20.03.2018 Rechtsprechung

BSG entscheidet über Anwendungsbereich der Genehmigungsfiktion bei Hilfsmitteln

Das Bundessozialgericht in Kassel hat am 15. März 2018 in drei Fällen über Ansprüche auf Versorgung mit Hilfsmitteln entschieden, die auf die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V gestützt wurden. In diesem Kontext hatte das BSG die Frage zu klären, ob Hilfsmittel zu den Leistungen der medizinischen Rehabilitation gehören und gegebenenfalls aus diesem Grund der sachliche Anwendungsbereich von § 13 Abs. 3a SGB V nicht eröffnet ist (Entscheidungen des BSG vom 15.03.2018 ­– Az. B 3 KR 4/16 R; B 3 KR 18/17 R; B 3 KR 12/17 R)

Im Rahmen der Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs. 3a SGB V) hat eine Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen spätestens bis zum Ablauf von 3 Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von 5 Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes für eine Verzögerung, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 13 Abs. 3a S.6 SGB V). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs. 3a S. 7 SGB V).[1]

Fraglich war, ob auch die Versorgung mit Hilfsmitteln erfolgreich auf die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V wegen verspäteter Bescheidung der Leistungsanträge durch die beklagten Krankenkassen gestützt werden könne. Dies verneinte der 3. Senat des BSG. Der sachliche Anwendungsbereich von § 13 Abs. 3a SGB V werde nach § 13 Abs. 3a S. 9 SGB V für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation insgesamt nicht eröffnet, denn für diese gelte das eigenständige Fristen- und Kostenerstattungsregime des Rehabilitations- und Teilhaberechts für Menschen mit Behinderungen. Zu den Leistungen der medizinischen Rehabilitation zählten auch die Hilfsmittel der GKV zur Vorbeugung vor Behinderung (§ 33 Abs. 1 S. 1 Var. 2 SGB V) und zum Behinderungsausgleich (§ 33 Abs. 1 S. 1 Var. 3 SGB V). Anders als Hilfsmittel, die der Sicherung eines Erfolgs der Krankenbehandlung dienen (§ 33 Abs. 1 S. 1 Var. 1 SGB V), werden sie in erster Linie nicht mit dem Ziel eingesetzt, auf die Krankheit einzuwirken, sondern hauptsächlich mit dem Ziel, die damit verbundene Teilhabebeeinträchtigung eines Menschen mit Behinderung auszugleichen oder zu mildern.

In allen drei Verfahren wurden Ansprüche auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich geltend gemacht, nicht aber solche "zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung" im Sinne von § 33 Abs. 1 S. 1 Var. 1 SGB V. Auch bei dem im Fall 1 begehrten Therapie-Dreirad fehle es an dem dazu erforderlichen engen Zusammenhang zwischen dem Einsatz des Hilfsmittels und einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung.

Das Gericht wies die Sachen an die Vorinstanzen zurück, wo unabhängig von § 13 Abs. 3a SGB V über die jeweiligen Hilfsmittelansprüche zu entscheiden sei. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren müssen „die Voraussetzungen der Hilfsmittelansprüche nach § 33 SGB V sowie Ansprüche nach den Vorschriften aus dem Bereich anderer Rehabilitationsträger vollumfänglich [geprüft werden]. Da die beklagten Krankenkassen die Anträge der Kläger jeweils nicht an andere Rehabilitationsträger weitergeleitet hatten, sind die Beklagten im Außenverhältnis gegenüber den Versicherten zur Überprüfung der Anträge im Hinblick auf alle in Frage kommenden Rechtsgrundlagen verpflichtet (§ 14 Abs 2 S 1 SGB IX). Hierbei wird die Versorgungssituation der Kläger unter Berücksichtigung ihres Wunsch- und Wahlrechts in einer dem Teilhaberecht des SGB IX (i. d. F. des BTHG) angemessenen Weise zu berücksichtigen sein. Bislang fehlen hierzu tragfähige Feststellungen der Berufungsgerichte.“

Es ist darauf hinzuweisen, dass das Rehabilitations- und Teilhaberecht für Menschen mit Behinderungen seit dem 01.01.2018 eine Frist von zwei Monaten vorsieht, innerhalb der die Rehabilitationsträger über einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe entscheiden müssen (§ 18 Abs. 1 SGB IX). Erfolgt keine begründete Mitteilung, weshalb eine Entscheidung innerhalb der Frist nicht möglich ist, gilt die beantragte Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (§ 18 Abs. 3 SGB IX).

Zum Terminbericht des BSG (Nr. 9/18)

(Quelle: Bundessozialgericht) 


[1] Siehe dazu: BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 – B 1 KR 26/16 R –, BSGE (vorgesehen), SozR 4-2500 § 13 Nr 36

Weitere Entscheidungen zum Rehabilitations- und Teilhaberecht finden sich auch in der

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Kommentare (1)

  1. BS
    BS 04.02.2023
    Kontakt mit der Krankenkasse aufzunehmen, ist von jeher problematisch, schon gleich, wenn es sich um Hilfsmittel handelt.
    In meinem Fall um einen E-Rollstuhl,

    Fast 4 Jahre habe ich jetzt schon auf einen Passenden gewartet.
    Erst nach der massiven Drohung mit einem Rechtsanwalt kam Bewegung in die Sache.
    Nächste Woche am Dienstag den 07.02.2023 soll er mir geliefert werden.

    Hilfreich war es auch, den Schriftverkehr (immer Einschreiben mit Rückschein) an die Rechtsabteilung der Krankenkasse zu senden.

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