, Die Linke, Sozialverband Deutschland, Bundesvereinigung Lebenshilfe)


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