02.07.2021 A: Sozialrecht Tietz: Beitrag A20-2021

Die Regelungen zum Assistenzhund im Gesetzgebungsverfahren des Teilhabestärkungsgesetzes

Der Autor setzt sich in dem Beitrag mit den neuen Regelungen des Teilhabestärkungsgesetzes zu Assistenzhunden auseinander. Dabei wird unter anderem auf die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingereichten Stellungnahmen eingegangen. Die Entstehung der neuen Normen im BGG wird nachgezeichnet, darüber hinaus werden erste Verbesserungsvorschläge aufgezeigt.

(Zitiervorschlag: Tietz: Die Regelungen zum Assistenzhund im Gesetzgebungsverfahren des Teilhabestärkungsgesetzes; Beitrag A20-2021 unter www.reha-recht.de; 02.07.2021)

I. Einleitung

Am 3. Februar 2021 verabschiedete die Bundesregierung den Entwurf eines Teilhabestärkungsgesetzes (THSG-E),[1] der mehrere Änderungen des Rehabilitations- und Teilhaberechts vorsieht. Vorausgegangen war ein Referentenentwurf des Bundes-ministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 22. Dezember 2020.[2]

Das THSG enthält Regelungen zu Assistenzhunden. Art. 9 THSG erweitert das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) um einen Abschnitt 2b („Assistenzhunde“), der künftig insgesamt sechs Normen umfasst (§§ 12e-12j BGG n. F.).[3] Primär soll Menschen mit Behinderungen in Begleitung eines Assistenzhundes der Zugang zu öffentlichen und privaten Einrichtungen erleichtert werden. Darüber hinaus sollen die Ausbildung, Prüfung und Zertifizierung von Assistenzhunden vereinheitlicht werden. Der Regierungsentwurf wurde am 22. April 2021 in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung[4] vom Bundestag verabschiedet.

II. Die aktuelle Rechtslage

Zu tierischer Assistenz allgemein und zu Assistenzhunden im Besonderen existieren in Deutschland momentan keine gesetzlichen Regelungen. Deshalb kam es in den letzten Jahren vermehrt zu gerichtlichen Auseinandersetzungen vor den Sozial-, Verwaltungs- und Zivilgerichten. Gleichzeitig konnte beobachtet werden, dass das Thema auch in der Öffentlichkeit zunehmend einen größeren Raum einnahm.[5]

1. Leistungsrecht

Menschen mit Behinderungen wollen zum Behinderungsausgleich zunehmend Assistenzhunde in Anspruch nehmen. Es fehlt momentan allerdings eine eindeutige leistungsrechtliche Zuordnung im Sozialgesetzbuch (SGB), die eine rechtssichere Übernahme der Kosten für Ausbildung, Prüfung und Zertifizierung sowie Haltungskosten ermöglichte.

Laut den bisher veröffentlichten Entscheidungen haben die Gerichte die Versorgung mit Assistenzhunden durch eine Übernahme von Kosten zu Ausbildung und Haltung überwiegend abgelehnt.[6] Diese Rechtsprechung steht im Gegensatz zur allgemeinen Anerkennung des Blindenführhundes, der nach § 33 Abs. 1 SGB V als Hilfsmittel zum (unmittelbaren) Behinderungsausgleich gilt[7] und in dieser Form auch im Hilfsmittelverzeichnis[8] der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gelistet ist. Ein Anspruch auf Versorgung mit einem Blindenführhund gestaltet sich für Leistungsberechtigte daher meist unkompliziert.

2. Barrierefreier Zugang in Begleitung von Assistenzhunden

Menschen mit Behinderungen, die im Alltag auf tierische Assistenz, v. a. Assistenzhunde und Blindenführhunde, angewiesen sind, sehen sich zudem mit Problemen konfrontiert, die nicht leistungsrechtlicher Natur sind. In einigen Fällen wurde ihnen beispielsweise der Zutritt zu öffentlichen und privaten Einrichtungen in Begleitung ihres Hundes verwehrt.[9] Die Problematik wiegt schwer, da ein Assistenzhund Menschen mit Behinderungen dazu dient, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dieses Ziel wird erschwert oder gar vereitelt, wenn die Begleitung durch einen Assistenzhund dazu führt, dass die Menschen von bestimmten Veranstaltungen oder Orten ausgeschlossen werden.

Nach geltender Rechtslage ist der pauschale Ausschluss der Mitnahme von Assistenzhunden grundsätzlich als mittelbare Diskriminierung auf Grund einer Behinderung gemäß §§ 1, 3 Abs. 2 AGG i. V. m. §§ 2 Abs. 1 Nr. 8, 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG zu werten.[10] Dennoch führt auch diese rechtliche Einschätzung nicht dazu, dass der barrierefreie Zugang für Menschen mit Behinderung in Begleitung eines Assistenzhundes auch in der Praxis gesichert werden kann.

3. Ausbildung und Zertifizierung von Assistenzhunden

Die Ausbildung von Assistenzhunden sowie deren Zertifizierung ist in Deutschland ebenfalls nicht gesetzlich geregelt. Auch für Blindenführhunde, die im Leistungsrecht des SGB V mittlerweile etabliert sind, haben sich keine einheitlichen Standards gebildet.[11] Nutzende bzw. Interessierte finden in diesem Zusammenhang bislang lediglich eine Zusammenstellung bereits existierender Führhundeschulen.[12] Auch das Hilfsmittelverzeichnis formuliert zu Assistenzhunden bzw. tierischer Assistenz keine konkreten Vorgaben.[13]

III. Die Änderungen durch das Teilhabestärkungsgesetz (THSG)

Mit dem THSG sollen nun zwei der drei aufgezeigten Problemkreise gelöst werden. Leistungsrechtliche Fragestellungen werden dabei jedoch ausgespart.

Die geplanten Änderungen durch Art. 9 THSG-E wurden im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens immer wieder angepasst und haben gerade durch die Ausschussempfehlung[14] eine für die Leistungsberechtigten positive Wendung erfahren.

1. Gleichstellung von Assistenz- und Blindenführhunden

Eine wesentliche Änderung durch das THSG war lange Zeit ungewiss:

§ 12e Abs. 6 BGG-E differenzierte in seiner ursprünglichen Fassung im Regierungsentwurf begrifflich zwischen Blindenführhunden, die als Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V gewährt werden, und Assistenzhunden.[15] Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde diese Unterscheidung von den Sachverständigen und Verbänden[16] sowie vom Bundesrat[17] kritisiert. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales sprach sich in seiner Empfehlung für eine Änderung aus: Demnach sollen für Blindenführhunde und andere Assistenzhunde, die als Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V gewährt werden, die §§ 12f-12k BGG n. F. und die Vorgaben einer etwaigen Rechtsverordnung nach § 12l Nr. 1, 2 und 4–6 BGG n. F. keine Anwendung finden.

Die Regelung ist maßgeblich vom gegliederten System der Rehabilitation beeinflusst und zeigt, dass das BGG als Standort für Regelungen zu Assistenzhunden, die über die Frage eines barrierefreien Zugangs hinausgehen, ungeeignet ist.[18] Die in §§ 12f-12k BGG n. F. getroffenen Regelungen zu Ausbildung, Prüfung und Zertifizierung betreffen die Qualitätssicherung. Für Hilfsmittel nach § 33 SGB V kann der Gesetzgeber im BGG keine Regelungen in dieser Hinsicht treffen, da dies der gemeinsamen Selbstverwaltung innerhalb des SGB V vorbehalten ist. Die maßgebliche Steuerungsinstanz ist in dem Zusammenhang der Gemeinsame Bundesausschuss (§§ 91 ff. SGB V), der auch im Rahmen der Qualitätssicherung über zentrale Regelungskompetenzen verfügt, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 SGB V.[19]

Als zweckmäßiger Standort der Regelungen würde sich vor dem Hintergrund der umfassenden Wirkungsmöglichkeiten von Assistenzhunden das SGB IX anbieten.

Blindenführhunde werden in § 12 Abs. 6 BGG n. F. zwar immer noch extra genannt, sie werden aber zur Gruppe der Assistenzhunde gezählt. Das geht zum einen aus der Formulierung in § 12e Abs. 6 BGG n. F. hervor („Blindenführhunde und andere Assistenzhunde,[…]“). Zum anderen wird in § 12e Abs. 1 S. 1 BGG-E nur noch von Assistenzhunden gesprochen.[20] Gerade vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 30. Januar 2020[21], die u. a. Grundlage des Gesetzgebungsverfahrens zum Teilhabestärkungsgesetz war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Blindenführhunde aus dem Anwendungsbereich von § 12e Abs. 1 S. 1 BGG n. F. herausgenommen werden. Mit Assistenzhunden i. S. v. § 12e BGG n. F. sind vielmehr auch Blindenführhunde gemeint.[22]

2. Barrierefreier Zugang

Ziel der Regelungen zu Assistenzhunden im THSG ist es vor allem, einen barrierefreien Zugang für Menschen zu ermöglichen, die auf tierische Hilfsmittel angewiesen sind. Dieses zentrale Anliegen ergibt sich insbesondere aus der Wahl des BGG als künftigen Regelungsort.[23] Der Zutritt zu verschiedenen öffentlichen und privaten Einrichtungen in Begleitung eines Assistenzhundes hat sich in den vergangenen Jahren als Problemschwerpunkt herausgestellt.[24] Die Problematik wiegt umso schwerer, da ein Assistenzhund in den meisten Fällen helfen soll, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dieses Ziel wird beeinträchtigt oder vereitelt, wenn die Begleitung durch den Assistenzhund dazu führt, dass bestimmte Aktivitäten nicht mehr unternommen werden können.

In § 12e Abs. 1 BGG n. F. wird klargestellt, dass Träger öffentlicher Gewalt sowie Eigentümer, Besitzer und Betreiber von beweglichen oder unbeweglichen Anlagen und Einrichtungen Menschen mit Behinderungen in Begleitung durch ihren Assistenzhund den Zutritt zu ihren typischerweise für den allgemeinen Publikums- und Benutzungsverkehr zugänglichen Anlagen und Einrichtungen nicht wegen der Begleitung durch den Assistenzhund verweigern dürfen, soweit nicht der Zutritt mit Assistenzhund eine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen würde.

Von dieser öffentlich-rechtlichen Pflicht aus § 12e Abs. 1 BGG n. F. soll abgewichen werden können, wenn hygienische Gründe bestehen oder durch die Begleitung des Assistenzhundes Infektions- oder Gesundheitsgefahren für andere Personen auftreten. Das Vorliegen solcher Gründe muss vom Adressaten der Verpflichtung aus § 12e Abs. 1 BGG n. F. dargelegt werden. Dies gilt auch, wenn der Zutritt in Begleitung eines Assistenzhundes organisatorische Maßnahmen erfordert, die einen gewissen zeitlichen Vorlauf benötigen. Das kann bspw. bei Theaterbesuchen der Fall sein. Auch in diesen Zusammenhängen darf ein pauschales Zutrittsverbot nur das letzte Mittel sein.[25]

3. Ausbildung und Zertifizierung von Assistenzhunden

Angesichts der hohen Kosten für Anschaffung und Unterhaltung eines Assistenzhundes stellt sich aus Sicht der Leistungsträger die Frage nach der Qualität der Hilfsmittel. Dies hängt unmittelbar mit der Ausbildung und Zertifizierung sogenannter „Mensch-Tier-Gespanne“ zusammen. Dementsprechend hat der Gesetzgeber ein großes Augenmerk auf die Etablierung gesetzlicher Regelungen in diesem Bereich gerichtet.

Nach § 12f S. 1 BGG n. F. benötigen sowohl der Assistenzhund selbst als auch die Interaktionen zwischen Mensch und Tier eine geeignete Ausbildung durch eine Ausbildungsstätte für Assistenzhunde (§ 12i BGG n. F.). In § 12f S. 2 BGG n. F. werden zu vermittelnde Inhalte aufgezählt, ohne abschließend festzulegen, was Teil der Ausbildung von Assistenzhunden und der „Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaft“[26] ist („insbesondere“). Vielmehr sind sie als Mindestanforderungen zu verstehen. § 12f S. 3 BGG n. F. statuiert die Verpflichtung der Ausbildungsstätte, auch nach Abschluss der Ausbildung eine nachhaltige Unterstützung des Assistenzhundehalters zu leisten.

§ 12i BGG n. F. regelt die Zulassung von Ausbildungsstätten. Demnach bedarf eine Ausbildungsstätte, die Assistenzhunde ausbildet, grundsätzlich der Zulassung durch eine fachliche Stelle (§ 12j Abs. 1 BGG-E). Die Zulassung zur Ausbildungsstätte kann auf Antrag erfolgen, sofern sie über eine Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 lit. f) TierSchG verfügt oder soweit eine solche Erlaubnis nicht erforderlich ist, wenn die verantwortliche Person der Ausbildungsstätte die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt (S. 3 Nr. 1), über die Sachkunde verfügt, die eine erfolgreiche Ausbildung von Assistenzhunden sowie der Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaft erwarten lässt (S. 3 Nr. 2), und die Anforderungen der Verordnung gemäß § 12l BGG n. F. erfüllt und ein System zur Qualitätssicherung anwendet.

Die Zulassung ist durch die fachliche Stelle jährlich zu überprüfen, § 12i S. 2 BGG n. F.

§ 12g BGG n. F. legt fest, dass die Ausbildung nach § 12f BGG n. F. durch eine Prüfung abgeschlossen werden muss, die dazu dient, die Eignung als Assistenzhund und die Zusammenarbeit der Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaft nachzuweisen. Die bestandene Prüfung ist durch ein Zertifikat i. S. v. § 12j Abs. 2 BGG n. F. zu bescheinigen.

§ 12j BGG n. F. legt verpflichtende Kriterien für die Einordnung als fachliche Stelle oder Prüfer im Sinne des BGG fest.

In § 12l Nr. 2, 4–6 BGG n. F. wird das BMAS ermächtigt, Konkretisierungen im Bereich der Ausbildung und Zertifizierung von Assistenzhunden zu erlassen.

IV. Die Stellungnahmen zum Regierungsentwurf

Von den 48 eingegangenen Stellungnahmen zum Entwurf der Bundesregierung nahmen fast alle auch Bezug auf die geplanten Regelungen im BGG.

Grundsätzlich wurden die Änderungen begrüßt. Es wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aber auch Kritik formuliert.

Es sei zu befürchten, dass die neuen Regelungen die Situation von Menschen in Begleitung von Assistenzhunden nicht nachhaltig verbessern, da gerade § 12e BGG n. F. eine Reihe an unbestimmten Rechtsbegriffen enthält. Es müsse daher Informationsverpflichtungen seitens der „Standesorganisationen“ geben. Ein geeignetes Instrument stelle eine Rechtsverordnung gem. § 12l BGG n. F. dar.[27]

Am stärksten kritisiert wurde die im Regierungsentwurf vorgesehene Unterscheidung zwischen Assistenz- und Blindenführhunden (§ 12e Abs. 6 BGG-E).[28] Diese zementiere den Sonderstatus von Blindenführhunden und könnte letztlich dazu führen, dass Assistenzhunde nachhaltig von der Finanzierung durch Sozialleistungsträger ausgeschlossen bleiben.[29] Darüber kollidiere eine begriffliche Unterscheidung auch mit dem internationalen Verständnis[30] von Assistenz- und Blindenführhunden, welches Blindenführhunde als Untergruppe der Assistenzhunde klassifiziert.[31] Ebenso gefährde die geplante Regelung eine einheitliche Kennzeichnung von Assistenz- und Blindenführhunden, was insbesondere für Menschen zum Problem werde, die auf einen Blindenführhund angewiesen sind.[32]

Infolge der Kritik empfahl der Ausschuss, § 12e Abs. 6 BGG-E zu ändern,[33] und orientierte sich dabei u. a. an dem Vorschlag des Sozialverbands VdK[34].

Kritisiert wurden zudem die Regelungen zu Ausbildung und Zertifizierung in §§ 12f-12k BGG n. F. Da die neu geschaffenen Regelungen nicht für Assistenzhunde gelten, die als Hilfsmittel nach § 33 SGB V gewährt werden, würden insbesondere Mängel in der Ausbildung von Blindenführhunden künftig nicht behoben. Denn obwohl Blindenführhunde seit vielen Jahren im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen gelistet sind, wurden keine einheitlichen Ausbildungs- und Zertifizierungsstandards entwickelt. So leiden ausgebildete „Gespanne“ teilweise unter großen Qualitätsschwankungen. Insbesondere die fehlende Unterstützung nach Ende der Ausbildung wurde als maßgebliches Problem benannt.[35]

Problematisiert wurde darüber hinaus, wie die Assistenzqualität für bereits bestehende „Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaften“ gesichert werden könne. Um die Finanzierung einer Prüfung nach § 12g BGG n. F. auch für bereits gelebte „Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaften“ und solche, die nicht nach § 33 SGB V als Hilfsmittel gewährt worden sind, sicher zu stellen, wurde im Gesetzgebungsverfahren zum THSG auf die Notwendigkeit hingewiesen, im Rahmen der nach § 12k BGG n. F. durchzuführenden Studie einen Fonds einzurichten, der solche Kosten abdeckt.[36] Eine solche Kostentragung scheint auch notwendig, da der Staat einen grundsätzlichen Schutzauftrag gegenüber Menschen mit Behinderungen hat, Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG. Die Prüfung und Zertifizierung der Assistenzhunde soll dafür sorgen, dass die Gespanne als solche gekennzeichnet werden können und dementsprechend Zutritt zu öffentlichen und privaten Einrichtungen erhalten. Sie ist damit vor allem ein Instrument, um einer drohenden Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen vorzubeugen und sollte daher allen Assistenzhundeteams, unabhängig von der vorangegangenen Finanzierung von Anschaffung und Ausbildung, offenstehen. Gleichzeitig würde diese Vorgehensweise auch das öffentliche Vertrauen in die entsprechenden Kennzeichnungen stärken.[37]

Die in §12k BGG n. F. vorgesehene Studie wurde grundsätzlich positiv aufgefasst. Allerdings wurde in den Stellungnahmen auch deutlich, dass es für die Planung und Durchführung der Studie weiterer konkreter Vorgaben bedarf.[38]

V. Ausblick

Die beschlossenen Regelungen sind grundsätzlich zu begrüßen. Sie können dazu beitragen, den Bedarf an tierischer Assistenz und das Leben mit tierischer Assistenz durch einen gewissen Rechtsrahmen zu respektieren. Zum einen muss aber, wie im Gesetzgebungserfahren angemahnt, auf die wirkungsvolle Umsetzung der Regelungen in der Praxis geachtet werden. Dies gilt insbesondere für die Verpflichtung aus § 12e Abs. 1 BGG n. F. Ein geeignetes Instrument könnte hier eine Verpflichtung der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 2 AGG sein.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber dem BMAS in § 12l BGG n. F. eine weitreichende Verordnungsermächtigung erteilt. Der Einsatz untergesetzlicher Regelungen wird im Bereich des Rehabilitationsrechts zunehmend bedeutsamer und wurde durch das Bundesteilhabegesetz weiter ausgebaut.

Offen bleibt, auch nach den Änderungen durch das THSG, die leistungsrechtliche Einordnung von Assistenzhunden, die nicht Blindenführhunde sind. Hier sollten zukünftig rechtliche Möglichkeiten erörtert werden, welche insbesondere eine einfachere Gestaltung des Verwaltungsverfahrens für die Betroffenen garantieren. Dabei wäre es, vor dem Hintergrund der restriktiven Rechtsprechung des BSG im Rahmen des Behinderungsausgleichs in § 33 Abs. 1 SGB V, ratsam, auch andere Möglichkeiten des Leistungsrechts im SGB ins Auge zu fassen. Ein solcher Prozess könnte im Rahmen der Studie nach § 12k BGG n. F. angestoßen und weiter verfolgt werden.[39]

Beitrag von Alexander Tietz, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Fußnoten

[1] Bundestags-Drucksache, 19/27400.

[2] Abrufbar unter: https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze-und-Gesetzesvorhaben/teilhabestaerkungsgesetz.html.

[3] Bundestags-Drucksache, 19/27400, S. 27 ff.

[4] Bundestags-Drucksache, 19/28835, S.

[5] Bundesrats-Drucksache 742/16; Bundestags-Drucksache 19/7341, S. 50 f.; Bayerischer Landtag-Drucks. 14/11230, S. 22; Bundestags-Drucksache 18/8428, S. 2 f., 14.

[6] Vgl. LSG NRW, Urteil v. 17.11.2017, L 13 VG 28/16, juris; nachgehende Nichtzulassungsbeschwerde vom BSG als unzulässig verworfen, BSG, Beschluss v. 27.8.2018, B 9 V 15/18, juris; ebenso ablehnend LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 16.11.2016, L 4 VG 15/15 entgegen Vorinstanz SG Mainz, Urteil v. 29.9.2015, S 4 VG 21/14; VG Karlsruhe, Urteil v. 27.05.2020, 2 K 7367/18; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 18.02.2020, L 16 KR 253/18; bejahend dagegen VG Münster, Urteil v. 05.07.2018, 5 K 3011/16, VG Stuttgart, Urteil v. 23.04.2020, 1 K 5368/19, alle juris.

[7] BSG, Urteil v. 25.02.1981, 5a/5 RKn 35/78, Rn. 20, juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 10.05.2012, L 11 KR 804/11, Rn. 18 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 02.10.2013, L 5 KR 99/13, Rn. 13.

[8] Produktnummer 99.99.01.0001.

[9] LG München I, Urteil v. 13.03.2019. 14 S 1245/18; KG Berlin, Beschluss v. 16.04.2018, 20 U 160/16.

[10] Tietz, RP-Reha 4/2019, S. 13, 14 f.

[11] Häcker, RP-Reha 2/2019, S. 13 ,14 f.

[12] Einsehbar unter https://www.dbsv.org/fuehrhundschulen.html, zuletzt abgerufen am 28.05.2021.

[13] „Die Ausbildung zum Blindenführhund dauert im Schnitt 6 - 8 Monate und ist in notwendigem Umfang im Führgeschirr durchzuführen. Anschließend erfolgt der Einarbeitungslehrgang der blinden oder hochgradig sehbehinderten Person und zukünftigen Führhundhalters zunächst am Ort der Blindenführhundschule, später auch am Wohnort des Versicherten. Den Abschluss bildet eine Gespannprüfung, bei der geprüft wird, ob das angestrebte Versorgungsziel, nämlich die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Hund und Führhundhalter bei der Gewährleistung der Orientierung und Mobilität in öffentlichen Räumen entsprechend den Erfordernissen des Versicherten erreicht worden ist.“

[14] Bundestags-Drucksache, 19/28834.

[15] Bundestags-Drucksache 19/27400, S. 28.

[16] Ausschussdrucks., 19(11)1036, S. 49 ff., 93 ff., 107 f., 110, 129 ff., 136, 149, 167.

[17] Bundesrats-Drucks., 129/1/21, S. 10.

[18] So auch der Bundesrat: BR-Drucks, 129/1/21, S. 9 f.

[19] Schmidt-De Caluwe, in: Becker/Kingreen, SGB V, 7. Auflage 2020, § 91 SGB V, Rn. 4.

[20] Bundestags-Drucksache, 19/28834, S. 24.

[21] BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss v. 30.01.2020, 2 BvR 1005/18.

[22] Bundestags-Drucksache, 19/28834, S. 58.

[23] Bundestags-Drucksache, 19/27400, S. 5.

[24] LG München I, Urteil v. 13.03.2019, 14 S 1245/18, m. Anm. Tietz, RP-Reha 4/2019, S. 13 ff., KG Berlin, Beschluss v. 16.04.2018, 20 U 160/16.

[25] Bundestags-Drucksache, 19/27400, S. 68.

[26] Zur Kritik an dieser Begrifflichkeit: https://lichtblicke-verein.de/das-teilhabestaerkungsgesetz-und-die-assistenzhunde, zuletzt abgerufen am 09.06.21; Ausschussdrucks., 19(11)1036, S. 49.

[27] Ausschussdrucks., 19(11)1036, S. 48 f.

[28] Ausschussdrucks., 19(11), 1036, S. 49 ff., 93 ff., 107 f., 110, 129 ff., 136, 149, 167.

[29] Ausschussdrucks., 19(11)1036, S. 50.

[30] European Commitee for Standardization, CEN/TC/452 (abrufbar unter standards.cen.eu/index.html.)

[31] Ausschussdrucks., 19(11)1036, S. 93.

[32] Ausschussdrucks., 19(11)1036, S. 93, 110 f., 149.

[33] Bundestags-Drucksache, 19/28834, S. 25.

[34] Vgl. Ausschussdrucks., 19(11)1036, S. 129.

[35] Ausschussdrucks., 19(11)1036, S. 50,

[36] Ausschussdrucks., 19(11)1036, S. 50, 95.

[37] Ausschussdrucks., 19(11)1036, S. 95.

[38] Ausschussdrucks., 19(11)1036, S. 50, 94 ff.

[39] Siehe Bundestags-Drucksache, 19/28834, S. 33.


Stichwörter:

Assistenzhunde, Teilhabestärkungsgesetz, Barrierefreiheit, Hilfsmittelversorgung, § 33 SGB V


Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Mit * gekennzeichnete Felder müssen ausgefüllt werden.