11.12.2019 Verwaltung, Verbände, Organisationen

Inklusionsbeirat besorgt über Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG)

Der Inklusionsbeirat beobachtet die geplanten Gesetzesänderungen zur Versorgung von Versicherten mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege weiterhin mit großer Sorge. Das Bundesministerium für Gesundheit hat den Entwurf des „Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz“ (RISG) nachgebessert und mit neuem Namen als „Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPReG)“ bereits in die regierungsinterne Abstimmung gegeben.

Kritisch sieht der Inklusionsbeirat vor allem eine Regelung, die er einer Meldung des Spiegels über das IPReG entnahm. Laut dieser können diejenigen von der häuslichen Pflege ausgeschlossen werden, die trotz Beatmung nicht in der Lage sind, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten.

„Es ist zu befürchten, dass die Angemessenheitsprüfung des Einzelfalls sich nicht auf die selbstbestimmte Gestaltung des Lebens beschränkt, sondern beatmete Menschen aus Kostengründen in stationäre Pflegeeinrichtungen gedrängt werden.

Jedwede Regelung, die in diesem Zusammenhang eine Prüfung des Einzelfalls durch Dritte auf Teilhabe, Selbstbestimmung oder gar Kostenregelungen umfasst, ist eine massive Ver-tragsverletzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).“

Der Inklusionsbeirat ist das oberste Entscheidungsgremium der staatlichen Koordinierungsstelle, die beim Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung angesiedelt ist. In ihm sind mehrheitlich Menschen mit Behinderung vertreten sowie jeweils eine Vertreterin oder ein Vertreter der Staatlichen Anlaufstelle (Focal Point), der Konferenz der Landesbehindertenbeauftragten und der Monitoring-Stelle. Im Zusammenhang mit dem Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz fordert der Beirat die Bundesregierung auf, keinen Gesetzentwurf zu beschließen, der Menschen mit einem hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege schlechterstellt als bisher. Dies gelte sowohl für Menschen, welche bislang mit häuslicher Beatmung leben, als auch für Menschen, die künftig diese Form der Versorgung wählen. Ein bloßer Bestandsschutz reiche nicht aus. Stattdessen fordert der Inklusionsbeirat, die bislang praktizierte Umsetzung von Artikel 19 Buchstabe a der UN-BRK beizubehalten und für Menschen mit hohem Bedarf an medizinischer Behandlungspflege auch künftig die gleichberechtigte Möglichkeit zu eröffnen, ihren Wohnort frei zu wählen.

Der Inklusionsbeirat kritisiert in seiner Stellungnahme außerdem, dass die Verbände von Menschen mit Behinderungen die geplanten Nachbesserungen des Gesetzentwurfs den Medien entnehmen mussten, denen der Entwurf samt Begründung offensichtlich bereits vorlag.

Reaktionen von Verbänden

Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung haben bereits im Vorfeld des neuen Entwurfs eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht. Sie bezieht sich auf die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema Außerklinische Intensivpflege (Bundestags-Drucksache 19/14487). Die Fachverbände fordern, dass der Anspruch auf häusliche Krankenpflege für Menschen mit Intensivpflegebedarf uneingeschränkt erhalten bleiben muss. Auf gar keinen Fall dürfe ein bestimmtes Maß an Teilhabefähigkeit ein Kriterium für die Erbringung von häuslicher Krankenpflege sein.

Die Organisation AbilityWatch lehnt den überarbeiteten Gesetzentwurf mit Nachdruck ab. "Wann ein Mensch an der Gesellschaft teilhaben kann und wann für seine individuelle Situation eine angemessene Versorgung vorliegt, soll nicht der betroffene Mensch entscheiden, sondern der Kostenträger." Das Bundesministerium für Gesundheit stelle somit die Menschenrechte auf Selbstbestimmung und Teilhabe grundsätzlich unter Mehrkostenvorbehalt.

Unterm Strich Verschlechterungen sieht auch Horst Frehe von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e. V. (ISL). Gegenüber der derzeitigen Rechtslage würde die Selbstbestimmung der Betroffenen immer noch erheblich eingeschränkt. Der Gesetzentwurf sei zudem nicht mit der UN-BRK vereinbar. Diese sähe zwar einen sogenannten Progressionsvorbehalt vor, der eine schrittweise Umsetzung der Konvention erlaube. „Einen Rückschritt darf es aber keinesfalls geben!“ Im Übrigen kritisierte Frehe, dass das Partizipationsgebot der UN-BRK weder bei der Erarbeitung des Gesetzes realisiert worden sei, noch bei seiner Umsetzung.

Die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Rehabilitation e. V. (DEGEMED) hat positiv auf den überarbeiteten Gesetzentwurf reagiert, der zentrale Forderungen der DEGEMED aufgreife. Die DEGEMED weist u. a. auf die Neuerung hin, dass zukünftig auch geriatrische Anschlussrehabilitationen ohne Überprüfung der Krankenkassen direkt verordnet werden können. Hierzu solle der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Abschätzungsinstrumente festlegen.

Weitere Informationen

Webseite des Bundesgesundheitsministerium zum Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz

Stellungnahme des Inklusionsbeirats des Koordinierungsmechanismus bei dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen zum Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz, 06.12.2019 (PDF/142 KB)

„Spahn lenkt bei Intensivpflege ein“ (Der Spiegel, 05.12.2019)

Veröffentlichung des Referentenentwurfs zum IPReG (ALS-mobil e. V.)

Stellungnahme zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung, 04.12.2019)

Pressemitteilung von AbilityWatch vom 08.12.2019

Pressemitteilung der ISL vom 10.12.2019

Pressemitteilung der DEGEMED vom 10.12.2019

Pressemitteilung der DIGAB e.V. vom 08.01.2020

IPREG-Änderungsvorschlag des Forums behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) vom 08.01.2020

Pressemitteilung der Lebenshilfe vom 05.02.2020

(Quelle: Inklusionsbeirat, Bundesgesundheitsministerium, Der Spiegel u. a.)


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