14.08.2023 A: Sozialrecht Proufas: Beitrag A9-2023

Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben – Anmerkung zum Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2021 – L 14 AL 64/18

Dr. Nina Proufas bespricht in diesem Beitrag eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg, in der um die Kostenübernahme einer Arbeitsassistenz während der Arbeitsplatzsuche durch die beklagte Agentur für Arbeit gestritten wurde. Das LSG erachtete die Berufung als zulässig und begründet. Es urteilte, dass die Leistungen der Arbeitsassistenz nach § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX nicht voraussetzen, dass der schwerbehinderte Mensch bereits einen Arbeitsplatz innehat und die Arbeitsassistenz für die Klägerin notwendig war, um einen Arbeitsplatz zu erlangen. Außerdem wurde der dreijährige Anspruch (§ 49 Abs. 8 Satz 2 SGB IX) nicht bereits ausgeschöpft, da der Klägerin Leistungen der Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes für diese Dauer weder erbracht noch bewilligt wurde.

Die Autorin setzt sich in ihrer Anmerkung mit den verschiedenen Aspekten der Entscheidung auseinander. Sie kritisiert unter anderem, dass die Beklagte und das SG den offenen Anwendungsbereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben außer Acht gelassen und nicht zwischen den Tatbeständen „Erlangung“ und „Erhaltung“ eines Arbeitsplatzes differenziert haben. Außerdem bezweifelt sie die Anwendbarkeit einer Empfehlung für die Integrationsämter durch die Arbeitsagentur und verweist auf Widersprüche in der Empfehlung zur Gesetzeslage.

(Zitiervorschlag: Proufas: Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben – Anmerkung zum Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 3. Juni 2021 – L 14 AL 64/18; Beitrag A9-2023 unter www.reha-recht.de; 14.08.2023)

I. Thesen der Autorin

Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beinhalten auch Hilfen, die der Erlangung eines Arbeitsplatzes dienen und das Innehaben eines konkreten Arbeitsplatzes nicht voraussetzen.

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind in jedem Einzelfall hinsichtlich der individuellen Notwendigkeit zu prüfen.

II. Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes (§ 49 Abs. 8 S. 1 Nr. 3 SGB IX).

Für die Übernahme der Kosten einer Arbeitsassistenz zur Erlangung eines Arbeitsplatzes ist ein bereits innegehabter Arbeitsplatz nicht notwendig.

Im Rahmen der normativen Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX muss begrifflich zwischen der „Erhaltung“ oder „Erlangung“ eines Arbeitsplatzes unterschieden werden.

III. Der Sachverhalt

Die 1971 geborene blinde Klägerin (Grad der Behinderung, GdB, von 100) ist studierte Diplom-Sozialarbeiterin/-Sozialpädagogin. Ihr wurden die Merkzeichen G (Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit), H („Hilflosigkeit“), Bl (Blindheit), RF (Befreiungen von der Beitragspflicht Rundfunk/Fernsehen bzw. Ermäßigung) unbefristet zuerkannt.[1] Die Klägerin erhielt während einer Beschäftigung für die Zeit von Juli 2005 bis 31. Dezember 2007 durch die Beklagte (Agentur für Arbeit Berlin-Nord) als Reha-Trägerin Zuschüsse für eine Arbeitsassistenz, die sie wegen des im August 2007 beginnenden Mutterschutzes nicht vollständig in Anspruch nahm.

Mit Bescheid vom 13. März 2009 bewilligte das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales – Integrationsamt (LaGeSo) der damals noch in Berlin lebenden Klägerin für die Zeit vom 1. März 2009 bis zum 28. Februar 2010 einen Zuschuss bis zur Höhe von 240 € – später 500 € – als monatliches Budget (anerkannter Assistenzbedarf von 10 Stunden pro Woche) für die Kosten einer Arbeitsassistenz. Der für die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz bis zu drei Jahren gemäß § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 3 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger – so das LaGeSo weiter – habe dieses mit dem Verfahren beauftragt und die Kostenübernahme bestätigt. Nach Ablauf von drei Jahren gehe die Zuständigkeit auf das Integrationsamt über. Kosten für Assistenzleistungen könnten nur übernommen werden für die Unterstützung bei der Bewerbungsrecherche, das Erstellen von Bewerbungsunterlagen und die Wegbegleitung zu Vorstellungsgesprächen.

Am 23. Juni 2014 beantragte die seit dem 25. März 2014 arbeitsuchend gemeldete Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme „für eine Arbeitsassistenz nach § 33 Abs. 8 Nr. 3 SGB IX in Form eines persönlichen Budgets“. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2014, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 1. Dezember 2014, lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil kein konkreter Arbeitsplatz vorliege. Mit Urteil vom 7. März 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.[2] Dagegen richtete sich die Berufung der Klägerin.

IV. Die Entscheidung

Das SG Potsdam hatte entschieden, der Klage nicht stattzugeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass „die Kostenübernahme einer notwendigen Arbeitsassistenz dann bewilligt werden könne, wenn diese für die Berufsausübung des behinderten Menschen in Folge der Art und Schwere der Behinderung erforderlich sei. Ein konkreter Arbeitsplatz sei nicht vorhanden. Insofern bestehe die Notwendigkeit einer Förderung nicht.“

Die Beklagte argumentierte: „Nach ihrer Auffassung werde unter Arbeitsassistenz eine dauerhafte, regelmäßig und zeitlich nicht nur wenige Minuten täglich anfallende Unterstützung am Arbeitsplatz verstanden. Arbeitsassistenz sei nicht Jobcoaching oder psychosoziale Betreuung/berufsbegleitende Unterstützung. Nach dieser Definition werde deutlich, dass es bei der Arbeitsassistenz um den Bedarf an einem konkreten Arbeitsplatz gehe. Die Nutzung von Arbeitsassistenz sei dabei immer gebunden an eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Da ein konkreter Arbeitsplatz, nach dessen Anforderungen der Bedarf für eine Arbeitsassistenz ermittelt werden könnte, nicht vorliege, sei der Antrag auf Gewährung eines Zuschusses zur Arbeitsassistenz abzulehnen.“[3]

Die zu klärenden Fragen sind demnach:

  • Wann liegt eine Leistungsberechtigung für Assistenzleistungen vor (1.)?
  • Setzen die Assistenzleitungen einen konkreten Arbeitsplatz voraus (2.)?
  • Wie ist die Drei-Jahresgrenze des § 49 Abs. 8 S. 2 SGB IX im vorliegenden Fall rechtlich zu bewerten (3.)?

1. Anspruchsberechtigung und Anspruchsgrundlage(n) für eine Arbeitsassistenz

Grundsätzlich anspruchsberechtigt für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB III ist zunächst jeder Mensch mit einer Behinderung gemäß § 2 SGB IX i. V. m. § 19 Abs. 1 SGB III. Die Klägerin gehört unstrittig dieser Gruppe an.

Zunächst arbeitete das LSG die Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Assistenzleistungen gegen die Bundesagentur für Arbeit heraus. Diese sieht es in § 112 Abs. 1, § 113 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB III i. V. m. §§ 114, 118 SGB III i. V. m. § 49 Abs. 3 Nr. 1 und 7, Abs. 8 S. 1 Nr. 3 SGB IX. Danach leistet der zuständige Rehabilitationsträger die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 49 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX).

Trägerübergreifende Regelungen für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, zu denen eine Arbeitsassistenz zählt, treffen §§ 49 ff. SGB IX. Gemäß § 49 Abs. 1 SGB IX werden die erforderlichen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, um die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die Vorschriften in Teil 1 des SGB IX, so auch die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, gelten gemäß § 7 Abs. 1 SGB IX für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt. Das für die Bundesagentur für Arbeit (zuständiger Rehabilitationsträger nach § 5 Nr. 2 SGB IX in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX) geltende Leistungsgesetz ist das SGB III, das in den §§ 112 ff. SGB III eigene, teilweise speziellere Regelungen zu den Leistungen zur Teilhabe beinhaltet. Folglich bilden § 112 Abs. 1, § 113 Abs. 1 Nr. 2 SGB III i. V. m. §§ 114, 118 SGB III i. V. m. den Vorschriften des SGB IX die Rechtsgrundlage für Assistenzleistungen. Das Leistungsrecht für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aus §§ 112 ff. SGB III differenziert zwischen den allgemeinen (§§ 115, 116 SGB III) und den besonderen (§§ 117, 118 SGB III) Leistungen. Nach §§ 117 ff. werden die besonderen Leistungen erbracht, wenn die allgemeinen Leistungen nicht ausreichen, um eine dauerhafte Integration in das Arbeitsleben zu herbeizuführen.[4]

2. Notwendigkeit des Vorliegens eines konkreten Arbeitsplatzes?

Strittig ist vornehmlich, ob für die Übernahme der Kosten einer Arbeitsassistenz bereits ein Arbeitsplatz vorliegen muss. Das SG geht in seiner Entscheidung hiervon – ohne weitere Prüfung – aus.

Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen gemäß § 49 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes, die darauf abzielen, den vorhandenen Arbeitsplatz zu sichern oder zu einem neuen Arbeitsplatz zu verhelfen.[5] Gem. § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 umfassen sie auch die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes.[6]

Das LSG legt dar, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben frühzeitig ansetzen und somit auch die Erlangung eines Arbeitsplatzes in § 49 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX explizit normiert ist.[7] Zudem urteilt das LSG, dass das Tatbestandsmerkmal eines “zu erhaltenden Arbeitsplatzes“ (§ 49 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX) nicht als weitere normative Voraussetzung in die Regelung des § 49 Abs. 8 S. 1 Nr. 3 SGB IX hineinzulesen sei.

Darüber hinaus sind gewisse „Unterstützungshandlungen“ (Sichtung von Stellenanzeigen auf nicht barrierefreien Internetseiten, das Erstellen von Bewerbungsunterlagen und das Wahrnehmen von Vorstellungsgesprächen), so stellt das LSG fest, zur Erlangung eines Arbeitsplatzes essenziell für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt. In diesem Zusammenhang argumentiert das LSG zu Recht, dass der zuständige Träger der Rehabilitation zudem einen Vorschlag nicht ohne einen konkreten und geeigneten Gegenvorschlag ablehnen kann, was die Agentur für Arbeit unterlassen hat.[8]

Folgerichtig stellt das LSG zudem fest, dass die Notwendigkeit für Assistenzleistungen nicht dadurch entfalle, dass Familien- bzw. Haushaltsmitglieder die erforderlichen Assistenzleistungen übernehmen könnten.[9] Die Agentur für Arbeit hat im Verlaufe des Rechtsstreits anerkannt, dass die Klägerin auf Hilfe angewiesen sei und sich daraus eine Notwendigkeit ergebe.[10]

3. „Drei-Jahres“-Frist

Die Regelung des § 49 Abs. 8 S. 2 SGB IX sieht die Begrenzung vor, dass Leistungen zur Arbeitsassistenz „für die Dauer bis zu drei Jahren bewilligt [werden]“. Das LSG kam zum Ergebnis, dass die Klägerin bisher nur für höchstens ein Jahr Assistenzleistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes erhalten habe (von März 2009 bis Februar 2010). Im Gegensatz zum SG hat es die Zeiten der in Anspruch genommenen Assistenzleistungen zwischen Juli 2005 bis August 2007 nicht berücksichtigt, weil die Klägerin „damals einen Arbeitsplatz innehatte, die Leistungen somit offenkundig nicht der Erlangung eines solchen dienten“.

Insoweit die beklagte Arbeitsagentur ihre Zuständigkeit verneinte, weil nach dem 28. Februar 2012 der Dreijahreszeitraum abgelaufen sei (beginnend mit dem 1. März 2009), entgegnete das LSG, dass Assistenzleistungen tatsächlich nur bis August 2009 gewährt wurden und es unerfindlich sei, wie leistungslose 30 Monate (von September 2009 bis Februar 2012) zur Erfüllung des klägerischen Anspruchs nach § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Satz 2 SGB IX dienen können.

V. Würdigung/Kritik

Aus dem Urteil des SG wird ersichtlich, dass der offene Anwendungsbereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. § 49 Abs. 3 SGB IX von der Beklagten außer Acht gelassen wurde. Dies wiegt umso schwerer, als das SG sowie die Beklagte und weite Teile der Kommentarliteratur[11] die Begrifflichkeiten „Erlangung“ und „Erhaltung“ nicht voneinander abgegrenzt haben, was im Widerspruch zum Normzweck des § 49 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX und dem Wortlaut der Begriffe steht.[12]  

Diese fehlende Unterscheidung hätte zur Folge, dass Personen in der Situation der Klägerin niemals Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Assistenzleistungen zur Stellensuche erhalten könnten,[13] was wiederum einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX darstellen würde. Art. 27 lit. e UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) normiert die Unterstützung bei der Arbeitssuche, was inhaltlich deckungsgleich mit der Erlangung eines Arbeitsplatzes ist.[14] Das SG und die Beklagte verkennen durch die Gleichstellung der beiden Begriffe, dass behinderte Menschen auch bereits bei der Stellensuche (Verfassen von Bewerbungsunterlagen, Sichtung von Stellenausschreibungen auf u. U. nicht barrierefreien Internetseiten usw.) Hilfe benötigen. Eben diese Handlungen sind für die Suche nach einem Arbeitsplatz essenziell. Sowohl das SGB IX als auch die UN-BRK sehen den Zeitpunkt der „Arbeitssuche“ und die daraus resultierenden Unterstützungshandlungen als zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zugehörig an.

Die Agentur für Arbeit als zuständige Trägerin der Rehabilitation hat zur Begründung ihrer Entscheidung dargelegt, dass diese auf den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) beruhe.[15] Zunächst ist hier zu bezweifeln, ob diese Empfehlung überhaupt für die Agentur für Arbeit Anwendung finden kann, da Adressaten die Integrationsämter und die Hauptfürsorgestellen sind. Darüber hinaus sind Verwaltungsvereinbarungen ihrer Rechtsnatur nach lediglich im Zuge der Selbstbindung der Verwaltung zu beachten.[16] Neben den Fragen zur Rechtsverbindlichkeit kritisiert das LSG zu Recht die inhaltlichen Widersprüche der Ziffer 2.1 der Empfehlung, wonach „die Erlangung eines Arbeitsplatzes“ die Unterstützung „bei der Arbeitsausführung“ voraussetze[17]. Eine derartige Sichtweise kann inhaltlich nicht nachvollzogen werden.

Hiervon unberücksichtigt bleibt auch, dass gem. § 49 Abs. 8 S. 2 SGB IX Assistenzleistungen für die Dauer von drei Jahren bewilligt werden. Da die begehrten Leistungen bereits in der Vergangenheit bewilligt wurden, greift der Grundsatz der Leistungskontinuität.[18] Dieser besagt, dass im Falle einer rechtmäßigen Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben – per Verwaltungsakt – diese auch für weitere Leistungsansprüche gilt, solange der Erfolg der Leistung nicht dauerhaft gesichert ist. Dies ist hier unstrittig nicht der Fall. Dem Gesetz lässt sich zudem nicht entnehmen, dass eine weitere Bewilligung, nach Ablauf der drei Jahre ausgeschlossen ist (vgl. § 49 Abs. 8 S. 2 SGB IX).[19] Das LSG kritisiert auch hier zutreffend, dass die Berechnung des erstmaligen Bewilligungszeitraumes im Jahr 2005 durch die Klägerin fehlerhaft ist, da die Leistungen damals weder für die Dauer von drei Jahren erbracht noch bewilligt worden seien.[20] Die Klägerin hat faktisch lediglich sechs Monate Assistenzleistungen bezogen. Das SG lässt offen, weshalb 30 Monate, in denen weder Leistungen „erbracht“[21] noch „bewilligt“[22] wurden, ausreichend sind, um den Zeitraum des maximalen Leistungsbezugs auszuschöpfen.

§ 49 Abs. 8 S. 2 SGB IX dient – wie bereits dargelegt – der Leistungskontinuität, so dass im Anschluss an die Leistungen der Rehabilitationsträger notwendige Leistungen durch das Integrationsamt übernommen werden können.[23] So stehen die Leistungen nicht in Konkurrenz und die Beklagte wäre gem. § 14 SGB I angehalten gewesen, auf die weiterführende Zuständigkeit des Integrationsamtes zu verweisen. Hierfür ist die zu beantwortende Fragestellung diejenige, ob es sich um einen neuen Rehabilitationsbedarf handelt, der einen neuen Anspruch auslösen würde, so dass die Drei-Jahres-Frist ohnehin nicht erheblich wäre.[24]

Abschließend lässt sich resümieren, dass die Erlangung eines Arbeitsplatzes keinen bereits innegehabten Arbeitsplatz voraussetzt bzw. auch nicht voraussetzen darf. Die Bedeutung des Wortes „erlangen“ ist, etwas zu „erreichen“[25], ergo einen Zustand in der Zukunft. Somit kann folgerichtig festgestellt werden, dass hierunter diejenigen Hilfen zu verstehen sind, die notwendig sind, den Zustand in der Zukunft (hier: einen Arbeitsplatz) zu erreichen. Die Regelung aus Art. 27 lit. e UN-BRK lässt an dieser Sichtweise keinerlei Zweifel. Daran anschließend ist eine Leistung zur Teilhabe stets eine Einzelfallprüfung, die sich an Art, Umfang und Notwendigkeit der Leistung orientiert.

Beitrag von Dr. Nina Proufas, Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport

Fußnoten

[1] Vgl. Teil D der Versorgungs-Medizin Verordnung (VersMedV).

[2] SG Potsdam, Urt. v. 07.03.2018 - S 18 AL 300/14.

[3] SG Potsdam, Urt. v. 07.03.2018 - S 18 AL 300/14.

[4] Schmidt, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK, § 117 SGB III, Rn. 1.

[5] Jabben, in: Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK, § 49 SGB IX, Rn. 8.

[6] So BSG, Urt. v. 04.06.2013 – B 11AL 8/12 R, juris Rn. 19.

[7] Zustimmend Jabben, in: Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Jabben, SGB IX, § 49, Rn. 11.

[8] Zustimmend Luik, in Schlegel/Voelzke, JurisPK SGB IX, § 49, Rn. 113.1,3. Aufl., Stand: 17.06.2020, so ebenfalls LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 17.12.2018 – L 8 R 4195/18 ER-B, juris Rn. 46.

[9] LSG, Urt. v. 03.06.2021 – L 14 AL 64/18, Rn. 41.

[10] LSG, Urt. v. 03.06.2021 – L 14 AL 64/18, Rn. 42.

[11] So Luik, in: Schlegel/Voelzke, Juris Praxiskommentar SGB IX, 3. Aufl., Stand: 17.06.2020, Rn. 246.

[12] LSG, Urt. v. 03.06.2021 – L 14 AL 64/18, Rn. 39.

[13] Zustimmend LSG, Urt. v. 03.06.2021 – L 14 AL 64/18, Rn. 40.

[14] Trenk-Hinterberger, in: Welke, UN-Behindertenrechtskonvention, S. 198, Rn. 23.

[15] SG Potsdam, Urt. v. 07.03.2018 - S 18 AL 300/14.

[16] LSG, Urt. v. 03.06.2021 – L 14 AL 64/18, Rn. 34; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 333, Rn. 852.

[17] a. a. O.

[18] Vgl. BSG v. 01.04.1993 – 7/9b RAr 16/91, BSGE 72, 169, 177, SozR 3-4100 § 56 Nr. 9; BSG v. 25.03.2003 – B 7 AL 8/02 R, BSGE 91, 54, SozR 4-4300 § 110 Nr. 1; Luik, in: Deinert/Welti/Luik/Brockmann, Stichwortkommentar Behindertenrecht, Teilhabe am Arbeitsleben, Rn. 135.

[19] Eine genauere Darstellung der rechtlichen Betrachtung des § 49 Abs. 8 S. 2 SGB IX, s. Palsherm, info also 2022, S. 105 (110 f.).

[20] LSG, Urt. v. 03.06.2021 – L 14 AL 64/18, Rn. 43.

[21] So der Wortlaut in der alten Fassung des § 33 Abs. 8 S. 2 SGB IX.

[22] So der Wortlaut in der aktuell geltenden Fassung des § 49 Abs. 8 S. 2 SGB IX.

[23] Vogt, in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX mit BGG, § 49 SGB IX, Rn. 55.

[24] Palsherm, info also 2022, S. 105 (110 f.).

[25] Definition laut Duden, https://www.duden.de/rechtschreibung/erlangen, zuletzt abgerufen am 03.01.2023.


Stichwörter:

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Arbeitsassistenz, Bundesagentur für Arbeit (BA), Integrationsamt


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