16.12.2022 A: Sozialrecht Jahn: Beitrag A20-2022

Nachhaltige Erwerbsteilhabe durch Nachsorge

In dem Beitrag widmet sich der Autor der nachhaltigen Erwerbsteilhabe durch Nachsorge als Aufgabe der Rehabilitationsträger im gegliederten System des Rehabilitationsrechts. Es werden zunächst die Rechtsgrundlagen für notwendige berufs- und arbeitsplatzbezogene Unterstützungen zum langfristigen Erhalt eines Arbeitsplatzes im Anschluss an eine berufliche Rehabilitationsphase dargelegt und sich anschließend kritisch mit normierten zeitlichen Limitierungen dieser Leistungen auseinandergesetzt. Nach Ansicht des Autors bestehen bereits auf Basis der geltenden Rechtsgrundlagen Potentiale für bedarfsgerechte, zeitlich unbefristete Nachbetreuung im Verantwortungsbereich der Rehabilitationsträger.

(Zitiervorschlag: Jahn: Nachhaltige Erwerbsteilhabe durch Nachsorge; Beitrag A20-2022 unter www.reha-recht.de; 16.12.2022)

I. Ausgangslage/Problemaufriss

Eine gelingende Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht es Menschen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung, wieder eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen. Leistungen zur Teilhabe können allerdings erst dann als nachhaltig bezeichnet werden, wenn die Menschen nach Aufnahme der Beschäftigung in dieser möglichst langfristig verbleiben.[1] Neben der Eingliederung in den Arbeitsmarkt ist die Ausübung einer dauerhaften auskömmlichen Beschäftigung ein weiterer wichtiger Faktor zur Eröffnung von gesellschaftlicher Teilhabe Menschen mit Behinderung.[2]

Gerade für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung stellt sich die Frage, wie ihre Teilhabe am Arbeitsleben auch unter ökonomisch, gesundheitlich und sozial erschwerten Bedingungen nachhaltig gesichert und weiterentwickelt werden kann und muss.[3] Denn selbst wenn die berufliche Rehabilitation bzw. die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben[4] erfolgreich verläuft und die Rehabilitanden im Anschluss eine Beschäftigung aufnehmen, kann der einkehrende Berufsalltag insbesondere für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung zu erheblichen Hindernissen führen. Ausgehend vom Inklusionsauftrag des Art. 27 UN-BRK sollte der Blick aller Beteiligten demnach nicht nur einseitig auf den Zugang, sondern ebenfalls auf fortdauernde Partizipation am Arbeitsmarkt, ggf. unterstützt durch notwendige Rehabilitationsmaßnahmen, gerichtet sein.[5] Besonders Menschen mit psychischer Beeinträchtigung haben in diesem Zusammenhang hohe Barrieren zu überwinden.[6]

Im Folgenden geht es darum, mit welchen Leistungsansprüchen die notwendige Unterstützung zum langfristigen Erhalt eines Arbeitsplatzes erbracht werden kann. Das deutsche Rehabilitationsrecht umfasst eine Fülle an verschiedenartigen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. In dieses breite Spektrum lassen sich die notwendigen berufs- und arbeitsplatzbezogenen Unterstützungen einordnen. So kommt aus dem Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung die Pflicht zur Nachsorge in Betracht. Im Teilhaberecht finden sich Ansprüche auf Arbeitsassistenz sowie auf psychosoziale Hilfen. Diese können sowohl gegenüber einem Rehabilitationsträger in Form von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben als auch gegenüber dem Integrationsamt im Sinne der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben bestehen. Inwieweit sich hieraus längerfristige Ansprüche auf arbeitsplatzbezogene Unterstützung ableiten lassen, wird im Folgenden näher untersucht. Dazu werden die am nächsten liegenden Rehabilitationsleistungen genauer in den Blick genommen.

II. Rechtliche Einordnung

1. Leistungen der Nachsorge gem. § 17 SGB VI

Die Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB VI sind explizit auf das Ziel einer dauerhaften Wiedereingliederung in das Erwerbsleben gerichtet, vgl. § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI. Dazu hat die Deutsche Rentenversicherung insbesondere für die Belange psychisch erkrankter Menschen bereits mehrere multimodale wie auch unimodale Nachsorgekonzepte entwickelt. Diese beziehen sich bisher allerdings überwiegend auf psychosomatische Fragestellungen der medizinischen Rehabilitation.[7]

Die Regelung des § 17 SGB VI verlangt dagegen, dass vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Leistungen zur Nachsorge erbracht werden, wenn diese erforderlich sind, um den Erfolg der von ihnen erbrachten vorangegangenen Leistung zur Teilhabe zu sichern.[8] Die Formulierung in § 17 Abs. 1 SGB VI „im Anschluss an eine Leistung zur Teilhabe“ zeigt insoweit, dass Nachsorgeleistungen eben auch nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durchgeführt werden können.[9] Mithin soll von den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung ein möglichst einheitliches Angebot an Nachsorgeleistungen zur Verfügung gestellt werden, welches dem individuellen Bedarf der Versicherten entspricht.

Die vorangegangene Leistung zur Teilhabe darf hierbei nicht von einem anderen Rehabilitationsträger, sondern muss vom selben Rentenversicherungsträger erbracht worden sein.[10] Die in Frage kommenden Leistungen können dabei vielfältig ausgestaltet sein. Im Vordergrund steht das Hinwirken auf Veränderungen des Verhaltens- und Lebensstils.[11] Eine nachsorgende psychologische Betreuung wäre hiervon entsprechend mitumfasst. Gem. § 7 Nachsorge-Richtlinie[12] sind die Leistungen zur Nachsorge durch Leistungserbringer, mit denen ein Vertrag nach § 38 SGB IX besteht, oder durch andere geeignete Nachsorgeanbieter zu erbringen.

Die Leistungen sollen nach § 6 Abs. 1 Nachsorge-Richtlinie befristet sein und spätestens 12 Monate nach Abschluss der vorangegangenen Leistung zur Teilhabe enden. Eine derartige pauschale Begrenzung durch den Richtliniengeber wirft tiefergehende Zweifel auf. Denn § 17 Abs. 1 S. 2 SGB VI besagt zunächst nur, dass die Leistungen zeitlich begrenzt werden können. Dies bedeutet, dass die Nachsorgeleistungen der gesetzlichen Ausgestaltung nach grundsätzlich unbegrenzt erbracht werden. Eine untergesetzliche Begrenzung ist aber dennoch denkbar. Die Formulierung „Umfang der Leistungen“ in § 17 Abs. 2 S. 1 SGB VI ermöglicht der Deutschen Rentenversicherung Bund im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die zeitliche Begrenzung der Leistungen in Form einer entsprechenden Richtlinie. Selbst wenn dies nicht innerhalb der Richtlinie geregelt wäre, könnte die Nachsorge im Rahmen der Ermessensausübung im Einzelfall zeitlich begrenzt werden. Jedoch ist sowohl der Richtliniengeber als auch der zuständige Rehabilitationsträger bei jeder Einzelfallentscheidung verpflichtet, höherrangiges Recht, hier das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen  (UN-BRK) und das SGB IX, umzusetzen. Psychische Erkrankungen sind im Regelfall mit hohem persönlichen Leidensdruck und Einschränkungen der Teilhabe in den mehreren Lebensbereichen verbunden.[13] Obendrein können die Beeinträchtigungen mannigfaltig ausgestaltet sein. Diese reichen von akuten Ausprägungen bis hin zu chronischen Verlaufsformen mit langfristig anhaltenden Unterstützungsbedarf. Soweit es sich um eine dauerhafte Beeinträchtigung handelt, die eine beständige Unterstützung erfordert, muss, wie bei Menschen mit Sinnes- oder anderen körperlichen Beeinträchtigungen auch, eine unbegrenzte Leistung auf Unterstützung am Arbeitsplatz gewährt werden. Das Leistungsspektrum muss also gänzlich ausgeschöpft werden, wenn die Maßnahmen im Einzelfall ansonsten unzureichend für die tatsächliche Teilhabe wären. Dies verdeutlichte bereits der Ausschuss der Vereinten Nationen in der Rechtssache Gröninger[14], als er befristete Eingliederungszuschüsse für nicht vereinbar mit der UN-BRK hielt. Somit dürfen auch die Leistungen der Nachsorge gem. § 17 SGB VI nicht pauschal befristet werden, ohne zu gewährleisten, dass wenigstens aus einem anderen System längerfristige Unterstützung bewilligt wird.

Um in den Genuss dieser Unterstützungsleistung zu kommen, müssen bei den Betroffenen darüber hinaus auch noch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gem. § 11 SGB VI i. V. m. § 4 Nachsorge-Richtlinie vorliegen. Gerade jüngere Menschen können diese Vorversicherungszeiten regelmäßig nicht erfüllen, sodass für diese Gruppe ohnehin die Bundesagentur für Arbeit zuständiger Leistungsträger wäre.[15]

2. Begleitende Hilfen im Arbeitsleben gem. § 185 SGB IX

Gem. § 185 Abs. 5 S. 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz.[16] Die begleitende Hilfe im Arbeitsleben umfasst daneben gem. § 185 Abs. 2 S.4 SGB IX auch die nach den Umständen des Einzelfalles notwendige psychosoziale Betreuung schwerbehinderter Menschen. Wie dem Wortlaut der Norm bereits zu entnehmen ist, ist das Integrationsamt grundsätzlich nur für Schwerbehinderte zuständig. Bei Menschen mit chronisch psychischer Erkrankung liegt eine solche Schwerbehinderung jedoch oftmals (noch) nicht vor. Ein Bedarf an langfristigen Unterstützungsleistungen am Arbeitsplatz besteht dagegen freilich auch unterhalb der Schwelle der Schwerbehinderung.

Für diese Personen müssten stattdessen die Integrationsfachdienste[17] einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen nach §§ 192 Abs. 4, 185 Abs. 2 S. 5 SGB IX tätig werden. Die psychosoziale Betreuung gehört derweil auch zu den originären Aufgaben der Integrationsfachdienste für schwerbehinderte Menschen, vgl. § 193 Abs. 2 Nr. 8 SGB IX.

Die Leistungen des Integrationsamtes dürfen hingegen nur erbracht werden, wenn diese für denselben Zweck nicht von einem Rehabilitationsträger zu erbringen sind. Der Nachrang des Integrationsamtes gegenüber den Rehabilitationsträgern ergibt sich aus den §§ 185 Abs. 5, 160 Abs. 5 S. 1 HS. 2 SGB IX i. V. m. § 18 Abs. 1 S. 1 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV). Das sog. Aufstockungsverbot in § 185 Abs. 6 S. 2 HS. 2 i. V. m. § 18 Abs. 1 SchwbAV soll außerdem sicherstellen, dass die Rehabilitationsträger im Rahmen ihrer Zuständigkeit die nach Lage des Einzelfalls erforderlichen Leistungen vollständig und umfassend aus einer Hand erbringen.[18]

3. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. § 49 SGB IX

Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Es ist mithin nicht der bloße Abschluss bzw. das bloße Durchlaufen der jeweiligen Rehabilitationsleistung maßgeblich, sondern der (dauerhafte) Eingliederungserfolg.[19] Somit können auch nach erfolgreicher (Re-)Integration behinderungsbedingte Leistungen erforderlich sein, die in die Zuständigkeit der Rehabilitationsträger fallen. Dies folgt der Logik des § 4 Abs. 2 S. 2 SGB IX, wonach jeder Träger im Rahmen seiner Zuständigkeit und je nach Lage des Einzelfalles die erforderlichen Leistungen so vollständig zu erbringen hat, dass Leistungen eines anderen Trägers nicht erforderlich werden.[20] Der nicht abschließende Leistungskatalog des § 49 SGB IX gilt auch im Recht der Arbeitsförderung (SGB III) umfassend.[21]

a) Arbeitsassistenz gem. § 49 Abs. 8 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 und 7 SGB IX

Unter der Arbeitsassistenz versteht man die über gelegentliche Handreichungen hinausgehende, zeitlich wie tätigkeitsbezogen regelmäßig wiederkehrende Unterstützung von (schwerbehinderten) Menschen bei der Ausübung ihres Berufs in Form einer in der Regel von ihnen beauftragten Arbeitskraft.[22] Dem Gesetzgeber ist also durchaus bewusst, dass bei besonders betroffenen (schwerbehinderten) Menschen das Ziel der dauerhaften Teilhabe am Arbeitsleben häufig nur erreichbar ist, wenn ausbildungs- und berufsbegleitende persönliche Hilfen zur Verfügung stehen.[23]

Wie sich das jeweilige Tätigkeitsfeld einer Arbeitsassistenz im Einzelfall ausgestaltet, soll vom individuellen Unterstützungsbedarf der Betroffenen abhängen. Ausgeführt werden die Leistungen in Abstimmung mit den Rehabilitationsträgern durch das Integrationsamt, dem seine Aufwendungen erstattet werden.

Die Leistungen werden von den Rehabilitationsträgern aber nur befristet für die Dauer von bis zu drei Jahren erbracht.[24] Doch insbesondere Menschen mit psychischer Beeinträchtigung benötigen zur Erhaltung des Arbeitsplatzes nicht selten längerfristige personenzentrierte Hilfeleistungen. Für diese Personengruppe wäre eine unbefristete, am individuellen Bedarf ausgerichtete und psychiatrisch fundierte Betreuung vor Ort am Arbeits- oder Ausbildungsplatz zur Sicherung des vorangegangenen Integrationserfolgs besonders zweckmäßig. Denn erfahrungsgemäß wird der Unterstützungsbedarf mit der Zeit krankheitsbedingt schwanken. Die Konflikte oder Schwierigkeiten im Arbeitsalltag erfordern dann fortlaufende, fachlich fundierte Begleitung und Krisengespräche. Deswegen unterscheiden sich die Bedarfe wesentlich von denen der meisten Menschen mit körperlicher Behinderung. Die Sicherung von Beschäftigung im Anschluss an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch unbefristete Nachbetreuung sind demnach vielmehr solche Bedarfe, wie sie in § 49 Abs. 6 SGB IX geregelt sind.

b) Unterstützende Hilfen im medizinischen, psychologischen und pädagogischen Bereich gem. § 49 Abs. 6 SGB IX

Nach § 49 Abs. 6 S. 1 SGB IX umfassen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ebenso medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese im Einzelfall erforderlich sind, um die in Abs. 1 genannten Ziele[25] zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten.[26] Diese sind zwar lediglich ergänzende Sachleistungen (Annexleistungen) zur Teilhabe am Arbeitsleben bzw. integrativer Bestandteil dieser. Jedoch können diese wie bei der medizinischen Rehabilitation gem. § 42 Abs. 3 SGB IX alle nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen psychosozialen Leistungen mitumfassen.[27] Dies ermöglicht die Finanzierung von medizinischen Diensten der Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation (§ 51 SGB IX) innerhalb des Katalogs der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 SGB IX. Mit der Inanspruchnahme der Integrationsfachdienste können auch die für LTA zuständigen Rehabilitationsträger deren Strukturen und Aktivitäten für die von ihnen zu erbringenden Leistungen einsetzen und dies sogar für nicht schwerbehinderte Menschen. Dadurch lassen sich die Bausteine der medizinischen und beruflichen Rehabilitation gewissermaßen als „Komplexleistung unter einem Dach“ miteinander verbinden.[28] Dies bringt den Vorteil mit sich, einen ständigen Wechsel in der Betreuung zu vermeiden und somit die notwendige Zeit und Kontinuität der Begleitmöglichkeit sicherzustellen. Vor dem Hintergrund der überdauernden psychischen Beeinträchtigungen und fluktuierender Symptomatik in Wechselwirkung mit den Belastungen am Arbeitsplatz sollte ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten überdies förderlich sein. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden zeitlich befristet erbracht, vgl. § 53 SGB IX. Im Zuge dessen ließe sich schlussfolgern, dass die psychosozialen Annexleistungen aus § 49 Abs. 6 SGB IX ebenfalls zeitlich limitiert sein können. Die Grenze, ab wann nur noch das Integrationsamt oder die Eingliederungshilfe mittels Budget für Arbeit statt der vorrangig zuständigen Rehabilitationsträger (Bundesagentur für Arbeit oder Gesetzliche Rentenversicherung) für im Einzelfall notwendige Unterstützung in Form von Arbeitsplatzbegleitung leistungspflichtig sind, könnte dabei vergleichbar zur Arbeitsassistenz gezogen werden.[29]

III. Fazit

Das gegliederte System des Rehabilitationsrechts hält ein ganzes Bündel an Leistungen für eine nachhaltige Teilhabe am Arbeitsleben bereit. Die Zuständigkeit der Rehabilitationsträger endet nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften – gemessen an dem Leistungsziel der möglichst dauerhaften Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben – demzufolge nicht schon mit dem Abschluss der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme/-leistung oder der etwaigen Beschäftigungsaufnahme. Vor allem psychische Erkrankungen, die zu einer Rehabilitation führen, sind zumeist chronisch, verlaufen selten linear und bedürfen daher langfristiger Betreuung. In den einschlägigen Diskursen zur Ausgestaltung eines inklusionsgerechten Zugangs zum allgemeinen Arbeitsmarkt werden unbefristete Unterstützungsleistungen seither für erfolgsversprechend gehalten.[30] Auch die bestehenden Rechtsvorschriften begrenzen weder automatisch noch zwingen sie zu einer pauschalen Begrenzung. Vielmehr müssen auch untergesetzliche Regelsetzer sowie Rehabilitationsträger auf langfristige Teilhabebedarfe angemessen reagieren. Infolgedessen erscheint eine zeitliche Entfristung und Ausweitung der Nachsorgeleistungen als gewinnbringende Weiterentwicklung eines inklusiven Rehabilitations- und Teilhaberechts.

Die Notwendigkeit von Nachsorge nach der Rehabilitation zur überdauernden Sicherung des Erfolges sollte auch bei den Leistungsträgern mittlerweile Konsens sein. Hinweis hierfür dürften auch die gemeinsamen Strategieansätze der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR) und ihrer Mitglieder geben, die auf die Nachhaltigkeit als bedeutenden Erfolgsfaktor für Leistungen der Rehabilitation und Teilhabe verweisen.[31]

Um Rehabilitationserfolge nachhaltig zu sichern, bedarf es aus fachlicher Sicht langfristiger Nachbetreuungsmodelle mit konstanten Beziehungen und vielschichtigen Hilfen, die von psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung über sozialtherapeutische und sozialpädagogische Hilfen wie Kommunikationstrainings hin zu diagnosespezifischen Leistungen reichen. Diese Hilfen sollten sowohl den betroffenen Rehabilitanden als auch den Arbeitgebern zur Verfügung stehen.

Eine derartige bedarfsgerechte intensive Nachbetreuung lässt sich aber nur realisieren, wenn diese Leistung rechtlich gut abgesichert, von gut ausgebildetem Personal erbracht und damit letztlich auch finanziell angemessen vergütet wird. Die Rehabilitationsträger stehen in der Verantwortung, die gesetzlichen Leistungsansprüche durch entsprechende Dienste und Einrichtungen, d. h. durch eine entsprechende Versorgungsstruktur auch faktisch zugänglich zu machen, vgl. § 36 Abs. 1 SGB IX. Sie sollten bestehende Konzepte nicht nur an die geltenden rechtlichen Gegebenheiten anpassen, sondern dabei auch die Verfahren der Nachsorge vereinheitlichen und Konzepte zu neuen Formen der Nachsorge erarbeiten.[32] Zusätzlich müssen notwendige gesundheitsbezogene Veränderungen des Verhaltens- und Lebensstils der Menschen mit Behinderung von den Rehabilitationsträgern verstärkt mitgedacht werden. Als Orientierungshilfe bieten sich die wesentlichen Strukturprinzipien des SGB IX an. Gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX ist es nämlich Aufgabe der Teilhabe am Arbeitsleben, die Erwerbsfähigkeit entsprechend den Neigungen (Wünschen, Vorstellungen sowie Erwartungen der Betroffenen) auf Basis der vorhandenen bzw. zu fördernden individuellen Fähigkeiten dauerhaft zu sichern. Damit wird vom Gesetzgeber verdeutlicht, dass bei den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, sofern erforderlich, zeitlich unbefristete Unterstützung miteingeschlossen ist. Potenziale für nachhaltige berufsbegleitende Unterstützungsleistungen bestehen jedenfalls bereits auf Basis der geltenden Rechtsgrundlagen.

Beitrag von Von Philipp Jahn, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Fußnoten

[1] Vgl. auch Deusch in LPK-SGB IX, 6. Auflage, § 49 SGB IX, Rn. 11.

[2] Vgl. Bundestags-Drucksache 17/6277, 77; Bundestags-Drucksache 17/14476, S. 86 ff.; Bundestags-Drucksache 18/10940, 174 ff.

[3] Dies ist ebenfalls eine der Leitfragen des Kooperationsprojekts „Zugänglichkeit – Inklusion – Partizipation. Nachhaltige Teilhabe an Arbeit durch Recht (ZIP-NaTAR)“ der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation e. V. und ihrer wissenschaftlichen Kooperationspartnerinnen und
-partner, vgl. unter: https://www.reha-recht.de/zip-natar/.

[4] Die Begriffe Berufliche Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsleben werden vom Gesetz synonym verwendet, in jüngerer Zeit hat sich durch die Terminologie des SGB IX der Begriff Teilhabe am Arbeitsleben sukzessive durchgesetzt.

[5] Art. 27 Abs. 1 S.2 lit. e UN-BRK: Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit, einschließlich für Menschen, die während der Beschäftigung eine Behinderung erwerben, durch geeignete Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften, um unter anderem […] für Menschen mit Behinderungen Beschäftigungs­möglichkeiten und beruflichen Aufstieg auf dem Arbeitsmarkt sowie die Unterstützung bei der Arbeitssuche, beim Erhalt und der Beibehaltung eines Arbeitsplatzes und beim beruflichen Wiedereinstieg zu fördern.

[6] Vgl. m. w. N. Gühne/Riedel-Heller/Kupka, Wie sich psychische Erkrankungen auf die Teilhabe am Arbeitsmarkt auswirken – ein Überblick, abrufbar unter: https://www.iab-forum.de/wie-sich-psychische-erkrankungen-auf-die-teilhabe-am-arbeitsmarkt-auswirken-ein-ueberblick/, zuletzt abgerufen am 16.12.2022; vgl. auch Stemmler in: Aktion Psychisch Kranke, Psychische Gesundheit fördern, Teilhabe an Arbeit sichern, S. 132 (133), abrufbar unter: https://www.apk-ev.de/fileadmin/downloads/Jahrestagung2020/Band_47_web.pdf, zuletzt abgerufen am 16.12.2022.

[7] Bekannt und weit verbreitet ist – neben der unimodalen Rehabilitationsnachsorge „RENA“ – vor allem das (multimodale) Nachsorgekonzept Intensivierte Rehabilitationsnachsorge – IRENA“. Für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung steht daneben noch das Konzept „Psy-RENA“ – Reha-Nachsorge bei psychischen Erkrankungen mit psychosozialer Stabilisierung und Begleitung bei der beruflichen Wiedereingliederung zur Verfügung. Vgl. hierzu auch: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Experten/infos_reha_einrichtungen/konzepte_systemfragen/konzepte/rahmenkonzept_reha_nachsorge.html, zuletzt abgerufen am 16.12.2022.

[8] Die Leistungen sollen also geeignet sein, mögliche Gefahren für die Nachhaltigkeit der positiven Auswirkung der Vorleistung für die Erwerbsfähigkeit abzuwenden, vgl. auch Jüttner in: Hauck/Noftz SGB, § 17 SGB VI, Rn. 16.

[9] Die gesamte Vorschrift wurde neu in das SGB VI eingefügt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben vom 08.12.20161 (Flexirentengesetz) und ist am 14.12.2016 in Kraft getreten.

[10] Vgl. Stähler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl., § 17 SGB VI (Stand: 01.04.2021), Rn. 9; Jüttner in: Hauck/Noftz SGB, § 17 SGB VI, Rn. 12.

[11] Bundestags-Drucksache 18/9787, S. 36.

[12] Gemeinsame Richtlinien der Träger der Rentenversicherung nach § 17 Abs. 2 S.1 SGB VI für Leistungen zur Nachsorge vom 11.05.2017.

[13] Gazzaniga, M., Halpern, D., Plata, G. (2018). Psychologie. 1. Aufl. Weinheim: Beltz, S. 803.

[14] Rs. Gröninger vom 04.04.2014, Aktenzeichen CRPD/C/D/2/2010, Feststellung eines unmittelbaren Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot durch die Begrenzung von Eingliederungszuschüssen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderung nach der Dauer der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit. Deutsche Übersetzung abrufbar unter: https://www.gemeinsam-einfach-machen.de/SharedDocs/Downloads/DE/AS/UN_BRK/Individualbeschwerde_Groeninger.pdf?__blob=publicationFile&v=1; zuletzt abgerufen am 16.12.2022; dazu bereits Nebe/Giese, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben aus dem Blickwinkel der UN-Behindertenrechtskonvention – Gröninger Entscheidung des Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 04. April 2014, RP Reha 2015 Heft 1, S. 55–61.

[15] Das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gem. § 11 SGB VI ist für die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers maßgebend. Zwischen den beiden großen Trägern von Leistungen zur Teilhabe an Arbeit, d. h. der Gesetzlichen Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit, bestimmt § 22 Abs. 2 S.1 SGB III, dass Leistungen nach dem SGB VI vorgehen. Erfüllen Versicherte also die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gem. § 9 ff. SGB VI, muss der Rentenversicherungsträger leisten.

[16] Die Arbeitsassistenz nach § 185 Abs. 5 SGB IX dient der Verbesserung der Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und Berufsleben während der gesamten Dauer der Erwerbstätigkeit. Ziel ist die Erlangung aber auch die Erhaltung des Arbeitsplatzes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

[17] Integrationsfachdienste sind externe Institutionen, die zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben beteiligt und dazu von den Rehabilitationsträgern oder den Integrationsämtern eingeschaltet und beauftragt werden, aber eigenverantwortlich tätig sind, vgl. Faber/Kiesche in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, 4. Auflage, § 192 SGB IX Rn. 3.

[18] Beyer in LPK-SGB IX, 6. Auflage, § 185 SGB IX, Rn. 25; Simon in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Auflage, § 185 SGB IX, Rn. 91.

[19] Vgl. bereits BSG, Urteil vom 16.06.1994 – 13 RJ 79/93 Rn. 31; daran anschließend: SG Dresden, Urteil vom 09.10.2019 – S 35 R 112/18 KN, juris Rn. 36.

[20] Konkret auch Nebe in: Gagel, SGB II/III, Vorbemerkungen zu §§ 112–129 SGB III, Rn. 15 und 15a.

[21] Dazu Nebe m. w. N. in: Gagel, SGB II/III, § 118 SGB III Rn. 1 und 3.

[22] Luik/Deister in: Deinert/Welti/Luik/Brockmann, Stichwortkommentar Behindertenrecht, 3. Auflage, Arbeitsassistenz Rn. 2; Conrad-Giese in Fuchs/Ritz/Rosenow, SGB IX – Kommentar zum Recht behinderter Menschen, 7. Auflage, § 49 SGB IX Rn. 99.

[23] Bundestags-Drucksache 14/5074, 108; Bundestags-Drucksache 15/4575, 93 ff.

[24] Nach Ablauf der Dreijahresfrist setzt das Integrationsamt – soweit erforderlich – die Leistungen aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln fort, vgl. § 49 Abs. 8 S.4 SGB IX.

[25] Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten.

[26] Deusch in: LPK-SGB IX, 6. Auflage, § 49 SGB IX Rn. 43.

[27] Vgl. BSG, 13.09.2011, B 1 KR 25/10 R, mit zust. Anm. Kalina ZfSH/SGB 2012, 317 sowie Kalina: Arbeitstherapie – eine Leistung der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation; Forum B, Beitrag B4-2012 unter www.reha-recht.de; 04.05.2012.

[28] Vgl. bspw. das Konzept Arbeitsrehabilitation im Rahmen von RPK (Rehabilitation psychisch kranker Menschen), abrufbar unter: https://docplayer.org/42892804-Medizinisch-berufliche-rehabilitation-rpk-und-die-konzeption-des-supported-employment.html, zuletzt abgerufen am 16.12.2022. RPK-Einrichtungen bieten Leistungen im Anschluss an die Akutbehandlung an. Idee ist, eine Komplexleistung anzubieten, da psychisch erkrankte Menschen häufig von komplexen Beeinträchtigungen betroffen sind, vgl. insoweit auch RPK-Empfehlungsvereinbarung und Handlungsempfehlungen der BAR unter: https://www.bar-frankfurt.de/fileadmin/dateiliste/_publikationen/reha_vereinbarungen/pdfs/BARBroRPK_E.pdf, zuletzt abgerufen am 16.12.2022.

[29] Vgl. auch Nebe/Waldenburger, Budget für Arbeit, Forschungsbericht, hrsg. von Landschaftsverband Rheinland, Köln 2014, S. 171, abrufbar unter: https://www.lvr.de/media/wwwlvrde/soziales/menschenmitbehinderung/1_dokumente/arbeitundausbildung/dokumente_229/15_0456_Forschungsbericht_barrierefrei.pdf, zuletzt abgerufen am 16.12.2022; Waldenburger, Unterstützte Beschäftigung nach § 55 SGB IX – eine sozial- und arbeitsrechtliche Untersuchung des zukunftsweisenden Teilhabeinstruments und zugleich kritische Normanalyse, 1. Auflage 2019, Baden-Baden, S. 418.

[30] Bspw. im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung gem. § 55 SGB IX, vgl. Waldenburger: Unterstützte Beschäftigung nach § 55 SGB IX –Teil IV: Die Sicherstellung der Leistungen der Berufsbegleitung für behinderte Menschen, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind; Beitrag A 24-2018 unter www.reha-recht.de; 20.11.2018; ebenso beim Budget für Arbeit gem. § 61 SGB IX, vgl. m. w. N. Nebe in: Feldes/Kohte/Stevens-Bartol, SGB IX, 4. Auflage, § 61 SGB IX, Rn. 18.

[31] Vgl. BAR 2016: „Nachhaltigkeit von Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe, Handlungsempfehlungen“ abrufbar unter https://www.bar-frankfurt.de/fileadmin/dateiliste/_publikationen/reha_vereinbarungen/pdfs/HENachhaltigkeit20161011.web.pdf, zuletzt abgerufen am 16.12.2022; vgl. auch die zum 01.07.2018 in Kraft getretene „Gemeinsame Richtlinie der Träger der Rentenversicherung nach § 17 Absatz 2 Satz 1 SGB VI für Leistungen zur Nachsorge“, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 31.08.2018.

[32] In diesem Zusammenhang kann auch auf das Modellprojekt „JobProtection“ der DRV Braunschweig-Hannover im Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro“ hingewiesen werden, vgl. https://www.deutsche-rentenversicherung.de/BraunschweigHannover/DE/Ueber-uns/rehapro/rehapro.html, zuletzt abgerufen am 16.12.2022.


Stichwörter:

Nachsorge, Berufliche Rehabilitation, Rehabilitationsträger, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Menschen mit psycho-sozialer Beeinträchtigung


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