06.05.2022 Verwaltung, Verbände, Organisationen

Triage-Gesetz „unverzüglich und menschenrechtsbasiert“ gefordert

Zum europäischen Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen am 5. Mai 2022 hat der Runde Tisch Triage fünf Thesen zur Erarbeitung gesetzlicher Triage-Regelungen an den Deutschen Bundestag übermittelt. Mit Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2021 erinnerte auch Prof. Dr. Theresia Degener den Bundestag daran, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, die behinderte Menschen für den Fall einer pandemiebedingt auftretenden Triage vor Diskriminierung gesetzlich schützen.

„Das Triage-Gesetz muss noch vor der nächsten Pandemiewelle kommen,“ sagte Degner, die das Bochumer Zentrum für Disability Studies, BODYS, leitet. „Aber so wie alle Maßnahmen der Pandemiebekämpfung muss auch ein Triage-Gesetz wissenschafts- und menschenrechtsbasiert sein. Das bedeutet z.B., die neuesten Erkenntnisse der Studie über Ableismus in der Medizin der Sonderberichterstatterin für die Rechte von Menschen mit Behinderungen aus 2020 einzubeziehen. Sie belegt, dass Mediziner*innen ableistische Vorurteile über behinderte Menschen hegen und nur selten über einschlägige Menschenrechtsstandards informiert sind.“

Die Orientierung an den Menschenrechten erfordert insbesondere die Berücksichtigung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), deren Vorgaben für ein Triage-Gesetz BODYS in seinem Sachverständigengutachten für das Bundesverfassungsgesetz (BverfG) näher erläuterte. Diese Vorgaben unterstützen die 5 Thesen, die der Runde Tisch Triage zum 5. Mai 2022 vorgelegt hat:

  • Laut These 1 müsse die Partizipation der Klägerinnen und Kläger sowie der Verbände, auf deren Argumentation sich der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts stützt, bei der Formulierung der gesetzlichen Triage-Regelungen auf Augenhöhe realisiert werden (vgl. Art. 4 Abs. 3 UN-BRK);
  • These 2 fordert ein Randomisierungsverfahren, also eine Zufallszuteilung, um in Triage-Situationen das Recht auf Schutz vor jeder Form der Diskriminierung bei medizinischer Behandlung zu gewährleisten (Art. 5, 25 UN-BRK). Dies garantiere allen Patientinnen und Patienten ein gleiches Recht auf Zugang zur Behandlung und biete auch dem medizinischen Personal ein größtmögliches Maß an Rechtssicherheit;
  • These 3 besagt, dass verfahrensrechtlich über das Vieraugenprinzip hinaus auch Ärztinnen und Ärzte des Vertrauens der Betroffenen sowie weitere sachverständige Personen bei Triage-Entscheidungen einbezogen werden müssen (Art. 4 UN-BRK);
  • in These 4 unterstreichen die Verfasser, dass es umfassende Dokumentations- und Berichtspflichten bzw. verpflichtende Prüf- und Kontrollmechanismen brauche. Auch für Angehörige müsse es möglich sein, Entscheidungen überprüfen zu lassen. Eine regelmäßige Evaluation von Triage-Entscheidungen unter Beteiligung der Selbstvertretung sei zu gewährleisten. Ein Verstoß gegen die Triage-Regelungen müsse strafbar sein.
  • These 5 fordert eine gesetzliche Regelung, dass in Aus- Fort- und Weiterbildungen aller im Gesundheitswesen Tätigen Fragen von Alltagsdiskriminierungen, Stereotypisierungen sowie (un)bewussten Vorurteilen aller Art thematisiert werden.

Der "Runde Tisch Triage“ ist ein Zusammenschluss der LIGA Selbstvertretung, der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) sowie des Forums behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ).

Weitere Informationen:

ISL: Gesetzliche Triage-Regelungen: 5 Thesen zum 5.5.

BODYS: Triage-Gesetz unverzüglich und menschenrechtsbasiert!

FbJJ: Eckpunktepapier zu einem Triage-Gesetz


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