16.05.2025 A: Sozialrecht Chou: Beitrag A7-2025
Recht auf Arbeit: Die Politik der geschützten Werkstätten für Menschen mit Behinderungen in Taiwan und die UN-BRK
Die Autorin Yi-Chun Chou (Soochow Universität, Taipeh) beschäftigt sich in diesem Beitrag mit dem auch in Taiwan verbreiteten Konzept der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention.
In ihrem Beitrag skizziert sie zunächst den Rahmen der Erwerbsteilhabe von Menschen mit Behinderungen in Taiwan, beschreibt dann das taiwanische Werkstattsystem und geht sodann auf die Kritik des International Review Committee ein, das die Umsetzung der UN-BRK im Nicht-UN-Mitgliedsstaat Taiwan analog zum regulären Staatenberichtsverfahren der Vereinten Nationen bewertet. Abschließend werden zentrale Erkenntnisse einer Studie zur Umgestaltung der geschützten Werkstätten in Taiwan präsentiert. Der Beitrag schließt mit zusammenfassenden Schlussfolgerungen.
(Zitiervorschlag: Chou: Recht auf Arbeit: Die Politik der geschützten Werkstätten für Menschen mit Behinderungen in Taiwan und die UN-BRK; Beitrag A7-2025 unter www.reha-recht.de; 19.05.2025)
I. Einführung
Obwohl Taiwan in Ostasien liegt, stammen viele der frühen sozialen Dienste für Menschen mit Behinderungen von christlichen und katholischen Organisationen aus Europa. Sie brachten europäische Modelle, einschließlich der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen nach Taiwan. Obwohl diese geschützten Werkstätten als Rehabilitations-, Ausbildungs- oder Beschäftigungseinrichtungen erscheinen, weisen sie institutionelle Merkmale der Isolation und eine Vergütung auf, die unter dem Mindestlohn liegt. Daher steht Taiwan, wie viele europäische Länder, vor den Herausforderungen und Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).
In diesem Artikel werden einige wichtige Punkte abschnittsweise erläutert. Zunächst wird die Beziehung zwischen der Beschäftigungspolitik für Menschen mit Behinderungen in Taiwan und der UN-BRK beschrieben. Anschließend folgt eine Darstellung der Entwicklung der Politik zu den geschützten Werkstätten in Taiwan und deren Zusammenhang mit der UN-BRK. Abschließend werden die Ergebnisse des vom taiwanischen Arbeitsministerium in Auftrag gegebenen Forschungsprojekts zur zukünftigen Umgestaltung der geschützten Werkstätten präsentiert. Dabei werden auch einige bemerkenswerte Phänomene aufgezeigt, die während der Durchführung des Projekts aufgetreten sind und zum Nachdenken anregen.
II. Die Entwicklung der Beschäftigungspolitik für Menschen mit Behinderungen in Taiwan und die UN-BRK
In Taiwan gibt es etwa 1,2 Millionen Menschen mit Behinderungen, was ungefähr 5,1 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht (Ministerium für Gesundheit und Soziales, 2023). Unter der erwerbsfähigen Bevölkerung gibt es etwa 600.000 Menschen mit Behinderungen, aber ihre Erwerbsbeteiligungsrate liegt bei nur 20 Prozent. Diese Rate liegt nicht nur unter der von Deutschland, Österreich und der Schweiz, sondern auch unter der von Japan. Trotz der Umsetzung des „Gesetzes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“ im Jahr 2014 hat sich diese geringe Erwerbsbeteiligung kaum verbessert. Die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderungen liegt in Taiwan über dem nationalen Durchschnitt, und ihr durchschnittliches Monatseinkommen ist niedriger als das der allgemeinen Erwerbsbevölkerung. Dabei haben Männer mit Behinderungen eine höhere Erwerbsbeteiligung und ein höheres Monatsgehalt als Frauen mit Behinderungen (Ministerium für Gesundheit und Soziales, 2020).
Durch die Umsetzung des „Gesetzes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“ im Jahr 2014 hat die taiwanische Regierung Gesetze geändert, um die Bedingungen und Beschränkungen für Menschen mit Behinderungen in bestimmten Berufen, wie bei der Polizei und in der Justiz, aufzuheben. Dies führte zu einer Verbesserung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Aus menschenrechtlicher Perspektive zeigen die Beschäftigungspolitiken Taiwans jedoch weiterhin schützende und isolierende Merkmale. Die familialistischen und produktivistischen Züge des taiwanischen Wohlfahrtssystems, in dem die Familie zentrale Aufgaben wie die wirtschaftliche Absicherung und die Pflegeverantwortung übernimmt und Sozialpolitik primär als Instrument zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, anstatt als Mittel zur Sicherstellung sozialer Rechte der Bürger dient, könnten der Hauptgrund für den Schutzcharakter der Beschäftigungspolitik für Menschen mit Behinderungen sein (Chou, 2021).Diese Merkmale spiegeln sich in Beschäftigungspolitiken wider, einschließlich der Quotenregelung, der geschützten Werkstätten, der Unterstützungsmaßnahmen für blinde Masseure sowie der speziellen Prüfungen für Menschen mit Behinderungen.
In Taiwans öffentlichem und privatem Sektor gibt es Vorschriften zur Quotenregelung für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Wenn öffentliche oder private Organisationen die gesetzlich festgelegten Beschäftigungsquoten nicht erfüllen, drohen ihnen Geldstrafen. Viele große Unternehmen neigen dazu, die Strafen zu zahlen, anstatt Menschen mit Behinderungen einzustellen. Es gibt jedoch auch Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, die die Quoten übererfüllen. Insgesamt übersteigt die Zahl der Menschen mit Behinderungen, die durch das Quotensystem in den öffentlichen und privaten Sektor eintreten, die Zielvorgaben. Dennoch sind viele Menschen mit Behinderungen, die über das Quotensystem ins Berufsleben einsteigen, weiterhin mit Marginalisierung am Arbeitsplatz konfrontiert, etwa durch begrenzte Aufstiegsmöglichkeiten und mangelnde Anerkennung ihrer Fähigkeiten. Dies zeigt, dass das Quotensystem zwar die Chancen von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen kann, aber nicht notwendigerweise ihre volle Teilnahme und ihren Beitrag im Arbeitsleben fördert.
III. Grundlagen der geschützten Werkstätten für Menschen mit Behinderungen in Taiwan
Vor 2007 wurden Werkstätten in Taiwan in medizinischen Rehabilitationszentren, sozialen Betreuungseinrichtungen sowie in der Arbeitsausbildung und -beschäftigung eingerichtet. Die Bedingungen für Menschen mit Behinderungen waren unterschiedlich, was zu vielen Kontroversen führte. Im Jahr 2007 wurden Werkstätten durch eine Gesetzesänderung auf geschützte Beschäftigung beschränkt, und diese Einrichtungen bieten seither keine Ausbildung mehr an. Derzeit gibt es in Taiwan insgesamt 167 Werkstätten, von denen etwa 75 Prozent von gemeinnützigen Organisationen und 25 Prozent von Unternehmen betrieben werden. Insgesamt gibt es etwa 2.140 behinderte Beschäftigte, von denen über 80 Prozent Menschen mit geistigen Behinderungen, Autismus oder psychischen Beeinträchtigungen sind.
Menschen mit Behinderungen, die in geschützten Werkstätten arbeiten möchten, müssen zunächst eine Bewertung durch das Berufsrehabilitationszentrum der Stadt- oder Kreisregierungen Taiwans durchlaufen. Sie müssen die Bedingung erfüllen, dass sie „arbeitswillig, aber nicht in der Lage sind, in den regulären Arbeitsmarkt einzutreten“, um die Berechtigung für den Eintritt in eine geschützte Werkstatt zu erhalten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie automatisch aufgenommen werden, da die Werkstätten je nach den Anforderungen ihrer Produktion entscheiden können, ob sie eine Person mit Behinderung einstellen.
Ein widersprüchliches Phänomen besteht darin, dass geschützte Werkstätten gemäß den taiwanischen Vorschriften als private Unternehmen gelten, die staatliche Subventionen erhalten, obwohl die meisten von Non-Profit-Organisationen betrieben werden. Da es sich um private Unternehmen handelt, müssen sie auch die Betriebskosten und Gewinne berücksichtigen. Aus diesem Grund wählen viele geschützte Werkstätten bevorzugt Personen mit höheren Arbeitsfähigkeiten aus. In den geschützten Werkstätten in Taiwan haben über 70 Prozent der behinderten Mitarbeiter leichte bis mittelschwere Behinderungen. Offensichtlich hat sich nach der Umwandlung der Werkstätten in private Unternehmen die Leistungsfähigkeit der „bedienten“ Zielgruppe deutlich erhöht.
Die Mitarbeiter in geschützten Werkstätten haben im Vergleich zur Vergangenheit eine höhere Leistungsfähigkeit, werden jedoch gemäß dem Gesetz nur „nach ihrer Produktivität entlohnt“. Das bedeutet, dass sie legal unter dem Mindestlohn verdienen können, obwohl sie den Schutz der Sozialversicherung genießen. Wenn die Werkstätten eine behinderte Mitarbeiterin oder einen behinderten Mitarbeiter entlassen möchten, müssen sie lediglich eine Bewertung des Berufsrehabilitationszentrums durchführen lassen. Stellt sich dabei heraus, dass die Arbeitsfähigkeit der behinderten Person nicht den Anforderungen der Werkstatt entspricht, muss diese keine Abfindung zahlen. Derzeit liegt das durchschnittliche Monatsgehalt der Beschäftigten in Werkstätten zwischen 6.000 und 9.000 NTD.[1] Über 60 Prozent der Beschäftigten in Werkstätten verdienen weniger als die Armutsgrenze von 11.000 NTD, während der Mindestlohn in Taiwan 27.400 NTD beträgt. Abhängig von der finanziellen Situation der Familie und dem Grad der Behinderung können Menschen mit Behinderungen in Taiwan eine monatliche Lebensbeihilfe von 3.500 bis 8.200 NTD erhalten. Das Gehalt der meisten behinderten Beschäftigten in Werkstätten, kombiniert mit der Lebensbeihilfe, erreicht jedoch nicht den Mindestlohn und reicht nicht aus, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
IV. Die Politik zu geschützten Werkstätten für Menschen mit Behinderungen nach der UN-BRK
Nachdem Taiwan 2014 die UN-BRK in nationales Recht überführt hatte, wurden bis 2024 bereits zwei nationale Berichte eingereicht und internationale Überprüfungen durchgeführt. Da Taiwan selbst nicht Mitglied der UN ist, erfolgte die Überprüfung durch ein von der taiwanischen Regierung eingeladenes, unabhängiges Expertengremium (International Review Committee, IRC). In den Jahren 2016 und 2021 wurden der erste und der zweite nationale Bericht eingereicht, und in den Jahren 2017 und 2022 fanden die erste und zweite internationale Überprüfung statt. In den beiden abschließenden Bemerkungen des IRC zu den Werkstätten wurde festgestellt, dass diese Werkstätten verhindern, dass Menschen mit Behinderungen in den offenen Arbeitsmarkt integriert werden. Die taiwanische Regierung wurde aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um die Werkstätten schrittweise abzubauen und behinderten Beschäftigten in Werkstätten den Übergang in den regulären Arbeitsmarkt zu ermöglichen (International Review Committee, 2017).
Nach der ersten Überprüfung des nationalen Berichts entschied sich das taiwanische Arbeitsministerium jedoch dafür, die Werkstätten weiterhin zu unterstützen, indem es deren Vermarktung förderte und den Verkauf ihrer Produkte an die Öffentlichkeit ankurbelte, um so die Löhne der behinderten Mitarbeiter zu erhöhen und den Weiterbetrieb der Werkstätten zu sichern. Dies zeigt, dass das Ministerium keinerlei Absicht hatte, den Empfehlungen des IRC zu folgen und einen Ausstiegsplan für geschützte Werkstätten zu entwickeln. Da jede Werkstatt in Taiwan im Durchschnitt nur 13 bis 14 Beschäftigte hat, sind ihre Produktionskapazitäten selbst bei größeren Bestellungen begrenzt, was bedeutet, dass der Effekt auf die Lohnerhöhungen gering bleibt.
Nach der zweiten internationalen Überprüfung wurden die Kritikpunkte des IRC stärker betont. Neben der Aufforderung an die Regierung, Maßnahmen zu ergreifen, um Werkstätten schrittweise abzubauen und den Übergang in den regulären Arbeitsmarkt zu unterstützen, wurde hervorgehoben, dass Menschen mit Behinderungen in Werkstätten symbolische wirtschaftliche Aktivitäten ausüben, sich mit sich wiederholenden Aufgaben beschäftigen und symbolische Löhne erhalten, die an die Produktivität gekoppelt sind. Menschen mit Behinderungen in Werkstätten könnten keine Ausbildung erhalten oder in den offenen Arbeitsmarkt wechseln und seien in einem ausbeuterischen System gefangen, so das IRC. Die Werkstätten verhinderten, dass Menschen mit Behinderungen voll am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und förderten einen auf Behinderungen basierenden segregierten Arbeitsmarkt, was eine Form der Diskriminierung darstelle (International Review Committee, 2017).
In Reaktion auf diese deutlich formulierten abschließenden Bemerkungen begann das taiwanische Arbeitsministerium, über Möglichkeiten nachzudenken, wie Menschen mit Behinderungen aus geschützten Werkstätten in den regulären Arbeitsmarkt überführt werden können. Diese Ansätze legen jedoch viel Verantwortung auf die Betreiber der Werkstätten. Die Regierung bietet finanzielle Anreize, um die Bereitschaft der Werkstätten zu erhöhen, Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Allerdings zeigen die meisten Werkstätten wenig Interesse an diesem Modell. Hauptgründe dafür sind, dass die Anreize nicht attraktiv genug sind und den Betrieb der Werkstätten stören könnten. Zudem bleibt die Integration von Menschen mit geistigen Behinderungen im regulären Arbeitsmarkt weiterhin eingeschränkt. Viele Werkstätten zögern auch, ihre fähigsten behinderten Mitarbeitenden in den regulären Arbeitsmarkt zu überführen. Da die Regierung keine konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung am Arbeitsplatz gegenüber Menschen mit geistigen Behinderungen ergriffen hat und angemessene Vorkehrungen am Arbeitsplatz noch nicht gesetzlich verankert sind, bleibt unklar, wie wirksam dieser Ansatz letztlich sein wird.
V. Wesentliche Überlegungen zur Umgestaltung von geschützten Werkstätten
Die Autorin dieses Artikels wurde in den Jahren 2023 bis 2024 vom taiwanischen Arbeitsministerium beauftragt, ein Forschungsprojekt zur „Umgestaltung der geschützten Werkstätten in Taiwan“ durchzuführen. In diesem Forschungsprojekt wurden durch Interviews und Fokusgruppen zahlreiche bedeutende Empfehlungen und Überlegungen zur Umgestaltung der geschützten Werkstätten in Taiwan entwickelt. Diese Empfehlungen und Überlegungen sind wie folgt zusammengefasst:
1. Herausforderungen und Risiken der staatlichen Lohnzuschüsse
Zunächst schlugen viele geschützte Werkstätten vor, dass die Regierung die Löhne der behinderten Mitarbeitenden bis zum Mindestlohn bezuschussen könnte, um das Problem der Diskriminierung durch niedrige Löhne zu lösen. Dieser Vorschlag ist jedoch nicht ohne Risiko, da die Löhne der behinderten Mitarbeitenden variieren. Es ist noch unklar, ob die staatlichen Lohnzuschüsse in Form eines einheitlichen Betrags für alle behinderten Mitarbeitenden gewährt werden oder ob sie je nach individuellem Lohnunterschied variieren sollten. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befürchten, dass eine staatliche Lohnzuschussregelung dazu führen könnte, dass die geschützten Werkstätten kein Interesse daran haben, die Löhne der behinderten Mitarbeitenden selbst zu erhöhen.
2. Die Ressourcenherausforderungen kleiner Werkstätten und ihr Widerstand gegen den Wandel
Obwohl die UN-BRK in Taiwan bereits seit zehn Jahren umgesetzt wird und viele geschützte Werkstätten zunehmend das Engagement der Konvention für inklusive Arbeitsplätze verstehen, gibt es weiterhin unterschiedliche Meinungen zur Umgestaltung. Diese Meinungen variieren je nach Größe der Werkstätten. Die kleinsten geschützten Werkstätten in Taiwan beschäftigen oft nur sechs behinderte Mitarbeitende und verfügen über wenige Fachkräfte und begrenzte finanzielle Ressourcen, weshalb sie einer Umgestaltung eher ablehnend gegenüberstehen. Allerdings verfügen nicht alle kleinen geschützten Werkstätten über wenige Ressourcen. In Taiwan gibt es keine Beschränkungen, die verhindern, dass reguläre Unternehmen geschützte Werkstätten gründen. Viele kleine Unternehmen, insbesondere in der Druckindustrie, haben aufgrund der Regelung, dass die Regierung Vorrang bei der Beschaffung von Produkten aus geschützten Werkstätten gewährt, solche Werkstätten eingerichtet. Diese Werkstätten sind zwar klein, aber oft durchaus profitabel und lehnen sowohl die Umgestaltung der geschützten Werkstätten als auch die Haltung der Konvention gegenüber den Werkstätten öffentlich ab.
3. Ressourcen und Herausforderungen der Umgestaltung mittelgroßer und großer Werkstätten
Mittelgroße Werkstätten mit etwa zwölf bis 24 Mitarbeitenden sowie große Werkstätten mit bis zu 50 Mitarbeitenden verfügen über vergleichsweise mehr Ressourcen, um den Wandel voranzutreiben, etwa indem sie sich zu Schulungseinrichtungen entwickeln oder Unternehmen werden, die in der Lage sind, ihren behinderten Mitarbeitenden den Mindestlohn zu zahlen. Dennoch bleibt umstritten, ob Schulung und Beschäftigung in derselben Werkstatt parallel angeboten werden können. Die Umgestaltung erfordert jedoch auch die Bereitstellung entsprechender Ressourcen seitens der Regierung. Mittelgroße und große Werkstätten erwarten, dass die Regierung sie bei diesem Wandel durch Ressourcen unterstützt, anstatt lediglich Anforderungen zu stellen, ohne die notwendige Hilfe zu bieten.
4. Bedenken von Beschäftigten und Eltern gegenüber der Umgestaltung geschützter Werkstätten
Viele behinderte Mitarbeitende in geschützten Werkstätten sowie ihre Eltern lehnten in den Interviews oder Besprechungen, die im Rahmen des Forschungsprojekts stattfanden, eine Umgestaltung der Werkstätten ab. Sie befürworten zwar eine Erhöhung der Löhne der behinderten Mitarbeitenden, sprechen sich jedoch gegen eine Umgestaltung aus. Die behinderten Mitarbeitenden schätzen die Begleitung durch Fachkräfte und Kollegen in den Werkstätten und möchten nichts an der aktuellen Situation ändern, da sie dort auch ein Gehalt erhalten. Die Eltern der behinderten Mitarbeitenden sorgen sich, dass ihre Kinder im regulären Arbeitsmarkt auf Ablehnung und Frustration stoßen könnten. Zudem befürchten sie, dass diese die beruflichen Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht erfüllen könnten und möglicherweise arbeitslos würden. Im Vergleich zu den geschützten Werkstätten, in denen ihre Töchter bzw. Söhne zwar keinen Mindestlohn verdienen, aber eine sichere Beschäftigung haben, ziehen sie es vor, dass die Werkstätten nicht umgestaltet werden.
VI. Schlussfolgerung
Die Kritik des IRC an den geschützten Werkstätten in Taiwan umfasst sowohl die niedrigen Löhne als auch die Isolation. In Taiwan gibt es jedoch weiterhin große Kontroversen bezüglich der Kritik an der Isolation. Da die Anzahl der Beschäftigten in jeder Werkstatt in Taiwan maximal 50 und minimal sechs beträgt, ist die Ansiedlung in der Gemeinschaft einfach. Darüber hinaus können die von den Werkstätten hergestellten Produkte und Dienstleistungen besser verkauft werden. Daher befinden sich die meisten Werkstätten in Taiwan tatsächlich in dicht besiedelten Gemeinden, was es den behinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglicht, mit der Gemeinschaft in Kontakt zu treten. Eine Isolation von der Gemeinschaft ist in Taiwan somit nicht der Fall.
Die Isolation vom Arbeitsmarkt hingegen ist eine unbestreitbare Tatsache. In Bezug auf Löhne und Abfindungen unterscheiden sich die geschützten Werkstätten stark vom allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie bilden ein separates System, das speziell für Menschen mit Behinderungen geschaffen wurde, was auch der Grund dafür ist, dass die Werkstätten schrittweise abgeschafft werden sollten. Allerdings sind die geschützten Werkstätten in Taiwan bereits seit Langem etabliert und strukturell stark verankert, was Veränderungen erschwert. In der Wahrnehmung vieler Menschen in Taiwan ist die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen fast gleichbedeutend mit geschützten Werkstätten. Da in Taiwan weder Antidiskriminierungsgesetze noch angemessene Vorkehrungen am Arbeitsplatz gesetzlich verankert sind, haben viele Menschen mit geistigen Behinderungen kaum Alternativen, außer zuhause zu bleiben oder in geschützten Werkstätten zu arbeiten. Ob die geschützten Werkstätten im Sinne der UN-BRK umgestaltet und verändert werden können, hängt von vielen Einflussfaktoren ab. Zahlreiche Hürden müssen überwunden werden, um eine echte Veränderung herbeizuführen.
Literaturverzeichnis
Chou, Y. C. (2018). Sheltered workshop policies for people with disabilities in Taiwan and Japan. In G. Wansing, F. Welti, & M. Schäfers (Eds.), The Right to Work for Persons with Disabilities: International Perspectives (pp. 343–357). Nomos-Verlag.
Chou, Y. C. (2021). Care or employment? A comparison of post-UN CRPD sheltered workshop policies in East Asia and Germany. In M. Ganner, C. Voithofer, & F. Welti (Eds.), The implementation of the UN Convention on the Rights of Persons with Disabilities in Austria and Germany (pp. 193–204). Innsbruck University Press.
Chou, Y. C., Nakagawa, J., & Yoo, E. J. (2023). Does the CRPD matter? A comparison of sheltered workshop policies in Japan, Taiwan, and South Korea. In S. Robinson & K. Fischer (Eds.), Research Handbook of Disability Policy (pp. 741–755). Edward Elgar.
Ministry of Health and Welfare. (2023). Disability demographics. Retrieved from https://dep.mohw.gov.tw/dos/cp-5224-62359-113.html, zuletzt abgerufen am 16.05.2025.
Ministry of Health and Welfare. (2020). Implementation of the CRPD Second Report Submitted under Article 35 of the Convention. Retrieved from https://crpd.sfaa.gov.tw/BulletinCtrl?func=getBulletin&p=b_2&c=D&bulletinId=1510, zuletzt abgerufen am 16.05.2025.
International Review Committee (IRC). (2017). Concluding observations of the initial report of the Republic of China (Taiwan) on the Convention on the Rights of Persons with Disabilities (CRPD). Retrieved from https://crpd.sfaa.gov.tw/BulletinCtrl?func=getBulletin&p=b_2&c=D&bulletinId=261, zuletzt abgerufen am 16.05.2025.
International Review Committee (IRC). (2022). Concluding observations of the second report of the Republic of China (Taiwan) on the Convention on the Rights of Persons with Disabilities (CRPD). Retrieved from https://crpd.sfaa.gov.tw/BulletinCtrl?func=getBulletinList&p=b_1&page=1&rows=15&c=D&t=31, zuletzt abgerufen am 16.05.2025.
Beitrag von Yi-Chun Chou, Professorin, Institut für Soziologie der Soochow Universität, Taiwan
Fußnoten
[1] Das entspricht etwa 170–256 €.
Stichwörter:
Internationales, Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), Teilhabe am Arbeitsleben, Geschützte Beschäftigungsverhältnisse
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