13.05.2021 Rechtsverordnungen, Richtlinien, weitere Regelungen

Teilhabestärkungsgesetz verabschiedet

Der Bundestag hat am 22. April mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen das Teilhabestärkungsgesetz beschlossen. Das „Gesetz zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sowie zur landesrechtlichen Bestimmung der Träger der Sozialhilfe“ soll die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Alltag und im Berufsleben verbessern. Wie dem einleitenden Teil des Regierungsentwurfs zu entnehmen ist, verfolgt das Artikelgesetz acht Ziele und sieht dafür Änderungen in mehreren Sozialgesetzbüchern, dem Behindertengleichstellungsgesetz und weiteren Normen vor.

Unter anderem sollen

  • die Möglichkeiten der aktiven Arbeitsförderung für Menschen mit Behinderungen im SGB II und SGB III ausgebaut werden
  • auch Menschen, die schon in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten, über das Budget für Ausbildung gefördert werden können
  • der Gewaltschutz für Menschen mit Behinderungen – insbesondere Frauen und Mädchen – durch wirksame Rechtsvorschriften gewährleistet werden
  • die Rechtslage zum Zutritt von Menschen mit Behinderungen in Begleitung von Assistenz- oder Blindenführhunden zu öffentlichen und privaten Anlagen und Einrichtungen verbessert werden
  • der Kreis der leistungsberechtigten Personen in der Eingliederungshilfe durch Orientierung an der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) und der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) neu definiert werden

Zahlreiche Verbände reagierten auf das Gesetz mit grundsätzlicher Zustimmung, aber auch mit Vorbehalten. Sie hatten bereits im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in Stellungnahmen auf Änderungs- oder Ergänzungsbedarf aufmerksam gemacht. Von manchen Betroffenenorganisation wie z. B. AbilityWatch und Forum selbstbestimmter Assistenz behinderter Menschen (ForseA) wurde grundsätzliche Kritik am Gesetzentwurf geäußert: Er gehe gravierende Diskriminierungen, denen Menschen mit Behinderungen ausgesetzt sind und die durch das Bundesteilhabegesetz teilweise noch verschärft worden seien, nicht an – so z. B. die Anrechnung von Einkommen und Vermögen bei der Bewilligung behinderungsbedingter Unterstützungsleistungen oder das sog. „Zwangspoolen“ von Leistungen (vgl. § 116 II SGB IX). Diese Regelungen seien mit der UN-BRK ebenso wenig vereinbar wie die Priorisierung unentgeltlicher (z. B. familiärer, freundschaftlicher etc.; vgl. § 78 Abs. 5 SGB IX) Ressourcen für notwendige Unterstützungsleistungen bei der Ausübung eines Ehrenamts.

Darüber hinaus wurden in den über 40 eingereichten Stellungnahmen u. a. folgende Änderungen angeregt:

  • zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen für die Umsetzung von Gewaltschutz­maßnahmen für Menschen mit Behinderungen; Einbeziehung von Betroffenen in die Erarbeitung und Umsetzung von Gewaltschutzkonzepten; Schaffung eines flächendeckenden Netzes von unabhängigen Ansprech- bzw. Beschwerdestellen
  • Aufhebung der durch das Angehörigenentlastungsgesetz eingeführten Neufassung des § 142 Abs. 3 SGB IX, die bei volljährigen Leistungsberechtigten zur Heranziehung des Einkommens der Eltern durch den Eingliederungshilfeträger führte
  • Erweiterung des „Budgets für Ausbildung“ zu einem Budget für Bildung, das alle Formen der Ausbildung nach § 1 BBiG beinhaltet und die Ausbildung in einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation nach § 51 SGB IX nicht ausschließt
  • Korrekturen und Ergänzungen der Regelungen im Behindertengleichstellungsgesetz zum Zutritt von Mensch-Assistenzhund-Teams, zur Ausbildung und Prüfung von Assistenzhunden etc.
  • Ausbedingung der Barrierefreiheit nach aktuellen Standards für digitale Gesundheitsanwendungen, die in den Katalog der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation aufgenommen werden
  • Erhöhung der Ausgleichsabgabe für beschäftigungspflichtige Unternehmen

Die DVfR begrüßte in ihrer Stellungnahme vom 15. Januar 2021 die Neuausrichtung der Kriterien für den Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe an den Begrifflichkeiten der UN-BRK und der ICF und die damit verbundene Modernisierung des Verständnisses von Behinderung. Auch die Aufnahme digitaler Gesundheitsanwendungen in den Leistungskatalog medizinischer Rehabilitation bewertet sie grundsätzlich als positiv. Allerdings seien die einbezogenen Gesundheitsanwendungen in der Fassung des Gesetzentwurfs auf „Leistungen zur Krankenbehandlung“ nach SGB V beschränkt. Damit wird aus Sicht des Verbands das Ziel, die Folgen einer Krankheit zu bewältigen und die Teilhabebeeinträchtigung zu mindern, nicht erreicht. Davon abgesehen müssten auch digitale Gesundheitsanwendungen barrierefrei sein.

Auf der Website des BMAS zum Teilhabestärkungsgesetz sind der Referenten- und der Regierungsentwurf des Gesetzes sowie die Stellungnahmen der Verbände aufgelistet und verlinkt.

(Quelle: BMAS)


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