06.10.2023 Sozialmedizin

Rechtsgutachten zur Hilfsmittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung

Der Sozialverband VdK Nordrhein-Westfalen (VdK NRW) hat von Prof. Dr. Harry Fuchs von der Hochschule Düsseldorf und René Dittmann von der Uni Kassel ein Rechtsgutachten zur Hilfsmittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstellen lassen. Anlass waren Streitigkeiten um die Bewilligung von Hilfsmitteln, die der VdK NRW seit Jahren in seiner Beratungspraxis feststellt.

„Streitigkeiten um die Gewährung von Hilfsmitteln nehmen immer mehr zu. Das wissen wir aus unseren 125.000 Sprechstunden-Kontakten pro Jahr“, sagt Thomas Zander, Geschäftsführer des Sozialverbands VdK NRW. Es entsteht aus Sicht des VdK zunehmend der Eindruck, dass weder die GKV als Reha-Träger noch der Medizinische Dienst (MD) im Rahmen der Begutachtung die seit 2018 geltende, neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angemessen berücksichtigen. Danach soll mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich in erster Linie eine – mit einer medizinisch häufig schon austherapierten Funktionsbeeinträchtigung verbundene – beeinträchtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft verbessert werden.

Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich sind Leistungen zur Teilhabe

Die Unterscheidung zwischen Krankenbehandlung und medizinischer Rehabilitation spielt bei der Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 33 SGB V eine wichtige Rolle. Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob mit dem Hilfsmittel auf eine Krankheit (Leistung zur Krankenbehandlung) oder eine Behinderung (Leistung zur Teilhabe) eingewirkt werden soll. Handelt es sich bei dem begehrten Hilfsmittel um eine Teilhabeleistung, ist das SGB IX mit anzuwenden.

Rechtliche Folgen für die Krankenkassen als Rehabilitationsträger

Im Gutachten wird aufgezeigt, welche rechtlichen Folgen es hat, dass auch in der GKV die Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation einzuordnen sind und daher das SGB IX anzuwenden ist. Die Auswirkungen betreffen zum einen den originären krankenversicherungsrechtlichen Hilfsmittelanspruch, bei dessen Konkretisierung die qualitativen Maßstäbe des Grundgesetzes, der UN-Behindertenrechtskonvention und des Bundesteilhabegesetzes zu berücksichtigen sind. Zum anderen sind damit verfahrensrechtliche Verpflichtungen für die Krankenkassen verbunden, die entsprechend der §§ 14 ff. SGB IX ein teilhaborientiertes und umfassendes Versorgungskonzept sowie erforderlichenfalls einen Teilhabeplan zu erstellen haben.

Schließlich zeigt das Gutachten auch die normativen Anforderungen, die für die Krankenkassen und den MD bei der Begutachtung gelten. „Aus unserer Sicht müssen die Begutachtungsrichtlinien zur medizinischen Rehabilitation dringend an die neue Rechtsprechung angepasst werden. Dazu gibt das Gutachten detaillierte Hinweise“, betont Prof. Dr. Harry Fuchs. Es komme nicht allein auf die Verordnung des behandelnden Arztes an, sondern die Krankenkassen hätten die Pflicht zur umfassenden Bedarfsermittlung.

Zur Pressemitteilung des VdK NRW "Hilfsmittel werden oft zu Unrecht abgelehnt"/zum Gutachten "Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation im
Recht der gesetzlichen Krankenversicherung"

(Quelle: VdK NRW)


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