02.12.2015 B: Arbeitsrecht Wendt: Beitrag B14-2015

Behinderte Menschen in europäischen Behindertenwerkstätten sind unionsrechtlich Arbeitnehmer – Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 26.03.2015, C-316/13 (Rs. Fenoll)

Sabine Wendt diskutiert eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26.03.2015 zur unionsrechtlichen Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs in Bezug auf Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Der in einer französischen Werkstatt arbeitende Kläger des Ausgangsverfahrens hatte nach französischem Recht keinen Arbeitnehmerstatus und somit einen geringeren Urlaubsanspruch.

In der Vorabentscheidung hatte der EuGH darüber zu entscheiden, ob sich der Kläger auf Art. 31 Abs. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) berufen könne und zudem Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sei, wonach ihm der arbeitnehmerübliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub zustünde. Der EuGH kam zu dem Schluss, dass der Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie jede echte weisungsgebundene und vergütete Tätigkeit umfasse und durch nationale Rechtsordnungen nicht unterschiedlich ausgelegt werden dürfe. Der Kläger könne zwar aus der GRCh sowie der Richtlinie keinen direkten Rechtsanspruch ableiten, gegebenenfalls jedoch ein Schadensersatzanspruch.  

In ihrer Würdigung geht die Autorin auf die Konsequenzen der Entscheidung für deutsche Werkstätten für Menschen mit Behinderungen ein und erläutert die sich daraus ergebenden Anforderungen an ein künftiges Bundesteilhabegesetzes.

(Zitiervorschlag: Wendt: Behinderte Menschen in europäischen Behindertenwerkstätten sind unionsrechtlich Arbeitnehmer – Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 26.03.2015, C-316/13 (Rs. Fenoll); Forum B, Beitrag B14-2015 unter www.reha-recht.de; 02.12.2015)


I. Thesen der Autorin

  1. Das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis in deutschen Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) ist nicht europarechtskonform, weil die dort Beschäftigten unionsrechtlich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind.
     
  2. Der Gesetzgeber ist gefordert, dies im Rahmen der geplanten Reform des Werkstattrechts durch das Bundesteilhabegesetz zu berücksichtigen.

II. Wesentliche Aussagen der Entscheidung

  1. Der Begriff „Arbeitnehmer“ im Sinne von Art. 7 Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) ist dahin auszulegen, dass er eine Person, die in einem Zentrum für „Hilfe durch Arbeit“ tätig ist, einschließen kann.
     
  2. Der Arbeitnehmerbegriff kann für die Zwecke der Anwendung der RL 2003/88/EG nicht nach den nationalen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgelegt werden, weil er eine eigenständige unionsrechtliche Bedeutung hat. Als Arbeitnehmer ist nach objektiven Kriterien die Person anzusehen, die eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, indem sie während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt und dafür als Gegenleistung eine Vergütung erhält.
     
  3. Daraus ergibt sich die Einheitlichkeit des persönlichen Geltungsbereichs des Anspruchs der Arbeitnehmer auf bezahlten Urlaub.

III. Der Fall

Der Kläger war vom 1. Februar 1996 bis zum 20. Juni 2005 in dem Centre d’aide par le travail (CAT), Zentrum der Hilfe für Arbeit, „La Jouvene“[1] in Avignon beschäftigt. Er erhielt dort fünf Wochen bezahlten Jahresurlaub. Vom 16. Oktober 2004 bis zu seinem Ausscheiden aus dem CAT war der Kläger krankgeschrieben. Zu Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit standen ihm noch zwölf Tage bezahlter Urlaub zu. Auch für die Zeit der Krankheit machte er eine finanzielle Vergütung für nicht genommene Urlaubstage von insgesamt 945 Euro geltend, die ihm von dem Beklagten, dem CAT „La Jouvene“ verweigert wurde. Nach Klageabweisung durch das Tribunal d’instance d’Avignon verwies der Cour de Cassation als höchstes französisches Gericht das Verfahren an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit der Bitte um Klärung durch eine Vorabentscheidung, ob Personen ohne Arbeitnehmerstatus in einem CAT unter den Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Unionsrechts nach Art. 3 RL 89/391/EWG[2] fallen. Er wies auf Art. 31 Abs. 2 GRCh hin, wonach jeder Arbeitnehmer das Recht auf bezahlten Jahresurlaub hat.[3] Er richtete weiter die Frage an den EuGH, ob ein Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts sich unmittelbar auf die GRCh berufen könne, um einen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zu erhalten, wenn die nationalen Regelungen keinen solchen Anspruch vorsähen und ob dies zur Folge habe, dass der nationale Richter die entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewandt lassen müsse, um die volle Wirksamkeit der EU-Charta sicherzustellen.

IV. Die Entscheidung

Die Erste Kammer des EuGH fällte nach mündlicher Verhandlung und Anhörung des Generalanwalts die Entscheidung, dass eine Person, die in einem Zentrum für Hilfe durch Arbeit wie das im Ausgansverfahren in Rede stehende aufgenommen ist, den Begriff des Arbeitnehmers im Sinne von Art. 7 RL 2003/88/EG sowie Art. 31 Abs. 2 GRCh erfüllen kann.

Der Geltungsbereich der o. g. Richtlinie sowie der RL 89/391/EWG erstrecke sich auf alle privaten und öffentlichen Tätigkeitsbereiche, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Arbeit zu verbessern und bestimmte Aspekte in der Gestaltung der Arbeitszeit zu regeln. Ausnahmen seien nach der Rechtsprechung des EuGH[4] eng auszulegen, weil sie allein zu dem Zweck erlassen worden seien, um das ordnungsgemäße Funktionieren von Diensten für den Schutz der öffentlichen Sicherheit, Gesundheit und Ordnung zu gewährleisten. Daher sei davon auszugehen, dass auch die Tätigkeit des Klägers in einem Zentrum „Hilfe für Arbeit“ dem Anwendungsbereich der o. g. Richtlinien unterfalle, weil diese Ausnahmeregelung für ihn nicht einschlägig sei. Somit sei Art. 7 RL 2003/88/EG auf ihn anwendbar.[5]

Der Kläger sei als Arbeitnehmer anzusehen. Der Generalanwalt habe in seinem Schlussantrag darauf verwiesen, dass die RL 2003/88/EG weder auf den Arbeitnehmerbegriff der RL 89/391/EWG verweise, noch auf die Definition dieses Begriffs, wie sie sich aus einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten ergebe. Daraus ergebe sich, dass der Arbeitnehmerbegriff für die Anwendung der RL 2003/88/EG nicht nach Maßgabe der nationalen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgelegt werden könne, sondern eine eigene eigenständige unionsrechtliche Bedeutung habe.[6] Diese Auslegung sei geboten, um die Einheitlichkeit des persönlichen Geltungsbereichs des Anspruchs der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers auf bezahlten Urlaub zu gewährleisten.

Der Arbeitnehmerbegriff sei nach ständiger Rechtsprechung des EuGH anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten der betroffenen Personen kennzeichnen. Als Arbeitnehmer sei daher jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübe. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses bestehe darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringe, für die sie bzw. er als Gegenleistung eine Vergütung erhalte.

Für den Kläger ergebe sich aus der Entscheidung des Cour de Cassation, dass Personen, die in ein CAT aufgenommen worden seien, bestimmten Vorschriften des Code du Travail nicht unterlägen und von daher in einem Rechtsverhältnis sui generis[7] beschäftigt würden. Nach der Rechtsprechung des EuGH[8] sei es jedoch für die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts ohne Bedeutung, dass ein Beschäftigungsverhältnis nach nationalem Recht ein Rechtsverhältnis sui generis sei.

Für den Kläger sei nachgewiesen, dass er während fünf Jahren Beschäftigung in dem CAT verschiedene Leistungen erbracht habe. Durch den organisatorischen Rahmen des CAT und die medizinisch-soziale Unterstützung durch das Personal sei im Rahmen des Möglichen darauf geachtet worden, dass die dem Kläger übertragenen Leistungen einen gewissen wirtschaftlichen Nutzen für die Einrichtung erbracht hätten. Im Gegenzug habe er dafür eine Vergütung erhalten. Auch wenn diese deutlich unter dem Mindestlohn in Frankreich gelegen habe, spreche dies nicht gegen die Einstufung des Klägers als Arbeitnehmer. Es spiele für die Frage, ob jemand als Arbeitnehmer im Rahmen des Unionsrechts angesehen werden könne, keine Rolle, wie hoch die Produktivität des Betroffenen sei, woher die Mittel für die Entlohnung stammten oder ob diese eine geringe Höhe aufwiesen[9].

Die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit sei auch als tatsächlich und echt zu qualifizieren und nicht als untergeordnet und unwesentlich. In der Entscheidung Bettray (Fn. 8) sei zwar für ein Therapiezentrum für Suchtkranke entschieden worden, dass Tätigkeiten nicht als tatsächliche und echte wirtschaftliche Tätigkeiten angesehen werden könnten, die nur ein Mittel der Rehabilitation oder Wiedereingliederung der Betroffenen in das Arbeitsleben darstellten. Dabei ging es um die Situation einer drogenabhängigen Person, der in der Einrichtung Arbeit verschafft wurde, da sie nicht in der Lage war, unter normalen Bedingungen zu arbeiten. Für den Kläger ergebe sich aus den vorgelegten Akten allerdings, dass die Konzeption des CAT und der dort ausgeübten Tätigkeiten nicht mit denen einer Suchtkrankeneinrichtung verglichen werden könnten, weil sie nicht als untergeordnet und unwesentlich einzustufen seien. Der Generalanwalt habe ausgeführt, dass die in dem CAT ausgeübten Tätigkeiten nicht alleine deshalb erfolgten, um den Betroffenen eine ggf. ablenkende Beschäftigung zu geben. Auch wenn die Tätigkeiten in dem CAT den Fähigkeiten der Betroffenen angepasst seien, seien sie darauf ausgerichtet, die Produktivität zu steigern und daraus einen wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Aus diesem Grund sei der Kläger unionsrechtlich als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 7 RL 2003/88/EG und Art. 31 GRCh einzustufen.

Das nationale Gericht habe daher zu prüfen, ob die von dem Betroffenen tatsächlich erbrachte Leistung als auf dem Beschäftigungsmarkt üblich angesehen werden könne. Maßgeblich dafür seien nicht nur der Status und die Praxis der Beschäftigung im CAT, sondern die konkrete Art der Leistung des Klägers und die Modalitäten ihrer Erbringung seien ebenso zu bewerten.

Gleichwohl könne sich der Kläger, selbst wenn er unionsrechtlich Arbeitnehmer sei, für seinen Anspruch nicht auf Art. 31 Abs. 2 GRCh stützen, weil dieser in einem Zeitraum vor Inkrafttreten der Charta durch den Vertrag von Lissabon[10] entstanden sei.

Aus Art. 7 RL 2003/88/EG könne ein Privater keinen Rechtsanspruch ableiten und dadurch erreichen, dass jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet bleibe. Wer einen Schaden aus der Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht erleide, könne ggf. aber einen Schadensersatzanspruch geltend machen.[11]

V. Würdigung/Kritik

Der Sachverhalt der Entscheidung ist übertragbar auf die Rechtslage in deutschen WfbM, mit weitreichenden Konsequenzen: Die deutschen WfbM beschäftigen sowohl den Personenkreis aus den französischen EA (Entreprises Adaptées) als auch der CAT, in dem der Kläger beschäftigt war. Während Beschäftigte in EA nach französischem Recht Arbeitnehmer sind, wird dieses Recht vergleichbar leistungsstarken Personen auf Außenarbeitsplätzen in Deutschland streitig gemacht, obwohl § 138 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX dies ausdrücklich vorsieht.[12] Sie werden als arbeitnehmerähnliche Personen vom Schutz der Leiharbeiter mit equal-pay-Regelungen ebenso ausgenommen, wie vom Bezug des Mindestlohns und erhalten nicht einmal den Lohn, den der Entleihbetrieb für sie zahlt, vollständig ausgezahlt, weil dieser der WfbM in Form des Arbeitsergebnisses zufließt. Noch fehlt den dort Beschäftigten der Mut, ihr Recht einzuklagen, weil sie fürchten, dann ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Da der EuGH festgestellt hat, dass auch Personen mit einem arbeitsrechtlichen Sonderstatus in einem CAT (oder arbeitnehmerähnliche Personen in deutschen WfbM nach § 138 SGB IX) unionsrechtlich Arbeitnehmer sein können, haben auch deutsche WfbM-Beschäftigte nunmehr das Recht, ebenso wie der Kläger Unionsrecht geltend zu machen, wenn ihnen dieses vorenthalten wird.

Nach diesem EuGH-Urteil wird es das für die Reform des Bundesteilhabegesetzes federführende Ministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) schwerer haben, die Ausweitung des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses über anerkannte WfbM auf vergleichbare Einrichtungen zu rechtfertigen, die wie sogenannte „virtuelle WfbM“ als reine Verleihbetriebe tätig sind.[13] Während die Behindertenverbände sich in dieser Frage in Schweigen hüllen, sind es ehemalige Verbandsvertreter, die die notwendige Debatte über die Reform dieses Rechtsverhältnisses führen.[14] Klar ist, dass das Sonderrechtsverhältnis die von allen gewünschte Integration von Werkstattbeschäftigten in den allgemeinen Arbeitsmarkt behindert, da sie auch langjährig auf Außenarbeitsplätzen der WfbM-Beschäftigten eine Teilhabe an der innerbetrieblichen Demokratie im Beschäftigungsbetrieb verwehrt und es Schwerbehindertenvertretungen und Betriebsräten unmöglich macht, für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingung und für eine Übernahme in den Beschäftigungsbetrieb einzutreten. Trenk-Hinterberger[15] sieht das Überdenken des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses als Verpflichtung zur Umsetzung von Art. 27 UN-Behindertenrechtskonvention an: wenn schon Sonderarbeitswelten, dann so normal wie möglich. Zu hoffen ist, dass ihm die Abgeordneten des Deutschen Bundestags bei der Reform des Teilhaberechts folgen: bei den LINKEN war dies zu erwarten[16], Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben sich noch nicht positioniert. Bei der SPD ist zu hoffen, dass der Gewerkschaftsflügel sich darauf besinnt, dass eine Verfestigung der Deregulierung der Schwerbehindertenbeschäftigung durch die Ausweitung der arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung, wie sie das BMAS plant, menschenrechtlich nicht hingenommen werden kann.

Beitrag von Dr. Sabine Wendt, Rechtsanwältin Marburg

Fußnoten:

[1] Behindertenwerkstätten gibt es in Frankreich in zwei unterschiedlichen Formen: leistungsstärkere Personen werden in den Entreprises Adaptées (EA) beschäftigt, in denen der Mindestlohn gezahlt wird und die Personen Arbeitnehmer sind. Für leistungsschwächere Personen mit einem Leistungsvermögen unter 30 % gibt es die Centres d‘aide par le travail (CAT) wie im Fall des Klägers. Beide Einrichtungen beschäftigen den Personenkreis, der in deutschen WfbM beschäftigt wird. Sie erhalten, wie in Deutschland, pro behindertem Beschäftigten eine staatliche Vergütung (Studie von Zelderloss/Reynaert für den europäischen Dachverband von europäischen Behinderteneinrichtungen EASPD, Brüssel 2007), zum Vergleich mit Deutschland siehe Wendt, GK SGB IX, § 39, Rn. 3.
Art. L 344 des Code de l’action sociale et des familles beschreibt dazu folgendes: „Zentren für Hilfe durch Arbeit – mit oder ohne Wohnheim – nehmen Jugendliche und Erwachsene auf, die momentan oder dauerhaft weder in gewöhnlichen Unternehmen oder an einem für Behinderte geschützten Arbeitsplatz oder im Auftrag eines Verteilungszentrums für Heimarbeit arbeiten können, noch eine unabhängige berufliche Tätigkeit ausüben können. Sie bieten ihnen verschiedene Möglichkeiten beruflicher Tätigkeiten, Unterstützung in medizinisch-sozialer Hinsicht und bei der Bildung, sowie ein Lebensumfeld, das ihre persönliche Entwicklung und ihre soziale Integration fördert.“

[2] Art. 3 a) RL 89/391/EWG: „Arbeitnehmer ist jede Person, die von einem Arbeitgeber beschäftigt wird, einschließlich Praktikanten und Lehrlingen, jedoch mit Ausnahme von Hausangestellten.“

[3] Art. 31 Abs. 2 GRCh: „Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.“

[4] EuGH, Urt. v. 03.05.2015 – C-337/10, Rn. 21 (Rs. Neidel); EuGH, Urt. v. 03.10.2000 – C-303/98, Rn. 34 (Rs. Simap); EuGH, Urt. 12.01.2006 – C-132/04, Rn. 22 (Rs. Kommision./.Spanien).

[5] Art. 7 RL 2003/88/EG hat folgenden Wortlaut: (1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. (2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.

[6] Ebenso EuGH, Urt. v. 14.10.2010 – C-428/09, Rn. 28 (Rs. Union syndicale Solidaires Isère).

[7] sui generis bedeutet „eigener Art“.

[8] EuGH, Urt. v. 20.09.2007 – C-116/06, Rn. 26 (Rs. Kiiski).

[9] EuGH, Urt. v. 31.05.1989 – C-344/87, Rn. 15 f. (Rs. Bettray); EuGH, Urt. v. 19.11.2002 – C-188/00, Rn. 32 (Rs. Kurz); EuGH, Urt. v. 07.09.2004 – C-456/02, Rn. 16 (Rs. Trojani).

[10] In Kraft seit 01.12.2009.

[11] EuGH, Urt. v. 19.11.1991 – C-6/90 und C-9/90 (Rs. Francovich und Bonifaci./.Italien); EuGH, Urt. v. 24.01.2012 – C- 282/10, Rn. 43 (Rs. Dominguez).

[12] Bisher machen nur wenige WfbM von der Möglichkeit Gebrauch, behinderte Werkstattbeschäftigte als Arbeitnehmer zu beschäftigen, obwohl die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger dies in ihren Werkstattempfehlungen von 2013 ausdrücklich empfiehlt: BAGüS, Werkstattempfehlungen, 4. Fassung 2013, Rn. 13.7.2, siehe Wendt, GK SGB IX, § 41 Rn. 34.

[13] Zu den Folgen dieser Ausweitung siehe Wendt, Ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse als Folge der Ausweitung der arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung über den Bereich anerkannter WfbM hinaus, Fachbeitrag D11-2013 unter www.reha-recht.de.

[14] So die Autorin Wendt, ehemals Juristin bei der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Ist das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis für behinderte Beschäftigte in WfbM noch zeitgemäß?, Behindertenrecht 2014, 59 ff. mit Antwort von Scheibner, ehemals Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft WfbM, Das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis der Beschäftigten im Arbeitsbereich der WfbM nach § 138 SGB IX, Behindertenrecht 2015, 75 ff. der immerhin einräumt, dass Personen auf Außenarbeitsplätzen von WfbM als Arbeitnehmer anzusehen sind, ansonsten aber für Beibehaltung des arbeitsrechtlichen Sonderstatus plädiert. Ritz, ehemals beschäftigt bei dem Hamburger Senator für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Jugend, bezieht in seinem Gutachten „Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit wesentlichen Behinderungen“ mit Reformvorschlägen für WfbM für die Friedrich-Ebert-Stiftung von 2015 nicht dazu Position, sondern verweist lediglich darauf, dass der Arbeitnehmerstatus wettbewerbsrechtliche Nachteile bei der staatlichen Lohnsubventionierung für WfbM mit sich bringen würde, die nach EU-Regeln nicht mehr als 75 % betragen dürfe, die aber ohnehin nicht zu den Reformvorschlägen des BMAS gehört; das Gutachten zur Teilhabe von Menschen mit wesentlichen Behinderungen am Arbeitsmarkt ist in der Infothek des Diskussionsforums abrufbar unter folgendem Link: www.reha-recht.de/infothek/beitrag/artikel/gutachten-zur-teilhabe-von-menschen-mit-wesentlichen-behinderungen-am-arbeitsmarkt-veroeffentlicht/.

[15] Trenk/Hinterberger in: Degener/Diehl, Handbuch Behindertenrechtskonvention, Teilhabe als Menschenrecht, Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe, Bonn 2015, 112.

[16] Der Antrag der LINKEN, Gute Arbeit für Menschen mit Behinderung vom Juni 2015 sieht den Arbeitnehmerstatus und Mindestlohn für Werkstattbeschäftigte vor, BT-Drucks. 18/5227.


Stichwörter:

Arbeitnehmerähnliche Beschäftigung, Auslegung Arbeitnehmerbegriff, Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh), Europarecht (EU-Recht)


Kommentare (12)

  1. Andreas Schneider
    Andreas Schneider 16.11.2020
    Guten Tag,
    ich sehe da schon noch einen Unterschied zwischen einem "Leistungsentgelt" und einem "leistungsangemessenen Steigerungsbetrag".
    So wie ich die Praxis kenne ist dieser Steigerungsbetrag nicht sonderlich individuell (bspw. wie ein Akkordlohn oder eine Zulage für Spätschichten) sondern ist für alle mit arbeitnehmerähnlichem Rechtsverhältnis in gleicher oder ähnlicher Höhe.
    Den Artikel, den Sie ansprechen geht ja auf eine Aufforderung des EU Parlaments an die EU Kommission zurück. Die Formulierung finde ich hier aber schon sehr deutlich, dass Menschen in geschützten Werkstätten "als Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes anzuerkennen" sind. Ich weiß jetzt aber nicht, auf welches Gesetz sich das Parlament an dieser Stelle beruft.
    Sollte das so umgesetzt werden, hieße dass für die Werkstätten: Mindestlohn oder Anwendung ihrer Tarifverträge. Oder sehe ich das falsch?
  2. Dr. Sabine Wendt
    Dr. Sabine Wendt 14.11.2020
    Sehr geehrter Herr Schneider,
    anbei meine Anwort auf Ihre Anfrage vom 13.10.2020: Werkstattverträge müssen sich an die gesetzlichen Vorgaben halten. Nach § 221 Abs. 2 SGB IX sind sie verpflichtet, ein Arbeitsentgelt zu zahlen, was keine Teilnahmeprämie ist. Es ist neben dem Grundbetrag ein Steigerungsbetrag zu zahlen, der leistungsbezogen ist, und damit auf einem Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung beruht. Das EU-Parlament hat übrigens mit einer Entschließung von 18.6.2020 gefordert, dass Menschen, die in geschützten Werkstätten arbeiten, als Arbeitnehmer anerkannt werden und denselben sozialen Schutz wie Arbeitnehmer erhalten (Quelle: RP-Reha 3-20 S. 61).
  3. Andreas Schneider
    Andreas Schneider 13.10.2020
    Guten Tag Frau Dr. Wendt,

    der Artikel ist schon etwas älter, daher können wir jetzt feststellen, dass das in 2015/ 2016 noch heiß diskutierte BTHG keine wesentlichen Änderungen hinsichtlich des rechtlichen Statuses der WfbM-Beschäftigten gebracht hat. Meine Frage zu Ihrem Artikel wäre:
    Woran machen Sie das Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung fest? Die Verträge aus WfbM, die ich kenne, nenne explizit kein Arbeitsentgelt oder Lohn, sondern eine "Teilnahmeentschädigung von XX Euro" oder ähnliches. Es wird sehr genau darauf geachtet, dass aus dem Werkstattvertrag nicht der Eindruck entsteht, dass Teilnahme am Arbeitsangebot sowie Präsenz in der WfbM im Zusammenhang stehen. Wie sehen Sie das EUGH-Urteil vor dem Hintergrund des fehlenden "Leistungsprinzips"? Unterscheidet sich der Arbeitsplatz in der WfbM damit nicht von einem "Normalarbeitsverhältnis"?
    Vielen Dank für eine Antwort,
    Andreas Schneider
  4. Dr. Sabine Wendt
    Dr. Sabine Wendt 20.12.2017
    Sehr geehrte Frau Friedrich-Fuchs,
    ich möchte die Ausführungen von Frau Gast-Schimank vom 11.12.2018 noch ergänzen:
    1. Der im Werkstattvertrag geregelte Urlaubsanspruch sollte länger sein, als der Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz. So gilt in Lebenshilfe-Werkstätten nach einer Empfehlung der Bundesvereinigung Lebenshilfe der Grundsatz der Gleichbehandlung mit dem Urlaubsanspruch des Betreuungspersonals, das in der Regel einen tariflichen Urlaubsanspruch von sechs Wochen (30 Tage) hat. Nachzulesen ist das im Handbuch der Teilhabe durch Arbeit der Bundesvereinigung Lebenshilfe, in den Vertragsmustern Nr. 7 3.1. und 7.3.6. Da dies nur eine Empfehlung ist, gibt es leider keinen Rechtsanspruch auf tatsächliche Umsetzung.
    2. Zu diesem vertraglichen Urlaubsanspruch kommen noch 5 Tage Schwerbehinderten-Urlaub nach § 125 SGB IX hinzu, die nicht miteinander verrechnet werden dürfen. Dieser Zusatzurlaub ist also grundsätzlich aufzustocken. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 22.2.2007, 5 Sa 1861/06) für einen Werkstattvertrag mit einem Urlaubsanspruch von 30 Tagen so entschieden (Fundstelle: Gemeinschaftskommentar SGB IX, Lampe § 125 Rz 19).
    3. Die Regelung über Betriebsschließungen ist Teil des Urlaubsplans, der mit dem Betriebsrat und dem Werkstattrat verhandelt werden muss. Beide haben insoweit ein Mitbestimmungsrecht. Nach der Reform der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung von 2016 muss es aber einen einheitlichen Vorschlag von Betriebsrat und Werkstattrat geben, sonst hat der Vorschlag des Betriebsrats Vorrang. Da beides Interessenvertretungen der Beschäftigten sind, gibt es insoweit eine Rechenschaftspflicht gegenüber den Wählern. Die Berücksichtigung ihrer Wünsche ist eine Frage der innerbetrieblichen Demokratie.
  5. Cindy Gast-Schimank
    Cindy Gast-Schimank 11.12.2017
    Sehr geehrte Frau Fuchs,

    vielen Dank, dass Sie dieses Anliegen mit den Nutzern und Nutzerinnen des Diskussionsforums teilen.

    Vor Kurzem hat uns eine ähnliche Anfrage erreicht, die von Prof. Nebe bereits bilateral beantwortet wurde. Zunächst müssen wir darauf hinweisen, dass wir im Diskussionsforum keine Einzelfallberatungen vornehmen dürfen. Vorerst können wir aus Kapazitätsgründen unsere Sicht daher hier auch nur kurz skizzieren. Derzeit prüfen wir, ob das Thema in einem Fachbeitrag vertiefend aufgegriffen werden kann.

    Werkstattbeschäftigte haben einen Urlaubsanspruch mindestens im Umfang des gesetzlichen Mindesturlaubes, d.h. vier Wochen jährlich. Wenn vom gesetzlichen Urlaubsanspruch ein Teil zwingend für die einseitig von der Werkstattleitung festgelegte Betriebsschließung verwendet wird, kollidiert dies mit dem Grundsatz, dass bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs gem. § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, es sei denn, dass dringende betriebliche Belange des Arbeitgebers entgegenstehen. Die WfbM müsste also erst einmal darlegen, warum Betriebsferien betrieblich dringend erforderlich sind. Wichtig ist zudem die kollektive Seite, denn der Werkstattrat hat gem. § 5 Abs. 2 Nr. 4 Werkstätten-Mitwirkungsverordnung ein echtes Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der Grundsätze für den Urlaubsplan. Die Bestimmung von Betriebsferien bzw. Betriebsschließungszeiten, während derer dann die gesamte Belegschaft Urlaub nehmen muss, zählt zu diesen Grundsätzen für den Urlaubsplan.

    Wir hoffen, dass Ihnen diese komprimierte Auskunft schon einmal weiterhilft.

    Mit freundlichen Grüßen
  6. Friedrich-Fuchs
    Friedrich-Fuchs 08.12.2017
    Urlaubsplan in der WfBM,

    Betriebsschließung: 9 Arbeitstage; 4 x Fenstertage (Betrieb ist geschlossen); 1 x Inventur (Betrieb ist geschlossen); 1 x Betriebsausflug fur Betreuer (Betrieb geschlossen); Weihnachten (2) - also 2017 sind es 17 Urlaubstage, sonst sind es 20 Tage.
    Die Firmen als zulieferer haben keine Betriebsschließung wegen Urlaub.
    Betriebsurlaub im August: Die Behinderten, wenn sie nicht zu Hause wohnen, haben kein Geld, um in dieser Zeit weg zu fahren, wo der Urlaub am teuersten ist (August).
    Was ist Arbeitsrechtlich möglich, die Gewekschaft Verdi München bemüht sich für den geringen Mitgliedsbeitrag nicht um solche Rechte für Behinderte, trotz großer versprechen vor dem Beitritt in die Gewerkschaft. Ich möchte zumindest die Brückentage selbst als Urlaub plannen können, und die Betriebsschließung wegen Inventur und Betriebsurlaub für das Personal kann doch nicht zu Lasten der Behinderten Arbeitnehmer sein.
    Leider sind die Behinderten im Arbeitsrecht als Rehabilitanten, und somit nur geringe Rechte!!!!
    Leider steht der Werkstattrat voll hinter dem Betriebsleiter.

    Mit freundlichem Gruß
    J. Friedrich-Fuchs
  7. Raimund Barkam
    Raimund Barkam 27.09.2017
    Seit dem 06.10.2014 arbeite ich in einer anderen Werkstatt für behinderte Menschen. Dort bin ich im Bereich Grafikdesign/Weblayout/Digitaldruck und Verpackung tätig.

    Im Rahmen eines Weblayoutprojektes schreibe ich folgendes Wikibook mit dem Titel "Musterentwürfe zum gerichtlichen Mahnverfahren". Ich konnte dabei die Unterstützung von 3 Co-Autoren gewinnen.

    Es ist unter dem Link;

    https://de.m.wikibooks.org/wiki/Musterentwürfe_zum_gerichtlichen_Mahnverfahren
  8. Achim Morina
    Achim Morina 09.02.2016
    Es ist für Deutschland peinlich obendrein, das man kaum etwas in Hinblick für Behinderte Menschen bezüglich der Werkstätten tut. Denn dort, in also diesen Werkstätten werden Menschen zeitweilig zum Kapital gemacht bzw. umfunktioniert. Jedoch sei daran erinnert oder meinetwegen gemahnt, das es letzten Endes nur darauf ankommt, wieviel man für welchen Behinderten bekommen kann. Es geht darum, Fördergelder abzugreifen. Dabei sind viel zu viele Menschen falsch in einer sogenannten Werkstatt. Mitschuld trägt hierbei sicherlich ebenso wie die Werkstätten, die Agentur für Arbeit. << Deren Vorgehensweisen sind absurd bis intolerant (Satz wurde redaktionell bearbeitet, bitte beachten Sie die Netiquette, die Red.)>>.
    Auch die Kirchen, welche des öfteren die "wahren"-Träger des Ganzen sind, tun einfach viel zu wenig für die Werkstattbeschäftigten. Überdeutlich wird solches, wenn man sich vor Augen führt, das Werkstattbeschäftigte nicht einmal Arbeitnehmer sind, sondern lediglich nur einen dies. "Arbeitnehmer"- ähnlichen Status genießen...Ein blanker Hohn. Warum also, sei gefragt - macht man solches? Wieso stempelt man Menschen generell und zu sofort ab? Man nimmt Ihnen damit jegliche Chance auf eine Teilhabe? Nun, eine in der Tat schwierig zu beantwortende Frage, dennoch nicht unbeantwortbar.

    Eines jedoch scheint definitiv klar: Es ist wie immer und überall das gleiche vorherrschende Thema: wie können wir möglichst viel aus behinderten Menschen herausquetschen
  9. CPC 6128
    CPC 6128 30.01.2016
    Wenn ich hier einmal auf die Würde des Menschen zu sprechen komme, stellt sich die Frage, sind Menschen auch Menschen. Oder sind Menschen in unterschiedliche Kategorien einzu­s‍tufen. Ob nun jemand einen Urlaubsanspruch auf dem er­s‍ten oder zweiten Arbeitsmarkt hat. Hier kann man auch von Sklaverei sprechen. Denn der Arbeitsmarkt ist ein Ort wo etwas Verkauft oder veräußert wird. Wenn also Menschen etwas produzieren und dabei weisungsgebunden sind, sind diese insoweit Sklaven. Der Begriff Sklaven hebt sich aber durch angemessene Bezahlung wieder auf. Tatsache ist das in WfBM´s für Menschen mit Behinderung nur Werksverträge be­s‍tehen. Was Werksverträge sind und bedeuten kann man in der Realwirtschaft sehen. Diese führen meist zu Unterbezahlung gegenüber Tarifbeschäftigten. Mich würde eine öffentliche Diskussion auch politisch interessieren, in dem der Begriff Arbeiter und Mitarbeiter kontrovers diskutiert wird. Denn im Grundgesetz steht auch das jeder Mensch vor dem Gesetz gleich ist und aufgrund seiner Religion, Geschlecht oder Behinderung nicht benachteiligt werden darf. Hier nehme ich jetzt Bezug auf das Urteil EuGH, Urt. v. 26.03.2015 und setze dieses in den Kontext zum Mindestlohn. Demnach ist ein Mitarbeiter weniger Wert als ein Arbeiter. Der Arbeiter hat einen Anspruch auf den Mindestlohn, der Mitarbeiter nicht. Ein Mitarbeiter in einer WFBM ist in der Regel ein benachteiligter Mitarbeiter also ein Behinderter Mensch. Aber jetzt mal eine Gegenfrage. Ist ein nach Tarif beschäftigter Sozialarbeiter, Telefonist, Verwaltungsange­s‍tellter u.s.w. nicht auch ein Mensch der an der Erfüllung eines Arbeitsergebnisses genauso wie der Firmenchef aber auch die benachteiligten Menschen arbeitet, mitarbeitet und sind die oben erwähnten Berufe, die Menschen welche diese ausüben nicht auch Mitarbeiter gegenüber dem Chef und der Firma. Warum muß dann ein Mensch mit Behinderung zum Sozialamt und seine Finanzen offenlegen, darüber Rechenschaft abgeben, bei Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld oder Sonderzahlung immer alles ohne einen Selbstbehalt rechnerisch von der Lei­s‍tung zu Hundert Prozent dem Amt abtreten. Warum darf man nur einen Betrag ansparen der der unter­s‍ten Lohn­s‍tufe eines Monats entspricht und muß dieses dann so ausgeben, das man nicht über diese Grenze kommt. Warum bekommt ein benachteiligter Mensch nur ein Taschengeld in Höhe von 75€ im Monat als Grundlohn. Aber die wichtig­s‍te Frage ist, wenn Beispiele bei der Erhöhung von Krankenkassenbeiträgen im Rundfunk gezeigt werden nur von Monatseinkünften von Normalverdienern ausgegangen wird die ab 2500€ im Monat verdienen. Gute Mitarbeiter kommen nicht über die Grenze was ein Sozialamt be­s‍timmt im Monat hinaus. Sollte das dennoch sein durch eine Sonderzahlung wird das auf das laufende Jahr aufgeteilt und versucht eine Grundsicherungslei­s‍tung die von Januar bis Dezember läuft mit der rückwirkenden Berechnung begründet im folgenden Jahr das dadurch auf die fehlenden bereits abgelaufenen Monate die Lei­s‍tung zu kürzen.

    Also wenn nach dem Urteil auch die Menschen mit Behinderung als Arbeiter zählen oder zu zählen haben, muß diesen doch auch ein Grundlohn zu­s‍tehen. Zum Beispiel statt 8,50€ minde­s‍tens 8,00€ oder 7,50€ jedoch nicht weniger. Das würde möglicherweise weniger bis gar keinen Ärger mit dem Amt bedeuten. Oder die entsprechenden Ansprüche der Mitarbeiter könnten direkt mit der WFBM und den Ämtern bearbeitet werden. Dann brauchen die Mitarbeiter nicht klagen, Widersprüche schreiben und könnten ihren Lohn komplett aus einem Topf, hier als Lohn über die Werkstatt erhalten. Wäre schön wenn die Politik mal im Zusammenhang mit dem Grundgesetz den Begriff Arbeiter und Mitarbeiter erklären würde. Denn in beiden Bezeichnungen steckt unübersehbar das Wort Arbeit, worauf für den Bezug eines Mindestlohns abge­s‍tellt wird.
  10. C. Rosenmeier
    C. Rosenmeier 17.12.2015
    Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zum Arbeitnehmerbegriff ist zu begrüßen und auch in der Sache richtig. Zutreffend defniert sich der Arbeitnehmerbegriff als jede echte weisungsgebundene und vergütete Tätigkeit. Teilnehmer im Arbeitsbereich einer WfbM fallen darunter. Die betriebswirtschaftlich organisierten WfbM nehmen marktseitig vorhandene Kundenaufträge an , zergliedern die zur Ausführung erforderlichen Arbeiten in Teile und lassen diese Teilarbeiten nach Weisung ausführen durch die Teilnehmer des Arbeitsbereiches der WfBM, die hierfür eine Vergütung erhalten. Dass bei der Zuweisung und Ausführung der Arbeiten und durch die Vorhaltung spezieller betrieblicher Bedingungen besondere Rücksicht auf die behinderungsbedingten Belange genommen wird, ändert dem Grunde nach weder etwas an der Weisungsgebundenheit noch an der Arbeit und deren Vergütung. Dass i.d.R. an Teilnehmer auch besondere Teilhabeleistungen erbracht werden liegt zudem außerhalb des Begriffsinhaltes des Arbeitnehmerbegriffes und ist insoweit auch unbeachtlich. Ob und inwieweit aus der Entscheidung auch Ansprüche auf eine höhere Vergütung abgeleitet werden können, soll hier nicht weiter erörtert werden. Zur Wahrung etwaiger Ansprüche kann den Betroffenen nur geraten werden, verjährungsunterbrechende Maßnahmen vorzunehmen.
  11. Dr. Sabine Wendt
    Dr. Sabine Wendt 14.12.2015
    Die Weisungsgebundenheit in der WfbM ist in den Werkstattverträgen als Mitwirkungspflicht geregelt. Danach verpflichten sich die Beschäftigten, die ihnen zugewiesene Arbeit in der dafür vorgesehenen Arbeitszeit zu erledigen. Fehlende Mitwirkung durch Arbeitsverweigerung wird als mangelnde WErkstattfähigkeit ausgelegt und kann zur Kündigung führen. Die WfbM sind betriebswirtschaftlich organisiert, die Beschäftigten haben weder Einfluß auf die angegenommenen Aufträge, noch können sie ihr Beschäftigungsfeld frei wählen. Sie arbeiten daher auch fremdbestimmt. Wie alle Schwerbehinderten haben sie einen Anspruch darauf, nur die Arbeit zugewiesen zu bekommen, die sie mit ihrer Behinderung auch bewältigen können (leidensgerechter Arbeitsplatz). Von dem allgemeinen Arbeitsmarkt unterscheidet sie sich durch das Angebot von begleitendentherapeutischen Maßnahmen während der Arbeitszeit, das hat aber nichts mit den Arbeitnehmerpflichten zu tun, so sieht es jedenfalls der EuGH.
  12. C. Ermantraut
    C. Ermantraut 14.12.2015
    Aus meiner Sicht ist der Arbeitnehmerbegriff auf Werkstättenbesucher nicht anwendbar, dass die seelisch, körperlich oder geistig behinderten Menschen in den WfbM einen geschützten Arbeitsplatz haben und von einer weisungsgebundenen Tätigkeit nicht gesprochen werden kann. Es handelt sich hier um eine Maßnahme zur Teilhabe in einem anderen Kontext als ein Arbeitnehmer, der einer Tätigkeit auf dem 1. Arbeitsmarkt nachgeht. Dieser steht in der Pflicht, Weisungen seines Vorgesetzten Folge zu leisten. In einer WfbM hingegen wird niemand verpflichtet irgendwas unter Zwang oder Druck zu leisten....dann wäre es kein geschützter Arbeitsplatz mehr. Das soll jedoch nicht heißen, dass gesundheitlich eingeschränkte Menschen, meist Schwerbehinderte nach dem Schwerbehindertenrecht, nicht mindestens den gleichen bzw. mehr Urlaubsanspruch haben dürfen als gesunde Arbeitnehmer. Dies ist ja auch als Nachteilsausgleich gedacht.

Neuen Kommentar schreiben

Mit * gekennzeichnete Felder müssen ausgefüllt werden.