13.08.2015 Rechtsprechung

Bundessozialgericht revidiert Rechtsprechung zum Blindengeld

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat entschieden, dass auch schwerst Hirngeschädigte, die nicht sehen können, Anspruch auf Blindengeld haben. Anders als bisher entschieden, ist hierfür nicht mehr erforderlich, dass ihre Beeinträchtigung des Sehvermögens noch deutlich stärker ausgeprägt ist als die Beeinträchtigung sonstiger Sinneswahrnehmungen wie zum Beispiel Hören oder Tasten.

Damit gaben die Richter einem mehrfachbehinderten 10-jährigen Jungen Recht, der wegen einer Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff u. a. nicht mehr sehen kann. Das Land Bayern hatte den Antrag auf Blindengeld abgelehnt, da das Sehvermögen nicht wesentlich stärker beeinträchtigt sei als die übrigen Sinnesmodalitäten (sog. spezifische Störung des Sehvermögens). Das Landessozialgericht Bayern hatte diese Ansicht bestätigt.  

Die Richter des Bundessozialgerichts hoben die Entscheidung nun auf und begründeten dies vor allem mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung behinderter Menschen vor dem Gesetz (Artikel 3 Absatz 1 und Absatz 3 des Grundgesetzes): Materiell-rechtlich bestehe keine Rechtfertigung mehr für dieses zusätzliche Erfordernis. Es bestehe kein hinreichender sachlicher Grund dafür, dass zwar derjenige Blindengeld erhalten soll, der "nur" blind ist, nicht aber derjenige, bei dem zusätzlich zu seiner Blindheit noch ein Verlust oder eine schwere Schädigung des Tastsinns oder sonstiger Sinnesorgane vorliegt, bei dem aber nicht von einer deutlich stärkeren Betroffenheit des Sehvermögens gegenüber der Betroffenheit sonstiger Sinnesorgane gesprochen werden kann.  

Der sachliche Grund ergebe sich auch nicht aus der Erwägung, dass schwerst hirngeschädigte Personen, die zu keiner oder so gut wie keinen Sinneswahrnehmungen fähig sind, deshalb keines Blindengeldes bedürfen, weil behinderungsbedingte Mehraufwendungen ohnehin nicht ausgeglichen werden könnten. Der 9. Senat wies darauf hin, dass Blindengeld derzeit ohne Rücksicht auf einen im Einzelfall nachzuweisenden oder nachweisbaren Bedarf pauschal gezahlt wird. Dabei sei gerade Sinn und Zweck der Pauschale, bei festgestellter Schädigung auf die Ermittlung des konkreten Mehrbedarfs sowie einer konkreten Ausgleichsfähigkeit zu verzichten. (Entscheidung vom 11.08.2015, Az.  B 9 BL 1/14 R)   

(Quelle: Bundessozialgericht, Medieninformation Nr. 19/15 vom 11.08.2015)


Bei dem genannten Urteil handelt es sich um eine ausgewählte Entscheidung zum Thema Blindengeld.  

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