21.06.2022 Verwaltung, Verbände, Organisationen

Geflüchtete Menschen mit Behinderungen: Regelungen zu Bedarfen gesetzlich verankern

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) hat in einem Positionspapier auf Mängel im Aufnahmeverfahren von geflüchteten Menschen mit Behinderungen hingewiesen. An Bund und Länder richtet sich die Empfehlung, klare Regelungen für die Identifizierung dieser Menschen und ihrer Bedarfe im Kontext des Aufnahmeverfahrens gesetzlich zu verankern, um die angemessene Versorgung sicherzustellen.

Das DIMR erklärt, dass die meisten geflüchteten Menschen aus der Ukraine zwar eine bessere rechtliche Ausgangssituation haben als Menschen aus anderen Ländern, die in Deutschland Schutz suchen. Aber auch hier bestünden gravierende Mängel und strukturelle Probleme bei der Identifizierung, der Unterbringung und der gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderungen.

„In Deutschland fehlt es nach wie vor an einer flächendeckenden Umsetzung der menschen- und europarechtlichen Vorgaben zur Identifizierung und bedarfsgerechten Unterbringung von besonders schutzbedürftigen geflüchteten Menschen, zu denen Menschen mit Behinderungen gehören“, so Britta Schlegel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des DIMR. „Vor allem nicht sichtbare Formen von Beeinträchtigungen, wie etwa intellektuelle Beeinträchtigungen und chronische Erkrankungen, werden regelmäßig übersehen und die entsprechenden Bedarfe daher nicht erkannt und berücksichtigt.“ Die neue Bundeskontaktstelle für Menschen mit Behinderungen und/oder Pflegebedarf, die die Länder bei der bedarfsgerechten Unterbringung unterstützen soll, sei begrüßenswert, könne jedoch die ausstehenden rechtsverbindlichen Identifikations- und Aufnahmeverfahren nicht ersetzen.

Behinderungsbedingt notwendige Leistungen wie orthopädische Hilfsmittel, Reha-Leistungen oder Psychotherapie erhalten die geflüchteten Menschen mit Behinderungen aus der Ukraine nur nach behördlichem Ermessen und aufwendiger Beantragung. Erfahrungsgemäß würden sie von den kommunalen Sozialbehörden erst spät oder gar nicht bewilligt, so Schlegel weiter. Das führe dazu, dass sich Beeinträchtigungen verschlimmern und zum Teil irreversible Folgeschäden entstehen. Daher sei hier dringend ein verbindlicher Rechtsanspruch zu formulieren.

Deutschland ist durch die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, die Rechte von geflüchteten Menschen mit Behinderungen zu verwirklichen. Diese Vorgaben werden durch europarechtliche Richtlinien sowie nationales Recht ergänzt. In dem Positionspapier „Bedarfe von geflüchteten Menschen mit Behinderungen berücksichtigen“ empfiehlt die Monitoringstelle, dass Bund und Länder klare Regelungen für die Identifizierung von Menschen mit Behinderungen und ihrer Bedarfe im Rahmen des Aufnahmeverfahrens gesetzlich verankern, um den menschen- und europarechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Um das Identifizierungsverfahren in der Praxis weiter zu verbessern, sei zudem ein zentrales Monitoring durch die Bundesregierung zu empfehlen.

Auch zur problematischen Versorgungssituation von geflüchteten Menschen mit Behinderungen aus anderen Ländern als der Ukraine äußert sich das DIMR in dem Papier. Der Zugang zu notwendigen Leistungen der Eingliederungshilfe über das Asylbewerberleistungsgesetz gestalte sich als noch schwieriger und sei in der Praxis gar vielfach versperrt. Sollte das Asylbewerberleistungsgesetz nicht abgeschafft werden, so das DIMR, müsse § 100 Abs. 2 SGB IX aufgehoben und in § 4 AsylbLG das Wort „akut“ gestrichen sowie in § 6 AsylbLG ein individueller Rechtsanspruch auf bedarfsdeckende Leistungen festgeschrieben werden.

Pressemitteilung und Positionspapier „Geflüchtete Menschen mit Behinderungen“ vom 16. Juni 2022

Zur Bundeskontaktstelle für geflüchtete Menschen mit Behinderungen aus der Ukraine

(Quelle: Deutsches Institut für Menschenrechte)


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