07.11.2016 Rechtsprechung

Ausbildung zum Webdesigner mit Augensteuerung muss gefördert werden

Die Bundesagentur für Arbeit muss nach einem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz einem schwerbehinderten Menschen, der wegen seiner Erkrankung seinen Computer nur noch mit den Augen steuern kann, eine berufliche Ausbildung zum Webdesigner (Fernstudium) finanzieren, wenn noch die Chance einer beruflichen Tätigkeit besteht und sie andere geeignete Maßnahmen nicht benennen kann.

Der 1981 geborene Kläger hat eine Muskeldystrophie vom Typ Duchenne mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Nachteilsausgleiche "G", "aG", "B" und "H" bzw die Pflegestufe II. Der Kläger hat einen Hauptschulabschluss und beschäftigt sich seit dem Jahr 1999 mit Computern. Im Februar 2014 stellte er bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Gefördert werden sollte ein Fernkurs zum Webdesigner, der rund 2.900 € kostet.

Der Antrag wurde abgelehnt, nachdem der ärztliche Dienst der BA zum Ergebnis kam, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine ausreichenden Tätigkeiten mehr leisten könne. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Der Kläger erhob dann Klage vor dem Sozialgericht Koblenz. Dieses holte ein Sachverständigengutachten ein, wonach der Kläger in der Lage ist, den Computer sicher und zügig mit den Augen zu steuern. Die Tätigkeit als Webdesigner hielt der Gutachter vom heimischen Arbeitsplatz aus für täglich vier bis knapp über sechs Stunden für möglich. Der Kläger sei hochintelligent und sehr motiviert. Das Sozialgericht gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte, die Kosten für den Fernlehrgang zu übernehmen.

Die BA legte daraufhin Berufung vor dem Landessozialgericht ein, das aber die Berufung zurückwies. Der Kläger könne als schwerbehinderter Mensch grundsätzlich entsprechende Leistungen beanspruchen. Hier sei durch das Sachverständigengutachten seine zukünftige potentielle Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgestellt worden. Gerade die Tätigkeit als Webdesigner könne regelmäßig von zu Hause ausgeübt werden ("home office"). Der Kläger könne telefonisch ohne wesentliche Einschränkung kommunizieren und den Computer auch hinreichend schnell mit den Augen steuern, so dass eine wirtschaftlich verwertbare Tätigkeit möglich sei. Da die Beklagte keine günstigere und in gleicher Weise geeignete Ausbildungsmöglichkeit benennen konnte, muss sie nach Auffassung des Gerichts die angestrebte Ausbildung finanzieren (Urteil vom 27.10.2016, Az. L 1 AL 52/15).

(Quelle: Pressemeldung 21/2016 Landessozialgericht RP)


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