03.04.2020 Verwaltung, Verbände, Organisationen

Die Fachverbände stellen Fragen der Behandlungspflege auf Reha-Recht.de zur Diskussion

Der Arbeitskreis Gesundheitspolitik der Fachverbände für Menschen mit Behinderung hat im November 2019 das Diskussionspapier „Behandlungspflege in Einrichtungen/ gemeinschaftlichen/besonderen Wohnformen“ veröffentlicht. Für eine breite Auseinandersetzung sind alle Akteure nun aufgerufen, sich am Diskussionsprozess über die Inhalte des Papiers im Diskussionsforum Reha-Recht.de zu beteiligen.

Menschen mit Behinderung, die Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen, sind, u. a. durch die demografische Entwicklung auch bei dieser Gruppe von BürgerInnen, vermehrt auf Behandlungspflege angewiesen. Bislang wurde diese häufig innerhalb von stationären Wohnformen im Rahmen der Eingliederungshilfe mit erbracht. Durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2015 wurde klargestellt, dass Maßnahmen der einfachsten Behandlungspflege zu den Assistenzleistungen der Eingliederungshilfe gehören und dass komplexe Behandlungspflege in der Regel zu den Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V gehört, es sei denn, die Leistungsvereinbarung der Einrichtung nach dem Vertragsrecht der Eingliederungshilfe sieht diese Leistungen ausdrücklich als Leistungen der Eingliederungshilfe vor. Offen blieb dabei, wie Behandlungspflege konkret organisiert und refinanziert werden soll. Ungeklärt blieb auch, inwieweit Maßnahmen der komplexen Behandlungspflege auf nicht pflegefachlich ausgebildete MitarbeiterInnen übertragen werden können.

Aufruf zum Dialog

Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung haben durch ihren Arbeitskreis Gesundheitspolitik ein Diskussionspapier „Behandlungspflege in Einrichtungen/gemeinschaftlichen/besonderen Wohnformen“ erstellen lassen, das die Fragen der Leistungserbringung und der Leistungszuständigkeit bei der Behandlungspflege systematisch bearbeitet und Möglichkeiten und Grenzen ihrer konkreten Organisation aufzeigt. Dabei werden sowohl das Interesse von Menschen mit Behinderung an möglichst umfangreicher selbstbestimmter Teilhabe und an fachlich guter Pflege als auch die leistungs- und professionsbezogene Grundlagen der Leistungserbringung berücksichtigt.

Da es sich um teilweise neuartige, zumindest aber grundsätzliche Überlegungen handelt, legen die Fachverbände für Menschen mit Behinderung kein Positionspapier, sondern ein Diskussionspapier vor, das eine breite Auseinandersetzung mit den Überlegungen und Vorschlägen zur Erbringung von Behandlungspflege ermöglichen und fördern soll. Alle Akteure sind aufgerufen, sich an diesem Diskussionsprozess zu beteiligen. Dazu wurde das Diskussionspapier in das Diskussionsforum Reha-Recht.de der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) eingestellt.

Der Diskussionsprozess wird von den Fachverbänden für Menschen mit Behinderung im Laufe des Jahres 2020 ausgewertet und ggf. der spezielle fachliche Dialog mit den Beteiligten gesucht. Ziel dieses Prozesses ist die Erarbeitung eines möglichst breiten Konsenses darüber, wie die behandlungspflegerische Versorgung von Menschen mit Behinderung in Einrichtungen/gemeinschaftlichen/besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe unter Berücksichtigung ihrer Teilhabeinteressen optimal gestaltet werden kann.

Der Arbeitskreis Gesundheitspolitik der Fachverbände für Menschen mit Behinderung bittet alle Akteure um Rückmeldungen zu dem Diskussionspapier. Bitte verwenden Sie dafür die Kommentarfunktion (s. unten).

Zum Diskussionspapier "Behandlungspflege in Einrichtungen/gemeinschaftlichen/besonderen Wohnformen" (18.11.2019; PDF/272 KB)

Rückfragen können gerne an Dr. med. Matthias Schmidt-Ohlemann unter  Matthias.Schmidt.Ohlemann@googlemail.com gerichtet werden.

Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung

  • Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. (CBP)
  • Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. (BVLH)
  • Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen e.V. (Anthropoi Bundesverband)
  • Bundesverband evangelische Behindertenhilfe e.V. (BeB)
  • Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm)

Kommentare (3)

  1. Frank Müller
    Frank Müller 15.07.2020
    Ich finde die getroffene Differenzierung der Behandlungspflege in Anlehnung an das BSG-Urteil hilfreich. Die vorgeschlagene Lösung über das Persönliche Budget wirkt kompliziert, da die Krankenkasse ja nicht als Reha-Träger gilt. Mir ist auch nicht klar, wie tatsächlich eine Doppelfinanzierung vermieden werden kann, denn nicht immer kann oder will eine Fachkraft Stunden aufstocken. Berücksichtigt werden müsssen auch alltagspraktische Fragen (dass eine Fachkraft eben über das Jahr gesehen auch eine Menge Ausfallzzeiten haben kann, also eine zweite Kraft vertreten muss). Ich glaube leider auch, dass hier noch viele Klärungen durch Gerichte anstehen werden, da das BSG-Urteil ja nur beispielhaft einfache und komplexe Behandlungspflege unterschieden hat.
    Das BSG-Urteil ist trotzdem ein großer Fortschritt. Wenn jetzt diese Wahloption eingeführt wird, ist natürlich die Gefahr da, dass im Interesse der Betroffenen dann doch wieder eine umfassendere Leistungsfähigkeit bei den Leistungserbringern durch die Krankenkassen unterstellt wird.
    Eine ärztliche Verordnung ist meiner Meinung nach bei allen Formen der Behandlungspflege Voraussetzung. Ansonsten wäre der Begriff unzutreffend.
  2. Chantal Krüssel
    Chantal Krüssel 14.07.2020
    Hallo,
    unsere Einrichtung ist eine Einrichtung der Eingliederungshilfe mit dem Schwerpunkt Pflege, daher fallen in unsere Aufgaben viele Tätigkeiten der Behandlungspflege. Daher ist es sehr positiv, dass sich diesem Thema angenommen wird und es am Ende für alle eine einheitliche Regelung geben wird.
    Persönliche Anmerkungen zu dem Diskussionspapier:
    - Die Definition der Pflegefachkraft ist nicht aussagefähig genug für die Praxis. Meiner Meinung nach sollte es eine genaue Definition geben, wer als Fachkraft anerkannt wird. Zudem ist teilweise die Sprache von Mitarbeiter ohne pflegefachliche Ausbildung und auch Fachkraft ohne pflegefachliche Ausbildung, dieses sollte auch genauer definiert werden.
    - Maßnahmen der komplexen Behandlungspflege dürfen nach diesem Diskussionspapier nur noch von Fachkräften ohne pflegefachliche Ausbildung durchgeführt werden, dadurch wird die Praxis stark eingeschränkt.
    - Das Thema Selbstbestimmung würde uns in unsere Einrichtung einen schwierigen Punkt darstellen, da in unserer Einrichtung viele Menschen mit den Symptomen einer Demenz leben und auch die Angehörigen/Berufsbetreuer keinen genauen Einblick haben, was genau Behandlungspflege bedeutet. Die Betreuer/Bewohner sollen einwilligen, dass es von einer Nichtfachkraft erledigt wird, obwohl sie es meiner Meinung nach gar nicht beurteilen können.
    - Erst im Kapitel der komplexen Behandlungspflege wird von der ärztlichen Verordnung gesprochen, dieses ist in unserer Einrichtung jedoch immer die Voraussetzung.
    - Definition regelmäßige Schulungen nicht ausreichend.
    - Behandlungspflegeplan wird auch von den Betreuern mitunterschrieben, dieses wird in der praktischen Umsetzung schwierig, wenn es zeitnah erfolgen muss.

    Freundliche Grüße
  3. Klein, Ruth
    Klein, Ruth 15.05.2020
    Meine Anmerkungen:
    - Der Begriff "Behandlungspflege" wird zwar nach wie vor häufig verwendet, entspricht aber nicht mehr dem State of the Art in der Pflegewissenschaft
    - Viel relevanter als die Leistungen der Behandlungspflege ist das Thema Vorbehaltsaufgaben der Pflege, das mit dem neue Pflegeberufsgesetz definiert worden ist. Hier ist verbindlich beschrieben, dass die Planung, Anamnese und Kontrolle der gesamten pflegerischen Tätigkeiten ausschließlich Pflegefachkräften vorbehalten ist. Dies gilt unabhängig von der Wohn- und Betreuungsform sobald im professionellen Bereich pflegerische Leistungen erbracht werden. Somit auch unabhängig davon ob die Leistungen durch einen ambulanten Dienst oder die Einrichtung selbst erbracht werden.
    MfG
    Ruth Klein

Neuen Kommentar schreiben

Mit * gekennzeichnete Felder müssen ausgefüllt werden.