14.02.2018 Rechtsprechung

EuGH zur Entlassung eines Arbeitnehmers mit Behinderung wegen wiederkehrender Fehlzeiten – Mittelbare Diskriminierung

In einer Vorabentscheidung hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu klären, ob die EU-Richtlinie 2000/78 zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf die Anwendung einer nationalen Regelung verbietet, wenn diese einen behinderten Arbeitnehmer betrifft (Urteil des EuGH vom 18.01.2018 – Rechtssache C 270/16).

Im spanischen Cuenca hatte ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aufgrund wiederkehrender, gerechtfertigter Fehlzeiten gekündigt. Die Fehlzeiten standen dabei im Zusammenhang mit dessen Behinderung. Das spanische Arbeitnehmerstatut (Real Decreto Legislativo Nr. 1/1995 zur Billigung der Neufassung des Gesetzes über das Arbeitnehmerstatut) erlaubt dem Arbeitgeber eine Kündigung aus objektiven Gründen wegen wiederkehrender Abwesenheiten vom Arbeitsplatz.

Der Arbeitnehmer klagte gegen die Kündigung und machte geltend, dass seine Fehlzeiten ausschließlich auf einer Krankheit beruhen, die seine Behinderung verursache. Es bestehe folglich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Fehlzeiten und der Behinderung. Die Kündigung sei daher wegen Diskriminierung nichtig.

Das Sozialgericht Nr. 1, Cuenca, Spanien, legte die folgende Frage zur Vorabentscheidung dem EuGH vor:

Verbietet es die Richtlinie 2000/78, eine nationale Rechtsvorschrift, nach der ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aus objektiven Gründen wegen – gerechtfertigten, aber wiederkehrenden – Abwesenheiten vom Arbeitsplatz, die 20 % der Arbeitstage in zwei aufeinanderfolgenden Monaten und insgesamt 5 % in den vorangegangenen zwölf Monaten oder aber 25 % in vier nicht aufeinanderfolgenden Monaten innerhalb von zwölf Monaten erreichen, kündigen darf, auf einen Arbeitnehmer anzuwenden, der als behindert im Sinne dieser Richtlinie anzusehen ist, wenn die Abwesenheit durch die Behinderung verursacht ist?

In seinem Urteil vom 18.01.2018 befasst sich der EuGH (Dritte Kammer) mit der Krankheit Adipositas und dem unionsrechtlichen, d.h. auf die Teilhabe am Berufsleben bezogenen, Behinderungsbegriff. Des weiteren ging es um die Frage, ob die Regelung des spanischen Arbeitnehmerstatuts eine verbotene Diskriminierung i.S.v. Art. 2 RL 2000/78/EG darstelle. Der unter die Richtlinie fallende Arbeitnehmer mit Behinderung müsse vor jeder Diskriminierung im Verhältnis zu einem Arbeitnehmer ohne Behinderung geschützt werden. Laut EuGH könne die Regelung insgesamt eine mittelbare Benachteiligung i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG darstellen, weil behinderte Arbeitnehmer ein höheres Risiko als Arbeitnehmer ohne Behinderung hätten, krank zu werden. Da die Regelung des Arbeitnehmerstatuts ein gerechtfertigtes Ziel verfolge, nämlich Absentismus zu bekämpfen, müsse das vorlegende Gericht nun prüfen, ob die Regel nicht über das Erforderliche hinausgehe, um das Ziel zu erreichen.

Leitsatz:

Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund gerechtfertigter, aber wiederkehrender Abwesenheiten vom Arbeitsplatz auch dann entlassen darf, wenn die Fehlzeiten die Folge von Krankheiten sind, die auf eine Behinderung des Arbeitnehmers zurückzuführen sind, es sei denn, diese Regelung geht unter Verfolgung des legitimen Ziels der Bekämpfung von Absentismus nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinaus; dies zu prüfen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.

Die vorläufige Fassung des Urteils: Rechtssache C‑270/16 Ruiz Conejero: Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 18. Januar 2018 (ECLI:EU:C:2018:17)

(Quelle: InfoCuria - Rechtsprechung des Gerichtshofs)


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