04.07.2023 Daten, Fakten, Statistiken

Ausgleichsabgabe wirkt positiv – mit Einschränkungen

Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) hat sich in einem Magazinbeitrag des „IAB-Forum“ vom Juni 2023 mit den Auswirkungen der Ausgleichabgabe auf die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderungen befasst. Es kommt zu dem Schluss, dass die Ausgleichabgabe die Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung tatsächlich fördert. Sie habe aber auch Nebenwirkungen.

Ein wesentliches Element des Schwerbehindertenrechts im SGB IX ist die Pflicht für öffentliche und private Arbeitgeber ab 60 Beschäftigten mindestens 5 Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Menschen mit Schwerbehinderung zu besetzen. Kleine Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten sind von dieser Pflicht ausgenommen. Unternehmen mit 20 bis 39 Mitarbeitenden müssen mindestens eine Person mit Schwerbehinderung beschäftigen, Unternehmen mit 40 bis 59 Angestellten mindestens zwei. Unternehmen, die sich nicht daran halten, müssen eine abgestufte Ausgleichsabgabe zahlen, die aktuell je nicht besetzter Stelle 140 bis 360 Euro pro Monat beträgt. Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit mussten 2021 etwa 61 Prozent der von der Beschäftigungspflicht betroffenen Unternehmen die Ausgleichsabgabe entrichten. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) beziffert das Gesamtaufkommen der Abgabe 2020 auf circa 697 Millionen Euro.

Einige Firmen bleiben gezielt unterhalb des Schwellenwerts

Eine aktuelle Studie des IAB, veröffentlicht als IAB-Discussion Paper 25/2022, liefert Erkenntnisse darüber, ob und wie sich die Beschäftigungspflicht in Verbindung mit der Ausgleichsabgabe auf die Zahl der Menschen mit Schwerbehinderung in Unternehmen auswirkt. Auch unbeabsichtigte Effekte werden deutlich: So scheinen einige wenige Unternehmen gezielt unterhalb des Schwellenwerts von 40 Beschäftigten zu bleiben, um einer Erhöhung der Ausgleichsabgabe zu entgehen, schreiben die Autorinnen Karolin Hiesinger und Franka Vetter und veranschaulichen dies anhand von Grafiken. Die Analyse von 210.306 Unternehmen zeigt, dass ihre Anzahl am Schwellenwert von 40 Beschäftigten sprunghaft abfällt. Demnach gibt es über 17.000 Unternehmen mit 39 Beschäftigten, aber nur gut 10.000 Unternehmen mit 40 Beschäftigten. Die Schätzung des sogenannten „Bunching-Effekts“, einer Bündelung am Schwellenwert, deute darauf hin, so Hiesinger und Vetter, dass etwa zwei Prozent der betrachteten Unternehmen bewusst unterhalb des Schwellenwerts blieben. Damit sei der Effekt zwar signifikant, aber relativ klein.

Firmen unterhalb des Schwellenwerts haben gemäß der Analyse außerdem im Durchschnitt einen höheren Anteil an geringfügig Beschäftigten. Dies führt das IAB darauf zurück, dass geringfügig Beschäftigte bei der Berechnung der Unternehmensgröße nicht mitzählen. Manche Unternehmen hätten so einen Anreiz, reguläre durch geringfügig Beschäftigte zu ersetzen. Eine schwellenwertinduzierte Anpassung der Belegschaft führt der Analyse zufolge auch zu einer geringeren Produktivität von Firmen mit einem Bunching-Verhalten. Beim Schwellenwert von 60 Beschäftigten zeigten sich ähnliche Effekte.

Die Ergebnisse bezieht das IAB nicht zuletzt auf aktuelle Entwicklungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen. So wird zum 1. Januar 2024 eine neue Stufe der Ausgleichsabgabe eingeführt. Demnach müssen Unternehmen, die jahresdurchschnittlich keine schwerbehinderten Menschen beschäftigen, eine deutlich höhere Abgabe entrichten: Unternehmen von 20 bis unter 40 Beschäftigten müssen dann 210 statt bisher 140 Euro pro nicht besetztem Arbeitsplatz entrichten, Unternehmen von 40 bis unter 60 Beschäftigten 410 statt bisher 245 Euro.

„Die hier diskutierten Analysen können als Hinweise darauf gedeutet werden, dass die neue Stufe der Ausgleichsabgabe die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen weiter fördern dürfte. Allerdings dürften sich auch die Bunching-Effekte verstärken“, schreiben die Autorinnen des Papiers Hiesinger und Vetter. Nach einer weiteren Studie, die als IAB-Kurzbericht 11/2022 publiziert wurde, begründet ein Großteil der Betriebe die Zahlung der Ausgleichsabgabe etwa damit, dass sich zu wenig geeignete Personen mit Schwerbehinderung bewerben. „Eine mögliche Maßnahme könnte daher eine verstärkte (Weiter-)Qualifizierung der Betroffenen sein. Darüber hinaus könnten stärkere positive Anreize für Unternehmen, die die Quote (über-)erfüllen, sinnvoll sein.“

Zum Beitrag „Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung: Die Ausgleichsabgabe wirkt“ auf der Website des IAB

(Quelle: Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung)


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