17.08.2021 D: Konzepte und Politik Grupp: Beitrag D29-2021

Zurück in den Job nach schwerer Erkrankung – Zusammenfassung der Diskussion im Forum „Fragen – Meinungen – Antworten zum Rehabilitations- und Teilhaberecht“ (14. April bis 4. Mai 2021)

Die Autorin Livia Grupp fasst wesentliche Aussagen der Online-Diskussion zu Fragen rund um die Rückkehr in den Beruf nach schwerer Erkrankung zusammen, die im April/Mai 2021 im moderierten Forum der DVfR unter fachlicher Begleitung von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis stattfand. Die öffentliche Diskussion zeigte förderliche und hemmende Faktoren für eine erfolgreiche Wiedereingliederung am Arbeitsplatz auf. Als zielführend wurde eine rechtzeitige, umfassende und personenzentrierte Beratung in den verschiedenen Phasen von Erkrankung und Wiedereingliederung herausgearbeitet. Im Fokus standen außerdem Fragen zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) und zum betrieblichen Arbeitsschutz, weil diesen eine wichtige Rolle bei der Eingliederung am Arbeitsplatz zukommt.

(Zitiervorschlag: Grupp: Zurück in den Job nach schwerer Erkrankung – Zusammenfassung der Diskussion im Forum „Fragen – Meinungen – Antworten zum Rehabilitations- und Teilhaberecht“ (14. April bis 4. Mai 2021); Beitrag D29-2021 unter www.reha-recht.de; 17.08.2021)


Schwere Erkrankungen wie Krebs oder psychische Erkrankungen sind in der Regel mit einer längeren Abwesenheit vom Arbeitsplatz verbunden. Bei der Wiedereingliederung in den Beruf stellen sich den betroffenen Personen und betrieb­lichen Akteuren Fragen medizinischer, sozialrechtlicher und/oder arbeitsrechtlicher Natur. Zu diesem komplexen Thema veranstaltete die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e. V. (DVfR) mit ihren wissen­schaftlichen Kooperationspartnern im Projekt „Partizipatives Monitoring der aktu­ellen Entwicklung im Rehabilitations- und Teilhaberecht“ vom 14. April bis 4. Mai 2021 eine Online-Diskussion[1]. Folgende Expertinnen und Experten wirkten mit:

  • Eleonore Anton, Expertin für medizinische Rehabilitation, St. Franziska-Stift, Psychosomatische Fachklinik Bad Kreuznach,
  • Manfred Becker, Dipl.-Psychologe, Fachmann für berufliche Teilhabe, Bonn,
  • Joachim Böckmann, Vorstand Prostatakrebs Selbsthilfegruppe Ammerland e. V.,
  • Josef Keßler, Netzwerk Schwerbehinderten-Netzwerks Oberschwaben-Bodensee (SNOBO),
  • Prof. Dr. Katja Nebe, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,
  • Ina Riechert, Dipl.-Psychologin, Fachberaterin berufliche Integration, Hamburg,
  • Dr. Hans-Joachim Sellnick, Richter am Sozialgericht Nordhausen,
  • Dr. Martin Theben, Rechtsanwalt, Berlin.

Rechtslagen und Rahmen­bedingungen sowie konkrete Themen aus der Praxis des Wiedereingliederungsprozesses wurden in der Diskussion anhand von 14 Fragen besprochen. Deutlich wurde dabei herausgearbeitet, dass an einer erfolgreichen Rück­kehr an den Arbeitsplatz viele Akteure beteiligt sind und die Herausforderung einerseits in deren Koordination liegt, andererseits darin, die individuelle Situation der betroffenen Personen in den Mittelpunkt zu stellen. Insbesondere das Thema Beratung und Infor­ma­tion wurde in mehreren Diskussionsbeiträgen und aus verschiedenen Per­spek­tiven betrachtet. So lasse sich die Genesungs­phase in verschiedene Abschnitte der Therapie, Reha­bilitation, Nachsorge und Rückkehr in den Beruf bzw. Weiterbildung/Umschulung unterteilen. Dabei stelle sich die Frage, welche Akteure in welchem Abschnitt verpflichtet sind, über die Mög­lichkeiten der beruflichen Wiederein­gliederung zu informieren und auch, inwieweit sie die Angehörigen in die Beratung einbeziehen.

Ich denke, dass hier ein Ablaufplan von der Diagnose über die Therapien und folgenden Rehabilitationsphasen bis hin zu einer Wiedereingliederung rechtzeitig mit dem Patienten/ der Patientin gemeinsam entwickelt werden muss, damit er dann aufbauend auf gründ­lichem Wissen und eigenverantwortlich seine berufliche Zukunft mitgestalten kann. Er/sie sollte umfassend die Möglichkeiten der Unterstützung der unterschiedlichen Stellen für diesen ‚beruflichen Lebensabschnitt‘ kennenlernen und auch stets an die sich ändernden Situationen durch seinen Gesundheitszustand bis hin zur Arbeitsfähigkeit anpassen können.“ (Joachim Böckmann)

Es wurde aufgezeigt, dass eine Beratungspflicht vielfach bereits gesetzlich vor­gesehen ist und das Bundesteilhabegesetz die Verantwortung der Rehabilitationsträger und der Ansprechstellen deutlich verankert hat. In § 3 SGB IX (Prävention) seien die Pflicht zur Beratung und Auskunft der Reha-Träger in Bezug auf das Betrieb­liche Einglie­derungs­management (BEM) aufgenommen und in §§ 10–12 SGB IX konkretisiert worden. Die Einbeziehung der Familie und des sozialen Umfelds wurde als wesentlich bezeichnet. Auch deren Information und Beratung seien Bestandteil der Leistungen der medizini­schen Rehabilitation bzw. zur Teilhabe am Arbeitsleben.[2] Dass eine recht­zeitige, um­fassende und personen­zentrierte Information ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine erfolg­reiche Rückkehr in das Arbeitsleben nach schwerer Erkran­kung ist, wurde auch unter Verweis auf Forschungsergebnisse der Deutschen Rentenversiche­rung (DRV Bund) betont.[3]

„Die Frage ist wirklich, wie wir es schaffen, dass diese klaren Pflichten in der Wirklichkeit von den Verantwortlichen beachtet und die Menschen so beraten werden, dass sie ihre beruf­liche Wiedereingliederung motiviert durch Erfolgsperspektiven mitgestalten können.“ (Prof. Dr. Katja Nebe)

Als wichtige und häufig sehr engagierte Akteure in der Beratung für Leistungs­berechtigte nannten die Diskussionsteilnehmenden hervor­gehoben die Schwerbehinderten­­vertretung (SBV), Inte­grationsfachdienste (IFD), Selbsthilfeverbände und Ergänzende unab­hän­gige Teilhabe­beratung (EUTB), des Weiteren die Beratungsangebote der Zentren für selbst­bestimmtes Leben (ZSL) sowie der Sozialverbände VdK und SoVD. In Reha­kliniken könne der Sozialdienst eine Beratung durchführen. Bei den Reha­bilitations­trägern waren die Ansprechstellen (§ 12 Abs. 1 Satz 3 SGB IX) zu nennen; insbesondere auch der Firmen­service der Deutschen Renten­versicherung, der Informa­tionen und Beratung für Arbeit­geber sowie weitere betriebliche Akteure, telefonisch oder vor Ort, biete.[4]

Nachdem ein Forenmitglied über negative Erfah­rungen berichtete („kein Beratungs­ter­min, sondern ein ‚Das wird jetzt so gemacht‘-Termin“), wurden verschie­dene Wege zum Umgang mit Rechtsverletzun­gen vor­geschlagen: Dienst­aufsichts­beschwerde, das Verbands­klagerecht nach § 85 SGB IX[5], der kostenfreie Rechtsschutz im Rahmen einer Mitgliedschaft in der Gewerk­schaft sowie die Unter­stützung durch Fachanwältinnen und Fachanwälte für Sozialrecht oder Arbeits­recht.

Mit dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)[6] nach § 167 SGB IX wird eine Rückkehr in den Beruf nach längerer Krankheit typischerweise vorbereitet bzw. begleitet. Dabei geht es um die Klärung, wie erkrankte Arbeitnehmende wieder arbeits­fähig werden können (und bleiben); häufig unter Beteiligung eines sogenannten BEM-Teams aus verschiedenen betrieblichen Akteuren.

„Zusammen sind der BR (Betriebsrat, erg. d. A.) – das BEM-Team – die SBV – der Betriebsarzt – die KollegenInnen der Arbeitsicherheit und event. das Team vom betrieb­lichen Gesund­heits­management die wichtigsten Institutionen innerhalb eines Unter­nehmens. Voraus­schauend zu denken ist eines der obersten Gebote.“ (Josef Keßler)

In der Diskussion wurde unter­strichen, dass der betriebliche Arbeitsschutz hierbei eine herausgehobene Stellung habe und so früh wie möglich aufgegriffen werden müsse. Der Arbeitgeber müsse gemäß §§ 3, 4 Nr. 6 ArbSchG, unterstützt von der Sicherheits­fach­kraft und dem Betriebsarzt bzw. der Betriebsärztin, überprüfen, ob für den Arbeits­platz der betroffenen Person eine Gefährdungsbeurteilung vor­liegt, ob diese ggf. aktualisiert werden muss und ob die aufgrund der Gefährdungs­beurteilung festgelegten Arbeitsschutz­maßnah­men im Hin­blick auf die besondere Situa­tion der rückkehrenden Person ausreichend sind. Bei schwerbehinderten oder gleich­gestellten Personen sei die SBV in diese Fragen einzu­beziehen. Empfohlen wurde, in der Gefähr­dungsbeurteilung im BEM-Verfahren unbedingt auch psychische Belastungen zu berück­sichtigen.

„Ich plädiere daher dafür, dass die Beschäftigten die aktuelle Gefährdungsbeurteilung für ihren Arbeitsplatz schon während ihrer Arbeitsunfähigkeit dem behandelnden Arzt/ der behandelnden Ärztin vorlegen können. Die Gefährdungsbeurteilung ist ein wichtiges Steuerungsmittel. Über die dokumentierte Gefährdungsbeurteilung kann die in den Bei­trägen bereits angesprochene Kommunikation initialisiert werden.“ (Prof. Dr. Katja Nebe)

„In den letzten Jahren haben die psychischen Belastungen zugenommen vornehmlich durch Arbeitsverdichtung. Durch die Digitalisierung wird dieser Prozess in vielen Betrie­ben weiter beschleunigt. Umso wichtiger ist die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Sie sollte im BEM Verfahren unbedingt einbezogen werden.“ (Ina Riechert)

Zur Frage, an welchem Arbeitsplatz eine Wiedereingliederung durchzuführen ist, wur­den unterschiedliche Aspekte herausgearbeitet. So könne die Wiedereingliederung an einem anderen als dem bisherigen Arbeitsplatz, etwa bei einem anderen Vor­gesetzten oder mit einer anderen Form der Beschäftigung[7] durchaus sinnvoll sein. Auch könnten Umgestaltungen der Arbeitsumgebung und des Arbeitsplatzes erhebliche Erleichte­rungen bringen und zu Leistungssteigerungen führen. Es wurde angeregt, bei schwer­behin­derten oder gleichgestellten Arbeitnehmenden die Einschaltung des Inte­gra­tions­fach­diens­tes zu prüfen. Bei einer allgemeinen Rückkehr in die Arbeit nach Krankheit und mit Vorbereitung durch das BEM sei der Arbeitgeber nach 164 SGB IX dazu verpflichtet, Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen behinderungsgerecht zu gestalten. Mit gutem Willen seitens des Arbeit­gebers und im gegenseitigen Einvernehmen seien viele Lösungen möglich. Bei Konflikten sei weniger zuerst an den individuellen Klageweg als an die Einschaltung der betrieblichen Interessenvertretungen zu denken.

Thematisiert wurde dies auch bei der stufenweisen Wiedereingliederung:

„…handelt es sich um eine stufenweise Wiedereingliederung (StW) nach § 44 SGB IX, dann ist diese zunächst am bestehenden Arbeitsplatz vorgesehen – so der Gesetzestext. Dies konstituiert ein Recht der Betroffenen auf eine Wiedereingliederung an diesem Arbeitsplatz. Eine Pflicht besteht allerdings nicht. Andere – insbesondere sinnvolle – Lösungen sind ohne weiteres frei vereinbar.“ (Manfred Becker)

Hinsichtlich Rückkehr und Verbleib im Arbeitsleben von Menschen mit psychi­schen Erkrankungen kamen in der Diskussion einerseits die Bedürfnisse dieser Gruppe, ande­rer­seits die Begrenztheit von theore­tischen Vor­gaben für die Rehabilitationsträger und entsprechend die Notwendigkeit ihrer Weiterentwicklung zur Sprache. Ein Foren­mitglied unterstrich, dass die Leistungs­fähig­keit bei Menschen mit psychischen Erkran­kungen in manchen Fällen von der Tagesverfassung abhänge. Es seien Arbeitsplätze mit einem gerin­gen Leistungsumfang und flexibler Arbeitszeit zu schaffen. Ergänzend wurde für Reha-Träger angeregt, auch Teilzeit-Umschulungen und -Weiterbildungen mit anerkannten Abschlüssen[8] anzubieten.

„Es gibt Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, die man ihnen auf den ersten Blick nicht ansieht und anmerkt. Die aber dann Schwierigkeiten bekommen, wenn ihnen die Arbeitsbelastung in Form von zeitlichem Umfang und / oder Druck zu viel wird. Dann tritt Überforderung ein.“ (Jolinde)

Die rechtlichen Grund­lagen sowie Instrumente der Begutachtung und fachliche Kon­zepte wie bspw. die medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR) bezeichne­ten einige Diskutanten als ausreichend, es mangele höchstens an der Umsetzung. Andererseits wurde auch darauf hingewiesen, dass es bei den betroffenen Personen an Informationen fehle. Wünschenswert wären „Beratungsbrücken zwischen den einzelnen Systemen“.

„Genau an dieser Stelle sehe ich eine Hauptaufgabe der SBV in den Betrieben. Am besten mit einem gut funktionierenden BEM-Team. Denn die Vertrauensperson der Schwerbehinderten kennt die Strukturen des Betriebes, kann sich das Vertrauen zu langzeiterkrankten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufbauen, ist die Verbindungs­person zur Personalabteilung und dem Betriebsrat oder Personalrat.“ (Schorsch)

In der Diskussionsrunde wurde die SBV aber auch als „zahnloser Tiger“ bezeichnet und der Wunsch an die Gesetzgebung geäußert, die „Einforderung von Rechten härter zu formulieren“. Das im April 2021 verabschiedete Teilhabe­stärkungs­gesetz[9] wurde zum Teil positiv bewertet, weil es die Möglichkeit geschaffen habe, beim BEM eine Vertrauens­person hinzuzuziehen. Dort, wo Firmen dies bereits praktiziert haben, seien die Erfah­rungen damit durchweg positiv.

„Es [das Teilhabestärkungsgesetz, d. V.] enthält u. a. auch eine Änderung in § 167 Abs. 2 SGB IX. Nach einem neuen Satz 2 können betroffene Schwerbehinderte jetzt eine Person ihres Vertrauens mit in ein BEM-Gespräch nehmen. Der Arbeitgeber muss auf diese Möglichkeit hinweisen. Einen Rechtsanspruch auf ein BEM-Verfahren enthält das Teilhabestärkungsgesetz aber nicht.“ (Dr. Martin Theben)

Ergänzend machte die Diskussion auf eine Reihe von Gerichtsurteilen zum BEM[10] aufmerk­sam. Dabei wurde insbesondere die Problematik deutlich, dass Arbeitgeber zwar bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein BEM zur Durchführung verpflichtet sind und dies auch initiieren müssen, die rechtliche Durchsetzung durch Arbeitnehmende selbst aber derzeit jedenfalls nach unterschiedlichen Instanzentscheidungen noch nicht endgültig geklärt ist[11]. Mit Spannung darf die endgültige Entscheidung des Bundes­arbeitsgerichts in dieser Frage erwartet werden.[12] Wird das BEM aber nicht ord­nungsgemäß durch­geführt, kann eine Kündigung von betreffenden Arbeitnehmenden als unverhältnismäßig und unwirksam bewertet werden. So auch in einem in der Diskussion genannten Urteil zur negativen Gesundheits­prog­nose durch den Arbeitgeber[13], denn ohne BEM hatte die Klägerin keine Möglichkeit sich bzgl. ihrer krankheitsbedingten Fehlzeiten zu äußern. Viele Urteile haben inzwischen bestätigt, dass Rehabilitations­träger wie etwa die DRV oder die gesetzliche Krankenversicherung zur Übernahme von Fahrtkosten im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliede­rung verpflichtet sind. Hervorgehoben wurde hier eine Entscheidung des Landessozial­gerichts Mecklenburg-Vorpommern zum Anspruch auf Fahrkostenerstattung als ergän­zende Leistung zur stufen­weisen Wiedereingliede­rung[14]. Das Urteil habe weit­gehende Prüfpflichten auch zur Erstattung von Fahrtkosten postuliert und dass der Reha-Träger nicht erst auf einen Antrag seitens der leistungs­berechtigten Person warten müsse. Eine Diskussion ent­spann sich darüber hinaus über die Umwandlung oder Umdeutung eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe zu einem Antrag auf Rente wegen Erwerbs­minderung in einem Einzelfall. Hierzu wurde angeführt, dass der Grundsatz Reha vor Rente gelte, und es wurden Möglichkeiten des Widerspruchs gegen einen Rentenantrag erörtert. Hier sei unbedingt der behandelnde Arzt mit ins Boot zu holen, dessen Krank­schreibung Grund­lage der Wiedereingliederung im Rahmen des BEM sei:

„Dieser kann am ehesten einschätzen, inwieweit die stufenweise Wiedereingliederung erfolgreich ist und hierzu fundiert Stellung nehmen und so zur Widerlegung der (vor­läufigen?) sozial­medizinischen Einschätzung der DRV beitragen. Die Interessenlage der Kranken­versicherung ist nicht unbedingt i. S. des Betroffenen. Sie würde bei einer Renten­gewäh­rung von ihrer Krankengeldleistungspflicht befreit. 
Sofern ohne die unverzügliche Gewährung der notwendigen Teilhabeleistungen eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses droht, wäre auch ein Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 86b SGG zu erwägen.“
(Dr. Hans-Joachim Sellnick)

Es wurde aber auch unter­strichen, dass, wenn sich Arbeitgebende und Arbeitnehmende einig sind, Beschäftigte trotz teilweiser oder gar voller Erwerbs­min­derungsrente weiter arbeiten könnten, ggf. mit einer um den entsprechenden Lohn geminderten Rente. Zusammenfassend wurde betont, dass bei der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben der einzelne Mensch im Mittelpunkt stehen müsse.

„Die Individualität ist auf jeden Fall notwendig! Egal um welche Möglichkeiten es bei einer Rückkehr in den Job geht. Genau das ist die Aufgabe jedes Betroffenen mit dem*n Berater*innen und aller Beteiligten im Betrieb die beste Möglichkeit zu finden. Ob Stufenweise Wiedereingliederung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder ... die Möglichkeiten sind vielfältig.“ (Eleonore Anton)

Beitrag von Livia Grupp, M. A., Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e. V.

Fußnoten

[1] Die Online-Diskussion ist weiterhin nachzulesen im Bereich „Diskussionen“  im Forum Fragen – Meinungen – Antworten zum Rehabilitations- und Teilhaberecht (FMA) unter fma.reha-recht.de.

[2] Exemplarisch wurden hier § 42 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 SGB IX und wortgleich § 49 Abs. 6 S. 2 SGB IX genannt: „Information und Beratung von Partnern und Angehörigen sowie von Vorgesetzten und Kollegen, wenn die Leistungsberechtigten dem zustimmen.“

[3] Bürger, Kluth, Koch: Stufenweise Wiedereingliederung zu Lasten der Gesetzlichen Renten­versicherung: Häufigkeit, Indikationsstellung, Einleitung, Durchführung, Bewertung und Ergebnisse. Abschlussbericht, Deutsche Rentenversicherung Bund, 2008; abrufbar unter www.rehadat-literatur.de mit Referenznummer R/NV5118.

[4] Der Firmenservice berät laut Deutscher Rentenversicherung Arbeitgeber, Betriebs- und Werksärzte, Betriebsräte und Schwerbehindertenvertretungen bei allen Fragen rund um das Leistungsspektrum der gesetzlichen Rentenversicherung, vgl. firmenservice.drv.info.

[5] Die Webseite des Bundesministerium für Arbeit und Soziales stellt eine Liste der anerkann­ten Verbände für Verbandsklagen bereit, siehe unter: https://www.bmas.de/DE/Soziales/Teilhabe-und-Inklusion/Barrierefreie-Gestaltung-der-Arbeit/Zielvereinbarungen-und-Mobilitaetsprogramme/zielvereinbarungen-anerkannter-verbaende.html.

[6] Umfassende Informationen zum BEM bietet die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR) in ihrem BEM-Kompass für Arbeitgeber und Beschäftigte, s. https://www.bar-frankfurt.de/themen/arbeitsleben/betriebliches-eingliederungsmanagement.html. Vgl. auch den Fachbeitrag Grupp/Hahn, Betriebliches Eingliederungsmanagement und Prävention – Zusammenfassung der Online-Diskussion im moderierten Forum "Fragen – Meinungen – Antworten zum Rehabilitations- und Teilhabe­recht" (22. November bis 16. Dezember 2016); Beitrag D12-2017 unter www.reha-recht.de; 31.03.2017.

[7] Andere Formen der Beschäftigung können für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit frei vereinbart werden, ohne dass der Krankengeldanspruch entfällt; vgl. Gagel, Klarstellungen zur Stufen­weisen Wiedereingliederung (§28 SGB IX), Teil I, Forum B, Diskussionsbeitrag 1-2010 auf www.reha-recht.de.

[8] Bspw. mit Zertifikat der Industrie- und Handelskammer.

[9] Das Teilhabestärkungsgesetz wurde am 22. April 2021 in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung angenommen; Bundestags-Drucksache 19/28834 (Gesetz­entwurf der Bundesregierung, Bundestags-Drucksache. 19/27400). Vgl. Dittmann, Beiträge A13-2021 bis A16-2021 unter www.reha-recht.de. Neben der Änderung in §167 Abs. 2 SGB IX zur Mitnahme einer Vertrauensperson in ein BEM-Gespräch ermöglicht es mit einer Änderung in § 28 SchwbVWO eine Wahlversammlung der SBV im verein­fachten Wahl­verfahren mittels Video- und Telefonkonferenz mit Briefwahlverfahren. Eine vorab diskutierte Erhöhung der Ausgleichsabgabe fand keinen Eingang in das Gesetz.

[10] Siehe den Diskussionspfad „Rechtsprechung zum Betrieblichen Eingliederungs­manage­ment“ sowie die Urteilssammlung im REHADAT-Recht Portal unter https://www.rehadat-recht.de/rechtsprechung/arbeit-beschaeftigung/betrieblicher-arbeits-und-gesundheitsschutz-praevention.

[11] Vgl. Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 08.10.2020, Az. 5 Sa 117/20 einen Anspruch verneinend; hingegen zuvor einen Anspruch bejaht durch das LAG Hamm, Urteil vom 13.11.2014 – 15 Sa 979/14; vgl. dazu auch schon Nebe, Beitrag B18-2011 unter www.reha-recht.de; 08.11.2011.

[12] Revision anhängig beim BAG unter dem Aktenzeichen 9 AZR 571/20 und Termin zur Ent­scheidung am 07.09.2021, vgl. https://www.bundesarbeitsgericht.de/termin/9-azr-571-20/.

[13] LAG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 16.01.2020, Az. 26 Sa 1200/19.

[14] Vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.05.2020, Az. L 6 KR 100/15. Dazu Dittmann, Beiträge A17 und A18-2020 unter www.reha-recht.de.


Stichwörter:

Arbeitsschutz, BEM, Beratungspflicht, Berufliche Rehabilitation, berufliche Wiedereingliederung, Wiedereingliederung in das Erwerbsleben, Diskussionszusammenfassung


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