01.06.2016 D: Konzepte und Politik Ertl/Möller/Narr/Weber: Beitrag D19-2016

Tagungsbericht „Der Beitrag des Sozialrechts zur Realisierung des Rechts auf Gesundheit und des Rechts auf Arbeit für behinderte Menschen“ am 26. und 27. November 2015 in Hamburg – Teil 1

Christian Ertl, Julia Möller, Anja Narr und Susanne Weber berichten in dem zweiteiligen Beitrag über die Veranstaltung „Der Beitrag des Sozialrechts zur Realisierung des Rechts auf Gesundheit und des Rechts auf Arbeit für behinderte Menschen“, die am 26. und 27. November 2015 in Hamburg stattfand.

Im ersten Teil stellen die Autorinnen und Autoren die Inhalte der verschiedenen Vorträge, Kommentare und Diskussionen vor. Der erste Schwerpunkt beschäftigte sich dabei mit den sozialen Grundrechten und ihrer Bedeutung für die Wissenschaft und Praxis mit besonderem Blick auf die Rechte auf Gesundheit und Arbeit. Der darauffolgende Themenkomplex vertiefte das Recht auf Gesundheit behinderter Menschen und thematisierte insbesondere den Zugang zu gesetzlichen und privaten Sicherungssystemen sowie die Barrierefreiheit in der Gesundheitsversorgung.  

(Zitiervorschlag: Ertl/Möller/Narr/Weber: Tagungsbericht „Der Beitrag des Sozialrechts zur Realisierung des Rechts auf Gesundheit und des Rechts auf Arbeit für behinderte Menschen“ am 26. und 27. November 2015 in Hamburg – Teil 1; Beitrag D19-2016 unter www.reha-recht.de; 01.06.2016)

Am 26. und 27. November 2015 veranstaltete der Sozialrechtsverbund Norddeutschland e. V. in Zusammenarbeit mit der Techniker Krankenkasse in Hamburg eine Tagung, die sich mit dem Thema „Der Beitrag des Sozialrechts zur Realisierung des Rechts auf Gesundheit und des Rechts auf Arbeit für behinderte Menschen“ beschäftigte.

Es ging dabei um die in der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) garantierten Rechte für Menschen mit Behinderungen auf Gesundheit (Art. 25) und auf Arbeit und Beschäftigung (Art. 27). Dabei sollte untersucht werden, ob das deutsche Sozialrecht den Maßstäben der UN-BRK gerecht wird und welche Defizite oder Barrieren der Realisierung der Rechte auf Gesundheit, Arbeit und Beschäftigung entgegenstehen bzw. auch wie diese gelöst werden können.

I. Soziale Grundrechte und ihre Bedeutung für Wissenschaft und Praxis

Der erste Themenkomplex beschäftigte sich mit den sozialen Grundrechten auf Arbeit und Gesundheit behinderter Menschen, wo diese Grundrechte in der Rechtsordnung stehen und was die Diskussion zur Umsetzung und Bedeutung dieser Grundrechte sagt.

Dazu referierte Prof. Dr. Eberhard Eichenhofer (Universität Jena) zum Thema „Die Rechte auf Gesundheit und Arbeit als soziale Menschenrechte“, wobei er den geschichtlichen Werdegang der sozialen Menschenrechte, deren Bezug zu den Grundrechten und das Recht auf Gesundheit bzw. das Recht auf Arbeit beschrieb. Dabei stellte er die Schwierigkeit dar, dass der deutsche Grundrechtekatalog inhaltlich enger gefasst ist als der Katalog der international anerkannten Menschenrechte. Das Grundgesetz habe sich bewusst nicht in die Tradition der Weimarer Reichsverfassung gestellt und soziale Grundrechte nicht aufgenommen. Diese Aufnahme geschah auch nicht aus Anlass der Wiedervereinigung Deutschlands. Die damalige Diskussion sei jedoch inzwischen auf internationaler Ebene aufgegriffen worden, insbesondere das Recht auf Gesundheit und das Recht auf Arbeit. Im Völkerrecht seien die sozialen Menschenrechte klar ausformuliert, in den deutschen Grundrechten komme das Soziale als Menschenrechtsthema nicht zentral vor. Weiter stellte Eichenhofer dar, dass das Recht auf Gesundheit vielfältig niedergelegt ist[1] und einen leistungsrechtlichen Gehalt hat, der den Anspruch bzw. die positive Freiheit umschreibt, an Möglichkeiten und Chancen zeitgenössischer Medizin umfassend teilzuhaben. Dieser Anspruch lasse sich durch die einzelnen Bestimmungen in verschiedene Einzelverpflichtungen übersetzen.[2] Ferner würden vier Dimensionen bei dem Recht auf Gesundheit unterschieden: availability (Ausstattung mit medizinischen Leistungen), accessability (diskriminierungsfreie Zugänglichkeit), acceptability (Empathie der Institutionen im Bereich der Bedürfnisse der Patienten) und quality (Verwirklichung von medizinischen Leistungen mit hoher Qualität). Neben dem Recht auf Gesundheit erläuterte Eichenhofer das Recht auf Arbeit[3], welches jedem Menschen das Recht auf Arbeit und Schutz in der Arbeit gewährt. Das Recht auf Arbeit ist im Grundgesetz nicht verankert, dieses gewährleistet aber in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes. Dies umfasst mehr als das in Art. 12 Abs. 2 GG enthaltene Verbot der Zwangsarbeit.[4] So kennt das Arbeitsrecht Beschäftigungsansprüche für behinderte Menschen, sichert den Zugang zum Arbeitsmarkt und verbietet Diskriminierung, schützt die Beschäftigten vor und bei einer einseitigen grundlosen Entlassung durch den Arbeitgeber, gewährleistet ein Recht auf Teilhabe in der Organisation von Arbeit und bei Festlegung der Arbeitsbedingungen und verbürgt das Recht auf Erhaltung der physischen und psychischen Existenz.

Prof. Dr. Gerhard Igl (Universität Kiel, em.) referierte im Anschluss über „Das Recht auf Gesundheit behinderter Menschen nach Art. 25 UN-BRK“. Er stellte dabei die besondere Zielsetzung des in Art. 25 UN-BRK beschriebenen Rechts auf Gesundheit neben der allgemeinen Zielsetzung des „erreichbaren Höchstmaßes“, das Recht auf das „Erreichbare Höchstmaß an Gesundheit ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung“, vor. Im deutschen Recht sei in diesem Zusammenhang § 2a Sozialgesetzbuch (SGB) V zu nennen, welcher fordert, den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Menschen in der gesamten Krankenversicherung Rechnung zu tragen. Ebenso seien im Rehabilitationswesen im SGB IX grundsätzlich entsprechende Rahmenbedingungen für eine diskriminierungsfreie Rechtsgewährleistung gegeben. Trotz des hochentwickelten Gesundheits- und Rehabilitationswesens begründete Igl die Notwendigkeit internationalrechtlicher Instrumente zur diskriminierungsfreien Versorgung, die klar zeigten, dass die Belange von behinderten Menschen keineswegs immer Berücksichtigung finden. Auch deswegen stellte Igl fest, dass es in Deutschland trotz hohem Gesundheitsschutzniveau nicht nur einer Sensibilisierung der Anliegen behinderter Menschen bedürfe, sondern auch behinderungspolitscher Gestaltungsbedarf bestehe, der sich aus Art. 25 UN-BRK ergebe.

Zu diesem Themenkomplex kommentierte Prof. Bernd Petri (Verwaltungs-Berufsgenossenschaft) aus Sicht der Verwaltung. Er zeigte die Schwierigkeiten der Übersetzung der Menschenrechte und des Grundgesetzes auf. Er sprach die Schwierigkeit an, als kleines System der Unfallversicherung die großen Ansprüche der sozialen Gerechtigkeit und der ganzheitlichen Teilhabe in dem gegliederten und komplexen System bei verschiedensten Fallkonstellationen zu erfüllen. Als Antwort darauf stellte er das Reha-Konzept „Reha 3.0“ vor, welches schwierigen Fallgestaltungen durch persönliches Aufsuchen und durch ganzheitliche Betrachtung des Teilhabebedarfes gerecht werden will. Dies benötige zwar vermehrt Ressourcen, werde aber von dem rein unternehmensfinanzierten Bereich akzeptiert, weil auch dort die positiven Ergebnisse zu einer Arbeits- und Personalsicherung führten und auf lange Sicht vermehrt Vorteile aufweise.

Im Anschluss kommentierte Dr. Joachim Steinbrück (Landesbehindertenbeauftragter der Freien Hansestadt Bremen) aus der Sicht der behinderten Menschen. Er wies darauf hin, dass die Bundesregierung ihre Verpflichtungen aus der UN-BRK, insbesondere aus Art. 25 und Art. 27 UN-BRK, noch nicht vollständig erfüllt habe. Außerdem seien schwerbehinderte Menschen mit guter Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt noch immer überdurchschnittlich stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Dagegen seien eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe und Maßnahmen wie Einstellungsquoten nötig. Ebenso merkte Steinbrück an, dass es nach wie vor zahlreiche umwelt- und einstellungsbedingte Barrieren gebe, die einen gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsleistungen für behinderte Menschen erschweren. Hier seien aber nicht nur die baulichen Barrieren zu nennen, sondern auch in der Kommunikation fehlendes Spezialwissen. Als Lösungsansätze würden hier rechtliche Verpflichtungen benötigt, die den Abbau von Barrieren verfolgen.

In der sich anschließenden Diskussion setzte man sich u. a. mit dem Progressionsvorbehalt der UN-BRK (Art. 4 Abs. 2) auseinander. Ebenso wurde Kritik an der Umsetzung der UN-BRK geübt, denn im Einzelfall würden die dortigen Rechte in der Realität oft nicht in der Weise gewährt, wie sie durch die UN-BRK garantiert werden. Hier wurden als mögliche Probleme die Komplexität des deutschen Systems und der Subsysteme angemerkt.

II. Das Recht auf Gesundheit behinderter Menschen und das Sozial – und Gesundheitsrecht (Teil 1)

Prof. Dr. Dagmar Felix (Universität Hamburg) thematisierte den „Rechtlichen Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialrechtlichen Sicherung bei Gesundheitsstörungen“. § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V sei in Bezug auf die Krankenversicherungspflicht von Studierenden von zentraler Bedeutung. Die Regelung beschreibt die Dauer und Voraussetzungen, die auch bei Verlängerung durch Verzögerungen des Studiums (z. B. wegen einer eingetretenen Behinderung) Bestand haben und hat Vorrang gegenüber der Familienversicherung (Auffangversicherung). Falls § 5 SGB V nicht erfüllt werden kann greift die freiwillige Versicherung nach § 188 SGB V. Nachfolgend referierte Felix über die Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge nach § 32 SGB XII durch die Sozialhilfeträger, sofern § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gilt. Im Falle der Kostenübernahme wirken die Inhalte des SGB II und SGB XII ergänzend. Zuletzt hielt Felix fest, dass das SGB V für Menschen mit Behinderung nicht als zufriedenstellend angesehen werden kann.

Danach griff Prof. Dr. Frank L. Schäfer (Albert-Ludwigs Universität Freiburg) die Thematik des rechtlichen Zugangs zur privaten Krankenversicherung auf. Die Zugangsvoraussetzungen seien stark eingeschränkt, denn nur, wenn die oder der Versicherte schon bei der Geburt den Basistarif erhält, greift § 198 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) (ein Elternteil muss bereits Mitglied sein). Erschwert wird diese Möglichkeit im späteren Leben (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – AGG), da eine Diskriminierung in Form von Risikozuschlägen, Leistungsausschlüssen oder sogar der Abweisung behinderter Menschen erfolgen kann. Als Grund wird ein erhöhtes Versicherungsrisiko aufgeführt. Ferner erläuterte der Referent die Problematik eines Tarifwechsels für behinderte Menschen. Hier sei ein Kontrahierungszwang und keine vollkommene Gleichstellung nach § 21 AGG zu verzeichnen, da kein Vertrauensschutz bestehe (§ 204 VVG). Auch spezifische Leistungen speziell für behinderte Menschen fehlten gänzlich und lediglich die Pflegeversicherung sei auf deren Belange ausgerichtet. Schäfer zeigte den fehlenden privatrechtlichen Versicherungsschutz und die mangelnde Umsetzung des Zwei-Säulen-Modells auf.

Der erste Kommentar wurde aus Sicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zum Thema „Recht auf Gesundheit“ von Dr. Jens Baas (Vorstand der Techniker Krankenkasse) vorgetragen. Die Krankenversicherung habe einen wichtigen Versorgungsauftrag und prinzipiell herrsche ein uneingeschränkter Zugang zur GKV, da es sich hierbei um eine Solidargemeinschaft handle. Des Weiteren argumentierte er, dass die GKV die individuelle Beratung als essentielle Aufgabe habe, sowie dass verschiedene Formen der Unterstützung und eine Zusammenarbeit zwischen den Trägern bestünden. Um angemessene Versorgungsangebote gewährleisten zu können, würden Patientenbefragungen über Arztpraxen durchgeführt.

Darauf folgte ein Kommentar von Samiah El Samadoni (Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten Schleswig – Holstein, Antidiskriminierungsstelle) über den Zugang zur Privaten und Gesetzlichen Krankenversicherung. Sie stellte anhand von Beispielen heraus, inwiefern faktische Nachteile für behinderte Menschen entstehen und forderte ein Verbandsklagerecht sowie volle Teilhabe anstelle von bloßer Existenzsicherung ein. Des Weiteren warf die Referentin die Fragen auf, ob eine wohnortnahe Behandlung prinzipiell möglich sei und wie behindertensensible Regulierungssysteme geschaffen werden können.

Anschließend befasste sich Christoph Kranich (Forum Patientenvertretung) mit der theoretischen Definition von Behinderung und Krankheit, wobei hier deutlich wurde, dass eine starke Überschneidung anzunehmen ist. Er stellte die These auf, dass das deutsche Krankenversicherungssystem im Vergleich zu anderen Ländern für eine ausreichende Versorgung gut geeignet sei. Jedoch nehme die private Krankenkasse nicht am solidarischen System teil, da aufgrund des steigenden Wettbewerbs meist junge und gesunde Klienten gewünscht werden. Deshalb forderte Kranich eine Transparenzpflicht aller Krankenkassen, ein einheitliches Preissystem und die Einrichtung eines Beschwerdemanagements.

III. Das Recht auf Gesundheit behinderter Menschen und das Sozial- und Gesundheitsrecht (Teil 2)

Empirische Erkenntnisse über die fehlende oder mangelhafte Zugänglichkeit zur Gesundheitsversorgung lieferte Prof. Dr. Claudia Hornberg (Universität Bielefeld). Zwar sei eine umfassende Bewertung der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderung aufgrund der fehlenden soliden Datenbasis im Moment nicht möglich, einzelne Problemberichte und Mängel würden aber beispielsweise im Parallelbericht zur Staatenprüfung der UN-BRK von der Allianz zur UN-Behindertenrechtskonvention (BRK-Allianz) benannt. Hornberg machte die Dringlichkeit der verbesserten Zugänglichkeit und Barrierefreiheit der gesundheitlichen Infrastruktur deutlich. Demnach weise bei den 2,5 Millionen Menschen mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen jede/r siebte Bewohner/in eine andauernde gesundheitliche Beeinträchtigung oder Behinderung auf. 1,7 Millionen Menschen gelten als schwerbehindert und jede zehnte Frau in Deutschland lebe mit einer Beeinträchtigung oder chronischen Erkrankung. Die Heterogenität dieser Gruppen, den demographische Wandel und die daraus resultierenden altersbedingten Funktionseinschränkungen bezeichnete Hornberg als Herausforderungen für das Gesundheitssystem und betonte, dass der Handlungsdruck für alle Akteurinnen und Akteure weiter steigen werde.

Über die rechtlichen Anforderungen im Hinblick auf die Zugänglichkeit und Barrierefreiheit der gesundheitlichen Infrastruktur referierte anschließend Prof. Dr. Felix Welti (Universität Kassel). Die UN-BRK fordere die Identifizierung und Beseitigung von Zugangshindernissen und Barrieren, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderung die Gesundheitsversorgung in derselben Bandbreite und Qualität nutzen können wie alle anderen Menschen. Mit Art. 25 UN-BRK würden die Vertragsstaaten zu Maßnahmen verpflichtet, die diesen Zugang gewährleisten sollen. Ungeachtet der Diskussion über die Umsetzung durch die Gesetzgebung wirkten sich Art. 9 UN-BRK und Art. 25 UN-BRK schon jetzt auf die Rechtsanwendung und -auslegung im Gesundheitsrecht aus. Auswirkungen ergäben sich auf die barrierefreie Gestaltung von Verwaltungs- und Dienstgebäuden sowie auf die Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit sozialen Diensten und Einrichtungen. Dabei handele es sich um eine Hinwirkungspflicht, die im Falle eines Verstoßes mithilfe der Verbandsklage nach § 13 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) eingeklagt werden könne. Laut Welti gehen die gebäudebezogenen Pflichten nach § 17 Abs. 1 Nr. 4 SGB I über § 8 BGG hinaus und beziehen sich damit nicht nur auf Neubauten sowie große Um- und Erweiterungsbauten, sondern gelten beispielsweise auch für angemietete Räume. Lediglich in atypischen Konstellationen wie Denkmalschutz dürften Verwaltungs- und Dienstgebäude noch Barrieren aufweisen, die im Einzelfall kompensiert werden müssten. Insbesondere bei Arztpraxen müsse die Realisierbarkeit von Barrierefreiheit sichergestellt werden, um auch behinderten Menschen die freie Arztwahl zu ermöglichen. Die Barrierefreiheit von Arztpraxen sowie Krankenhäusern und anderen Diensten und Einrichtungen müsse im Rahmen der Qualitätssicherung von Aufsichtsbehörden und Kammern überprüft werden. Neben der baulichen Barrierefreiheit nannte Welti die Rechte auf die Verwendung von Gebärdensprache und Kommunikationshilfen, barrierefreie Bescheide und Vordrucke sowie barrierefreie Informationstechnik als Herausforderungen, denen sich die Leistungsträger stellen müssten.

Am Beispiel der Unfallversicherung erläuterte Prof. Dr. Christian Jürgens (Berufsgenossenschaftliches Unfallkrankenhaus Hamburg), dass der Zugang zum gesamten Spektrum der Gesundheitsversorgung nur durch ein aufwendiges Netzwerk oder den Zukauf von Leistungen und der Koordination von Schnittstellen sichergestellt werden könne. Lediglich im Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung (BG-Kliniken) seien alle personellen, räumlichen und apparativen Voraussetzungen gegeben, die eine umfassende Versorgung ermöglichen. Allerdings bestehe die Problematik, dass bei BG-Kliniken und weiteren Einrichtungen der Berufsgenossenschaften eine Ungleichbehandlung der Versicherten aufgrund des Leistungsträgers nur schwer zu vertreten sei. Abschließend wies Jürgens darauf hin, dass über die Kosten einer fortschrittlichen Medizin und moderner Errungenschaften ein gesellschaftlicher Konsens herzustellen sei.

Es folgte ein Kommentar von Barbara Berner (Kassenärztliche Bundesvereinigung), in dem die heutige Situation neuer Arztpraxen beleuchtet wurde. Deutlich erkennbar sei, dass es wenig medizinischen Nachwuchs gibt und deshalb die bürokratischen Anforderungen sinken sollten. Insgesamt eröffneten vorwiegend Allgemeinärzte neue Praxen, dagegen jedoch relativ wenige Psychotherapeuten. Bei einer Neueröffnung werde der Barrierefreiheit jedoch Beachtung geschenkt.

Der zweite Kommentar wurde von Johannes Köhn (Landesarbeitsgemeinschaft behinderter Menschen Hamburg) vorgetragen. Er beschrieb die UN-BRK als gutes Mittel, um das Bewusstsein in der Hamburger Gesundheits- und Sozialbehörde für diese Themen zu stärken. Außerdem wurde erwähnt, dass es für Menschen mit Behinderung ein Bedürfnis sei, einen Arzt in erreichbarer Nähe zu haben und sie oftmals noch immer fehlendem Respekt begegneten. So sprächen Ärzte beispielsweise häufig mit den Dolmetschern anstatt mit den schwerhörigen Patienten direkt.

In der nachfolgenden Diskussion wurde die Problematik von ausländischen Patienten aufgegriffen, da sich bei diesen der Zeitaufwand der Ärzte verdopple oder eine andere Behandlungsmöglichkeit verlangt werde. Außerdem habe ein Projekt der Lebenshilfe weitere Schwächen der Ärzte und Krankenhäuser aufgezeigt. Deren Versorgungs- und Kommunikationskompetenzen sowie Qualität seien oftmals mangelhaft.

Beitrag von Christian Ertl, B.A., Julia Möller, LL.B., Anja Narr, B.A., Susanne Weber, Dipl. Soz.juristin (alle Universität Kassel, Masterstudiengang Sozialrecht und Sozialwirtschaft)

Fußnoten:

[1] In Art. 25 AEMR, 12 IPwskR, 6 IPbpR, ferner in Art. 11 ECS, 35 EuGrCH.

[2] Höchstmaß körperlicher und geistiger Gesundheit, Senkung der Todgeburten, Umwelt- und Arbeitsschutz etc.

[3] Art. 23 AEMR, 6 f. IPwskR, 1 ESC und 15 EuGrCH.

[4] IAO-Übereinkommen Nrn. 168 (1988) über Beschäftigungsförderung und Schutz gegen Arbeitslosigkeit, IAO-Empfehlung 176 (1988, 150 (1978) über Arbeitsverwaltung, IAO-Empfehlung 158 (1978) und 142 (1975) über die Erschließung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte und der IAO-Deklaration über die Mindestnormen des Arbeitsschutzes von 1998.


Stichwörter:

Ärztliche Versorgung, Barrierefreiheit, Gesundheitsprävention, Gesundheitsschutz, Krankenversicherung, Private Krankenversicherung, Krankheit und Behinderung, Menschenrechte, UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)


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