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Die Autorinnen berichten vom „Diskussionsforum Teilhabegesetz“, das am 29. Februar 2016 im Rahmen des 25. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquiums der Deutschen Rentenversicherung Bund und der DGRW in Aachen stattfand. Der Entwurf des Bundesteilhabegesetzes wurde aus verschiedenen Perspektiven diskutiert.
Positiv wurden die Angleichung des Behindertenbegriffs an den der UN-BRK und der ICF sowie mehr Selbstbestimmung hervorgehoben, kritisiert wurden fehlende Ausführungen zur Übernahme zusätzlicher Kosten, komplexe Strukturen und das Fehlen einheitlicher Ansprechpartner.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die geplante Neustrukturierung des Sozialgesetzbuches (SGB) IX und damit verbundene neue Regelungsinhalte hinsichtlich der Eingliederungshilfe.
Der Referentenentwurf des Bundesteilhabegesetzes soll Mitte April veröffentlicht werden, er wird mit Spannung erwartet.
(Zitiervorschlag: Giese/Rambausek/Ramm/Schülle: Bericht zum „Diskussionsforum Teilhabegesetz“ beim 25. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium in Aachen; Beitrag D10-2016 unter www.reha-recht.de; 29.03.2016)
Im Rahmen des 25. Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquiums (29. Februar bis 2. März 2016) der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) und der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften e. V. (DGRW) fand am 29. Februar 2016 das Diskussionsforum Teilhabegesetz statt, das von Prof. Dr. Katja Nebe (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) geleitet wurde.
Dr. Rolf Schmachtenberg (Bundesministerium für Arbeit und Soziales [BMAS]), hielt das Eingangsreferat zum Bundesteilhabegesetz (BTHG). Er begann damit, die aktuelle Reform in die bestehenden Rechtsvorschriften einzuordnen. Die Reform des SGB (Sozialgesetzbuch) IX sei Teil einer Politik für Menschen mit Behinderungen, wovon in Deutschland im weitesten Sinne bis zu 29 Millionen Personen umfasst seien. Mit ihr soll Inklusion als Leitbild umgesetzt und Selbstbestimmung ermöglicht werden. Es würden verschiedene Lebenslagen berücksichtigt, wie es bereits der Teilhabebericht der Bundesregierung von 2013 vorschlägt.[1] Im Fokus stünden deshalb nicht nur die Reform der Eingliederungshilfe und die Koordination der Rehabilitationsträger. Vielmehr bestehe u. a. ein enger Zusammenhang mit der Pflegereform, mit Änderungen des Kinder- und Jugendhilferechts (SGB VIII) und mit einem verbesserten Zugang zu Bildung.
Seit Anfang der 1990er Jahren seien die Ausgaben für die Eingliederungshilfe stetig gestiegen. Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (§ 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX) stellen dabei den größten Posten dar. Bei den Kosten gebe es regionale Unterschiede, besonders ein Nord-Süd-Gefälle sei zu beobachten. So seien die Ausgaben in den nördlichen Bundesländern grundsätzlich höher, das stationäre Wohnen allerdings in Bayern am teuersten. Nicht die Fallkosten stiegen, sondern die Zahl der Hilfeempfänger (z. B. in den Bereichen Schulassistenz, Werkstätten für behinderte Menschen [WfbM] oder Erwerbsminderung). Ziel der Reform sei daher, das dynamische Kostenwachstum der Eingliederungshilfeleistungen zu brechen, weswegen auch die Kommunen ein großes Interesse an der Reform hätten. Insbesondere gehe es aber um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und darum, die Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung zu verbessern.
Das BTHG wird, laut Schmachtenberg, kein eigenes Gesetz, sondern ein Artikelgesetz, durch das bestehende Rechtsnormen geändert werden. Das SGB IX soll neu strukturiert werden und in Zukunft aus drei Teilen bestehen. Teil 1 wird weiterhin Regelungen für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen enthalten und an verschiedenen Stellen inhaltlich geändert werden. Das Eingliederungshilferecht wird den 2. Teil bilden und das Schwerbehindertenrecht (aktuell SGB IX, 2. Teil) bildet nach der Reform den 3. Teil des Gesetzes. Die Änderungen des SGB IX sollen in drei Stufen in Kraft treten: Zuerst sollen am 1. Januar 2017, nach geplanter Verkündung des Gesetzes Ende 2016, Änderungen im Schwerbehindertenrecht (bspw. im Wahlrecht) Gültigkeit erhalten. Außerdem wird es Änderungen bei der Einkommens- und Vermögensberücksichtigung geben. Am 1. Januar 2018 werden die Teile 1 und 3 eingeführt, das Vertragsrecht in der Eingliederungshilfe geändert, der Bereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) erneuert (z. B. durch Einführung eines Budgets für Arbeit) und das Gesamtplanverfahren neu geregelt. Abschließend sollen zum 1. Januar 2020 weitere Regelungen in Teil 2 (Eingliederungshilfe) in Kraft treten. Hierunter fallen weitere Neuerungen bei der Einkommens- und Vermögensberücksichtigung.
Schmachtenberg ging dann auf verschiedene mögliche Regelungsinhalte des neuen SGB IX und insbesondere der Eingliederungshilfe ein:
Wichtige Punkte seien z. B. bei der personenzentrierten Leistungserbringung die Trennung von Fachleistung und existenzsichernden Leistungen sowie die Aufhebung der Unterscheidung zwischen ambulanten und stationären Leistungen. Der Referent betonte, dass Letzteres nicht die Abschaffung von Einrichtungen bedeute.
Ferner sollen im Bereich der sozialen Teilhabe die individuelle Lebensplanung und persönliche Assistenz ermöglicht werden. Bei den LTA seien verschiedene Verbesserungen, wie etwa ein unbefristeter Lohnkostenzuschuss geplant. Die Änderungen bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen sollen in zwei Stufen in Kraft treten. Stufe 1 wird am 01.01.2017 beginnen und Stufe 2 am 01.01.2020. Geplant sind u. a. Verbesserungen bei den Hilfen zur Pflege bei Erwerbstätigkeit. Steuerungsmöglichkeiten sollen über Änderungen im Vertragsrecht und das Instrument des Gesamtplanverfahrens verbessert werden.
Die Teilhabeplanung soll durch ein für alle Rehabilitationsträger geltendes Teilhabeplanverfahren verbindlicher werden. Ziel sei, Leistungen „wie aus einer Hand“ zu erbringen. Das gegliederte System bleibe dennoch erhalten. Darüber hinaus sollen die Rehabilitationsträger verpflichtet werden, Präventionsleistungen zu erbringen.
Des Weiteren soll die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) gestärkt werden. Es sollen klare Aufgaben im Gesetz formuliert sowie mehr Transparenz bei der Bearbeitung von Anträgen und der Einhaltung gesetzlicher Fristen durch die Einführung eines Teilhabeverfahrensberichts geschaffen werden. Im Bereich der Komplexleistung Frühförderung sei eine quotale Fallkostenteilung geplant.
Der Prävention soll mehr Bedeutung beigemessen werden, auch um Zugänge aus anderen Leistungsbereichen (SGB II, III und VI) zu reduzieren.
Dem Bereich der inklusiven Bildung soll ein erhöhter Stellenwert zukommen. Die Leistungen (der Eingliederungshilfe) werden dazu moderat ausgeweitet, z. B. in Form der Förderung weiterführender Studiengänge bis zum Masterabschluss.
Schließlich sollen die Rolle der Schwerbehindertenvertretung gestärkt und Mitwirkungsmöglichkeiten in den WfbM erweitert werden. Zudem soll z. B. ein Merkzeichen für taubblinde Menschen eingeführt werden.
Aktuell befinde sich der Gesetzesentwurf zur Ressortabstimmung im Kanzleramt. Geplant ist, dass er im Sommer im Bundestag diskutiert und Ende 2016 verabschiedet wird.
Dr. Volker Hansen (alternierender Vorsitzender des Vorstands der BAR und Leiter der Abteilung „Soziale Sicherung“ der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) übte Kritik am Arbeitsentwurf zum BTHG vom 18.12.2015. Insbesondere enthalte dieser keine Ausführungen zur Finanzierung eventueller zusätzlicher Kosten. Auch sei unklar, was die Verringerung der Ausgabendynamik bei den Kommunen für die anderen Rehabilitationsträger bedeutet. Auf die Zahlung von Bundeszuschüssen an Sozialversicherungsträger sei kein Verlass, da diese selten dauerhaft festgelegt würden. Er sprach sich für die Stärkung der BAR aus, jedoch sei die bisherige Rechtsform als eingetragener Verein zu überdenken. Ein großes Problem sei, dass sich die Rehabilitationsträger nicht an die Gemeinsamen Empfehlungen der BAR hielten. Auf dieses Problem gehe der Arbeitsentwurf jedoch nicht ein. Hansen beschrieb die Gefahr, dass die anderen Träger durch die Reform der Eingliederungshilfe in Zukunft stärker belastet würden. Als positiv bewertete er die geplante Abschaffung der Gemeinsamen Servicestellen für Rehabilitation. Die besten Berater in Fragen der Rehabilitation seien immer noch die Leistungsträger. Somit sehe er keine Notwendigkeit für die Stärkung der unabhängigen Beratung.
Christof Lawall (Geschäftsführer Deutsche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation, DEGEMED, Berlin) kommentierte das geplante BTHG aus Sicht der Leistungserbringer. Aus dieser Perspektive fehle es in den aktuellen Überlegungen an einer Schärfung bzw. Verbesserung der Zusammenarbeit von Reha-Trägern, Diensten und Einrichtungen. Momentan seien Rahmenvereinbarungen nach § 21 Abs. 1 SGB IX möglich, aber nicht zwingend. Darüber hinaus müssten Rehabilitationsträger ihrer Infrastrukturverantwortung (§ 19 SGB IX) besser gerecht werden. Lawall schlug vor, die Marktbedingungen transparenter und diskriminierungsfrei(er) zu gestalten. Im Hinblick auf den Marktzugang bedürfe es dazu der Einführung eines „open-house-Modells“, sodass Reha-Einrichtungen einen Anspruch auf Zulassung bekommen, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen. Außerdem sollten die Marktbedingungen geschärft werden. Sinnvoll sei zudem, dass § 21 SGB IX den Auftrag enthalte, zwischen Reha-Trägern und Anbietern Rahmenverträge (z. B. zur Qualitätssicherung oder Vergütung) zu schließen. So werde auch der Informationsaustausch der Akteure verbessert. Vorteile der Rahmenverträge seien die unmittelbare Geltung zwischen Reha-Trägern und Anbietern und die Möglichkeit individueller Vereinbarungen, welche wichtig für den Wettbewerb seien. Schließlich bedürfe es einer Sanktionsmöglichkeit des BMAS für den Fall, dass keine Rahmenverträge geschlossen werden.
Franz Dillmann (Leiter der Abteilung Recht im Dezernat Soziales des Landschaftsverbandes Rheinland, Köln) ging in seinem Kommentar auf positive und negative Aspekte des Entwurfs zum BTHG ein, stellte eine „Diagnose“ und zeigte abschließend Verbesserungspotentiale in Form von „Rezepten“ auf. Als positiv konstatierte er u. a. die Präzisierung des offenen Leistungskatalogs, insbesondere bzgl. der sozialen Teilhabe, die Änderungen zur Teilhabe an Bildung, die Angleichung des Behindertenbegriffs an die UN-BRK und die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) sowie das Budget für Arbeit mit der Rückkehroption in die WfbM. Kritik übte er an den aus seiner Sicht „überdehnten“ Teilhabeansprüchen, an der zu großzügigen Freistellung von Einkommen und Vermögen sowie an dem überkomplexen Teilhabe-Gesamtplanverfahren und grundsätzlich am hohen personellen und administrativen Aufwand, der zur Umsetzung erforderlich sei. Er bewertete den Gesetzesentwurf allgemein als keine wirkliche Modernisierung, sondern nur als notwendige „Reparaturarbeit“. Darüber hinaus würden neben der alten auch eine neue Ausgabendynamik entfacht und die Interessensgegensätze des gegliederten Systems nicht überwunden. Abschließend betonte Dillmann verschiedene Verbesserungsbedarfe. U. a. sollte eine Plattform der Koordination und Kooperation der Rehabilitationsträger untereinander und außerhalb des Einzelleistungsfalles geschaffen werden. Außerdem müsse eine „normative Bremse“ für notwendige Leistungen eingebaut werden.
Christiane Möller (Forum behinderter Juristinnen und Juristen und Rechtsreferentin des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes) sprach aus der Sicht behinderter Menschen. Es gebe die Erwartung, dass sich mit dem BTHG die Situation behinderter Menschen spürbar verbessert und damit die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe verwirklicht werden kann. Positiv hob Möller die Beteiligung der Zivilgesellschaft am bisherigen Vorbereitungsverfahren für das BTHG hervor. Der bekannt gewordene Entwurf werfe jedoch Fragen auf und verbreite eher Ernüchterung und Enttäuschung. Ein spürbarer Systemwandel aus dem Fürsorgesystem heraus könne so nicht erreicht werden. Es gebe Befürchtungen, dass Betroffene aus dem System fallen und sich im Besonderen die Lage Berufstätiger durch den vorgesehenen Wechsel der Heranziehung von Einkommen verschlechtert. Ebenfalls kritisierte sie die vorgesehenen und deutlich verengten Regelungen zum Wunsch- und Wahlrecht in der Eingliederungshilfe sowie zu den Einschränkungen im Bereich Bildung. Nach Ansicht Möllers bleibt zu hoffen, dass das BMAS und die Regierung den bisherigen Entwurf im Sinne der UN-BRK prüfen, anderenfalls werde der Entwurf bei behinderten Menschen „durchfallen“.
Die Perspektive der Wissenschaft nahm Prof. Dr. Felix Welti (Universität Kassel) ein. Sie versuche zu ergründen, was nach aktueller Lage missglückt ist und welchen rechtlichen Anforderungen das BTHG genügen müsste. Kritisch zu bewerten seien im Hinblick auf die UN-BRK im bisherigen Recht der Behinderungsbegriff, die scheinbare Alternativlosigkeit der WfbM und die Anrechnung von Einkommen und Vermögen bei der Eingliederungshilfe. Ohnehin wäre eine gründliche Evaluation der aktuellen Rechtslage vor dem Reformvorhaben sinnvoll gewesen. Von den aktuell geplanten Veränderungen hob Welti den Teilhabeverfahrensbericht als positiv hervor. Wünschenswert sei zudem eine Schärfung der Geltung des SGB IX (aktuell geregelt in § 7 SGB IX). Diese sei u. a. wichtig für einen einheitlichen Behinderungsbegriff, die Bedarfsfeststellung, die Teilhabeplanung und eine einheitliche und übergreifende Arbeit der Rehabilitationsträger. Daneben sollte der allgemeine Teil des SGB IX insgesamt gestärkt werden. § 14 SGB IX müsste beispielsweise so ausgestaltet werden, dass Zuständigkeitsstreitigkeiten nicht zu Lasten der Betroffenen gehen. Das Ziel dürfe nicht ein „Hin- und Herschieben“ des Geldes zwischen den Leistungsträgern sein. Als große Probleme bezeichnete Welti das bestehende und künftige „Doppelregime“ zwischen SGB IX und Leistungsgesetzen, das sich zukünftig zwischen Teil 1 und Teil 2 des Gesetzes fortsetzen könnte und das Fehlen einheitlicher Ansprechpartner (z. B. für Arbeitgeber), das bei ersatzlosem Wegfall der Servicestellen noch verschärft werde.
Diskutiert wurde zunächst, wie eine bessere Vernetzung der Leistungen und Berücksichtigung der Leistungserbringer gelingen kann. Es wurden hohe Verwaltungskosten für Träger und Erbringer befürchtet. Problematisch seien hierbei insbesondere die unterschiedlichen Interessen der Leistungsträger. Diese würden hohe Verwaltungskosten verursachen. Auf die Befürchtung hoher Verwaltungskosten entgegnete Schmachtenberg, dass das Gros des bürokratischen Aufwands momentan bei den Leistungsberechtigten liege. Dies könne nicht hingenommen werden. Das Problem der Zusammenarbeit bestehe darin, dass vorhandene Grundregeln nicht eingehalten werden und festgelegte Verfahrensweisen nicht funktionieren. Es fehle an einer Fachaufsicht.
Es wurde außerdem gefragt, ob es beim aktuell bekannten Gesetzesentwurf (Version Stand: 18.12.2015) bereits Fortschritte gebe. Schmachtenberg wies darauf hin, dass die Öffentlichkeit nicht über jeden Teilschritt informiert werden könne. Der Arbeitsentwurf vom 18.12.2015 sei nicht zur öffentlichen Verbreitung gedacht gewesen. In der ersten Märzhälfte stehe die Ressortabstimmung an, darauf folge der öffentlich zugängliche Referentenentwurf und im Mai 2016 sei mit einem Regierungsentwurf zu rechnen.
Weiteren Diskussionsstoff lieferte die geplante Abschaffung der Gemeinsamen Servicestellen. Den betrieblichen Akteuren würde dadurch ein fester Ansprechpartner (z. B. für das Betriebliche Eingliederungsmanagement) verloren gehen. Laut Schmachtenberg soll diese Aufgabe in Zukunft allein bei den Leistungsträgern liegen. Mit den Gemeinsamen Servicestellen habe es in der Vergangenheit unnötige Doppelstrukturen gegeben. Hansen betonte, dass die BAR in ihrer jetzigen Form diese Beratung nicht leisten könne. Wie ein konkreter Ersatz aussehen könnte (z. B. regionale Ansprechpartner bei den Leistungsträgern) sei noch offen.
Schließlich wurde die Befürchtung geäußert, dass durch die Reform der Eingliederungshilfe und den neuen Behinderungsbegriff in Zukunft viele Betroffene von Leistungen ausgeschlossen wären. Schmachtenberg verwies auf die Abkehr vom Defizitansatz, die mit dem neuen Behinderungsbegriff erreicht werden soll. Der neue Begriff sei mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS) abgestimmt worden, um Leistungseinschränkungen zu verhindern. Der Personenkreis werde sich demnach nicht ändern. Es sei geplant, einen Beobachtungsprozess zu initiieren, um diese Gefahr einzudämmen. Aus dem Publikum kam der Hinweis, dass eine drohende Behinderung durch den neuen Behinderungsbegriff nicht mehr erfasst werde. In diesem Zusammenhang wurden auch Zweifel geäußert, ob die Festlegung auf Teilhabeeinschränkungen in bestimmten Lebensbereichen zur angemessenen Erfassung des Teilhabebedarfs führt. Möller gab zu bedenken, dass alle neun ICF-Bereiche betrachtet werden müssten und nicht nur einzelne. Des Weiteren könne eine solche Regelung eine vernünftige Bedarfsfeststellung nicht ersetzen. Angemerkt wurde, dass die ICF im Arbeitsentwurf nicht angewandt werde. So könnten beispielsweise Betroffene mit einem Grad der Behinderung von 100 Teilhabeeinschränkungen in nur ein bis zwei Lebensbereichen haben.
Diese Personengruppe wäre in Zukunft von Leistungen zur Teilhabe ausgeschlossen. Insgesamt zeigte das Diskussionsforum, dass die aktuellen Planungen für das BTHG noch zahlreiche diskussionswürdige Punkte enthalten und nach der Veröffentlichung des Referentenentwurfs alle betroffenen Beteiligten die geplanten Änderungen kritisch hinterfragen und offen diskutieren sollten.
Der Referentenentwurf für das BTHG wird aktuell zum 14. April 2016 erwartet.
Beitrag von Dipl. jur. Maren Giese, Dipl. soz. Tonia Rambausek, Diana Ramm, M.A. und Mirjam Schülle, M.Sc. (alle Universität Kassel)
Fußnoten:
[1] Der Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen, August 2013, ist abrufbar unter: www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a125-13-teilhabebericht.pdf.
Bundesteilhabegesetz (BTHG), Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), Sozialgesetzbuch (SGB), Eingliederungshilfe, Selbstbestimmung, Behinderungsbegriff
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