Beteiligung in Werkstätten

Einleitung

Im folgenden Text geht es um eine Idee.

Die Idee wurde zusammen mit einer Gruppe von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen entwickelt.

Die Abkürzung lautet: WfbM.

Im folgenden Text steht immer nur Werkstatt geschrieben.

 

Den Text gibt es auch in schwerer Sprache.

Er ist von Frau Professor Doktor Judith Ommert von der Hoch-Schule Fulda.

 

Frau Professor Ommert möchte zeigen:

Mehr Beteiligung in Werkstätten kann gelingen.

Durch Beteiligung in Werkstätten haben Menschen mit Behinderungen einen Vorteil.

Und Menschen ohne Behinderungen.

 

Beteiligung

UN-BRK ist die Abkürzung für UN-Behinderten-Rechts-Konvention.

In der UN-BRK steht:

Alle Menschen haben die gleichen Rechte:

  • beim Wohnen
  • beim Lernen
  • beim Arbeiten
  • und auch sonst überall

 

In der UN-BRK steht außerdem:

Die Beteiligung ist ein wichtiges Ziel.

Auch die WfbM sollen sich um Beteiligung bemühen.

 

In der Werkstätten-Mitwirkungs-Verordnung steht:

Der Werkstatt-Rat soll in einigen Dingen mitwirken.

Und mitbestimmen.

Man spricht dabei auch von Partizipation.

 

Partizipation bedeutet:

Menschen mit Behinderungen dürfen an Entscheidungen mitwirken.

Und haben so Einfluss auf das Ergebnis.

Ein anderes Wort für Partizipation ist Beteiligung.

In einer Werkstatt hat eine Gruppe von Mitarbeitern neue Ideen für die Beteiligung in der Werkstatt entwickelt.

 

Umfrage zu Beteiligung in der Werkstatt

Zuerst hat man eine Umfrage gemacht.

Man hat alle Personen befragt, die in der Werkstatt arbeiten.

Das Ergebnis von der Umfrage war:

Die Mitarbeiter in der Werkstatt haben gute Erwartungen an mehr Beteiligung.

Zum Beispiel:

  • Gespräche auf Augen-Höhe

Auf Augen-Höhe bedeutet hier:

Beide Gesprächs-Partner haben die gleichen Mitbestimmungs-Rechte.

  • höhere Zufriedenheit durch Wert-Schätzung
  • mehr Eigen-Verantwortung

 

Die Reha-Begleiter haben auch gute Erwartungen an die Beteiligung.

Zum Beispiel können die Reha-Begleiter

  • das eigene Welt-Bild erweitern.
  • ihre Arbeit verbessern.
  • ein besseres Vertrauens-Verhältnis zu den Beschäftigten schaffen.

 

Die Befragten haben aber auch Angst vor Veränderungen.

Und vor Überforderung.

 

Beispiele für Beteiligung

Die folgenden Maßnahmen hat man in der Werkstatt umgesetzt:

 

Selbstständige Teams

Man wollte in der Werkstatt selbstständige Teams schaffen.

Man sagt dazu auch teil-autonome Teams.

Teil-autonom bedeutet hier:

Die Teams sind nicht ganz selbstständig.

Aber die Teams sind zum Teil selbstständig.

 

Die Mitarbeiter in den selbstständigen Teams können selbst die Arbeits-Abläufe mitgestalten.

Und sie können dann die Arbeits-Abläufe selbst steuern.

Das bedeutet:

Die Mitarbeiter können einen Auftrag allein bearbeiten.

Ohne direkte Anleitung.

So dass sie selbst für den Auftrag verantwortlich sind.

Die Mitarbeiter haben in folgenden Bereichen die Möglichkeit der Beteiligung:

  • Gestaltung von den Arbeits-Abläufen
  • Mitgestaltung beim Einrichten von den Arbeits-Plätzen
  • Mitgestaltung von den Team-Regeln
  • Mitgestaltung von den Team-Sitzungen
  • Mitgestaltung an der Weiter-Entwicklung vom Arbeits-Auftrag
  • Mitentscheidung für neue Arbeits-Aufträge im Team
  • Mitgestaltung bei der Einarbeitung von neuen Kollegen
  • Mitgestaltung beim Schreiben von Arbeits-Anweisungen
  • Mitentscheidung, wenn neue Leute eingestellt werden

Zum Beispiel:

  • neue Gruppen-Leitungen.
  • Oder neue Produktions-Assistenten.

 

Der Mitarbeiter Herr N. sagt dazu:

Bei den länger bestehenden selbständigen Teams klappt die Team-Arbeit immer besser.

Auch in meinem Team.

Ich arbeite auch in einem selbstständigen Team.

Die Zusammen-Arbeit mit der Gruppen-Leitung oder mit dem Sozial-Dienst ist bei uns auf Augen-Höhe.

Augen-Höhe bedeutet:

Wir werden ernst genommen.

Wenn wir in Bezug auf die Arbeit in der Werkstatt Wünsche haben:

Dann berücksichtigt man unsere Wünsche mehr und mehr.

Insgesamt nimmt man unsere Anliegen ernst.

 

Einarbeitungs-Pläne

Einarbeitungs-Pläne beschreiben die Dinge, die man für die Arbeit lernen muss.

Durch die Einarbeitungs-Pläne wird klar:

Das muss man bei dieser Arbeit machen.

In der Vergangenheit war es so:

Die Gruppen-Leitungen haben

die Einarbeitungs-Pläne gemacht.

Jetzt ist es so:

Die Mitarbeiter von den Werkstätten machen die Einarbeitungs-Pläne zum großen Teil selbstständig.

Am Ende stimmen sie die Pläne mit den Gruppen-Leitungen ab.

Die Idee ist:

Die Mitarbeiter kennen sich selbst am besten in ihrer Tätigkeit aus.

Sie wissen, worauf es ankommt.

Und sie wissen, was dabei wichtig ist.

 

Wissen weitergeben

Es ist wichtig, dass Mitarbeiter sich gegenseitig unterstützen.

Und dass sie ihr Wissen an viele andere weitergeben.

Man sagt dazu auch Multiplikator.

Multi heißt: viele.

 

Zum Beispiel ist es so:

Multiplikatoren lernen etwas.

Im Anschluss geben sie das Erlernte an andere Mitarbeiter weiter.

Zum Beispiel:

Manche Mitarbeiter kennen sich nicht so gut mit dem Computer aus.

Deshalb können sie Einarbeitungs-Pläne nicht allein machen.

Multiplikatoren unterstützen sie bei der Arbeit am Computer.

Oder sie schreiben die Pläne gemeinsam.

Die Multiplikatoren geben auch Computer-Kurse für die ganze Werkstatt.

Zum Beispiel:

  • Word für Anfänger

Word ist ein Schreib-Programm für den Computer.

  • Word für Fortgeschrittene
  • Verwaltungs-Programme

 

Die Mitarbeiterin Frau R. sagt:

Für mich hat sich zum Beispiel verändert,

dass ich selbst für meine Kollegen Computer-Kurse halte.

Früher haben Personen von außerhalb der Werkstatt diese Kurse gehalten.

Ich verwalte auch die Computer-Kurse.

Verwalten bedeutet:

Ich schreibe Einladungen.

Und ich stelle Teilnahme-Bescheinigungen aus.

 

Paten

Paten begleiten neue Mitarbeiter in ihren ersten Arbeits-Tagen.

In jedem Arbeits-Bereich gibt es Paten.

Sie halten sich an den Einarbeitungs-Plan.

Sie begleiten die neuen Mitarbeiter oder Praktikanten.

Außerdem geben sie ihnen alle wichtigen Informationen über die Werkstatt.

Zum Beispiel:

  • wichtige Ansprech-Personen
  • Pausen
  • Essen
  • was sie bei ihrer Arbeit tun müssen
  • anderes

 

Wer kann Pate werden?

Mitarbeiter können sich zum Paten ausbilden lassen.

Früher war es so:

Gruppen-Leitungen oder der Sozial-Dienst haben neue Mitarbeiter am Anfang begleitet.

Jetzt ist es so:

Erfahrene Mitarbeiter übernehmen selbst diese Aufgabe.

Der Vorteil ist:

Die neuen Mitarbeiter lernen ihre Kollegen sofort kennen.

Außerdem haben sie so immer direkt eine Ansprech-Person.

Die meisten neuen Beschäftigten in der Werkstatt finden es gut, dass Paten sie am Anfang begleiten.

Auch die Paten finden ihre Aufgabe gut.

 

Gruppe: Die Werkstatt voranbringen

Man hat auch eine Gruppe mit dem Namen Die Werkstatt voranbringen gegründet.

Die Gruppe hat über verschiedene Themen gesprochen.

Zum Beispiel:

  • über die Werkstatt
  • über den Arbeits-Markt
  • über die Inklusion von Menschen mit Behinderungen

Inklusion ist ein lateinisches Wort.

Auf Deutsch heißt das Wort:

Einbeziehung oder Dazu-Gehörigkeit.

Man meint damit:

Alle Menschen sind mit dabei.

 

Im Anschluss hat die Gruppe den anderen von den Ergebnissen berichtet.

Manche Mitarbeiter halten auch außerhalb von der Werkstatt Vorträge.

Sie berichten in ihren Vorträgen, was sich seit der Gründung von der Gruppe
in der Werkstatt alles verändert hat.

 

Der Mitarbeiter Herr K. berichtet:

Ich finde, dass sich in der Gruppe ein gutes Miteinander gebildet hat.

Wir gehen respektvoll miteinander um.

Respektvoll bedeutet:

Wir achten einander.

Wir bekommen viele Informationen zu Gesetzen.

Und zur UN-Behinderten-Rechts-Konvention.

Für mich ist ein großes Ziel:

Ich möchte bei den verschiedenen Vorträgen in nächster Zeit die Gruppe vorstellen.

Ich möchte andere dazu bringen, dass sie sich auch mit Partizipation und Inklusion beschäftigen.

So können die anderen verstehen:

Wie läuft gemeinsame Arbeit ab?

Gemeinsame Arbeit bedeutet hier:

Gruppen-Leitungen und Mitarbeiter arbeiten auf Augen-Höhe zusammen.

 

Aus der Gruppe heraus haben sich weitere Ideen zur Beteiligung entwickelt.

Diese Ideen hat man in der Werkstatt umgesetzt.

Im Folgenden geht es um diese Ideen.

 

Das Ergebnis vom Rehabilitations-Gespräch selbst schreiben

Einmal im Jahr machen die Gruppen-Leitungen zusammen

mit den Mitarbeitern ein Rehabilitations-Gespräch.

Im Rehabilitations-Gespräch geht es um die Ziele für das kommende Jahr.

In der Vergangenheit war es so:

Die Gruppen-Leitungen haben die Ergebnisse vom Gespräch aufgeschrieben.

Jetzt ist es so:

Mitarbeiter schreiben die Ergebnisse vom Gespräch mit der Hand mit.

Dann schreiben sie die Ergebnisse vom Gespräch selbst am Computer auf.

Im Anschluss besprechen sie den Text mit den Gruppen-Leitungen.

Und fügen den Text zusammen in das Computer-System ein.

 

Alle 3 Monate treffen sich Mitarbeiter und Gruppen-Leitungen.

Sie sprechen darüber, ob die Mitarbeiter die Ziele erreicht haben.

Die Ergebnisse von diesen Gesprächen werden auch aufgeschrieben.

Und zwar in die Teilhabe-Pläne.

Der Reha-Träger hat diese Pläne mit den Mitarbeitern erstellt.

 

Die Mitarbeiterin Frau Ha. berichtet:

Bei den Reha-Gesprächen entscheiden wir selbst, welche Ziele wir im nächsten Jahr erreichen wollen.

Wir schreiben die Ergebnisse dann selbst am Computer auf.

Die Gruppen-Leitung übernimmt das dann in das Programm.

 

Die Qualität sichern

In jeder Werkstatt muss die Qualität sichergestellt werden.

Die Qualität sicherstellen bedeutet:

Die Werkstatt muss gut funktionieren.

Was bedeutet gut funktionieren?

Das hat man genau aufgeschrieben.

 

Nun muss man regelmäßig überprüfen:

Funktioniert die Werkstatt so wie man das aufgeschrieben hat?

Diese Überprüfungen nennt man auch Audit.

Jetzt ist es so:

Die Mitarbeiter führen selbst die Audits durch.

Der Vorteil ist:

Die Mitarbeiter können selbst Rück-Meldung geben.

Sie können auch selbst Verbesserungs-Vorschläge machen.

So wie die Paten haben auch diese Mitarbeiter
eine kleine Ausbildung dafür gemacht.

 

Ergebnis

Die Beteiligung von Mitarbeitern ist ein Gewinn für alle.

Mitarbeiter sowie Reha-Begleiter haben dadurch mehr Möglichkeiten.

Es ist wichtig, dass Beteiligung in der Werkstatt normal wird.

Dafür müssen vor allem die Reha-Begleiter etwas tun.

Sie müssen akzeptieren:

Auch Mitarbeiter kennen sich in vielen Bereichen aus.

 

Dieses Wissen sollen Reha-Begleiter nutzen.

Reha-Begleiter sollen sich nicht von den Mitarbeitern abgrenzen.

Sie sollen sich auf Augen-Höhe begegnen.

Auf Augen-Höhe bedeutet hier:

Reha-Begleiter sowie Mitarbeiter und haben die gleichen Mitbestimmungs-Rechte.

 

Alle Reha-Begleiter der Werkstatt waren schon vor dem Beteiligung-Gedanken der Überzeugung:

Sie sind mit den Mitarbeitern auf Augen-Höhe.

Aber in Wirklichkeit war das nicht der Fall.

Das hat sich während der Arbeit mit dem Beteiligungs-Gedanken gezeigt.

Genauer gesagt dadurch, dass die Mitarbeiter mehr mitbestimmt haben.

Die Mitarbeiter haben auch gesagt:

Zuvor war die Begegnung mit den Reha-Begleitern nicht auf Augen-Höhe.

Jetzt ist die Begegnung mit den Reha-Begleitern auf Augen-Höhe.


 


Dieser Text wurde übertagen von:
SprachUnion, Chemnitz

Der Text wurde von Mitarbeitenden der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e.V. geprüft.


Den Text gibt es auch in schwerer Sprache.

Der Text ist von Professor Doktor Judith Ommert von der Hochschule Fulda.

(Ommert: Partizipation in Werkstätten – eine Konzeption zur Förderung der Partizipation in Werkstätten für Menschen mit psychischen Störungen; in: Schachler/Schlummer/Weber (Hrsg.): Zukunft der Werkstätten - Perspektiven für und von Menschen mit Behinderung zwischen Teilhabe-Auftrag und Mindestlohn, Kohlhammer 2023.)


Die Bilder sind von: 

© Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bremen e.V.,
Illustrator Stefan Albers, Atelier Fleetinsel, 2013


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