02.05.2016 Rechtsprechung

Bundesarbeitsgericht zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers in der Probezeit

Ein Arbeitgeber ist in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses nicht zur Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX verpflichtet. Kündigt er in diesem Zeitraum einem schwerbehinderten Arbeitnehmer, ohne vorher ein Präventionsverfahren durchgeführt zu haben, liegt keine Diskriminierung vor. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht.

Die mit einem Grad von 50 schwerbehinderte Klägerin war seit dem 1. Oktober 2012 beim beklagten Land als Leiterin der Organisationseinheit Qualitätsmanagement/Controlling des Landeskriminalamts (LKA) beschäftigt. Die Parteien hatten im Arbeitsvertrag eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart. In einem Personalgespräch am 11. Februar 2013 teilte der Präsident des LKA der Klägerin mit, dass er beabsichtige, das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Probezeit zu beenden. Mit Schreiben vom 8. März 2013 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis zum 31. März 2013. Die Klägerin griff  diese Kündigung nicht mit einer Kündigungsschutzklage an, sondermachte  einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Sie meinte, das beklagte Land habe sie dadurch, dass es das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht durchgeführt habe, wegen ihrer Schwerbehinderung diskriminiert. Das Präventionsverfahren sei eine besondere Schutzmaßnahme zur Vermeidung von Nachteilen für Schwerbehinderte sowie eine „angemessene Vorkehrung“ im Sinne von Art. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG. Werde eine solche Vorkehrung nicht getroffen, sei dies als Diskriminierung zu werten. Dadurch, dass das beklagte Land das Präventionsverfahren nicht durchgeführt habe, sei ihr die Möglichkeit genommen worden, etwaige behinderungsbedingte Fehlleistungen zu beheben.

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX selbst keine „angemessene Vorkehrung“ im Sinne von Art. 2 UN-BRK und Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG darstellt. Zudem sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet, innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses (Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG) ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen (Urteil vom 21. April 2016, Az. 8 AZR 402/14). Die Richter bestätigten damit das abweisende Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 17. März 2014 (Az. 1 Sa 23/13).

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 19/16)


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